Sechstens sollte sich eine entsprechende Konzeption ausdrücklich nicht nur an Kindergärten, sondern auch an die Elternhäuser wenden. So sehr wir vorschulische Bildungsangebote unterstützen, so sehr lehnen wir auch die kleinste Vorstufe zu einem Kindergartenpflichtjahr ab.
Ich frage mich: Was trauen Sie eigentlich unseren Eltern zu? Für Sie sind das wahrscheinlich alles unmündige Bürger. Worüber möchten Sie denn noch bestimmen, darüber, welches Essen die Kinder zu sich nehmen? Meinen Sie nicht, dass diese Art der Einmischung in das Elternrecht langsam überhand nimmt?
Gegen sportliche Betätigung ist im Grunde auch nichts einzuwenden, im Gegenteil. Aber was machen denn die Einrichtungen, die keine entsprechenden Räumlichkeiten haben? - Ach ja, ich vergaß, die Kommunen können das alles leisten. Zumindest sind die Sportstätten in den Gemeinden allein durch die Schulen schon ausgelastet, wenn nicht sogar überlastet.
Zur Gesundheitsförderung gehören für mich aber auch bauliche Zustände, nicht undichte Fenster, die vernagelt werden müssen, sodass kaum noch gelüftet werden kann, und defekte Heizungsanlagen. Die Fördermittel vom Land für investive Maßnahmen werden immer geringer. Im Schulbau findet so gut wie gar nichts mehr statt. Den Kommunen hat man die Investitionspauschale gestrichen. - Ach ja, ich vergaß, die Kommunen können das alles leisten.
Ich komme zum Ende. - Also fangen Sie erst einmal bei den grundlegenden Missständen an, bevor wir die Detailfragen klären. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einem Zitat aus der 53. Sitzung des Landtages im März 2001 beginnen - wenn Sie gestatten, Herr Präsident -:
„Der Qualitätsentwicklung in den Einrichtungen ist besonderes Augenmerk zu schenken. Kindertageseinrichtungen haben eigenständige Bildungs- und Erziehungsziele, die inhaltlich und pädagogisch ausgestaltet werden müssen. Ob man über einen gesetzlich verankerten konkreten Bildungsauftrag nachdenken will - so wie in anderen europäischen Ländern -, sollte offen mit allen Beteiligten diskutiert werden.“
Das war eine der Schlussfolgerungen meiner Fraktion, die wir aus den Ergebnissen der Großen Anfrage zum Vollzug des Kinderbetreuungsgesetzes gezogen haben. Bereits in den entsprechenden Antworten auf einige Fragen wurde damals sehr deutlich, dass den Bildungsinhalten und pädagogischen Prozessen insgesamt sehr wenig Aufmerksamkeit zuteil wird. Wenn ich dazu noch an die Debatte in der letzten Sitzung über die PisaErgebnisse denke, dann freue ich mich, dass auch die Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion dem Elementarbereich mehr Aufmerksamkeit in diesen Fragen schenken wollen.
Bildung ist in der Diskussion. Es gibt mittlerweile eine breite gesellschaftliche Diskussion um Bildungsinhalte, Konzepte, notwendige Voraussetzungen und Rahmenbedingungen und auch über den Einstieg in Bildung.
„Warte, wenn du in die Schule kommst, dann beginnt der Ernst des Lebens“, ist auch heute noch ein oft zitierter Satz, der aber wohl zu den großen Fehleinschätzungen gehört, was das kindliche Lernvermögen betrifft. In einer Reihe von Studien wird belegt, dass wesentliche Voraussetzungen für das lebenslange Lernen bereits bis zu einem Alter von acht Jahren gelegt werden und dass ein nicht unbedeutender Zusammenhang zwischen einer guten vorschulischen Pädagogik und einem späteren positiven Schulverlauf existiert. Diese Untersuchungen und Studien betreffen im Übrigen nicht nur die letzten zwei Jahre vor dem Eintritt in die Schule, sondern reichen bis in das Krippenalter hinunter.
Sachsen-Anhalt hat mit seinem Kinderbetreuungsgesetz eigentlich gute Voraussetzungen für die Umsetzung von Bildungskonzepten. Der Bildungsauftrag ist neben dem der Erziehung und Betreuung gleichrangig im Gesetz verankert. Die Rahmenbedingungen bezüglich des Betreuer-Kind-Schlüssels, der Rechtsansprüche und Räumlichkeiten etc. gehören zu den besten in Deutschland.
Die Inanspruchnahme durch die Eltern und der Kinderbesuch bestätigen das. Über 40 % der Kinder im Krippenalter und 90 % der Kinder im Alter bis zum Schuleintritt besuchen eine Einrichtung. Damit sind Voraussetzungen gegeben, dass mit einem entsprechenden konkreten Bildungskonzept fast alle Kinder vor Eintritt in die Schule erreicht werden könnten.
