Protocol of the Session on December 12, 2002

So war die nächste Frage, ob es vor einem erneuten Personalabbau eine weitere Rahmenvereinbarung geben werde. Die Antwort der Landesregierung lautete, man werde dies prüfen. - Inzwischen hat uns auch hier das Leben eingeholt. Das Stellenabbaukonzept liegt mit dem Haushaltsplanentwurf vor. Offensichtlich ist diese Prüfung mit dem Ergebnis „nein“ abgeschlossen worden.

Alle Antworten auf die Große Anfrage machen deutlich, dass die Fragen des Reformprozesses uns noch in vielen Bereichen harte Auseinandersetzungen bescheren werden. Ihre Fehler auf diesem Gebiet werden uns lange verfolgen. Bei den schwersten Fehlern war nicht einmal Geld im Spiel. - Danke schön.

(Zustimmung bei der PDS)

Für die Landesregierung erteile ich Minister Herrn Jeziorsky das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Große Anfrage gibt mir die Gelegenheit, die Leitlinie für die Verwaltungs- und Funktionalreform darzulegen.

Unser Reformvorhaben gliedert sich in einen ersten Baustein zur Reform der staatlichen Verwaltung und in einen zweiten Baustein zur Übertragung von staatlichen Aufgaben auf die kommunale Ebene. Den dritten Baustein wird die interkommunale Aufgabenverlagerung bilden.

Meine Damen und Herren! Mit dieser Vorgehensweise verdeutlicht die Landesregierung, dass eine Reform der

öffentlichen Verwaltung zunächst auf der staatlichen Ebene beginnen muss.

(Zustimmung von Frau Weiß, CDU)

Diese Herangehensweise unterscheidet die jetzige Landesregierung von der Vorgängerregierung, die mit ihrem Ersten Vorschaltgesetz vom 5. Dezember 2000 den Schwerpunkt allein auf eine Veränderung kommunaler Strukturen gelegt hatte.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Das ist ein Witz! - Frau Kachel, SPD: Das stimmt doch nicht!)

Dabei ist festzuhalten, dass die Vorgängerregierung zunächst neue Strukturen schaffen wollte, ohne sich über den Aufgabenbestand der jeweiligen Verwaltungsbehörden im Klaren zu sein.

(Frau Kachel, SPD: Das kann nicht wahr sein!)

Erst nach der Verabschiedung des Dritten Vorschaltgesetzes wurde zum Ende der vergangenen Legislaturperiode mit dem Beschluss des Landtages vom 17. Januar 2002 der Aufgabenbestand für die einzelnen Verwaltungsebenen grob umrissen.

(Frau Bull, PDS: Wollen Sie uns die Tasche voll- hauen?)

Wir sind grundsätzlich anderer Auffassung. Behördenstrukturen sind kein Selbstzweck; erst müssen die Aufgaben konkret festgelegt werden, dann die Struktur.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Einbringung des Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetzes hat die Landesregierung den ersten Schritt zur Verwaltungsmodernisierung getan. Anstelle der drei Regierungspräsidien, die jeweils für ihre Region die Koordinierung und Bündelung staatlicher Aufgaben wahrnehmen, wird ab 1. Januar 2004 ein Landesverwaltungsamt die staatlichen Vollzugsaufgaben wahrnehmen.

Es ist das Ziel - der Ihnen vorliegende Entwurf des Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetzes sieht das ausdrücklich vor -, die Aufgaben des künftigen Landesverwaltungsamtes jeweils nur an einem Standort wahrnehmen zu lassen. Die Querschnitts- und Leitungsaufgaben sowie die Aufgaben, die vorrangig Koordinierungs- und Bündelungscharakter haben, werden am Hauptsitz in Halle, die weniger koordinierungs- und bündelungsrelevanten Aufgaben in den Nebenstellen in Magdeburg und Dessau wahrgenommen.

Der Gesetzentwurf legt ebenfalls fest, welche Kriterien bei der Verlagerung von Aufgaben von Sonderbehörden auf das Landesverwaltungsamt zugrunde zu legen sind. Nach der Verabschiedung des Gesetzes wird die Landesregierung daher unverzüglich entscheiden, welche Sonderbehörden oder Teile von diesen in das Landesverwaltungsamt eingegliedert werden.

Meine Damen und Herren! Die Modernisierung der Landesverwaltung beschränkt sich jedoch nicht nur auf den Ab- und Umbau von Landesbehörden; vielmehr soll sie auch die inneren Strukturen der Behörden optimieren. § 2 des Entwurfs des Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetzes verpflichtet zur systematischen Erfassung des gesamten Aufgabenbestandes innerhalb der mittelbaren und der unmittelbaren Landesverwaltung bis zum 30. Juni 2003.

