Protocol of the Session on December 12, 2002

Während sich noch Expertenkommissionen über die Ausgestaltung einer Reform der Kommunalfinanzen Gedanken machen, erklärt die Bundesregierung die Diskussion jedenfalls teilweise schon für beendet. Ein solches Vorgehen wird der Bedeutung der Kommunalfinanzreform für Länder und Kommunen in Deutschland nicht gerecht. Wir lehnen dies ab.

(Beifall bei der FDP, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die gegenwärtige Steuerdebatte erfordert es, dass ich noch einige Sätze zur Vermögensteuer verliere. Es soll Sozialdemokraten und Grüne in Bund und Ländern geben, die deren Wiedereinführung befürworten, zumindest liest man das in der Presse. Die Herren Müntefering, Gabriel und der verehrte sozialdemokratische Fraktionsvorsitzende in diesem Hohen Hause Herr Dr. Püchel haben sich entsprechend geäußert. Der Bundeskanzler ist wohl anderer Meinung. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, was zählt derzeit schon die Meinung des Bundeskanzlers?

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Wir jedenfalls, die wir keine Sozialdemokraten oder gar Grüne sind, warten gespannt auf das nächste Machtwort des Kanzlers in dieser Frage.

(Zuruf von Herrn Dr. Püchel, SPD)

Wie dem auch sei - die bundesweite Wiedereinführung der Vermögensteuer ist der grundfalsche Weg. Die Vermögensteuer zieht nicht nur einen unvertretbar hohen Verwaltungsaufwand nach sich, sie ist auch ungerecht. Im Einkommensteuerrecht gilt zu Recht das Prinzip, dass derjenige, der viel verdient, auch verhältnismäßig viel Steuern zu zahlen hat. Derjenige aber, der aus diesem Einkommen Ersparnisse bildet, ein Vermögen bildet und dieses Vermögen auch noch irgendwann zumindest zum Teil vererbt, der darf nicht in jeder Stufe dieses ökonomisch so wichtigen Vorgangs des Sparens und der Kapitalbildung vom Fiskus geschröpft werden.

(Beifall bei der FDP, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Die Einkommensteuer ist gerechtfertigt, die Erbschaftsteuer ist auch gerechtfertigt. Aber eine dritte Form der

Besteuerung in diesem Vorgang ist nicht gerechtfertigt. Es war ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit, dass die Vermögensteuer abgeschafft wurde. Es ist der grundfalsche Weg, sie an dieser Stelle wieder einzuführen.

(Beifall bei der FDP, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Wegfall der Vermögensteuer auf Betriebsvermögen bedeutete seinerzeit einen durchaus wichtigen Impuls für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Die Vermögensteuer musste aus versteuertem Einkommen der Unternehmen entrichtet werden, in ertragsschwachen oder in Verlustjahren sogar aus der Substanz.

Durch die Verringerung der Ertrags- und der Liquiditätsbasis wird gerade die in der Existenzgründungsphase von Unternehmen so wichtige Ansammlung von Eigenkapital drastisch erschwert.

Eine Steuer, die allein daran ansetzt, dass Kapital vorhanden ist, wirkt nicht nur technologie- und innovationsfeindlich, sondern zerstört auch Arbeitsplätze. Dies gilt vor allem für die mittel- und ostdeutschen Länder und damit allemal für Sachsen-Anhalt. Hierzulande gibt es noch gar keine großen Vermögen, die zu besteuern wären. Die mittelständischen Unternehmer, die Handwerker, die Dienstleister haben mit großem Einsatz in den schwierigen letzten Jahren ein vernünftiges Betriebsvermögen aufgebaut, das in den meisten Fällen gerade ausreicht, wirtschaftlich einigermaßen über die Runden zu kommen. Dieses Kapital jetzt mit einer Vermögensteuer anzugreifen, heißt die Eigenkapitalbasis zu gefährden und Existenzen zu ruinieren und heißt den Menschen die Motivation zu nehmen, ihr wirtschaftliches Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen.

(Beifall bei der FDP, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Diese Landesregierung wird deshalb einer bundesweiten Wiedereinführung der Vermögensteuer nicht zustimmen, gerade auch im Interesse unseres Landes SachsenAnhalt. Sie wird allerdings auch nicht im Wege stehen, wenn andere Bundesländer meinen, ihren Bürgern eine Vermögensteuer zumuten zu müssen.