Wie ein solches Konzept aussehen soll, wie viel Bildung in welcher Form Kinder in diesem Alter bekommen sollen, wie die Kinder, die nicht in Einrichtungen gehen, mit Angeboten erreicht werden können, um Chancengleichheit zu ermöglichen, all das muss unter Einbeziehung von Eltern, Wissenschaftlern, Erzieherinnen, Trägern und Politikern diskutiert und angepackt werden.
Bildungs- und Erziehungskonzepte müssen aus meiner Sicht folgende Dinge leisten: Sie müssen Erfahrungen ermöglichen, die frühere Generationen weitestgehend ohne Aufsicht gemacht haben. Sie müssen Kindern ermöglichen, mit Gleichaltrigen anderer Herkunft, Religion und Kultur umzugehen und das als Normalität zu empfinden. Und sie müssen Schlüsselkompetenzen stärken: Lernkompetenzen, soziale, linguale, kulturelle, sportliche, kindliche und Übergangskompetenzen.
Es geht eben nicht darum, mit einer reinen Wissensvermittlung noch früher zu beginnen und den Leistungsdruck bereits auf Kinder im Alter von unter sechs Jahren auszudehnen, wie in Niedersachsen geplant. Es geht auch nicht um ein Pflichtjahr im Kindergarten, wie Frau Hohlmeier aus Bayern nun plötzlich vorschlägt. Es geht um eine Verständigung darüber, welche Kompetenzen bis zur Einschulung kindgerecht zu vermitteln sind.
Ein Konzept, das die Komplexität von Betreuung, Erziehung und Bildung ernst nimmt, muss neben der inhaltlichen Qualität auch sachliche und personelle Qualität zur Grundlage haben. Qualifizierte fachliche Anleitung, Beratung und Fortbildung des pädagogischen Personals ist nur ein Stichpunkt. Generell muss über die Ausbildung der Erzieherinnen nachgedacht werden. Deutschland ist neben Österreich das einzige Land im europäischen Vergleich, in dem das Fachpersonal nicht auf Hochschulniveau ausgebildet wird. Es fehlt heute aber die Zeit, diese Themen umfassend zu diskutieren.
Einige kurze Bemerkungen zum zweiten Teil des Antrages. Fragen der Gesundheitsförderung und -erziehung sind natürlich Bestandteil von Erziehungs- und Bildungsinhalten. Frau Dr. Kuppe erwähnte bereits die Landesvereinigung für Gesundheit, die bereits vor zwei Jahren ein Konzept zur gesundheitsfördernden Kita erarbeitet hat. Die dort verankerten Vorschläge müssen in größerer Breite interessierten Trägern zur Verfügung gestellt werden. Denkbar wäre das zum Beispiel über Konsultationskitas wie in Brandenburg.
Auch neue Gedanken wie eine Kooperationsvereinbarung mit dem Landessportbund ähnlich wie im Schulbereich oder eine zusätzliche Ausbildung zur Bewegungsförderung könnten diskutiert werden.
Uns reicht es aber nicht - nun komme ich zum Schluss -, dass eine Arbeitsgruppe von Kultus- und Sozialministerium Empfehlungen für einen Bildungsauftrag ausarbeitet. Wir wollen uns aktiv in diesen Prozess einbringen, wissen aber auch, dass in dieser Legislaturperiode die notwendige Zeit dafür fehlt. Deshalb begrüßen wir es, dass die Landesregierung erste Schritte tun soll. Wir werden in der nächsten Legislaturperiode das Thema mit all seinen Fassetten aufgreifen, um auch das Parlament in die inhaltliche Diskussion einzubringen. Danke.
Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Die Debatte wird abgeschlossen mit dem Beitrag des Abgeordneten Herrn Bischoff. - Frau Brandt?
- Ich bitte vielmals um Entschuldigung. Sie haben selbstverständlich das Recht, hier Ihre Fraktion zu vertreten.
Herr Präsident! Werte Herren und Damen! Deutschlandweit kann man ihn vernehmen, den Ruf nach vorschulischen Bildungsangeboten und gesundheitsfördernden Maßnahmen im guten alten Kindergarten. Da muss es den seinerzeit per Kündigung an den Kai geschickten Kindergärtnerinnen förmlich in den Ohren bimmeln, wenn sie das jetzt hören. Vielleicht verstehen sie aber auch die Welt nicht mehr, weil sich das, was jetzt der staunenden Öffentlichkeit nach gut elf Jahren schwarz-gelb-rot-grün angelegter Destabilisierungspolitik präsentiert wird, ganz so anhört, als sei das Rad noch einmal erfunden worden - setzte man doch zuvor einerseits auf Heim, Herd und Kirche oder favorisierte andererseits Demos, Che Guevara und kunterbuntes Durcheinander in Alternativkinderläden für die Müsli-Kids.
