Aus dem Munde eines Ministerpräsidenten, der sich noch einmal bewirbt und nochmals antreten will, war dies - für mich wenigstens - überraschend. Das war wie alles andere, was Sie sonst gesagt haben, eigentlich zu wenig.
Sie haben uns versprochen zu sagen, was Sie tun wollen, welche Aufgaben in nächster Zeit zu lösen sind, und haben uns mit vielen Allgemeinplätzen abgespeist.
Als Sie zu Beginn Herrn Hieckmann, den Präsidenten der IHK Magdeburg, zitiert haben, ist mir eingefallen, dass ich ihm ein Goethe-Zitat verdanke, mit dem der gesamte Eindruck Ihrer heutigen Regierungserklärung umschrieben werden könnte:
Die eigene Bilanz, nicht der Vorwurf gegen die anderen, die Absicht, Probleme aufzuzeigen und Lösungswege anzubieten, macht eigentlich eine Regierungserklärung eines amtierenden Ministerpräsidenten aus. Aber das, was Sie uns vorgetragen haben, waren die Wiederholungen jahrelang bekannter guter Absichten und die Resignation, es noch nicht geschafft zu haben.
Meine Damen und Herren! Wir kommen zum Thema. Sie haben eine politische Standortbestimmung vorgehabt und haben auf jeden Vergleich verzichtet, weil das ich zitiere - „politisch gefärbte Ländervergleiche“ wären.
Meine Damen und Herren! Ich frage Sie: Wen verdächtigen Sie mit einer solchen Formulierung, wenn wir von den Ergebnissen der Statistischen Landesämter sprechen, vom Ergebnis des Statistischen Bundesamtes, wenn wir von den Daten sprechen, die uns Eurostat zum Vergleich zur Verfügung gestellt hat? Sollen das politisch gefärbte Ländervergleiche sein?
Meine Damen und Herren! Wir wissen, dass wir nicht in der Bundesliga spielen. Wir wissen, dass wir uns in vielem noch nicht mit den alten Bundesländern vergleichen können, aber eine so genannte Regionalliga neue Bundesländer gibt es schon. Unter uns, unter Gleichen möchten wir uns schon vergleichen können, wenn wir wissen wollen, wo wir stehen und wo unser Standort ist.
Das hängt natürlich von der Perspektive ab, das hängt von der Messlatte ab, mit der wir unsere Leistungen messen. Aber, Herr Ministerpräsident, sich nur an sich selbst zu messen, sich nur mit sich selbst zu vergleichen, sich gut zu finden und damit zufrieden zu sein, das ist auch für uns in Sachsen-Anhalt zu wenig.
(Lebhafter Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der DVU und von Herrn Wiechmann, FDVP - Herr Dr. Sobetzko, CDU: Das ist viel zu wenig!)
Ich habe Ihnen einen Satz zu verdanken - das will ich auch sagen -: Der Verlust der Macht beginnt mit dem Verlust der Wahrnehmungsfähigkeit.
Wenn wir aufhören, uns mit Gleichen zu vergleichen, um den Standort zu bestimmen, an dem wir stehen, wenn wir also nicht einmal dazu den Mut haben, dann hören wir auf, die Wahrnehmungsfähigkeit zu nutzen, um uns selbst zu beschreiben, weil wir uns vor dem Vergleich scheuen. Dazu sage ich: Das hat Sachsen-Anhalt nun auch nicht verdient!
Herr Ministerpräsident, weil Sie immer wieder die letzten Jahre bemühen, will ich es ganz deutlich auf den Punkt bringen: Ich bin bereit, mich ausdrücklich dafür zu entschuldigen, dass wir in der ersten Legislaturperiode nicht alles geschafft haben, was Sie auch in der zweiten und dritten noch nicht erreicht haben.
Das ist so in der Politik. Aber ich habe keine Lust, uns Ihre Versäumnisse noch nachträglich anhängen zu lassen.
Wenn Sie heute wieder mit Argumenten operieren, die Sie selbst uns schon im Jahre 1993 auszureden versucht haben, nämlich mit den Hinweisen auf die alten Standorte aus DDR-Zeiten, dann sage ich: Das haben Sie doch eigentlich gar nicht nötig! Dazu würden mir sogar in Ihrer Position noch andere Erklärungsversuche einfallen.
