Protocol of the Session on February 22, 2002

Danke schön, Herr Eckert. - Wir kommen jetzt zur Aussprache. Es ist eine Fünfminutendebatte vereinbart worden. Zunächst hat sich allerdings für die Landesregierung Finanzminister Herr Gerhards zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Eckert hat schon darauf hingewiesen: Im Jahr 2000 hat die Bundesregierung auf die Anfrage, ob sie im Zuge der anstehenden Steuerreform eine Erhöhung der Pauschbeträge für Behinderte plane, geantwortet, dass eine Erhöhung der geltenden Pauschbeträge nicht vorgesehen sei.

Zur Begründung hat sie zunächst darauf hingewiesen, dass es sich bei den Pauschbeträgen nach § 33 b des Einkommensteuergesetzes nicht um Freibeträge handele, sondern eben nur um Pauschbeträge, die unabhängig von entsprechenden Aufwendungen gewährt würden. Sie hat fortgeführt, der Ansatz von Pauschbeträgen diene dem Ziel, die Gesetzesanwendung zu vereinfachen und unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand zu vermeiden. Die Pauschbeträge seien eingeführt worden, um es Behinderten zu ersparen, ihre behinderungsbedingten Mehraufwendungen, soweit diese einen bestimmten Umfang nicht übersteigen, im Einzelnen nachweisen zu müssen. Dieser Vereinfachungszweck werde nach wie vor erreicht.

Im Rahmen eines Erfahrungsaustausches mit den obersten Finanzbehörden der Länder werde die Wirkung der Pauschbeträge regelmäßig überprüft. Danach gebe es keine Erkenntnisse, dass Steuerpflichtige vermehrt ihre tatsächlichen behinderungsbedingten Aufwendungen statt der Pauschbeträge geltend machten.

Meine Damen und Herren! Diese Argumente haben auch im Jahre 2002 noch ihre Gültigkeit. Hinzu kommt, dass der Behinderte durch eine Beibehaltung der Höhe der Pauschbeträge steuerlich nicht belastet wird. Jeder Behinderte, der die gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 33 und 33 b des Einkommensteuergesetzes erfüllt, hat die Möglichkeit, entweder ohne Einzelnachweis und ohne Kürzung um eine zumutbare Belastung einen nach dem Grad seiner Behinderung gestaffelten Pauschbetrag vom Gesamtbetrag der Einkünfte geltend zu machen und abzuziehen oder aber unter Berücksichtigung einer zumutbaren Belastung den tatsächlichen behinderungsbedingten Mehraufwand vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen.

Unter diesen Umständen halte ich eine Bundesratsinitiative zur Anhebung der Pauschbeträge zum jetzigen Zeitpunkt für wenig Erfolg versprechend. Unter dem Eindruck dessen, was wir gestern und heute zur Gesamteinnahmesituation von Bund und Ländern diskutiert haben, wird es umso weniger aussichtsreich sein, jetzt mit

weiteren Ausgabenerhöhungen in ein Bundesratsverfahren zu gehen.

Ich muss deshalb um Verständnis bitten, dass sich die Landesregierung Ihrem eigentlich verständlichen Wunsch nicht anschließen wird. - Danke sehr.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke schön, Herr Minister. - Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Herr Scharf das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Dr. Eckert, es ist jetzt einer der wenigen Momente, vielleicht sogar der letzte in dieser Legislaturperiode, in dem ich dem Herrn Finanzminister hundertprozentig Recht gebe. Es ist alles Wesentliche dazu gesagt.

Ich muss Ihnen sagen, Herr Dr. Eckert, Sie führen die Leute auf eine falsche Spur, wenn Sie ihnen weismachen wollen, es gehe darum, ein Stückchen soziale Gerechtigkeit herzustellen, wenn wir die Bundesregierung über den Bundesrat auffordern würden, dafür zu sorgen, dass die Pauschbeträge erhöht werden.