Zunächst kann im Sinne einer Zweckkritik die Notwendigkeit der Durchführung einer Aufgabe überprüft wer

den. Die Erfassung des Aufgabenbestands soll aber auch die Überprüfung der Art und Weise der Aufgabenerfüllung und damit eine Vollzugskritik ermöglichen. Erweist sich eine staatliche Aufgabe danach als weiterhin unverzichtbar, wird die Möglichkeit der Erledigung durch Private zu prüfen sein. Eine Voraussetzung ist jedoch, dass ein Wettbewerb am Markt möglich ist und dass ein Privater die Aufgabe wirtschaftlicher und wirksamer als die öffentliche Verwaltung erfüllen kann.

Sollte sich die Aufgabe als nicht privatisierbar erweisen, so ist die Aufgabe zu kommunalisieren. Erst wenn die Aufgabe nicht wirtschaftlicher und zweckmäßiger durch die Kommunen erledigt werden kann, ist sie durch das Landesverwaltungsamt wahrzunehmen. Durch dieses im Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetz vorgegebene Prüfraster ist die gesamte unmittelbare Landesverwaltung in der Pflicht zu begründen, warum eine Aufgabe weder privatisiert noch kommunalisiert werden kann und weiterhin durch Landesdienststellen wahrgenommen werden muss.

Ein so umfassendes Vorhaben kann nur mithilfe einer Datenbank durchgeführt werden. Mein Haus hat ein Datenerhebungsprogramm zur Erfassung und zur weiteren Behandlung der Aufgaben in der öffentlichen Verwaltung des Landes Sachsen-Anhalt entwickelt und dieses mit den anderen Ressorts sowie den kommunalen Spitzenverbänden abgestimmt.

(Zuruf von Herrn Dr. Püchel, SPD)

- Darauf komme ich gleich.

Die Nutzung dieser Datenbank, die in der vergangenen Legislaturperiode nicht mehr zur Anwendung kam - sie war schon vorhanden -, lässt auch eine Erfassung des finanziellen Aufwandes zu, der für die Veränderung des Finanzausgleichs zwischen dem Land und den Kommunen im Zuge der Funktionalreform von wesentlicher Bedeutung ist.

Ein weiteres wichtiges Element der Binnenmodernisierung stellt das Electronic Government dar. Darunter fällt nicht nur die Verbesserung der Beziehungen zwischen dem Bürger und der Verwaltung über elektronische Zugangswege; damit werden vielmehr alle wechselseitigen Beziehungen zwischen Bürgern, Wirtschaftsunternehmen, Politik, Regierung und Verwaltung erfasst.

Ein Beispiel für die Neugestaltung der Beziehung zwischen der Verwaltung und den Bürgern stellt das „Liegenschaftskataster online“ dar. Auszüge aus dem Liegenschaftskataster sollen zukünftig mit elektronischen Online-Diensten rund um die Uhr direkt vom häuslichen PC aus abgefragt werden können.

Aber auch die Beschaffung von Gütern für die Behörden der Landesverwaltung soll zukünftig auf elektronischem Wege ermöglicht werden. Dies ermöglicht nicht nur einen erleichterten Zugang von Unternehmen zur öffentlichen Verwaltung, sondern wird nach den Erfahrungen des Bundes und anderer Bundesländer auch zu Kosteneinsparungen führen.

Meine Damen und Herren! Die Funktionalreform stellt den zweiten gesetzgeberischen Baustein zur Verwaltungsmodernisierung dar. Auch hier hat die Vorgängerregierung den Fehler begangen, mit dem Zweiten Vorschaltgesetz vom 15. Mai 2001 zunächst Größenklassen für die kommunalen Körperschaften festzulegen, ohne dabei deren Aufgabenbestand abschließend zu definieren.

Die von uns beabsichtigte Funktionalreform vermeidet diesen Fehler. Zunächst wird der von der kommunalen Ebene zu übernehmende Aufgabenbestand festgelegt. Ziel dieses Reformvorhabens ist es nämlich, staatliche Aufgaben so weit wie möglich ortsnah zu erledigen. Dabei sollen Aufgabenzuständigkeiten so geregelt werden, dass deren Erledigung bürgerfreundlich und gleichzeitlich wirtschaftlich erfolgen kann.

Leitlinie für die zu übertragenden Aufgaben wird die Entschließung des Landtages vom 17. Januar 2002 sein. Mit der Verabschiedung eines Gesetzentwurfes zur Funktionalreform, dessen Einbringung für das erste Quartal des Jahres 2003 geplant ist, wird der Landtag abschließend die zu übertragenden Aufgaben bestimmen. Von daher kann die Beantwortung einiger Fragen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht erfolgen.

