Protocol of the Session on January 17, 2002

Untersuchungen haben ergeben, dass ca. 80 % aller Bürgeranfragen hinsichtlich der Einblickgewährung von den Gemeinden abgedeckt werden können. In den anderen Fällen sind die Katasterämter in der Lage, Auszüge sofort zu übersenden, in Kürze auch elektronisch.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich auf einige Schwerpunkte der Großen Anfrage eingehen. Der erste Teil beschäftigt sich mit dem Personalbestand. Herr Kollege Becker hat es angesprochen.

Ich möchte an dieser Stelle nicht wiederholen, wie wenig sachgerecht es ist, als Maßstab für einen Vergleich der Personalbestände der Länder allein die Einwohnerzah

len zugrunde zu legen. Hierzu darf ich auf unsere umfassende Antwort verweisen.

Im Moment möchte ich nur so viel sagen: Der Landesrechnungshof hat den Personalbestand unserer Katasterverwaltung mit dem in den anderen neuen Ländern eingehend verglichen und kann dabei keine Auffälligkeiten feststellen. Das ist für mich schon ein sehr großes Lob, das der Präsident des Landesrechnungshofes vergeben hat.

Meine Damen und Herren! Nach der Wiedervereinigung war die Vermessungs- und Katasterverwaltung in den neuen Ländern völlig neu aufzubauen. Bei ihrer Errichtung wurde sie ursprünglich mit 1 703 Stellen ausgestattet. Im Zuge einer stufenweisen Organisations- und Strukturreform ist es von 1994 an gelungen, das Stammpersonal kontinuierlich zu reduzieren.

Nach dem Abschluss des Stellenrückführungskonzeptes werden der Verwaltung noch 1 369 Stellen zur Verfügung stehen. Herr Becker, Sie fragten nach dem aktuellen Stand. Zurzeit sind es ca. 1 400 Stellen. Die Unterschiede in der Beantwortung ergaben sich daraus, dass Sie in einem Punkt nicht nach den Arbeitern gefragt hatten. Sie waren somit in der einen Antwort nicht berücksichtigt.

Meine Damen und Herren! Die Antwort hat weiterhin gezeigt, dass die Gebührenentwicklung des amtlichen Vermessungswesens keineswegs auffällig ist, auch nicht im Vergleich mit anderen Ländern. Es wird Sie nicht überraschen, dass ein Länder übergreifender Gebührenvergleich für eine vom Fragesteller vorgegebene, aber für die Praxis untypische Vermessungsleistung aufgrund der länderspezifischen Besonderheiten wenig aussagekräftig ist.

In Sachsen-Anhalt ist einer Forderung des Landesrechnungshofes entsprechend beispielsweise der Einfluss des Bodenwerts auf die Gebührensätze weitestgehend minimiert worden, um eine Konzentration der ÖbVIs auf lukrative Gebiete zu vermeiden. Im Übrigen kann ich nur wiederholen, dass die Gebührensätze kostendeckend sind, dem Äquivalenzprinzip unterliegen sowie durch eine umfangreiche Kosten- und Leistungsrechnung ständig überwacht werden.

Meine Damen und Herren! An verschiedenen Stellen der Anfrage geht es immer wieder um die Auflösung der ungetrennten Hofräume und Hausgärten. Das ist ein Thema, das uns auch beschäftigt, Herr Becker, und das auch viele Grundstückseigentümer bewegt. Gestatten Sie mir deshalb einige Sätze zur Entstehung dieser weißen Flecken in der Liegenschaftskarte.

Als die Preußen vor ca. 140 Jahren das Kataster für steuerliche Zwecke anlegten, haben sie sämtliches Eigentum in der Feldmark erfasst und in Karten dargestellt. Da sich die Besteuerung des Eigentums in den Ortschaften hingegen nicht nach der Grundstücksfläche richtete und eine umfassende Erfassung aus finanziellen und zeitlichen Gründen nicht realisiert werden konnte, hat man diese Gebiete damals von der Erfassung ausgenommen. Ganze Ortschaften erschienen daher nicht in der Liegenschaftskarte.

In der DDR spielte das Eigentum bekanntermaßen eine untergeordnete Rolle, sodass bis zur Wiedervereinigung die weißen Flecken auf der Karte nicht beseitigt wurden. Dies bedeutet, dass bis dahin das im Grundbuch eingetragene Eigentum nicht in den Nachweisen des Liegenschaftskatasters identifizierbar war. Das Liegenschafts

kataster ist in diesen Bereichen somit nur eingeschränkt als amtliches Verzeichnis der Grundstücke nach der Grundbuchordnung geeignet.