Es ist ganz eindeutig gesagt worden und ich kann das nur wiederholen: Wer von den Pauschbeträgen keinen Gebrauch machen möchte, der muss nach § 33 des Einkommensteuergesetzes seine außergewöhnlichen Belastungen einzeln nachweisen und bekommt sie dann in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen ersetzt. Deshalb weiß ich nicht, was Ihre Philippika jetzt soll.

Der Vergleich mit Steigerungsraten, die wir als Abgeordnete bei Pauschbeträgen usw. ab und zu beschließen müssen, geht völlig fehl, weil es den Leuten suggerieren könnte, es würde darum gehen, dass sich die Zuwendungen, die sie wegen ihrer Behinderung regelmäßig erreichen können, dadurch verändern würden. Sie verändern sich nicht, weil sie ihre tatsächlichen Aufwendungen nachweisen können und diese dann in vollem Umfang Berücksichtigung finden.

Im Übrigen gibt es eine kleine Pikanterie: Genau Ihr Antrag wurde vor kurzem nur mit einer ganz leichten Variation von den Republikanern in den Landtag von Baden-Württemberg eingebracht. Ich weiß nicht, ob Sie sich normalerweise in diese Gesellschaft begeben wollen. Vielleicht lag dem einfach dieselbe populistische Idee zugrunde und wer diese Idee aufgegriffen hat, war relativ zufällig.

(Unruhe bei der PDS - Zurufe von Frau Bull, PDS, und von Frau Dr. Weiher, PDS)

Ich möchte an dieser Stelle ganz deutlich sagen: Dieser Antrag ist schlecht überlegt. Er ist vollkommen unnötig und unbillig. Er zeigt auch nicht das, was wir zu einer tatsächlichen Erleichterung der Folgen von Behinderungen in diesem Landtag leisten sollten.

Der Landtag hat in dieser Weise in den letzten Jahren viel weiße Salbe vergeben. Ich möchte daran erinnern, dass auch das Behindertengleichstellungsgesetz, das im Landtag von Sachsen-Anhalt mit den Stimmen von SPD und PDS beschlossen worden ist, nach Aussagen von Sozialministerin Frau Dr. Kuppe im Wesentlichen materiell-rechtlich keine neuen Leistungen beinhaltet, sondern dass das, was normalerweise jetzt schon ausgereicht wird, auch weiterhin ausgereicht werden soll.

Wir sollten die Bürger damit verschonen, ihnen zu sagen, wir werden ihnen weitere Erleichterungen geben, und bei genauerem Lesen entpuppt es sich wieder als das Alte.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön, Herr Scharf. - Für die FDVP-Fraktion hat der Abgeordnete Herr Weich das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Antrag ist inhalts- und konzeptionslos. Er ist nicht konkret genug und bedarf einer Überarbeitung. Einen realitätsnahen Ausgleich für einen Mehrbedarf zu erwirken, liest sich schön. Wie soll es jedoch funktionieren? Was ist realitätsnah?

Über die Höhe der Anhebung liest man in dem Antrag nichts. Ebenso liest man nichts über die Möglichkeiten der Finanzierung. Soll eine Anhebung der Pauschbeträge generell oder gestaffelt nach dem Grad der Behinderung erfolgen?

Sicherlich decken die derzeitigen Pauschbeträge nicht den Aufwand bzw. den Mehraufwand aufgrund stetig steigender Kosten. Jedoch ist der Teil der Bevölkerung nicht der einzige, der über die geringe Höhe klagt. Auch Familien mit Kindern, besonders Alleinerziehende, erhalten über die Pauschbeträge in keiner Weise einen realitätsnahen Ausgleich.

Es können nun einmal nicht alle Wünsche erfüllt werden. Einen Nachtrag zur erfolgten Steuerreform zu erwirken, ist sehr unwahrscheinlich.

Der Antragsteller kommt zu spät bzw. ist zu früh. Meine Damen und Herren! Mit Geschenkeverteilen durch verspätete Weihnachtsmänner ist niemandem geholfen. Sie haben sich wieder eine Bevölkerungsgruppe herausgepickt, die Sie beglücken möchten.

