Zweitens. Es muss gelingen, die Sekundarschule in der Dignität ihres Bildungsganges zu stärken; eigentlich müsste ich sagen: erst einmal wieder zu rehabilitieren. Das heißt, sie muss entlang der Realien im ursprünglichen Sinne des Wortes als Alternative zum Gymnasium wirklich zu einem gleichwertigen Bildungsgang, nur eben
anderen Profils gemacht werden. Ich staune - mit Blick auf die PDS -, dass wir da sehr ähnliche Formulierungen haben.
sondern als Bildungsgang gleichen Qualitätsanspruchs, aber unterschiedlichen Qualifikations- und Zielprofils. Solange das nicht gelingt, wird sie immer als Verliererschule angesehen und konstruiert und entsprechend vernachlässigt.
Lassen Sie mich das Wesentliche zusammenfassen. Wichtig ist aus meiner Sicht, dass der Gesetzentwurf künftig verschiedene Möglichkeiten zur Gestaltung der Sekundarschule eröffnet. Die einzelne Schule soll hier je nach Standortbedingungen über ihre Struktur, die Art und Weise und die Inhalte ihrer Differenzierung mitentscheiden.
Wie groß der Entscheidungsspielraum ist, hängt natürlich wieder von der Größe ab. So wird ein reiner Hauptschulbildungsgang sowieso nur dort möglich sein, wo keine unzumutbaren Schulwege entstehen. Kleinere Schulen in dünn besiedelten Gebieten werden den erforderlichen Abschlussbezug im Unterricht durch Lerngruppen umsetzen, so wie es die KMK auch einräumt, wobei aber auch hier verschiedene Varianten vorstellbar sind und umgesetzt werden sollen.
Nicht mehr vorgesehen ist die unterschiedliche Kurszuordnung von Schülern in einzelnen Fächern. Was auf den ersten Blick wie individuelle Differenzierung aussah, hatte in Wirklichkeit zu einer enormen Unübersichtlichkeit geführt, die in den Sekundarschulen selbst - eigentlich auch parteiübergreifend - beklagt wird - ganz zu schweigen von den Fragen der schulischen Organisation und der Unterrichtsplanung.
Die Einführung der neunjährigen Vollzeitschulpflicht - übrigens wie in Finnland - soll und wird niemanden davon abhalten, einen mittleren Schulabschluss anzustreben und auch zu erlangen. Sie soll vor allem deutlich machen, dass ein Schüler, der die Sekundarschule nach dem 9. Schuljahrgang mit einem Hauptschulabschluss verlässt, einen vollgültigen eigenen Abschluss hat
Wenn künftig die Wahl des Bildungsgangs ab dem 7. Schuljahrgang an festgeschriebene Leistungen geknüpft wird, so ist das überhaupt nicht neu. Auch jetzt schon werden Schüler unterschiedlicher Kursniveaus je nach Leistung zugewiesen, wenn auch ein Jahr später.
Nun noch ein paar Anmerkungen zum Entwurf der PDSFraktion, den ich mit großem Interesse gelesen habe. Dass Sie weiterhin für eine gemeinsame Förderstufe plädieren, ist, glaube ich, allen klar. Interessant erscheint mir vor allem die Vorstellung, wonach die Sekundarschule zum Übertritt in die gymnasiale Oberstufe berechtigen soll. Ihr Vorschlag, so wie er im Moment formuliert ist, verstößt gegen KMK-Regelungen; er ist also nicht regelkonform. Das heißt, die Anerkennung des Abiturs wäre auf diesem Wege gefährdet.
Ich könnte das ausarbeiten. Ich mache das aus Zeitgründen nicht. Es gibt einen ganz bestimmten Punkt,
über den dann mit der KMK diskutiert werden müsste, wobei man mit der KMK sowieso über verschiedene Themen diskutieren muss. Nur, von der gegenwärtigen Lage aus betrachtet, sage ich klipp und klar, kann das nicht gehen.
Vor allem aber - das ist mir viel wichtiger - ist es gar nicht die Aufgabe der Sekundarschule und es verfehlt geradezu den Sinn ihres Bildungsganges bzw. die Verpflichtung gegenüber ihrer Schülerschaft, wenn sie sich als eine Art zeitlich verknapptes Progymnasium verstehen soll.
