Die Botschaft der CDU lautet doch: Wenn du dich in Sachsen-Anhalt engagieren willst, dann tu das erst, wenn es kein Magdeburger Modell und keine rot-rote Regierungskonstellation mehr gibt. Das gilt natürlich auch für Mecklenburg-Vorpommern und inzwischen auch für Berlin. Es betrifft inzwischen immerhin schon mehr als 50 % der neuen Länder. - Sie sollten einmal darüber nachdenken, ob Ihre Haltung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern im Osten noch politisch trägt.
Als Strafe wird mit Fördermittelentzug gedroht. Das ist so neu nicht. Auch Herr Stoiber und andere Westgrößen der CDU drohten bereits mit Finanzkürzungen gegenüber den Neuländern, deren Bürgerinnen und Bürger sozusagen die vermeintlich falschen Parteien wählten.
Dessen ungeachtet bietet die CDU - in tiefer Selbstverachtung all ihrer Zweifel an den Fähigkeiten - der SPD eine Sanierungskoalition an. Sie wirft sich sozusagen den schlimmen Zuständen in Sachsen-Anhalt entgegen. Auch angesichts Ihrer heutigen Rede stellt sich jedoch die Frage: Auf wessen Kosten soll sich hier wer oder was sanieren?
Die heutige Regierungserklärung und die sich anschließende Debatte sind Reaktion und Gegenreaktion zugleich - völlig klar. Da bemüht sich die CDU im Lande mangels eigener Potenzen um so genannte Wirtschaftsexperten von außen. Herr Ludewig als ehemaliger Ostbeauftragter der CDU ist das neue personifizierte Wirtschaftskonzept der CDU Sachsen-Anhalts und muss seine Fähigkeiten für den Erhalt des Waggonbaus Ammendorf erproben. Herr Roland Bergner, München, erfahren in Sachen Treuhandberatung bei der Zerschlagung der großen Industriezentren im Osten,
die Sie vorhin auch im Munde führten - erinnert sei darüber hinaus an die Zweitprivatisierung des Sket Magdeburg -, wird als nächster Kronzeuge bemüht.
- Christa Luft haben wir hier nicht nötig. Christa Luft macht ihre Arbeit auf der Bundesebene. Wir haben im Land eigene erfahrene Leute.
Dass vielen beim Lesen der Veröffentlichungen die vorsätzliche Einseitigkeit endgültig zu viel war, ist uns in den letzten Tagen immer wieder gesagt worden und selbst die „Mitteldeutsche Zeitung“ hat es in ihren Leserbriefen veröffentlicht. Waren es nicht gerade die vielen
seriös scheinenden Berater aus den Altländern, die ohne Kenntnis der Besonderheiten des Ostens mit ihren Urteilen nachhaltig negativ wirkende Entscheidungen verursachten? Kommunalpolitiker und Kommunalpolitikerinnen aller Parteien können dazu ganze Arien anstimmen. Ich sage nur: Abwassersituation in Sachsen-Anhalt.
Gerade deshalb sollte unser gesundes Misstrauen angesichts dieser Kronzeugen der CDU jetzt auch Alarm schlagen.
Als wichtigstes Beispiel für die gravierend schädigende Rolle der PDS in Regierungsnähe wird immer wieder die BMW-Ansiedlung in Leipzig herangezogen. BMW hat bei seiner Ansiedlungsentscheidung wohl eher die gesamte Infrastruktur der Wirtschaftsregion Leipzig/Halle/Dessau gesehen als die PDS. So bedeutsam sind wir aus der Sicht von BMW wohl auch wieder nicht.
Wenn dem wirklich so wäre, dann müsste ich mich doch fragen, warum BMW zur Befriedigung der steigenden Nachfrage nach seinen Motorrädern ein zweites großes Fertigungswerk nunmehr in Berlin baut. Das ist die jüngste Meldung vom Wochenende aus dem Hause BMW.
Wir haben uns in Sachsen-Anhalt nichts schönzurechnen und wir haben uns nichts schönzureden; die Wirklichkeit entlarvt alle Versuche dieser Art und die Menschen hier haben ein feines Gespür dafür. Mir scheint, nachdem ich die Erklärung des Ministerpräsidenten gehört habe, dass dieser Umstand auch Berücksichtigung gefunden hat.