Hätten Sie eine generelle Anhebung der Pauschbeträge insbesondere für Familien mit Kindern und Alleinerziehende beantragt, hätten wir diesem Antrag zugestimmt. Dieser Antrag ist ein Antrag der PDS, die - so wurde uns berichtet - vor der Landtagswahl im Jahr 1998 in die Alten- und Pflegeheime gegangen sein soll, um den alten Menschen zu sagen: Wenn ihr nicht PDS wählt, dann wird euch die Rente gestrichen. - Wir werden die Wahlkampfpraktiken dieser Lügen- und Schmutzparteien genau verfolgen. - Danke schön.

(Beifall bei der FDVP)

Danke schön, Herr Weich. - Für die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort der Abgeordnete Herr Doege.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, ich kann es relativ kurz machen. Sowohl der Finanzminister als auch Herr Scharf sind auf die meisten Dinge schon eingegangen. Gestatten Sie mir vielleicht deshalb nur einige kurze Bemerkungen.

Der in der Begründung des PDS-Antrages erwähnte Zeitpunkt der letzten Anpassung liegt sicherlich schon einen langen Zeitraum zurück. Allerdings kann aus der

Höhe der Inflation seit dem Jahr 1974 nur in beschränktem Umfang ein Rückschluss auf die Mehraufwendungen der Behinderten gezogen werden.

Die Preissteigerungsrate wird auf der Grundlage von statistischen Erhebungen über die Preise von Waren und Dienstleistungen allgemeiner Art berechnet. Behinderungsspezifische Bedarfslagen sind hierbei nur in einem nicht repräsentativen Umfang enthalten.

Gerade die letztgenannten Kosten müssen Behinderte aber nicht in allen Fällen selbst tragen. Insbesondere das Sozialrecht sieht unter bestimmten Voraussetzungen einen Aufwendungsersatz für behinderungsspezifische Aufwendungen vor.

Nach der Systematik des § 33 des Einkommensteuergesetzes können jedoch nur solche Aufwendungen steuerlich berücksichtigt werden, die die Steuerpflichtigen endgültig belasten. Soweit der Steuerpflichtige von einer dritten Seite zum Ausgleich der Belastungen einen Aufwendungsersatz erhält, scheidet ein Abzug als außergewöhnliche Belastung aus.

Meine Damen und Herren der PDS-Fraktion, die SPDFraktion kann sich Ihrem Antrag auf eine Bundesratsinitiative nicht anschließen. Auch wenn ich noch einmal die Dinge rekapituliere, die gestern zu dem Thema der Gemeindefinanzreform hier vorgetragen worden sind, kann man nur sagen, dass es nicht das Ziel sein kann, zukünftig noch mehr an Subventions- und Steuerermäßigungstatbeständen einzuführen. Es muss darum gehen, ein Steuersystem für die Zukunft zu schaffen, das so ausgelegt ist, dass wir mit möglichst wenigen Tatbeständen auskommen. Das muss von vornherein im jeweiligen Steuersystem entsprechend berücksichtigt sein. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Doege. - Das Wort für die PDS-Fraktion hat noch einmal der Abgeordnete Herr Dr. Eckert.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin eben besonders langsam gegangen, weil ich ein Problem mit dem Laufen habe. Genau hierbei ist zum Beispiel ein Mehraufwand für mich sofort ersichtlich. Der Mehraufwand war beispielsweise vor zehn Jahren ein anderer als heute. Das ist insbesondere durch Preissteigerungen verursacht worden, die ich auch selbst tragen muss.

Die einzige Möglichkeit als Steuerzahler - wenn ich jetzt nicht Abgeordneter gewesen wäre - wäre, diesen Mehraufwand über ein anrechenbares Faktum im Einkommensteuerrecht geltend machen zu lassen. Das könnte ich jetzt tun, nach dem, was der Herr Minister dargestellt hat. Ich halte es aber für unbillig, von Menschen mit Behinderungen etwas zu verlangen, was man von anderen Gruppen so nicht verlangt.

Das System des Einkommensteuerrechts kennt ja gerade derartige Pauschbeträge zur Beweiserleichterung. Sie müssen dann eben auch dem Grundsatz des Leistungsfähigkeitsprinzips entsprechen. Ich meine, bei mir könnte man annehmen, dass ich die Leistungsfähigkeit habe, die entsprechenden Aufwendungen immer geltend zu machen.