Der Bundesgesetzgeber hat nach dem Bodensonderungsgesetz von 1993 ein zweckmäßiges, Zeit sparendes und kostengünstiges Verfahren zur Errichtung des Liegenschaftskatasters in diesen Bereichen geschaffen. Damit ist das möglich, was weder die Preußen noch die Generationen danach geschafft haben, nämlich bis zum Jahr 2010 sämtliches Grundeigentum in Liegenschaftskatastern parzelliert nachzuweisen und somit beleihungsfähige und veräußerbare Grundstücke zu schaffen. In diesem Fall kann man sagen: Wir sind schneller, als die Preußen geschossen haben. Liegenschaftsvermessungen sind dafür nicht erforderlich.

Die Fragestellerin hat jedoch zwischen den beiden grundverschiedenen Verfahren nicht unterschieden, dem Bodensonderungsverfahren nach dem Bodensonderungsgesetz zur erstmaligen Einrichtung des Katasters einerseits und den Liegenschaftsvermessungen nach dem Vermessungs- und Katastergesetz zur Erfassung von Veränderungen in den Liegenschaften andererseits. Noch einmal in aller Deutlichkeit: Mit dem Verfahren nach dem Bodensonderungsgesetz wird das Grundeigentum ohne zeitaufwendige und für die Eigentümer teure Vermessungen erstmalig im Kataster nachgewiesen.

Meine Damen und Herren! Ich finde es unverantwortlich, dass den Bürgern durch die Anfrage suggeriert wird, dass die ungetrennten Hofräume vermessen werden müssen, um sie auflösen zu können. Wer möchte, kann selbstverständlich sein Grundstück, nachdem es durch das Bodensonderungsverfahren festgelegt wurde, unter Anrechnung der Sonderungsverfahrenskosten örtlich zusätzlich vermessen lassen. Dies muss aber nicht von jedem Eigentümer durch den Staat verlangt werden.

Die Vermessungs- und Katasterverwaltung hat zur Erneuerung der Liegenschaftskarte ein Verfahren entwickelt, das vom hierfür in Deutschland führenden geodätischen Institut an der TU Dresden wissenschaftlich begleitet worden ist.

Zusammen mit dem Liegenschaftsbuch ist die Liegenschaftskarte als amtliches Verzeichnis im Sinne der Grundbuchordnung in vollem Umfang geeignet. Das Verfahren und die hiermit erreichte Qualität der Karte sind im Übrigen auch in den Fachverwaltungen der anderen Bundesländer anerkannt. Ohne Übertreibung und mit Stolz kann gesagt werden, dass Sachsen-Anhalt zu den Ländern gehört, die am erfolgreichsten sind. Herr Becker, es ist so.

(Herr Becker, CDU: Das ist doch schön! Darüber freue ich mich!)

Wir haben in Bezug auf die Qualität unter allen neuen Ländern die beste Liegenschaftskarte. Ich bin sehr froh, dass es uns mit diesem beispielhaften Projekt gelingen wird, Ende des Jahres die geschlossene Erneuerung der Karte in Sachsen-Anhalt abzuschließen.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich jetzt zum zentralen Defizit der Großen Anfrage kommen. Der Fragesteller hatte offensichtlich Probleme, die rechtliche Stellung der ÖbVIs richtig einzuordnen. Ich will die umfangreichen Ausführungen der Antwort nicht wiederholen. Aber die ÖbVIs sind als Träger des öffentlichen Amtes und als hoheitliche Aufgabenträger quasi Staat und in dieser Funktion keine Unternehmer.

Im Bereich des amtlichen Vermessungswesens sind deshalb die Stichworte Nachfrage, Konkurrenz und Wettbewerb irreführend. Es geht vielmehr um die interessenneutrale Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben. Dies verkennt der Fragesteller leider.

Die Einzelfragen offenbaren, dass ihm weiterhin der Umfang der den ÖbVIs mit dem Vermessungs- und Katastergesetz von 1992 rechtlich eingeräumten Mitwirkungsbefugnis an bestimmten Teilaufgaben des amtlichen Vermessungswesens nicht ganz klar ist. Das kann ich mir allerdings nicht vorstellen; denn Sie waren damals, im Jahr 1992, für dieses Gesetz im federführenden Innenausschuss mit zuständig.

Da dies mittlerweile zehn Jahre her ist, will ich es Ihnen noch einmal kurz erläutern. Die beiden Hoheitsaufgaben des amtlichen Vermessungswesens, die Landvermessung und die Führung des Liegenschaftskatasters, obliegen mit den dazu erforderlichen Vermessungen nach dem Gesetz den Vermessungs- und Katasterbehörden des Landes. Allein bei der hoheitlichen Teilaufgabe der Liegenschaftsvermessung ist den öffentlich bestellten Vermessungsingenieuren eine Mitwirkungsbefugnis eingeräumt worden.

