Protocol of the Session on December 12, 2002

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Maertens. - Weitere Wortmeldungen gibt es nicht.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag auf Überweisung. Es ist lediglich die Überweisung in den Finanzausschuss beantragt worden.

(Herr Bullerjahn, SPD, meldet sich zu Wort)

- Herr Bullerjahn, bitte.

Wir beantragen, den Gesetzentwurf zur federführenden Beratung an den Finanzausschuss und zur Mitberatung an den Innenausschuss zu überweisen.

Gibt es andere Meinungen? - Können wir darüber zusammen abstimmen? - Dagegen erhebt sich kein Widerspruch.

Wir stimmen darüber ab, den Gesetzentwurf zur federführenden Beratung an den Finanzausschuss und zur Mitberatung an den Innenausschuss zu überweisen. Wer stimmt dem zu? - Gibt es Gegenstimmen? - Keine Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? - Dann ist das einstimmig so beschlossen und Tagesordnungspunkt 10 ist beendet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:

Erste Beratung

Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Landespersonalvertretungsgesetzes Sachsen-Anhalt

Gesetzentwurf der Fraktion der PDS - Drs. 4/410

Ich bitte zunächst Frau Dr. Paschke, für die einbringende Fraktion das Wort zu nehmen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Drs. 4/410 bringt die PDS-Landtagsfraktion einen Gesetzentwurf zur Änderung des Landespersonalvertretungsgesetzes ein. Dies ist nach unserer Kenntnis die 13. beabsichtigte Änderung dieses Gesetzes in Sachsen-Anhalt.

Wenn das Gesetz nun den Titel trägt „Zweites Gesetz zur Änderung des Landespersonalvertretungsgesetzes“ so ist das zwar der Rechtsform geschuldet, es hat aber doch einen tieferen Sinn; denn seit seiner Verabschiedung im Jahr 1993 gab es keine nennenswerten umfassenden inhaltlichen Veränderungen. Vielmehr wurde das Gesetz stets bruchstückartig im Rahmen von Artikelgesetzen geändert.

Dies tut der vorgelegte Gesetzentwurf auch. So werden Sie beispielsweise seitenlang mit Änderungsbefehlen für den Austausch des Wortes „Lehrlingsvertretungen“ durch das Wort „Auszubildendenvertretungen“ in einzelnen Paragrafen konfrontiert und nehmen ständig zur Kenntnis, dass die Worte „und Berufsverbände“ per Beschluss von Ihnen gestrichen werden sollen. Das sind zugegebenermaßen sehr füllige, aber inhaltlich unbedeutende Eingriffe in geltendes Recht. Solche Änderun

gen werden in Kürze ohnehin und sinnvollerweise allein durch die Verwaltung realisiert werden.

Jedoch - und das ist das Entscheidende - werden in diesem Gesetzentwurf auch und vor allem Änderungen substanzieller Art vorgenommen. Das hält die PDS für dringend geboten.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll die parlamentarische Diskussion um ein neues, den modernen Erfordernissen entsprechendes Dienstrecht auch in SachsenAnhalt endlich offensiv angeregt werden. Meine Damen und Herren! Diese Diskussion ist längst überfällig. Lassen Sie mich das in der gebotenen Kürze einmal veranschaulichen.

Auch das Personalvertretungsgesetz von Sachsen-Anhalt in seiner derzeitig gültigen Fassung geht in seinen grundlegenden Strukturen auf das Bundespersonalvertretungsgesetz aus dem Jahr 1954 zurück. Selbst die im Jahr 1974 auf der Bundesebene vollzogene Novellierung führte nicht zu grundlegenden strukturellen Veränderungen.

Hat sich seit dieser Zeit, seit mehr als einem halben Jahrhundert, am Ort des Geschehens, am Ort des Agierens von Beschäftigten im öffentlichen Dienst, in den staatlichen und kommunalen Verwaltungen nichts Nennenswertes verändert? - Und ob und wie brisant und rasant. Wir erleben seit Jahren eine Verwaltung im Umbruch, mit neuen Zielausrichtungen, in anderen Strukturen und unter anderen gesellschaftlichen und technischen Rahmenbedingungen. Die staatlichen und kommunalen Verwaltungen werden mehr und mehr bürgerorientiert und damit im Wesentlichen dienstleistungsorientiert ausgerichtet.

Unter dem Stichwort „Verwaltungsreform“ wurden und werden Entscheidungen dezentralisiert, Behörden umstrukturiert, Globalhaushalte eingeführt und ganze Verwaltungseinheiten ausgegliedert. Neue Steuerungsmodelle, vor allem die Ausrichtung auf betriebswirtschaftliche Elemente, wurden in öffentlichen Verwaltungen und im legislativen Raum mit großem Eifer und mit ebenso großen Erwartungshaltungen diskutiert.

Vergleichsweise auf Krücken schleichend und sehr zögerlich, zugegebenermaßen oft sogar überhaupt nicht wurde jedoch darüber geredet, ob und wie sich dabei Dienstrechtsfragen, Mitbestimmungstatbestände und -möglichkeiten verändern und neu stellen, um die allgemein übliche Sprechblase der Politik „Reformen gehen nur mit den Beschäftigten“ auch tatsächlich auszufüllen.