Es ist von daher wirklich an der Zeit, dass endlich einmal wieder gut durchdachte, möglicherweise auch bereits bewährte Bildungskonzepte initiiert oder neu aufgelegt werden - dies ganz besonders im Interesse unserer Jüngsten im Kleinkindalter.
Interessant und diskussionswürdig sind deshalb große Teile der Bildungsansätze, wie sie das jüngste Gutachten des Sachverständigenrates Bildung bei der HansBöckler-Stiftung zur Bildung in der frühen Kindheit ausweist. Darin wurde insbesondere darauf abgehoben, dass nunmehr im gesamtdeutschen Bildungswesen die systematische frühkindliche Bildung fast gänzlich vernachlässigt worden sei, was zu einem im internationalen Vergleich relativ späten Bildungsbeginn unserer Kinder führte. Die Nichtnutzung wertvoller Lern- und Entwicklungspotenziale von Klein- sowie Kleinstkindern zur bestmöglichen Förderung und zum Abbau von Benachteiligungen würde diese wichtigen Bildungschancen verpassen lassen.
Insofern möchte sich meine Fraktion dafür stark machen, der Landesregierung die Gleichrangigkeit von Betreuungs-, Förderungs-, Erziehungs- und Bildungsauftrag mit Nachdruck in Erinnerung zu rufen.
Gleichfalls konform mit den Empfehlungen des Gutachtens des Sachverständigenrates fordere ich die Landesregierung auf, die Kindertagesstättenbetreuung zu frühkindlicher Bildung unter Einbeziehung gesundheitsfördernder Aspekte auszubauen und die hierfür notwendigen Rahmenkonzeptionen in Zusammenarbeit mit den Kommunen zu schaffen. Ebenfalls zu berücksichtigen wäre aus meiner Sicht hierbei die Sicherstellung entsprechender personeller, aber auch sächlicher Qualitätsstandards.
Parallel zur Konzeption einer Verbesserung der Vorschulbildung könnten Personalressourcen im Land ausgelotet werden. Ein solches Vorhaben könnte möglicherweise positive Effekte auf dem Arbeitsmarkt bewirken und müsste hierzu durch diesbezüglich aufzulegende Programme zur Weiterbildung und gegebenenfalls auch zur Umschulung ganz besonders im Hinblick auf Erwerbslose unterstützt werden.
Eine Beteiligung der Bundesregierung an Einrichtungen der Kinderbetreuung halten wir aufgrund einer aus Chancengleichheitsgründen anzustrebenden stufenweisen Gebührenfreiheit für zwingend geboten. Nur so kann meiner Meinung nach in unserer Gesellschaft, in der Kinder ein Armutsrisiko bedeuten, etwas bewirkt werden, was schon lange überfällig ist, nämlich die Kinderbetreuung zu einer echten Gemeinschaftsaufgabe von
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Feußner, nach Ihrem Beitrag hat man den Eindruck, Sie wollen gar keine Kinderbetreuung im Land. Das sollten doch alles die Eltern machen, die Mütter sollten zu Hause bleiben, dann gelingt alles viel besser.
(Widerspruch bei der CDU - Herr Becker, CDU: Was erzählen Sie da? - Herr Scharf, CDU: Das ist doch Quatsch! Das ist doch bewusst falsch!)
Im Grunde genommen brauchte man dann wahrscheinlich - ich komme gleich darauf - auch keine Schule. Das könnten die Eltern dann auch machen. Ich sage gleich, wohin das kommt.
(Herr Dr. Bergner, CDU: Sie ist übrigens selbst eine Mutter von zwei Kindern! - Weitere Zurufe von der CDU)
- Ja, dann ist es gut. - Dass natürlich Kinderbetreuung und die Kindergärten eine Ergänzung zum Elternhaus sind, das ist doch wohl klar. Sie haben ja ständig erzählt, was wir erbringen, wäre zuerst Aufgabe der Eltern, die Bildung und alles, was die Gesundheitserziehung betrifft.
- Dann hätten Sie unseren Antrag genauer lesen müssen. - Ansonsten brauchte man das andere nicht. Oder Sie wollen vielleicht bayerische Verhältnisse.
- Ja, das höre ich so heraus. Hier haben 95 % der Kindergärten eine Zehnstundenbetreuung, in Bayern gibt es gar kein solches Angebot.