Dennoch muss die SPD nicht jeden Ball der CDU zurückspielen, insbesondere dann nicht, wenn er im Aus gelandet ist. Das haben die Vorlagen der CDU, ehrlich gesagt, nicht unbedingt verdient, auch Ihre Rede nicht.
Die von der Landesregierung am letzten Freitag dagegengesetzten Statistiken sind zugegebenermaßen ganz informativ, aber eben zum Großteil noch nicht aktuell und damit in unserer Sache auch noch nicht wirklich hilfreich. Den bislang präsentierten Statistiken fehlten zwangsläufig ganz andere Informationen, an welchen die Menschen im Land natürlich viel mehr interessiert sind:
Was wurde im Einzelnen und ganz konkret getan, um die Entwicklung so und nicht anders voranzutreiben? Welchen Anteil haben die Aktivitäten der Landesregierung an den Erfolgen oder eben auch an Misserfolgen? Es geht auch nicht darum, wer mit wem wann geredet hat, sondern es geht darum, was festgelegt und was umgesetzt wurde.
Die Regierungserklärung von heute bietet durchaus in der Breite Ansätze, die aber - jeder für sich - weiter vertieft werden können und weiter vertieft werden müssen.
Derzeit sind die konkreten deutschlandbezogenen Ursachen für den Konjunktureinbruch eben noch nicht aufgearbeitet worden. Nicht alles kann der Schwäche des USA-Marktes angelastet werden.
Allerdings deuten die Berichte der IHK und der Handwerkskammern sowie die ersten Veröffentlichungen der letzten Tage das veränderte Problempotenzial schon an. So ergibt beispielsweise die Konjunkturumfrage der Handwerkskammern für das vierte Quartal 2001, dass
die Wachstumsschwäche weniger auf die nachlassende Auslandsnachfrage und die schlechte Baukonjunktur zurückzuführen ist als vielmehr auf Strukturprobleme, auf Schwarzarbeit, auf gewerbeunfreundliche Kommunalpolitik, auf hohe Steuer- und Abgabenbelastungen für Wirtschaft und Bevölkerung und infolgedessen auch auf eine zu geringe Binnennachfrage.
Zuwächse im verarbeitenden Gewerbe konnten den bisherigen Rückgang der Bauproduktion noch nicht kompensieren. Günstige Entwicklungen im Nahrungs-, im Gesundheits-, im Metall- sowie im Holz- und Textilbereich stabilisieren sich allerdings langsam. Ähnliche Tendenzen - wir hatten das vorhin gehört; ich will es nicht im Einzelnen wieder aufzählen - lassen sich auch in anderen Industriebranchen ausmachen.
Demzufolge gibt es eben auch andere Zeugnisse: Sachsen-Anhalt nimmt mit rund 5 Milliarden € an ausländischen Investitionen den Spitzenplatz unter den neuen Bundesländern ein. So schlecht können also Bürokratie, Infrastruktur und Finanzierungsbedingungen nicht sein, wenn die PDS toleriert oder - je nachdem, wie man will - mitregiert.
Seriöse und kompetente Berater wie auch Unternehmer in der Wirtschaftspolitik bestätigen dies. Als Beleg dafür mag der Chef des Industrial Investment Council Hans Christoph von Rohr genügen, der ausdrücklich betont, dass eine Regierungsbeteiligung der PDS noch nie ein Hindernis für potenzielle Investoren dargestellt hat.
Diese PDS-Phobie ist ein rein deutsches und damit hausgemachtes Problem. Im Übrigen hat die Beteiligung von Linksparteien an Regierungen, wie das Beispiel Frankreich belegt, auch zu einem wirtschaftlichen Erfolg geführt, wie ihn sich die Bundesregierung momentan nur wünschen kann. Immerhin verzeichnet Frankreich ein Wirtschaftswachstum von 2 %. Und wenn die Roten wirklich das Investitionsgespenst schlechthin wären, gäbe es in China keinen Coca-Cola-Trust, keine Volkswagen-Gruppe, keine Siemens AG und keine Pläne zum Transrapid und vieles andere mehr.