Auch bei der Funktionalreform müssen die Behördenstrukturen den Aufgaben folgen. Wenn man die derzeit in Sachsen-Anhalt vorhandenen kommunalen Strukturen betrachtet, kann festgestellt werden, dass die Landkreise und kreisfreien Städte bereits jetzt in der Lage sind, weitere staatliche Aufgaben zu erfüllen.

Dies belegt, meine Damen und Herren, auch ein Blick über die Landesgrenzen. Außerhalb Sachsen-Anhalts existieren 50 Landkreise, die unter der Durchschnittsgröße von Landkreisen in Sachsen-Anhalt liegen. Trotz der in diesen Ländern durchgeführten Kommunal- und Verwaltungsreformen wurde deren Existenzberechtigung nicht infrage gestellt.

Meine Damen und Herren! Den dritten gesetzgeberischen Baustein der Verwaltungsmodernisierung stellt die interkommunale Aufgabenverlagerung dar, die nicht nur Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises zum Inhalt hat, sondern auch Selbstverwaltungsaufgaben.

Auch bei Selbstverwaltungsaufgaben kann im Interesse des Gemeinwohls und der Effizienz eine gemeinsame Erledigung angezeigt sein. Hierfür bietet das Gesetz über die kommunale Gemeinschaftsarbeit zwar ein Instrumentarium; dieses ist allein jedoch nicht ausreichend. Daher sollen möglichst frühzeitig und parallel zur Funktionalreform geeignete Instrumentarien für eine gemeinsame Tätigkeit von Kommunen geschaffen werden. Dies wird Anfang 2003 in einem ersten Schritt durch die Novellierung des Rechts der Verwaltungsgemeinschaften, auf konkrete gemeindliche Aufgaben bezogen, und in einem zweiten Schritt durch eine Novellierung des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit in mehr genereller Hinsicht geschehen.

Mit dieser Abfolge des Reformprozesses wird sichergestellt, dass jegliche Verwaltungsstruktur rein aufgabenbezogen und nicht lediglich an Zahlengrößen ausgerichtet ist und nur aus diesem Grund auch Veränderungen im Sinne einer Optimierung unterliegen kann.

Zusammenfassend stelle ich daher fest, dass Grundlagen für die Modernisierung aller Zweige der öffentlichen Verwaltung in diesem Jahr gelegt wurden. Bis Ende 2003 werden die geplanten Maßnahmen weitgehend abgeschlossen oder zumindest sehr weit auf den Weg gebracht sein.

Meine Damen und Herren! Ich denke, dass mit meinen Ausführungen das Konzept der Landesregierung zur Modernisierung der öffentlichen Verwaltung deutlich geworden ist. Ich bitte dabei abschließend zu beachten, dass wir nach einem guten halben Jahr der Regierungsübernahme doch ein beträchtliches Stück des Weges

vorangekommen sind, den die Vorgängerregierung in acht Jahren Regierungszeit nicht zurücklegen konnte.

Gleichzeitig dürfte deutlich geworden sein, dass die geplante Reform von uns auch tatsächlich umgesetzt wird und sich nicht in Vorschaltgesetzen und bloßen Entschließungsanträgen erschöpft. Unsere Reformmethodik lautet: Akzeptanz durch Überzeugung, Mitgestaltung und Freiwilligkeit.

Ich lade Sie, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, zur konstruktiven Mitarbeit an diesem Prozess gern ein. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Jeziorsky. - Wir treten nun in die Debatte zu der Großen Anfrage ein. Zunächst erteile ich für die SDP-Fraktion Herrn Dr. Püchel das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Große Anfrage der PDS hätte der Landesregierung die Möglichkeit geboten, ihre Vorstellungen zu einer umfassenden Verwaltungs- und Funktionalreform darzustellen. Ich sage „hätte“, denn wer dieses erwartet hatte, wurde beim Lesen enttäuscht. Leider gibt die Antwort nicht viel her. Sie ist nicht nur im Umfang recht dünn geraten, sondern auch im Inhalt.

(Zustimmung bei der SPD)

Eines wird wieder einmal deutlich: Diese Regierung hat gar kein Konzept für eine umfassende Funktional- und Landesverwaltungsreform. Was der Innenminister eben vorgetragen hat, war kein Konzept, sondern Zitate aus einem Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetzentwurf.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie davon sprechen, was Sie im letzten Halbjahr geleistet haben, dann kann ich in dieser Hinsicht nur sagen: Sie haben das Land, die Entwicklung des Landes um drei Jahre zurückgeworfen. Das ist der Erfolg von einem halben Jahr.

(Beifall bei der SPD)