Protocol of the Session on December 12, 2002

Ich möchte den Juso-Vorsitzenden zitieren, der sich seinerzeit bei der Ladenschlussdebatte über Kanzler Schröder und seine Art, mit dem Thema Ladenschluss

umzugehen, geäußert hat. Der damalige Juso-Vorsitzende Mikfeld sagte seinerzeit:

„Schröder ist der erste Kanzler, der kein Bild von der Gesellschaft hat und Politik nach Lust und Laune macht.“

Diese Beliebigkeit befürchte ich auch bei dem, was der Kanzler zum Ladenschluss in der letzten Woche vorgetragen hat.

Deswegen verweise ich nochmals auf die Initiative der Koalitionsfraktionen. Wir werden anders als die SPDFraktion wohl überlegt eine vernünftige Bundesratsinitiative einbringen; denn das Leben ist nicht ganz so einfach, wie es in dem Änderungsantrag der SPD-Fraktion erscheint.

(Herr Schomburg, CDU: So ist es!)

Wenn Sie sagen, die Läden sollen ohne Ausnahme von Samstag 20 Uhr bis Montag 0 Uhr schließen, dann frage ich Sie, wie wir das mit den Sonderöffnungszeiten an Samstagen und an Sonn- und Feiertagen etwa bei Apotheken machen wollen, die in unserem Antrag noch enthalten sind. Wollen wir das bei den Tankstellen sein lassen? Sollen die Tankstellen jetzt dichtmachen? Soll der Verkauf im Leipziger Hauptbahnhof vielleicht unberührt bleiben?

(Frau Dr. Kuppe, SPD: Haben Sie das nicht gele- sen? - Herr Dr. Püchel, SPD: Das ist unter Ihrem Niveau!)

Das ist schlichtweg bei dem Änderungsantrag nicht bedacht worden, den Sie so hoppla-hopp aus dem Bauch heraus in den Raum gestellt haben.

Deswegen spricht mehr für unseren Antrag. Ich bitte Sie, dass Sie diese Bundesratsinitiative, die wohl durchdacht ist, unterstützen, damit aus Sachsen-Anhalt ein Zeichen der Deregulierung in den Bund hinausgeht, dass Sachsen-Anhalt auf dem Weg der Modernisierung ist und diesen Trend bundesweit kräftig unterstützen wird. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank)

Vielen Dank, Herr Gürth. Möchten Sie noch eine Frage des Herrn Abgeordneten Püchel beantworten?

Herr Kollege, ich bewundere Ihren Mut und Ihre Spontanität, weil das nicht in der Koalitionsvereinbarung fixiert ist, Sie es aber trotzdem vorschlagen. Einfach klasse. Das hätte ich nicht erwartet.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der SPD)

Jetzt zu meiner Frage. Sie haben eben genau gewusst, was der Kanzler im Jahr 2000 und im Jahr 2001 gemacht hat. Sie wussten genau, was Herr Mikfeld gesagt hat. Ist Ihnen auch bekannt, dass die alte Landesregierung schon im Jahr 1999 eine gleiche Initiative ergriffen hatte, dass es also nicht neu ist, was Sie machen, sondern auf dem beruht, was wir im Jahr 1999 beschlossen

und in die Ministerkonferenzen eingebracht hatten, in der die Südländer dem allerdings nicht zugestimmt haben?

Herr Abgeordneter Püchel, ich danke Ihnen außerordentlich für diese Frage. Ich werde Ihnen nach meinem Redebeitrag gern die Auszüge aus den Plenarprotokollen über die drei Debatten im Landtag aus dem Jahr 1999 und dem Jahr 2000 geben. Daran wird die Position der SPD zum Thema Ladenschluss ganz deutlich, die man mit einem Satz beschreiben kann: Echternacher Springprozession.

Sie können in Ihren Redebeiträgen und in Ihren Initiativen nachlesen, dass die SPD beim Thema Ladenschluss je nach der Klientel, die im Auditorium saß, in Gestalt der damaligen Sozialministerin Kuppe oder des damaligen Wirtschaftsministers Gabriel entweder für den schärfsten Arbeitnehmerschutz oder für eine weitgehende Liberalisierung war. Ich empfehle Ihnen, die Landtagsprotokolle nachzulesen, und Sie werden sehen, dass bei uns eine Konsistenz und eine klare Linie zu erkennen ist, die wir bis heute beibehalten haben. Sie sind jetzt umgeschwenkt, warum nicht? Unterstützen Sie unsere Initiative.

