Protocol of the Session on February 22, 2002

Des Weiteren fand am 20. Dezember 2001 - auch darauf wurde heute schon in einem anderen Zusammenhang hingewiesen - bei einem Zusammentreffen der Regierungschefs der Länder eine Beratung zu dem Thema das habe ich der Tagesordnung entnommen - „Auswirkungen von Basel II auf die mittelständische Wirtschaft“ statt. Sachsen-Anhalt war Berichterstatter zu diesem Thema. Ich habe bisher nicht recherchiert, was dort berichtet und worüber beraten wurde; es könnte jedoch dem Anliegen dieses Antrages sehr entgegenkommen.

Über diese Aktivitäten der Landesregierung hinaus - das ist nun das Anliegen unseres Antrages - ist es nach unserer Meinung notwendig, insbesondere die Situation in Ostdeutschland gegenüber dem Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht deutlich zu machen. Ich muss mit Verwunderung feststellen - das hat auch der Ministerpräsident gestern deutlich gemacht -, dass es dazu von anderen ostdeutschen Bundesländern offenbar keine hinreichende Positionsfindung gibt.

Wir denken, es ist notwendig, gemeinsam mit anderen ostdeutschen Bundesländern und mit den Kammern und

Verbänden der Wirtschaft sowie mit dem Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverband Nachbesserungen des vorliegenden Entwurfes der Baseler Eigenkapitalrichtlinie im Sinne der Erleichterung der Kreditversorgung für den Mittelstand, insbesondere auch für den Mittelstand in Ostdeutschland, zu erreichen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung von Minister Herrn Gerhards)

Danke, Herr Professor Trepte, für die Einbringung. Meine Damen und Herren! Es ist eine Debatte mit einer Redezeit von fünf Minuten je Fraktion in der Reihenfolge DVU, CDU, SPD, FDVP und PDS vereinbart worden. Bevor ich für die Landesregierung Herrn Ministerpräsident Dr. Höppner das Wort erteile, begrüße ich herzlich im Namen des Hohen Hauses Schülerinnen und Schüler der Integrierten Gesamtschule Halle. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Ministerpräsident, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema ist gestern schon in meiner Regierungserklärung angeschnitten worden. Der Antrag gibt Gelegenheit, ein paar Dinge ausführlicher zu sagen.

Ich teile die Einschätzung - das wird in diesem Hause wahrscheinlich auch unumstritten sein -, dass es im Grundsatz sinnvoll ist, die Spielregeln der Banken international einigermaßen vernünftig zu ordnen und auch zu kontrollieren. Man kennt inzwischen einige gravierende Fälle von Bankenzusammenbrüchen. Die Auswirkungen für die Wirtschaft sind katastrophal und betreffen alle Regionen, selbst wenn sich die Banken nicht im eigenen Land befanden. Insofern ist auch internationale Kontrolle an dieser Stelle nötig und sinnvoll.

Was ist nun der Streitpunkt bei dem Thema Basel II, das heißt bei den jetzt vorliegenden Kriterien? - Eines kann man sehr deutlich sagen: Bei den Papieren, die bisher auf dem Tisch liegen, ist eine ausgesprochene Modellgläubigkeit festzustellen. Für die Einschätzung, wie groß das Risiko eines Kredites ist, sind entsprechende Formeln entwickelt worden, nach denen dann - Stichwort Rating - das Kreditrisiko berechnet wird.

An dieser Stelle stellt sich heraus, dass sich viele Realitäten eben nicht in Formeln bringen lassen. Das gilt in besonderer Weise in Bezug auf Kredite, die an kleine und mittelständische Unternehmen gegeben werden. Deswegen bezieht sich die Kritik nicht auf die grundsätzliche Regelung, sondern darauf, welche Nebenwirkungen solche Beschlüsse hätten.

Es ist sicherlich richtig, wenn summarisch gesagt wird, es werde zu einer Kreditverteuerung insbesondere für die ostdeutschen Unternehmen kommen. Warum für die ostdeutschen Unternehmen? Thematisieren wir hierbei wieder etwas unter dem Aspekt Ost/West, der gar nicht angemessen ist? - Nein, es ist in der Tat so, dass im Osten eine besondere Situation besteht, und zwar aus zwei Gründen.

Erstens. Alle hier ansässigen eigenständigen Unternehmen leiden unter Kapitalmangel. Die Eigenkapitaldecke ist zu dünn. Das heißt mit anderen Worten: Die Sicher

heiten, die für solche Kredite auf den Tisch gelegt werden müssten, sind nicht in dem Maße vorhanden, wie es in den westlichen Regionen Deutschlands der Fall ist.

