Protocol of the Session on December 13, 2001

Wir kommen zur Abstimmung über die Abschnittsüberschriften in der Fassung der Beschlussempfehlung. Wer den Abschnittsüberschriften zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? Das ist einstimmig so beschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über die Gesetzesüberschrift in der Fassung der Beschlussempfehlung. Sie lautet: Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen des Landes Sachsen-Anhalt (Bestat- tungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt - BestattG LSA). Wer dieser Überschrift zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist die Überschrift so beschlossen.

Wir stimmen über das Gesetz in seiner Gesamtheit ab. Wer dem Gesetz in seiner Gesamtheit zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist das Gesetz einstimmig so beschlossen und der Tagesordnungspunkt 5 erledigt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 7 auf:

Zweite Beratung

Ein Beitrag der Bildung im Kampf gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 3/3586

Änderungsantrag der Fraktion der CDU - Drs. 3/3612

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft - Drs. 3/5160

Änderungsantrag der Fraktion der CDU - Drs. 3/5186

Die erste Beratung fand in der 42. Sitzung des Landtages am 14. September 2000 statt. Die Berichterstattung für den Ausschuss übernimmt die Abgeordnete Frau Dr. Hein.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der 42. Sitzung des Landtages am 14. September 2000 hat die PDS-Fraktion einen Antrag unter dem Titel „Ein Beitrag der Bildung im Kampf gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt“ eingebracht. Mit diesem Antrag zielte die PDS-Fraktion auf Vorschläge für Maßnahmen und Hilfestellungen für die Auseinanderset

zung mit Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt an den Schulen Sachsen-Anhalts.

Die CDU-Fraktion stellte dazu einen Änderungsantrag, der eine Anhörung zu den Ursachen extremistischer, fremdenfeindlicher und anders motivierter Gewalt und des Weiteren zu Möglichkeiten des Bildungswesens zur Bekämpfung von Gewalt vorsah.

Die Anträge wurden zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Bildung und Wissenschaft und zur Mitberatung an den Ausschuss für Gleichstellung, Kinder, Jugend und Sport überwiesen.

In den Sitzungen am 20. und am 27. September 2000 verständigte sich der Ausschuss zunächst über die Form der Anhörung. Er entschied sich für eine Anhörung von Experten, die durch die Fraktionen benannt werden sollten. Diese Anhörung fand unter Teilnahme von Mitgliedern des Ausschusses für Gleichstellung, Kinder, Jugend und Sport am 13. Dezember 2000 statt.

Im Anschluss an die Anhörung einigte sich der federführenden Ausschuss darauf, eine Berichterstattung der Landesregierung zum Thema und zu den bisher eingeleiteten Maßnahmen zu erbitten. Diese Berichterstattung lag dem Ausschuss am 28. Mai 2001 vor. Zudem beschloss der federführenden Ausschuss, die Expertisen öffentlich zu machen, damit sie auch anderen zur Verfügung stehen.

Auf Vorschlag der PDS wurde dann die weitere Beratung des Antrages auf einen Termin nach der Sommerpause vertagt, um die Hinweise aus der Anhörung und der Berichterstattung der Landesregierung in den Antrag einarbeiten zu können. In der Ausschusssitzung am 26. September 2001 legte die PDS-Fraktion dann einen von ihr selbst veränderten Antrag zur Beratung vor, der wesentliche Aspekte der Anhörung und auch der Berichterstattung der Landesregierung aufnahm.

Die Abgeordneten der CDU-Fraktion erklärten, dass sie dem Vorschlag weitgehend zustimmen könnten, aber die einseitige Ausrichtung auf den Rechtsextremismus für problematisch hielten. Zudem strebten sie an, die Ereignisse des 11. September in die Antragsberatung aufzunehmen.

Die Mitglieder des Ausschusses aus den Fraktionen der SPD und der PDS erklärten, dass sie sich nicht im Stande fühlten, diesen Antrag durch Aspekte der Terrorismusbekämpfung zu erweitern, wiewohl sie eine Auseinandersetzung mit Ursachen und Folgen von Terrorismus und seine wirksame Bekämpfung für dringend notwendig hielten.