Auf den Punkt gebracht: Die Einheit von Verwaltungs- und Dienstrechtsreform wurde in den meisten Fällen bei Verwaltungsreformen im Gesetzgebungsprozess schlichtweg ausgeblendet. Das hat viele Ursachen. Es liegt mit Sicherheit daran, dass ein veraltetes Dienst- und Personalrecht in Deutschland und auch in SachsenAnhalt von einem noch fest verankerten, international vergleichsweise antiquierten Verständnis vom Staat, vom Staatsdiener und vom öffentlichen Dienst getragen wird.

Bildlich gesprochen: Würde man einmal bei all den überholten Mitbestimmungs- und Beteiligungsparagrafen sowie bei den Besoldungsregelungen den Staubwedel ansetzen, kämen wir gar nicht aus dem Husten heraus.

Lassen Sie uns also die Chance nutzen, die Diskussion auch einmal aus dieser etwas umfassenderen Draufsicht

zu beginnen, und zwar ganz konkret am vorliegenden Gesetzestext.

Warum habe ich das als Erstes so ausführlich dargestellt? - Weil das Thema der PDS-Fraktion und auch mir persönlich viel zu wichtig ist, um es sofort im aktuellen politischen Schlagabtausch vom Tisch wischen zu lassen; weil sich eine Reihe von Novellierungsparagrafen in dem Gesetzentwurf genau auf diesen grundsätzlichen Regelungsbedarf der Einheit von Verwaltungs- und Dienstrechtsreform bezieht, von denen ich einige beispielhaft nennen möchte.

In § 1 soll die kommunale Verwaltung als Einheit im personalrechtlichen Sinn definiert werden, um die Zersplitterung der Vertretung zu verringern, die vor allem durch die zunehmende Ausdifferenzierung der Kommunalverwaltung hervorgerufen wird.

In den §§ 16 und 44 werden Angleichungen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes vorgenommen.

In § 51 werden Fragen des Gleichstellungsgrundsatzes behandelt.

Schließlich wird in § 57 das Kernstück dieser Gesetzesnovelle deutlich. Aus der Erkenntnis, dass eine Modernisierung der Verwaltung ohne die Beschäftigten und ihre Vertretungen nicht möglich ist, hat sich in der Praxis eine weitgehende Beteiligung der Personalräte an Arbeits-, Projekt- und Lenkungsgruppen herausgebildet. Allerdings steht dem bisher kein Anspruch des Personalrates gegenüber.

Der bisherige § 57 Abs. 3 sah eine Beteiligung bei Planungsgruppenarbeit vor, was erhebliche Auslegungsschwierigkeiten mit sich brachte. Ausgehend von der dreistufigen Verwaltung erhält nunmehr die für die Stufe jeweils zuständige Personalvertretung ein Entsendungsrecht in entsprechende Projektgruppen. Die betreffenden Personen müssen nicht Mitglied der Personalvertretung sein. Die in die verschiedenen Gremien zum gleichen Gegenstand entsandten Vertreter erhalten eigene Arbeitsmöglichkeiten und können Sachverständige hinzuziehen.

Der Gesetzentwurf sieht ausdrücklich eine Flexibilisierung dieses Verfahrens vor. So kann durch eine Dienstvereinbarung die Beteiligung den jeweiligen Notwendigkeiten angepasst werden, bis hin zum völligen Verzicht des Personalrates auf Beteiligung. Gleichzeitig können der Personalrat und die Dienststelle in einer Dienstvereinbarung alle beteiligungspflichtigen Folgemaßnahmen regeln. Dies erspart nachfolgende Mitbestimmungsverfahren über notwendige Umgruppierungen, Umsetzungen und Ähnliches.

Diesen weitreichenden Vereinfachungen steht aber auch die Verpflichtung der Dienststelle gegenüber, die Personalvertretungen zu beteiligen. Damit dies auch umgesetzt wird, steht dem Personalrat im Fall der Nichtbeteiligung das Recht zu, beim Verwaltungsgericht den Stopp der Organisationsänderung bis zu dem Zeitpunkt zu beantragen, zu dem die Beteiligung gewährleistet wird.

Es ist völlig klar, dass dies bei vielen zu Bauchschmerzen führt und dass es dazu differierende rechtliche Auffassungen gibt. Aber letztlich muss der politische Wille da sein. Bei ernsthaften Diskussionen können doch die Argumente dafür und dagegen im Ausschuss ausgetauscht werden.

Ferner möchte ich den § 65 erwähnen, der die Allzuständigkeit festschreibt, was verfassungsrechtlich gedeckt

ist, wenn dies konkretisiert wird. In den Katalogen der §§ 66 und 67 erfolgt dies, so in § 67 Nr. 5 - das Privatisierungsproblem - und in § 67 Nr. 10 - das Budgetierungsproblem. Das ist unbestritten brandaktuell, wenn man sich die Haushaltsplanentwürfe der letzten Jahre und den gegenwärtig diskutierten Haushaltsplanentwurf anschaut.