Aber es ist aus einem anderen Grund nicht verwunderlich, dass die CDU in der Öffentlichkeit immer wieder vor der PDS warnt:
weil wir natürlich ganz andere Prioritäten setzen. - Das kam jetzt echt zu spät, Herr Bergner. Aber okay.
Und wir setzen diese anderen Prioritäten ganz bewusst. Wenn das CDU-Kritik hervorruft, dann finden wir das in Ordnung.
Für die eine oder die andere Zielstellung sollte sich keine Regierung und schon gar keine sozialdemokratische Regierung rechtfertigen müssen. Insofern kann ich den Hinweis des Ministerpräsidenten auf den sozialen Frieden und den Zusammenhalt als gleichfalls wichtige Faktoren für eine stabile wirtschaftliche Entwicklung, für stabile wirtschaftliche Verhältnisse nur unterstützen.
Eine Politik, die zu ihren Prioritäten sozial gerechtere Verhältnisse zählt, soll von der CDU unter Rechtfertigungsdruck gebracht werden. Da habe ich Frau Merkels Ansätze zur neuen sozialen Marktwirtschaft aber schon anders verstanden.
Ein Struktur- und Branchenumbruch, wie wir ihn insbesondere in Sachsen-Anhalt zu meistern haben - auch in diesem Punkt ist den Ausführungen des Ministerpräsidenten zuzustimmen -, hat keine vergleichbaren Vorbilder. Die industrielle Monostruktur - in Magdeburg Maschinenbau, um Halle Chemieindustrie, im Mansfelder Land Kupferbergbau und im Süden Braunkohlebergbau mit jeweils Zehntausenden Arbeitsplätzen, die in kürzester Zeit wegbrachen - ist auch in zehn Jahren nicht einfach durch einen gesunden Branchenmix von oben zu ersetzen, wenn dafür keine Nachfrage bzw. kein Markt vorhanden ist. Investiert wird doch immer nur dann - das müsste gerade die CDU wissen -, wenn neue Kapazitäten auch wirklich benötigt werden.
Selbst im Ruhrgebiet schleppt sich ein Strukturwandel schon über Jahrzehnte hin, der Beschäftigung auch als sozialpolitische Ausgleichsmaßnahme versteht, weshalb eben Männer wie Clement und Schröder immer noch den Steinkohlebergbau stützen.
Aber auch das zeitliche Vorziehen von Infrastrukturmaßnahmen - wie Sie, Herr Böhmer, es wieder angeführt haben und wie es Ihre Partei fordert - muss finanziert werden. Da bleibt gegenwärtig nur ein Weg und das ist eine höhere Verschuldung. Das müssen Sie sagen, vor allem im Zusammenhang damit, dass Sie zugleich Steuerentlastungen, also weniger Einnahmen des Staates fordern. Der katastrophale Einbruch bei der Körperschaftsteuer müsste eigentlich Warnung genug sein.
Stattdessen sollten kleine und mittlere Unternehmen und Handwerker die Umsatzsteuer in der Tat erst nach Zahlungseingang abführen müssen. Da haben wir nun wieder keine Differenz zur CDU.
Die CDU sagt aber auch: Wirtschaftliche Impulse soll der Staat auslösen. Andererseits soll allerorten auch die Staatsquote zurückgefahren werden. - Es ist ein bisschen schwierig, alles zu verstehen. Aber, wie gesagt, wahrscheinlich liegt auch Ihre Wahrheit in der Differenzierung.
Was im Osten wirklich Sinn macht, ist eine Stärkung der Kommunalfinanzen mit dem Ziel, die kommunale Investitionstätigkeit anzukurbeln. Darüber hinaus sollte die Senkung des Mehrwertsteuersatzes für arbeitsintensive Dienstleistungen, die den Handwerkern mehr Aufträge, mehr Einnahmen und mehr Beschäftigung bringt, ermöglicht werden.
Was wir uns im Landtag in den letzten Jahren um die Vergabe öffentlicher Aufträge, gebunden an tarifgerechte Bezahlung, gestritten haben, ist wirklich beispiellos. Hierzu vollzieht offenbar die CDU einen längst fälligen Sinneswandel.
„Bisher und noch heute wird von niedrigeren Löhnen als Standortvorteil für den Osten gesprochen. In einem immer mehr zusammenwachsenden deutschen und europäischen Markt kann und wird dies nicht so bleiben.“