Es kommt noch ein Zweites hinzu: Bei der Einschätzung der Bonität von Unternehmen spielt auch die Frage eine Rolle, ob es sich dabei um ein junges Unternehmen handelt, von dem man noch nicht genau weiß, wie es läuft, oder ob es sich um ein alteingesessenes Unternehmen handelt, von dem alle sagen: Das Unternehmen arbeitet schon seit 30 Jahren; wir wissen, dass sie das hinbekommen.

Die Frage der Bonität ist nicht nur mithilfe von Rechenbeispielen zu lösen; vielmehr muss dabei ein erhebliches Maß an Erfahrung einfließen. Das gilt auch, wenn im Ministerium über Wirtschaftsansiedlungen entschieden werden muss. Dabei spielen folgende Fragen eine große Rolle: Traue ich dem Unternehmer das Projekt zu? Wie benimmt er sich in dem Gespräch, in dem er sein Projekt vorstellt?

Wenn mir jemand in der Bürgersprechstunde den Vorschlag unterbreitet, er wolle in Sachsen-Anhalt eine Autofabrik bauen, dann kann ich davon ausgehen, dass das vermutlich nichts wird; denn wer hier eine Autofabrik bauen wollte, käme nicht zu mir in die Bürgersprechstunde. Diesen Aspekt könnte ich aber formal in einem Rating nicht erfassen. Es spielt also auch die Tatsache eine Rolle, dass viele nicht mathematisierbare, objektivierbare Kriterien berücksichtigt werden müssen.

Wenn zu viele formale Kriterien eingeführt werden, wird es außerdem dazu kommen, dass die wesentlichen Entscheidungen in der Zentrale gefällt werden; es wird zu einem Rückzug der größeren Banken und in der Folge auch zu einem Rückzug kleinerer Banken aus der Fläche kommen. Das heißt mit anderen Worten: Über Kredite wird dann in Frankfurt und nicht mehr in Stendal entschieden. Eine solche Entwicklung kann uns nur schaden. Es geht also um die Nebenwirkungen.

Was haben wir getan? - Das Gespräch mit der Generalsekretärin Frau Nouy ist bereits erwähnt worden. Wir werden uns selbstverständlich weiterhin um Solidarität unter den neuen Bundesländern bemühen. Diesbezüglich ist inzwischen Gott sei Dank einiges im Gange. Es ist nicht so, dass die anderen uns nicht unterstützten. Wenn man das Problem einmal richtig erklärt hat, kapiert es jeder und sagt: Okay, da müssen wir mitmachen. Das ist wichtig und das läuft.

Wir haben dabei inzwischen auch die Solidarität des Bundesfinanzministers; das ist klar. Wir haben auch erreicht, dass der Präsident unserer Landesbank, Herr Kotz, der in dieser Angelegenheit sehr kundig ist, mit den Experten von Basel noch einmal über die Modelle beraten darf und unsere Belange einbringen kann.

Die Entscheidungen der nächsten Etappe werden aufgrund von Praxisbeispielen getroffen. Dahinter steht das Stichwort Wirkungsanalyse. Jetzt sollen Beispiele an konkreten Fällen durchgespielt werden. Diesbezüglich haben wir die Forderung erhoben: Macht das bitte nicht für Deutschland insgesamt, sondern teilt das dann in Deutschland-West und Deutschland-Ost. Anderenfalls ergeben sich unter dem Strich Durchschnittswerte, die dann nach Basel weitergegeben werden, Durchschnittswerte der Deutschen Bank, der Dresdner Bank oder welcher Bank auch immer, die dann aber nichts mehr über unser Problem aussagen. Das ist ein Punkt, den

wir auch über die Deutsche Bundesbank ins Gespräch bringen wollen, die bei den Analysen sicherlich mit federführend sein wird.

Ich weise auf ein weiteres Problem hin, um das wir uns in der Zukunft kümmern müssen. Ein Schritt ist bereits getan worden. Die Entwürfe, die jetzt auf dem Tisch liegen, sind für uns leichter verkraftbar geworden, weil der Bereich der Privatkunden erweitert worden ist. Hierbei stellt sich die Frage, was Privatkunden sind. Sie brauchen nämlich nicht geratet zu werden.

Der Betrag, bis zu dem man auch kleinere Betriebe als Privatkunden führen kann, ist deutlich heraufgesetzt worden. Das ist schon eine gewisse Erleichterung, aber das reicht nicht aus, vor allen Dingen weil eine Gefahr besteht, die sich schon jetzt abzeichnet: Es besteht die Gefahr, dass sich die Sparkassen und Banken, selbst wenn sie sich nicht danach richten müssten, gewissermaßen in vorauseilendem Gehorsam dennoch nach diesen Ratingregeln richten und dass sich dies auswirkt, obwohl es sich nicht unbedingt auswirken müsste.