Es liegt im Interesse eines funktionsfähigen Föderalismus, dass Bundesländer, die von Rot-Grün regiert werden, ihre standortpolitischen Vorstellungen durch die Einführung einer Vermögensteuer als Landessteuer durchsetzen können. Der entsprechende Weg wird mit der Zustimmung Sachsen-Anhalts im Bundesrat in der nächsten Woche geebnet. Dann wird sich zeigen, wie viel Zutrauen die Ministerpräsidenten der SPD in ihre eigene standortpolitische Analyse haben.

Sachsen-Anhalt wird jedenfalls keine Vermögensteuer einführen. Sachsen-Anhalt wird das behalten, wofür diese Landesregierung steht: ein wirtschaftsfreundliches Klima, das Investoren, das Kapitalbildung und das neue Arbeitsplätze in unserem Land willkommen heißt und nicht mit vermeidbaren Abgaben belastet. - Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Herzlichen Dank, Herr Minister. - Meine Damen und Herren! Für die SPD-Fraktion erhält nun der Abgeordnete Herr Dr. Püchel das Wort. Bitte sehr, Herr Dr. Püchel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es hätte mich wirklich gewundert, wenn die CDU diese Debatte nicht beantragt hätte. Natürlich lassen sich ihre Oberstrategen die Gelegenheit nicht entgehen, mitten in den Haushaltsberatungen ein großes Ablenkungsmanöver zu starten:

(Zustimmung bei der SPD)

Ablenkung von der verdeckten Erhöhung der Nettoneuverschuldung über den Altlastenfonds, Ablenkung von der Lüge einer Personalkostensenkung von über 100 Millionen €, Ablenkung von den leeren Versprechungen für eine bessere Finanzausstattung der Kommunen,

(Zustimmung bei der SPD)

Ablenkung von dem Versprechen der Beibehaltung der bisherigen Kinderbetreuungszuschüsse. Die Verlockung musste einfach zu groß sein, immer wieder mit dem Finger nach Berlin zu zeigen und die böse Bundesregierung für alles verantwortlich zu machen, auch für das, was von der CDU in Sachsen-Anhalt versprochen wurde, aber nicht eingehalten wird.

(Beifall bei der SPD)

Zu Beginn der Legislaturperiode war es die PDS-tolerierte Landesregierung, die als Begründung für jedes Problem im Land Sachsen-Anhalt herhalten musste. Jetzt, mit zunehmendem Abstand zur Landtagswahl, leiert sich das immer mehr aus, also muss eben die Bundesregierung herhalten. Wenn das nicht mehr fruchtet, bleibt neben der Europäischen Kommission fast nur noch der liebe Gott.

Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, mit dieser Art von Politik werden Sie nicht weit kommen.

(Herr Gürth, CDU: Sehr originell! - Zuruf von Frau Liebrecht, CDU)

Sie werden damit nicht weit kommen, weil die Menschen in diesem Land das ständige „Die da oben in Berlin sind schuld“ auf Dauer nicht akzeptieren werden. Sie werden aus einem zweiten Grund nicht weit damit kommen: weil Sie nämlich in der Sache Unrecht haben.

(Herr Gürth, CDU: Haben Sie die Steuererhö- hung mitgemacht?)

Worum ging und geht es der rot-grünen Finanzpolitik? Worum geht es Finanzminister Eichel und der Bundesregierung? Erstens Schulden abbauen, zweitens Steuern senken,

(Lachen bei der CDU)

drittens den Staat handlungsfähig erhalten.

(Zustimmung bei der SPD)

Es geht darum, die verschiedenen steuer- und finanzpolitischen Schritte so zu gehen, dass möglichst alle drei Ziele erreicht werden. In den ersten drei Jahren von RotGrün ist dies auch gelungen. Die Neuverschuldung ist zurückgeführt worden, die Steuerreform hat Entlastungen gebracht und der Staat ist handlungsfähig geblieben. Man sieht es übrigens auch daran, dass SachsenAnhalt auf Landesebene seine Schuldenaufnahme zwischen 1998 und 2001 kontinuierlich reduzieren konnte.