Im Hinblick auf eine schlanke Verwaltung ist diese Teilaufgabe in einem Maße wie in keinem anderen Bundesland bis auf ein rechtlich und wirtschaftlich unumgängliches Minimum den ÖbVIs zur Erledigung überlassen worden. Damit verzichtet das Land auf die alleinige Wahrnehmung dieser Aufgaben durch die staatliche Sonderverwaltung. Es ist mein erklärter Wille, meine Damen und Herren, dass zur Stärkung des Mittelstandes die ÖbVIs an den Vermessungen zur Führung des Liegenschaftskatasters mitwirken.

Sie können mit einem Anteil von 80 % bei Grenzfeststellungen und Parzellierungsvermessungen, der weit über dem Bundesdurchschnitt von 52 % liegt, sowie mit einem Mitwirkungsgrad von 25 % bei Gebäudevermessungen wirklich zufrieden sein. Sie haben ihren Berufskollegen in anderen Bundesländern die Vorgehensweise in Sachsen-Anhalt in der Vergangenheit deshalb immer als beispielhaft gepriesen. Offensichtlich vergisst man das jedoch in Zeiten enger werdender Märkte.

Ich kann Ihnen versichern, dass sich die Landesregierung um die Sorgen der ÖbVIs kümmert. Ich verweise nur auf die kürzlich erfolgte Änderung der Durchführungsverordnung. Darin sind eindeutig messbare Zulassungskriterien festgelegt, die berücksichtigen - das ist der Punkt -, wie viele ÖbVIs das Land nachhaltig verträgt.

Heute Morgen wurde schon einmal von Bayern und von Herrn Stoiber gesprochen. Wir könnten uns auch ein Beispiel an Bayern nehmen. Herr Becker, sagen Sie Ihren Kollegen bitte einmal - vielleicht haben Sie es auch schon getan -, wie viele ÖbVIs es in Bayern gibt. - Nicht einen einzigen. Dort erfüllt die Katasterverwaltung alle diese Aufgaben.

Noch eine Bemerkung. Sie haben kritisiert, dass wir wegen der Ausbildung noch einen Teil der Vermessung in den Ämtern halten wollen. Wissen Sie, wie viele Azubis die 62 ÖbVIs derzeit ausbilden? Es sind zwölf.

Übrigens konnten bis zum Jahr 1995 ÖbVIs aus dem Westen in großem Maßstab in Sachsen-Anhalt vermessen und haben unseren ÖbVIs kaum eine Chance gelassen. Ab 1995 habe ich verboten, dass sie weiter vermessen dürfen. Es gab erhebliche Proteste aus den

alten Bundesländern. Wir haben das durchgestanden zugunsten der eigenen Vermesser.

Meine Damen und Herren! Ich möchte betonen, die Katasterämter erledigen lediglich den absoluten und nicht unterschreitbaren Mindestanteil an Liegenschaftsvermessungen selbst. Die Planungsgröße 20 : 80 lag übrigens schon 1992 vor und war damals auch die Grundlage der Planung für den Aufbau dieser Verwaltung. Dies war zu einer Zeit, zu der Sie noch zuständig waren.

Das Ziel unserer Politik ist es, auch künftig an dieser Größe festzuhalten. In völliger Übereinstimmung mit den anderen Ländern wird die Landesregierung an einem Mindestmaß der Liegenschaftsvermessung durch die Katasterämter festhalten.

Zu Ihrem Hinweis auf die Kleine Anfrage: Alles, was dort an Vorwürfen enthalten war, ist widerlegt worden.

Ich will noch etwas zur Aufteilung zwischen ÖbVIs und Vermessungs- und Katasterverwaltung sagen. Als Zeugen möchte ich den Ministerpräsidenten von Sachsen nennen, der ganz aktuell, im Oktober 2001, vor den ÖbVIs ausführte, dass es unabdingbar sei, einen Restbestand Vermessungskompetenz beim Land zu behalten. Das Entscheidende sei, dass der größte Teil von beliehenen Vermessungsingenieuren durchgeführt werde. - Ich glaube, das ist genau das, was wir auch machen.

Herr Biedenkopf erwähnte einen weiteren Umstand, der auch für unser Land gilt und der mir wichtig ist. Das ist genau der Punkt: Die Ausbildungsfunktion wird vornehmlich durch den Staat wahrgenommen und nur unzureichend durch ÖbVIs. Auch hieraus begründet sich die Notwendigkeit dieses Mindestbestandes.