Ich komme jetzt zu einem für die Zukunft wichtigen Punkt. Wir werden uns jetzt darum kümmern, dass in der EU noch einmal darüber diskutiert wird, wie diese Baseler Regelung in der EU umgesetzt werden wird.

Es kommt ein Punkt hinzu, bei dem man von Amerika lernen kann. In Amerika treffen diese Baseler Richtlinien nach der Umsetzung in nationales Recht nur für die - ich nenne sie einmal so - international agierenden Großbanken zu. Die vielen kleinen Banken im Land können ihre Angelegenheiten allein regeln. Das macht auch einen gewissen Sinn; denn wenn eine kleine Bank kaputtgeht, wird die Welt davon nicht erschüttert. Wenn es eine weltweit agierende Bank ist, dann ist die Situation völlig anders.

Für uns stellt sich nunmehr die Frage, ob wir, wenn die Regeln nicht hinreichend befriedigend sind, nicht auch nach dem Modell Amerikas in Europa dafür sorgen könnten, dass die kleineren Banken, die in besonderer Weise für Kleinkredite verantwortlich zeichnen können, von diesen Regelungen - jedenfalls in der vorgesehenen Härte - ausgenommen werden. Damit hätten unsere Bankenaufsichten einen größeren Spielraum für ihre Entscheidungen. Wir haben uns vorgenommen, über diesen Punkt innerhalb der EU zu diskutieren.

An dieser Stelle höre ich einfach auf. Es gäbe sicherlich noch zehn oder 20 Gesichtspunkte, die dabei im Detail berücksichtigt werden könnten, aber so detailliert brauchen wir die Debatte hier nicht zu führen.

Ich hoffe, dass meine Ausführungen deutlich gemacht haben, dass wir dabei richtig am Ball sind. Meiner Ansicht nach wird damit eine Weichenstellung für die Zukunft vorgenommen, die wir nicht verpassen dürfen. Sollte das alles tatsächlich zur Verteuerung von Krediten führen, dann allerdings brauchten wir nach dem Modell, das wir jetzt schon mit der KfW und dergleichen haben, für solche Bereiche Kreditprogramme, die diese entwicklungsschädigende Differenz auffangen.

Über dieses Thema sollten wir sprechen, wenn es aktuell ist. Diesbezüglich will ich jetzt noch nicht zu viele Forderungen aufmachen. Es ist vielleicht ein dynamisierendes Element in der Gesamtdebatte, wenn der Bund jetzt schon merkt, dass ihn dieses Problem später einmal Geld kosten könnte, sofern es nicht vernünftig gelöst

wird. Deswegen darf ich das Kreditprogramm heute schon einmal ansprechen. - Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Frau Bull, PDS, und von Herrn Prof. Dr. Trepte, PDS)

Danke, Herr Ministerpräsident. - Meine Damen und Herren! Ich begrüße auf der von mir aus gesehen linken Tribüne herzlich Lehrerinnen und Lehrer des Gymnasiums Bendorf. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Die DVU-Fraktion hat auf einen Redebeitrag verzichtet. Für die CDU-Fraktion spricht jetzt der Abgeordnete Herr Scharf. Bitte schön, Herr Scharf.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ende Oktober letzten Jahres hat Bundeskanzler Schröder mit seiner Ankündigung Erstaunen ausgelöst, er wolle die Baseler Eigenkapitalvereinbarung Basel II kippen, weil dadurch der deutsche Mittelstand benachteiligt werde.

Eine breite Öffentlichkeit wurde nach dem Wort vom „Verbraten“ von Steuergeldern in Brüssel nunmehr bei einem bemerkenswerten internationalen Auftritt mit dieser Forderung vertraut gemacht. Mittlerweile ist der europäische Sprachschatz des Bundeskanzlers auch um den „blauen Brief“ erweitert worden, worüber wir heute Morgen diskutiert haben.

Seit der Intervention im Oktober stand diese Aktivität allerdings in einem relativ schrillen Kontrast zu einer ganzen Reihe von sachlichen Einwänden, die bis dato von den verschiedensten Organisationen und Verbänden schon im Zuge des Diskurses über Basel II erhoben wurden. Erwähnenswert ist zum Beispiel das ZehnPunkte-Programm des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes. Dazu werde ich nachher kurz etwas sagen. Es gibt ferner eine bemerkenswerte Stellungnahme des Deutschen Industrie- und Handelstages, eines doch durchaus dem Mittelstand verpflichteten Verbandes.