(Beifall bei der SPD)

Spätestens mit dem Jahr 2002 aber hat sich die Situation dramatisch verändert. Bund, Länder und Kommunen verzeichnen Einnahmeverluste in enormer Höhe. Überall, in allen Ländern und besonders auch in SachsenAnhalt wird die Neuverschuldung erhöht. Gegen Ende dieses Jahres zieht auch der Bund nach. Das ist Hans Eichel garantiert nicht leicht gefallen. Aber es wäre kontraproduktiv gewesen, jetzt Investitionsmittel zu streichen oder gar an den Fluthilfeprogrammen zu kürzen.

Zweite Konsequenz aus der Erkenntnis, dass die staatlichen Einnahmen wegbrechen: Wir müssen schauen, woher wieder Einnahmen kommen können. Genau hieran setzen die jüngsten Vorschläge der Bundesregierung an. Es werden Ausnahmeregelungen gestrichen, es werden bestimmte Gruppen etwas stärker belastet. Die Eigenheimzulage wird an die veränderte Situation auf dem Wohnungsmarkt angepasst. All das sind Maßnahmen, meine Damen und Herren, die nicht sonderlich populär sind. Das hat die SPD in den letzten Wochen auch an den Umfrageergebnissen ablesen können. Aber die Maßnahmen sind notwendig.

Was wäre denn die Alternative? In der Programmatik der Union auf Bundesebene besteht sie derzeit in einer gewaltigen zusätzlichen Verschuldung. Denn die CDU, im Bund nicht in der Verantwortung, fordert Steuersenkungen, beantwortet aber nicht die Frage, wie diese finanziert werden sollen. Die FDP fordert ebenfalls Steuersenkungen und plädiert für gravierende Einschnitte bei sozialen Leistungen. Wie die FDP wirklich denkt, hat man bei Herrn Paqué eben auch gehört. Die Partei der Besserverdienenden kam eindeutig zum Vorschein.

(Zustimmung bei der SPD - Widerspruch bei der FDP)

Aber, meine Damen und Herren, das ist zu wenig. Weder Ihre Partei, Herr Scharf, noch Ihre Partei, Herr Lukowitz, beantwortet die Frage nach den staatlichen Einnahmen wirklich seriös. Sie setzen ausschließlich auf wirtschaftliches Wachstum, das dann quasi automatisch die nötigen Steuereinnahmen in die öffentlichen Kassen spülen würde. Wer möchte denn kein solides Wirtschaftswachstum? Aber es lässt sich eben nicht herbeireden, sondern muss hart erarbeitet werden. Eines steht fest: Für das Jahr 2003, für den Haushalt, der jetzt vor uns steht, hilft uns Ihre Rhetorik kein bisschen.

Sie werden dem Landtag Ihr Konzept für die Deckung der zusätzlichen Steuermindereinnahmen in Höhe von 307 Millionen € vorlegen müssen und Sie werden in diesem Zusammenhang drei Fragen beantworten müssen.

Erstens. Welche zusätzlichen Ausgabenkürzungen kommen auf uns zu?

Zweitens. Muss die Nettoneuverschuldung erhöht werden?

Drittens. Wie lässt sich die Einnahmeseite des Haushalts verbessern?

Da bitte ich jetzt doch um einen nüchternen Blick auf die finanziellen Auswirkungen der von der Bundesregierung vorgeschlagenen Gesetze. Sie haben in der Begründung zu dem Antrag auf die Aktuelle Debatte bereits eine Zahl genannt: Im Jahr 2006 sollen die Maßnahmen Mehreinnahmen von über 16 Milliarden € bringen, davon allein 6,5 Milliarden € für die Länder. Das wären allein für Sachsen-Anhalt rund 200 Millionen €. Verschwiegen haben Sie in Ihrer Begründung zur Aktuellen Debatte, dass

auch im Jahr 2003 bereits Mehreinnahmen in Höhe von 3,5 Milliarden € entstehen. Davon entfallen allein auf die Länder rund 1,5 Milliarden €. Das bedeutet für SachsenAnhalt zwischen 40 und 50 Millionen € allein für das nächste Jahr. Dieses Geld, das wollen Sie nicht.

(Herr Gürth, CDU: Das kommt doch gar nicht!)

Sie erklären also den Menschen in Sachsen-Anhalt - ebenso wie es Herr Böhmer mit der Vermögensteuer versucht -, dass man auf Steuereinnahmen lieber verzichten sollte, etwa damit man einen Grund hat, noch stärker bei Kindern und Kommunen zu sparen.

(Widerspruch bei der CDU und bei der FDP)