Es gibt - das weiß doch ein Mathematiker! - parteipolitisch nicht zu färbende statistische Parameter, die exakt definiert sind: die Arbeitslosenquote, die Selbständigenquote, die Insolvenzquote, die Pro-Kopf-Verschuldung, die Steuerfinanzierungsquote. Das kennen Sie doch alles. Sie kennen die Ergebnisse und wissen genauso gut wie wir, wie wir in Sachsen-Anhalt im Vergleich zu den anderen neuen Bundesländern stehen.
Sie wischen das weg und sagen, das seien politisch gefärbte Ländervergleiche, die Sie nicht nötig hätten. Damit - das bedauere ich - machen Sie sich selbst als Ministerpräsident ein wenig unglaubwürdig. Wir bekennen uns auch zu unseren Schwächen, weil wir sie ändern wollen, und verstecken sie nicht vor uns selbst.
Ich weiß auch nicht, wer Ihnen die einzelnen Redebausteine zuarbeitet. Wissen Sie, wer ein einigermaßen gutes Gedächtnis hat, dem ist manche Formulierung irgendwie aus der Erinnerung wieder aufgestoßen. Sie hätten Ihre gesamte Erklärung in drei Sätzen zusammenfassen können:
„Wir sind auf einem guten Weg, aber noch nicht am Ziel. Zu unserer Politik für das Wohl der Menschen gibt es keine Alternative.“
Wissen Sie, das habe ich alles schon gehört, vor vielen, vielen Jahren, von Leuten, die damals Verantwortung hatten. Ich sage: Wir haben es doch gar nicht mehr nötig, so miteinander umzugehen!
Wir können es uns leisten, uns auch ganz offen und freimütig zu den Problemen zu bekennen, die wir noch nicht gelöst haben. Wenn andere besser sind, sind wir auch bereit, dies zuzugeben, weil wir auch so gut werden wollen. Nur, eine Standortbeschreibung ohne
Nun haben Sie in der Staatskanzlei 18 oder 19 statistische Parameter ausarbeiten lassen, eigene Berechnungen - so steht es auch darunter -, weil Sie diese selbst definiert haben und wir dabei nicht so schlecht wegkommen. Das sind zwar Parameter, die wenig aussagekräftig sind, aber einiges können wir schon auch für uns verbuchen.
Selbst die hohe Quote industrieller Investitionen pro Erwerbstätigen oder pro Einwohner ist doch etwas. Vielleicht haben Sie das nur deswegen nicht gesagt, weil Sie genauso wissen wie wir, dass wir es im Wesentlichen dem Altbundeskanzler Kohl zu verdanken haben, dass in diesem Lande investiert wurde.
Ich verlange ja nicht von Ihnen, dass Sie das sagen, aber Sie hätten wenigstens einmal etwas dazu sagen sollen, damit diese jahrelange Verleumdungskampagne endlich aufhört, weil nichts bewiesen ist. Es schadet nämlich auch dem Image des Landes Sachsen-Anhalt, wenn man dauernd versucht, Unredlichkeiten zu unterstellen. Das hätte ein Ministerpräsident dieses Landes auch einmal richtig laut und deutlich sagen können. Das gehört auch zum Selbstwertgefühl der Menschen, die hier wohnen.
Sie haben eine Reihe von Inkonsequenzen der Gedankenführung vorgetragen, über die ich mich wundere. Sie haben als Fehler der Regierung Kohl die damalige komfortable Wohnungsbauförderung mit Ankurbelung des Konjunkturmotors Bauwirtschaft verurteilt und loben einige Passagen später die beispiellose Erneuerung der Wohnsubstanz und die Entwicklung der Innenstädte bei uns.
Meine Damen und Herren! Das eine ist die Konsequenz des anderen. Das muss man doch auch zur Kenntnis nehmen. Das ist keine parteipolitisch gefärbte Sicht der Dinge. Das ist schlicht die redliche Darstellung der Wirklichkeit, wie wir sie hier gemeinsam erlebt haben.
Zu Bereichen, in denen wir einigermaßen gut sind, haben Sie gesagt: In vielen Ländervergleichen und Statistiken liegen wir vorn. Aber bei Bereichen, in denen wir nicht vorn liegen, sprechen Sie von politisch gefärbten Ländervergleichen, mit denen Sie nichts zu tun haben wollen.