Folgende Erkenntnis sei vorweggenommen: Die Beteiligten diskutieren seit der Vorlage des zweiten Konsultationspapieres durch das Generalsekretariat im Januar 2001 durchaus auf einem sehr hohen Niveau miteinander. Die erhobenen Einwände werden demnächst innerhalb einer dritten Präsentationsphase bewertet. Vielleicht liegt darin ein Grund für die derzeit forcierte Diskussion in der Öffentlichkeit.

Niemand stellt allerdings den neuen Baseler Akkord grundsätzlich infrage, der ab dem Jahr 2005 wirksam werden soll. Erst wenn ein Verhandlungsergebnis feststeht und bewertet werden kann, ist die Zeit reif, um über eventuell erforderliche flankierende Maßnahmen der öffentlichen Hand zu beraten.

Wenn Sie, Herr Ministerpräsident, jetzt Überlegungen im Hinblick auf Kreditprogramme anstellen, die wir dann aber nicht im Land finanzieren sollten, dann weiß ich nicht, ob das beihilferechtlich schon gut durchdacht ist. Man könnte durchaus auch über Bürgschaften nachdenken.

In einer Frage stimme ich allerdings mit Ihnen überein: Jetzt geht es erst einmal darum, dass wir das Baseler Ergebnis verbessern, damit wir hinterher solche Krücken, die neue große Schwierigkeiten mit sich bringen werden, möglichst gar nicht in unsere Überlegungen einschließen müssen.

Im Mittelpunkt der heutigen Debatte stehen der Kreditbedarf und die Bonität der ostdeutschen Unternehmen. Unter Fachleuten wird bei der Bewertung von ostdeutschen Unternehmen meistens nach Sektoren, Branchen und gegebenenfalls nach Regionen unterschieden.

So geht die Deutsche Bundesbank vor, die in ihren statistischen Sonderveröffentlichungen bereits Ende der 90er-Jahre branchenspezifisch gute Fortschritte bei den Eigenkapitalquoten auch ostdeutscher Unternehmen feststellen konnte. Nicht alle ostdeutschen Unternehmen leiden gleichermaßen an einer Unterkapitalisierung.

Aus der täglichen Arbeit, liebe Kolleginnen und Kollegen, wissen wir allerdings auch, dass es viele problematische Branchen gibt, etwa im Baugewerbe oder in der Wohnungswirtschaft. Diese Beispiele zeigen uns gerade, dass wir unabhängig von der Basel-II-Diskussion ein echtes Problem haben, das wir unabhängig davon lösen müssen. Diese Schwierigkeit ist also nicht durch das Basel-II-Abkommen verursacht worden; denn dieses befindet sich noch in der Diskussion.

Wir müssen feststellen, dass viele Banken die Baubranche schon jetzt einfach aus ihrem Kundenportefeuille gestrichen haben. Das heißt, sie nehmen schon jetzt diese für sie mit guten oder schlechten Risiken Behafteten gar nicht mehr auf.

Der DIHT macht eine ganze Reihe von differenzierten Vorschlägen, aus denen die bessere Bewertung von Grundpfandrechten und die Bündelung von Krediten für kleine Unternehmen und Freiberufler herausragen. Es gibt hierzu bereits eine ganze Menge von Vorschlägen, die im Grunde genommen in die richtige Richtung zielen und die noch deutlicher diskutiert und bewertet werden müssen.

Wir, die CDU-Fraktion, haben übrigens im Zusammenhang mit unserem Antrag in Bezug auf die Bedingungen für die Gewährung von Konsolidierungsdarlehen bereits in dieser Legislaturperiode eindringlich darauf hingewiesen. Wir konnten uns damals nur darüber wundern, dass die Wirtschaftsministerium Frau Budde unsere Vorschläge mit dem Hinweis auf die zu erwartende eventuell hohe Ausfallquote für das Land vom Tisch gewischt hat. Wir sollten uns selbst gegenüber schon ehrlich sein; denn Risiken, die wir selbst nicht tragen wollen, können wir schlecht anderen aufbürden.

(Zustimmung von Herrn Dr. Bergner, CDU - Mi- nisterin Frau Budde: Völliger Unsinn! Sie wollten das für in Schwierigkeiten geratene Unternehmen haben!)

Unter dem Strich, meine Damen und Herren, stimmen wir dem Antrag jedoch zu; denn auch wir meinen, dass der Landtag, egal durch welche Regierung, regelmäßig über den Fortgang dieses Konsultationsprozesses informiert werden muss.