(Beifall bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank - Frau Dr. Kuppe, SPD: Also, Herr Gürth, lesen Sie doch wenigstens den An- trag! - Herr Dr. Püchel, SPD: Lesen Sie es doch einmal!)

Herr Gürth, es gibt weitere Wünsche, Ihnen Fragen zu stellen. Möchten Sie darauf antworten?

Dann bitte.

Herr Kollege Gürth, was Sie zuletzt sagten, provoziert mich doch zu der Frage, ob Ihnen nicht mehr in Erinnerung ist, dass die damalige Landesregierung auf Initiative der Arbeitsministerin Frau Dr. Kuppe im Jahr 1999 eine weitreichende Initiative unternommen hat, die genau diesen Paradigmenwechsel beinhaltete, der jetzt in unserem Antrag enthalten ist. Die damalige Initiative war durchaus auch als Reaktion auf das Sommertheater zu verstehen gewesen, das im Jahre 1999 beginnend im Freistaat Sachsen und dann auch in Halle von Ihren Parteifreunden veranstaltet worden war.

Herr Kollege Rothe, ich möchte mit Ihnen wetten, um was auch immer Sie wollen, dass mir die Vorgänge besser als Ihnen in Erinnerung sind.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Wir testen es! - Zuruf von Herrn Dr. Höppner, SPD)

- Ich habe die Protokolle vorliegen und kann Sie Ihnen sofort zum Nachlesen in die Hand geben.

Wir hatten seit dem Jahr 1999 insgesamt drei Debatten zum Ladenschluss im Landtag, zweimal auf Antrag der PDS- und einmal auf Antrag der CDU-Fraktion.

Die Debatte auf Antrag der CDU-Fraktion war deswegen erforderlich, Herr Kollege Püchel, weil die Mitglieder Ihrer Landesregierung seinerzeit über Monate je nach Veranstaltung unterschiedliche Positionen im Land vertreten hatten. Deswegen musste der Landtag hier in diesem Hause die damalige SPD-Regierung auffordern, sich auf eine Position zu verständigen und im Ausschuss zu erklären, was sie beim Thema Ladenschluss eigentlich will.

Im März des Jahres 1999 hatte sich Ministerin Frau Kuppe im Landtag dazu geäußert. Ich will nicht sagen, liberal und weltoffen, vielmehr war es sehr schwer, eine klare Linie zu erkennen.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Quatsch!)

Selbst auf Anfragen der PDS-Fraktion wich Frau Kuppe einer klaren Aussage aus. Es war deutlich erkennbar, dass man sich einer Liberalisierung gedanklich genähert, aber nach Gesprächen mit den Gewerkschaften verschreckt davon wieder Abstand genommen hatte.

Als die klare Frage an die damalige SPD-geführte Landesregierung gestellt wurde, wie sie zum Ladenschluss stehe, verwies sie darauf, man könne noch gar nichts sagen, weil nach der bereits erfolgten kleinen Änderung des Ladenschlussgesetzes - noch unter der Regierung Kohl - eine Studie beim Ifo-Institut München in Auftrag gegeben worden sei, die erst im Herbst vorliege.

Als die Studie im Herbst vorlag, haben wir erneut diskutiert und die Landesregierung hat wieder keine einheitliche Position bezogen. Daraufhin gab es im Jahr 2000 noch einmal eine Debatte.

Ich frage mich, Herr Kollege Rothe, wenn Sie jetzt den Eindruck erwecken wollen, Ihre Regierung hätte schon im Jahr 1999 in Richtung Liberalisierung wesentliche Schritte vollbracht, warum Sie von März 1999 bis April 2002, wo Sie regiert haben, keine einzige Bundesratsinitiative unternommen haben. Sie hatten drei Jahre Zeit zum Handeln. Sie waren aber nicht in der Lage, in Ihren Reihen eine Position zu erarbeiten, die alle mittragen und die Sie gleichermaßen gegenüber Gewerkschaften und Verbänden vertreten konnten. Sie haben es für den Wahlkampf als bequemer erachtet, bei der Gewerkschaft hü und bei der Industrie- und Handelskammer hott zu sagen. Deswegen hatten Sie nicht die Kraft, wirklich zu handeln.

(Beifall bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank - Herr Scharf, CDU: Das ist es!)

Herr Gürth, Frau Dr. Kuppe möchte noch eine Frage stellen.

Bitte schön, Sie dürfen.