Meine Damen und Herren! In der Kürze der Zeit kann ich nicht auf alle Details eingehen. Ich darf Ihnen insofern die Antwort der Landesregierung als spannende Lektüre für den Skiurlaub empfehlen. Sie zeigt: Unsere Vermessungs- und Katasterverwaltung ist auf dem richtigen Weg und wird auch den neuen Herausforderungen der Zukunft gewachsen sein.

In diesem Sinne danke ich allen meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie auch den ÖbVIs.

Noch etwas zu dem, was Sie, Herr Becker, zu dem Anruf eines Katasteramtsleiters bei einem anderen gesagt haben. Hierbei ging es nicht um die Vermessungen, an die Sie denken, sondern es ging darum, die Vermessung auf der Landesebene durchzuführen, also bei den Landesliegenschaften. Ich erinnere an das Problem mit dem Landwirtschaftsministerium. Das kannten Sie aus der Vergangenheit. Dabei ging es nicht um andere Flächen, sondern nur um diese.

Zum Zweiten hatte ich Ihnen bereits gesagt, dass Ihre Behauptung nicht stimmt. Auch bei den Katasterämtern muss ein Vorschuss für Vermessungen gezahlt werden. Das erkläre ich hiermit nochmals definitiv. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Herrn Becker, CDU)

Danke schön, Herr Minister Dr. Püchel. - Die DVU hat auf einen Beitrag verzichtet. Für die PDS hat der Abgeordnete Gallert das Wort.

Liebe Anwesende! Ich will nicht den Eindruck erwecken, dass ich zu dem Fachbereich Katasterpolitik übermäßig viel Insider-Erfahrung hätte. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Frau Dr. Paschke, die sich am intensivsten mit diesem Bereich beschäftigt, ist kurzfristig erkrankt und kann heute leider nicht an dieser Stelle sprechen. Sie hat mich aber gebeten, einige Dinge zu dem Bereich der Katasterverwaltung aus der Sicht der PDS-Fraktion zu erläutern, die interessanterweise aber gerade nicht im Zentrum des Interesses des Fragestellers gestanden haben.

In der Auseinandersetzung zwischen Herrn Becker und Herrn Püchel - insofern hat das alles seine innere Logik ist neben dem Lob füreinander auch deutlich geworden, dass man wahrscheinlich unterschiedlicher Auffassung darüber ist, inwiefern die Angelegenheit vollständig privatisiert werden kann.

(Herr Becker, CDU: Richtig!)

Das ist das Problem. Wie die CDU-Fraktion sagt, steht die Privatisierung im Zentrum ihrer Reformbestrebungen. Daraus schlussfolgernd hat sie genau diese Position artikuliert und sie durch diese Große Anfrage zu untersetzen versucht.

Diesbezüglich, Herr Becker, gibt es tatsächlich einen politischen Unterschied zwischen Ihnen und uns. Gerade die Privatisierung steht nicht im Zentrum unserer Reformbestrebungen. Darin besteht eine der großen Differenzen, die heute Vormittag hier zum Tragen gekommen sind.

Auch wir haben uns in der Fraktion einige Gedanken zur Katasterverwaltung gemacht, allerdings unter einem anderen Schwerpunkt. Dieser Schwerpunkt ist heute Morgen in dem gemeinsam von SPD- und PDS-Fraktion eingebrachten Antrag zwar nicht verbalisiert worden, aber er ist enthalten. Wir haben nämlich inzwischen gemeinsam den Vorschlag ausgearbeitet, dass die Katasterverwaltung insofern eine Umstrukturierung erfahren soll, als es eine gewisse Mischzuständigkeit zwischen dem Land auf der einen Seite und den Nutzungsmöglichkeiten auf der kommunalen Ebene andererseits geben wird.

Dies ist ein Kompromiss. Das habe ich heute Morgen noch einmal gesagt. Das war einer der cleveren Schachzüge des Innenministers. Dadurch hat er einen Konflikt mit den kommunalen Spitzenverbänden ausgeräumt, die zumindest anfänglich in der Diskussion ähnlich wie wir der Meinung gewesen sind, man könne die Dinge auch vollständig kommunalisieren.

Ich will an dieser Stelle allerdings auch Folgendes sagen: Gut, wenn wir dies so tun, müssen wir einige Fragen, die sich im Zusammenhang damit stellen, in Zukunft klären.

Die Katasterverwaltung ist ja unter anderem auch deswegen so interessant, weil sie eine hohe Refinanzierungsquote hat, de facto eine fast vollständige Refinanzierung, weil wir natürlich in der Lage sind, über die Gebühren die entstehenden Ausgaben wieder hereinzubekommen.