Wollen Sie wirklich die Stundentafel für alle Sekundarschüler, besonders auch in der Übergangszeit, an den gymnasialen Anforderungen ausrichten, um für eine kleine Minderheit einen direkten Übergang in den 10. Schuljahrgang zu ermöglichen? Es werden wieder die Schwachen darunter leiden.
Es wäre übrigens mit der Aufstockung der Stundenzahl auch nicht getan. Der Unterricht selbst müsste auf gymnasiale Ansprüche zumindest in der Einführungsphase umgestellt werden und würde somit der eigentlichen Zielstellung der Bildungsgänge in der Sekundarschule nicht mehr entsprechen.
Ein weitere Mal würde eine solche Regelung diejenigen benachteiligen, die entlang der Realien eine solide, allgemeine berufsvorbereitende Ausbildung haben wollen und sich eben nicht an den Maßstäben des Gymnasiums messen wollen. Um es etwas zuzuspitzen: Der Weg, die Sekundarschulen zu stärken, kann nicht darin bestehen, sie abgehoben von ihrer Schülerschaft gleichsam zu Gymnasialklonen - wenn Sie mir dieses Wort verzeihen - umzugestalten.
Wenn ich den mittleren Bildungsgang profilieren möchte, dann darf ich ihn nicht infrage stellen, indem ich ständig auf das Gymnasium schiele, sondern muss seine Eigenständigkeit kultivieren.
Nur dann kann die Sekundarschule wirklich einen gegenüber dem Gymnasium gleichwertigen, aber eben andersartigen Bildungsgang mit eigenem Profil und eigener Zielstellung entfalten und diesen im Curriculum, in den Lehr- und Lernformen und natürlich auch in den Abschlüssen ausgestalten und an einer eigenen Zielgruppe orientieren. Dies ist dann aber keine Frage der Differenzierung oder der Integration, sondern eine Frage der Pädagogik.
Meine Damen und Herren! Die Ursache für die Probleme mit unseren Schulen ist nicht die Frage der Gliederung - jedenfalls nicht primär -, sondern die Tatsache, dass wir die Schule in ihrem Innern einfach schlecht gestalten. Das liegt manchmal an dem geradezu neurotischen Blick auf die Schule als Instanz der Lösung von Problemen Erwachsener. Die Schule kann aber unseren Weltschmerz nicht beheben. Sie ist kein Ort der Weltverbesserung, sondern der Ort, an dem die Heranwachsenden stark gemacht werden sollen, ihre eigenen Ansprüche eines Tages zu verwirklichen und ihre Probleme zu lösen - nicht unsere, die wir selbst nicht in den Griff bekommen.
Wenn wir die Schule als eine solche Instanz missverstehen, dann kann sie über diesen nicht einzulösenden Anspruch ihre eigene und eigentliche Aufgabe, verbindliches Lernen zu organisieren und belastbare Maßstäbe dazu zu formulieren, nur verfehlen. Das ist jedenfalls die Situation, vor der wir gegenwärtig noch stehen.
Ich bitte deshalb darum, den Entwurf der Regierungsfraktionen aufgeschlossen zu erörtern und ihn nicht zu überfordern. Er ist auch nur eine Etappe auf dem Weg zu einer besseren Schule und nicht bereits das Ergebnis. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister Olbertz. Sind Sie bereit, eine Frage des Abgeordneten Gebhardt zu beantworten? - Bitte, Herr Gebhardt, fragen Sie.
Herr Minister, ohne dass ich der Ausschussdebatte vorgreifen möchte, möchte ich feststellen: Wir haben, glaube ich, bisher darin übereingestimmt - es war Ihre Aussage -, dass die bisherige Förderstufe aufgrund mangelnder Ausgestaltung den Namen „Förderstufe“ nicht verdient hat. Nun wurde darüber debattiert, ob man sie nicht weiterqualifizieren und besser ausgestalten sollte. Sie haben aber in Ihrem Gesetzentwurf den Begriff „Förderstufe“ durch das Wort „Erprobungsstufe“ ersetzt.
Ich möchte Sie jetzt fragen, was denn gegen eine Ausgestaltung oder eine weitere Qualifizierung der Förderstufe gesprochen hat, wodurch diese Ersetzung zustande kam, welche Beweggründe es gab und ob das Erproben oder ob das Fördern von Schülerinnen und Schülern im Mittelpunkt stehen soll.