Der Gesetzgeber hat aber für behinderte Menschen einen pauschalierten Abzug in den entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen gewährt. Er hat eine Erleichterung eingeführt. Das war im Jahr 1975. Ich sehe nun keinen Anlass dafür, in diesem Jahr eine solche Erleichterung den behinderten Menschen nicht zukommen zu lassen, sondern sie einfach darauf zu verweisen: Ihr könnt ja einen Einzelnachweis erbringen. Daher halte ich das auch nicht für eine schlüssige Argumentation.

Ich glaube schon, dass die behinderten Menschen einen Anspruch darauf haben, dass das, was für andere Gruppen der Gesellschaft gilt - also im Einkommensteuerrecht eine Pauschale zu erhalten -, auch für diese Gruppe Gültigkeit hat. Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet ist es nur logisch, dass man die Betragshöhen den Aufwendungen entsprechend anpasst. Das wäre der eine Punkt.

Der zweite Punkt ist: Herr Minister, ich könnte Ihren Ausführungen zu der Finanzsituation des Landes und des Bundes ja folgen, wenn Sie nicht zur gleichen Zeit auch zustimmen, dass Großunternehmen kaum bis keine Steuern zahlen. Das heißt also, hier gibt es eine Schieflage zwischen den sozial Benachteiligten und denjenigen, die das praktisch nicht nötig haben.

Ich möchte nur eine Zahl nennen. Wenn die Allianz im vergangenen Jahr 2 Milliarden DM weniger an Steuern gezahlt hat, dann ist das ein Ergebnis der Steuerpolitik. Was ich jedoch fordere, sind keine 2 Milliarden DM. Ich fordere vielmehr, darüber nachzudenken, wie man den Pauschbetrag, den nur steuerpflichtige Schwerbehinderte tatsächlich in Anspruch nehmen können, möglicherweise erhöhen kann.

Ich hatte vermutet, dass Sie mir zum Vorwurf machen würden, dass ich nur für die steuerpflichtigen Schwerbehinderten eintrete. Es wäre aber für mich ein erster Schritt, um deutlich zu machen, dass auch daran gedacht werden muss, dass zum Beispiel für den Weg zur Arbeit und anderes doch in dem entsprechenden Maße Aufwendungen angerechnet werden.

Eine letzte Bemerkung. Herr Scharf, dass die Republikaner es gemacht haben, war mir nicht bekannt. Das muss ich Ihnen sagen. Aber man lernt nie aus.

Sie sprachen von weißer Salbe. Ich bin nicht der Meinung, dass wir in diesem Landtag weiße Salbe oder keine wirksamen Gesetze verabschieden. Vielmehr zeigt das, was wir beabsichtigen, auch Wirkung. Es wirkt natürlich nicht in dem Sinne, wie Sie es unterstellt haben, dass beispielsweise jeder einzelne behinderte Mensch sofort einen konkreten Leistungs- oder Geldbetrag erhält. Aber schrittweise werden Richtlinien verändert und Maßnahmen eingeleitet, die tatsächlich zu einer verbesserten Lebensqualität führen.

Gestatten Sie mir, dass ich das an einem Beispiel darlege. Ich habe am Montag erfahren, dass die Richtlinien zur Tourismusförderung derartig verändert wurden, dass die Barrierefreiheit jetzt ein Kriterium für die Förderung infrastruktureller Maßnahmen ist. Über diesen Weg hat jeder Einzelne eine entsprechende Verbesserung der Lebensqualität.

Insofern bedauere ich es sehr, dass Sie keine Möglichkeit sehen, die Landesregierung zu beauftragen, dem Anliegen stattzugeben und möglicherweise im Gegenzug zu den Steuererleichterungen für die Großunternehmen auch für Steuererleichterungen für Schwer

behinderte einzutreten. Ich bedauere das außerordentlich. Ich betrachtete das nicht als eine populistische Angelegenheit. - Danke schön.