Letztlich möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass für alle Mitbestimmungstatbestände problemnahe Abschlüsse von Dienstvereinbarungen ermöglicht werden, die das Verfahren vereinfachen und die Möglichkeit eröffnen, das Gesetz modifiziert praxisnah anzuwenden.

Erwähnt sei ferner der § 62 Abs. 6 neu, der auch in unserem Entwurf das Verfassungsgerichtsurteil zu Schleswig-Holsteins Mitbestimmungsgesetz aufgreift.

Warum habe ich diesen grundsätzlichen Reformbedarf mit seinem konkreten Niederschlag in dem vorliegenden Gesetzentwurf dargestellt? - Weil in den aktuellen Auseinandersetzungen an diesem grundsätzlichen Reformbedarf vorbeigeredet wird; weil mit der alleinigen Ausrichtung der Diskussion an Besoldungsfragen und Tarifpolitik, an Personalpolitik und Dienstrechtsreform aufgrund der aktuellen Haushaltssituation Schluss sein muss, und zwar aus Achtung vor den Beschäftigten im öffentlichen Dienst, aber letztlich auch im Interesse der Zukunftsfähigkeit des öffentlichen Dienstes.

Natürlich hätte ich mit der Einbringung ganz anders einsteigen können und sofort mit einer scharfen Auseinandersetzung mit der derzeitigen Politik der Landesregierung beginnen können. Ich bin aber von der Hoffnung getragen, dass die Mehrheit in diesem Parlament bereit ist, auch über die oben genannten grundsätzlichen Fragen nachzudenken.

Zugegebenermaßen ist der Anlass der Einbringung gerade zu diesem Zeitpunkt das Bestreben der Landesregierung, über das Haushaltsbegleitgesetz bzw. das Haushaltssanierungsgesetz das Personalrecht zu verändern, unter einem zeitlichen Druck, der schlichtweg die Grenzen des politischen Anstands überschreitet und der auch unter dem Aspekt der oben genannten Ausführungen am eigentlichen Regelungsbedarf weit vorbeigeht.

Als Begründung für die Einschränkung der Mitbestimmung durch das Haushaltssanierungsgesetz wird angeführt, dass die Gesetzeslage endlich dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu einer schleswig-holsteinischen Rgelung angepasst werden müsse, einem Urteil aus dem Jahr 1995. Damit wird der Eindruck erweckt, als würde der Verfassungsnotstand in Sachsen-Anhalt ausbrechen, wenn nicht innerhalb der nächsten zwei Monate das Gesetz novelliert würde.

Im Klartext bedeutet dies doch, dass die Landesregierung der Auffassung ist, dass es ohne betriebsbedingte Kündigungen nicht geht. Alle wissen das, spätestens ab jenem Zeitpunkt, als die Kabinettsvorlage vom 9. August 2002 die Runde machte. So gesehen ist es von der Landesregierung in gewisser Weise konsequent, das Personalrecht gerade im Haushaltssanierungsgesetz anzupacken. Dann sagen Sie doch einfach, dass Mitbestimmung beim Personalabbau stört.

Meine Damen und Herren! Vor allem aus diesem Grund soll mit der Gesetzesnovelle auch ein alternatives Zeichen gesetzt werden. Wir fordern das Landesparlament auf, alle Dienstrechtsbelange aus dem Haushaltssanierungsgesetz herauszulösen und den vorgelegten Ent

wurf als zu diskutierende Alternative zu nutzen. Es gibt keinen Grund dafür - das ist auch schier unmöglich -, die eingangs dargestellte notwendige Diskussion beispielsweise am nächsten Mittwoch im Innenausschuss zu führen.

Vor diesem Parlament muss eines abschließend klargestellt werden: Wir bringen einen Gesetzentwurf ein, der in Gänze auf den Vorschlägen der Gewerkschaften beruht. Die dem zugrunde liegende Synopse liegt allen Fraktionen seit längerem vor und wird in internen, bilateralen Gesprächen erläutert. Wir haben diese Vorschläge für so akzeptabel gehalten, dass wir sie aufgegriffen haben und heute einbringen.

Allen, die das unter diesem wahnsinnigen Zeitdruck möglich machten, sei gedankt, der Landtagsverwaltung und insbesondere dem Gesetzgebungs- und Beratungsdienst, aber auch dem Ältestenrat, der mit einer außergewöhnlichen Fristverlängerung von 24 Stunden die Einbringung erst ermöglicht hat.

Das lässt uns, lässt mich hoffen, dass die ganze inhaltlich lohnende Arbeit nicht für die politische Mülltonne geleistet worden ist. Denn mit Sicherheit türmt sich dort alsbald der Berg verstaubten Rechts mit Blick auf Anpassungserfordernisse des Dienstrechtes im Rahmen der EU auf. Es ist erst der Anfang von brisanten Veränderungen, denen wir uns stellen müssen. Lassen Sie uns damit heute beginnen. - Schönen Dank.

(Beifall bei der PDS)