Herr Gebhardt, ich möchte darauf gern antworten. - Ich entschuldige mich noch einmal beim Präsidenten, den ich nun zweimal gekränkt habe.
Ich bedanke mich für das Entgegenkommen von Herrn Dr. Fikentscher, weil er die Schuld auf sich genommen hat, indem er sagte, er hätte das Glas vorher austrinken sollen. Dann wäre das in der Tat nicht passiert.
Ich möchte aber auf die Frage von Herrn Gebhardt ernsthaft antworten. Wenn Sie sich das anschauen und
sich mit den Plänen, die wir haben, genau auseinander setzen - ich sage ganz offen: auch ohne das feindselig zu tun; davon gehe ich bei Ihnen auch überhaupt nicht aus -, dann werden Sie sehen, dass im Prinzip einige Kerngedanken der alten Förderstufe im Grunde genommen nicht über Bord geworfen worden sind. Vielmehr wird - wenn man es genau nimmt - der ursprüngliche Anspruch verwirklicht, die Kinder in diesen beiden sensiblen Jahren unter äußerst heterogenen Rahmenbedingungen wirklich ernsthaft und differenziert zu fördern und dafür Maßstäbe zu formulieren, die auch erfüllbar sind.
Das ist der Grund, weshalb wir nicht gesagt haben, wir nehmen die 5. und 6. Jahrgänge sozusagen für sich und betrachten sie nicht mehr als eine besondere Phase des Suchens und des Gefördertwerdens auf einen bestimmten Bildungsgang hin. Das soll weiterhin passieren, allerdings an allen Schulformen, um diejenigen Kinder, bei denen diese Entscheidung tatsächlich schon gerechtfertigt ist - das sind nicht alle; das räume ich gerne ein -, in ihrer Entwicklung nicht aufzuhalten, sondern intensiv in die einmal eingeschlagene Richtung zu fördern, und bei den anderen die Dinge offen zu lassen, das heißt gleiche Rahmenbedingungen - Stundentafeln, Curriculum usw. - vorzuhalten, um dann auf hohem Niveau Sekundarschule zu machen. Dann bleibt das nämlich offen.
Aus diesem Grund haben wir auch angeregt, eine zweite Schullaufbahnempfehlung - ob wir sie dann so nennen, ist eine andere Frage -, ein intensives Beratungsgespräch mit den Eltern einzuführen, das den Erfolg der zweijährigen Förderung bilanziert und mit einer kritischen Prüfung der getroffenen Entscheidung verbunden ist.
Im Grunde genommen nehmen wir damit den Begriff „Förderstufe“ überhaupt erst einmal richtig ernst. Ich persönlich - das sage ich ganz offen - habe dafür plädiert, den Begriff beizubehalten. Allerdings ist mir aus der Opposition gesagt worden, mit diesem Gesetz würde der Begriff der Förderstufe missbraucht werden. Angesichts dessen konnte man kaum noch in vernünftiger Form dafür plädieren, ihn beizubehalten.
Ich persönlich finde es schade; denn der Begriff „Erprobungsstufe“ impliziert ein Missverständnis, bei dem ich Sie herzlich bitte, nicht weiter darauf herumzureiten. Das ist uns allen bewusst. Wir sollten in den Ausschüssen überlegen, wie wir diese Form von Schule bezeichnen können; denn Namen sind schon wichtig, weil sie mehr sind als nur Bezeichnungen. Sie sind Semantik. Da sind wir, glaube ich, ganz offen und überhaupt nicht festgefahren.
Wichtiger aber ist festzuhalten, dass die Förderstufe die jungen Leute tatsächlich fördern soll, aber in der Logik des Bildungsgangs, damit sie je nach ihren Stärken wirklich stark gemacht werden. Das ist der Sinn des Ganzen.
Vielen Dank, Herr Olbertz. - Wir kommen jetzt zu den Debattenbeiträgen der Fraktionen. Für die SPD-Fraktion spricht Frau Mittendorf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man die seit der Landtagswahl vergangenen Monate zurückverfolgt, gelangt man zu dem Eindruck, die Landesregierung und die sie tragenden Landtagsfraktionen von CDU und FDP beteiligten sich an einem Wettbewerb zur Erzeugung maximaler Verunsicherung und Unruhe an unseren Schulen.