Herr Gürth, ich will Ihre Interpretation des Handelns der vorhergehenden Landesregierung nicht kommentieren,

sondern zwei Fragen stellen. Die erste betrifft die Entscheidung der Landesregierung zum Umgang mit den Ladenschlusszeiten.

Sind Sie davon in Kenntnis gesetzt, dass wir diesen Regelungsvorschlag, den wir als Kabinettsbeschluss herbeigeführt haben, in die Konferenz der Arbeits- und Sozialminister und in die Konferenz der Wirtschaftsminister eingebracht haben, sich aber in der Konferenz der Arbeits- und Sozialminister ein ausgesprochener NordSüd-Konflikt ergeben hat? Die Nordländer waren im Wesentlichen für diese Regelung, aber die Südländer, vor allem Bayern und Baden-Württemberg, haben jegliche Liberalisierung des Ladenschlussgesetzes abgelehnt.

Deswegen meine Frage: Haben Sie Ihre jetzigen Vorschläge insbesondere mit diesen beiden Ländern abgestimmt? Wir haben damals den Diskussionen entnommen, dass wir keine Mehrheit auf Länderebene für unsere Vorschläge bekommen. Deswegen haben wir eine Bundesratsinitiative gar nicht erst gestartet.

Die zweite Frage: Haben Sie unserem Antrag nicht entnehmen können, dass wir für notwendige Ausnahmen von der Sonn- und Feiertagsruhe möglichst bundeseinheitliche Regelungen schaffen wollen?

Ich fange mit der zweiten Frage an. Deren Beantwortung muss auch zulassen, dass ich noch einmal zum letzten Absatz Ihres Änderungsantrages komme. Wir stellen uns schon die Frage, warum Sie darin erwähnen, was eigentlich selbstverständlich sein müsste, nämlich dass Arbeitnehmerrechte im Arbeitszeitgesetz und in Tarifverträgen zu präzisieren seien. Sie bringen nicht den Mut und die Klarheit auf, zu sagen, was Sie konkret wo regeln wollen. Meinen Sie § 6 des Arbeitszeitgesetzes oder was?

Wenn Sie das wirklich konkret durchdacht hätten, hätten Sie doch sagen können, was Sie gesetzlich regeln wollen, ohne sozusagen mit diesem Änderungsantrag einen Pauschalbeschluss des Landtages herbeizuführen, dass man noch einmal im Arbeitszeitgesetz etwas regelt, was in Deutschland ohnehin üppiger und strikter als in anderen EU-Mitgliedsstaaten geregelt ist, mit denen wir im Wettbewerb stehen.

Auf Ihre erste Frage will ich auch noch einmal zu sprechen kommen. Mir ist schon bekannt, was Sie seinerzeit in der Konferenz der Arbeits- und Sozialminister unternommen haben. Sie haben selbst erwähnt, dass zwei Länder - Sie haben die Länder Bayern und Baden-Württemberg erwähnt - nicht dafür waren. Sie haben weder in einer Bundesratsinitiative noch in weitergehenden Verhandlungen ausgelotet, ob wirklich eine bundesweite Regelung machbar gewesen wäre, weil ständig irgendwelche Landtagswahlen insbesondere auch die Sozialdemokraten gehindert haben, sich mit den Gewerkschaften anzulegen, die das natürlich nicht lustig gefunden hätten. Das ist das Eigentliche.

(Frau Dr. Kuppe, SPD: Ach, Herr Gürth!)

Was die Mehrheiten jetzt betrifft: Die Wirtschaftsministerkonferenz hat mehrere Vorschläge beraten. 9 : 4 : 3 ist, glaube ich, die Stimmenverteilung für eine sehr weitgehende Liberalisierung bis zu dem, was wir jetzt machen wollen. Die Baden-Württemberger wollen keine gänzliche Freigabe. Alle 16 Bundesländer wollen einen

besonderen Schutz von Sonn- und Feiertagen gewährt wissen. Das garantieren wir. Bayern sagt, dass eigentlich kein Handlungsbedarf bestehe.

Wenn man das Stimmenverhältnis im Bundesrat berücksichtigt - wir haben 16 Bundesländer -, zeichnet sich dafür eine Mehrheit ab. Wir gehen davon aus, dass wir im nächsten Jahr eine Mehrheit auf Bundesebene - im Bundesrat und im Bundestag - bekommen werden, vorausgesetzt, Ihr Bundeskanzler bringt ein vernünftiges Gesetz in den Bundestag ein.