Eine Zurücknahme der klaren Ausrichtung auf Rechtsextremismus durch die Aufnahme anderer extremistischer Bestrebungen und anderer Gewaltprobleme wurde mehrheitlich abgelehnt. Dabei wurde vor allem darauf abgestellt, dass die Bekämpfung von Rechtsextremismus und so motivierter Gewalt nicht nur Gegenstand des Ursprungsantrages war, sondern auch in der Expertenanhörung als Schwerpunkt der notwendigen Gegenstrategien gesehen wurde.

Der Ausschuss unterbrach die Beratungen über eine vorläufige Beschlussempfehlung dann noch einmal und führte sie am 10. Oktober 2001 fort. Mit diesem Datum wurde dann die vorläufige Beschlussempfehlung erstellt und an den Ausschuss für Gleichstellung, Kinder, Jugend und Sport überwiesen.

Dieser Ausschuss bestätigte die vorläufige Beschlussempfehlung am 2. November 2001 in unveränderter Form. Diesem Votum folgte dann auch der Ausschuss für Bildung und Wissenschaft in seiner Sitzung am 28. November 2001 mit 8 : 3 : 0 Stimmen.

Im Namen des Ausschusses bitte ich den Landtag um Zustimmung zu dieser Beschlussempfehlung. - Danke.

(Zustimmung bei der PDS, bei der SPD und von Ministerin Frau Dr. Kuppe)

Danke schön. - Ich gehe davon aus, dass der Änderungsantrag der CDU in dem Debattenbeitrag von Herrn Kuntze begründet werden wird. Ich erteile zunächst Minister Herrn Dr. Harms das Wort.

Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Schlagzeilen des Sommers 2000 versetzten uns alle zum wiederholten Male in Beunruhigung darüber, dass unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine menschenverachtende Gesinnung verbreitet ist, die auch vor Gewalt nicht zurückschreckt. Ich erinnere an das Entsetzen über den Mord an Alberto Adriano. Das Entsetzen überkam uns erneut, als wir die jungen Männer, die Mörder von Adriano, zwei von ihnen erst 16 Jahre alt, regungslos im Gerichtssaal sitzen sahen.

Seit dem September dieses Jahres wird über ein anderes Gewaltphänomen von internationalem Ausmaß diskutiert, über den Terror. Die Diskussionen in den beratenden Ausschüssen haben gezeigt, dass es ebenfalls notwendig ist, den Ursachen des Hasses, der aus diesen grausamen Taten spricht, auf den Grund zu gehen.

Der Änderungsantrag der CDU versucht dies. Die Berichterstatterin hat über die intensiven Gespräche im Ausschuss berichtet, bei denen in der Sache Einigkeit darüber bestand, dass diese Fragen intensiv erörtert werden müssen, dass aber ein bloßes Einfügen weniger Worte in einen Antrag, der eine ganz andere Genese hat, vermutlich dieser Frage überhaupt nicht gerecht werden würde.

Die Beschlussempfehlung, über die Sie heute abstimmen, enthält Vorschläge und Appelle. Für die Umsetzung der meisten dieser Vorschläge muss der Beschluss nicht abgewartet werden. Sie werden bereits in unterschiedlicher Weise umgesetzt. In der schriftlichen Berichterstattung der Landesregierung an den Ausschuss für Bildung und Wissenschaft haben wir sehr ausführlich und mit vielen Beispielen darüber informiert, dass in Schulen, in staatlichen Schulämtern, in Einrichtungen der Lehrerfort- und -weiterbildung und auch im MK in vielen Punkten bereits in diesem Sinne gearbeitet wird.

Das Kultusministerium - dies kann ich Ihnen versichern wird weiter in dieser Richtung arbeiten. Aktuell ist ein Faltblatt in Vorbereitung, welches in den nächsten Tagen herausgegeben wird und in dem sich Lehrkräfte darüber informieren können, welche Angebote zur schulinternen Fortbildung es zum Thema „Rechtsextremismus und seine jugendkulturelle Verankerung“ gibt. Das Kultusministerium kann dabei auf eine Reihe von Institutionen und Gruppierungen im Lande verweisen, die es als ihre Aufgabe ansehen, Lehrkräfte fortzubilden und ihnen als Experten zur Seite zu stehen. Im Sinne der Öffnung von Schule begrüßen wir diese Zusammenarbeit mit

allen Initiativen, die sich für eine demokratische und menschliche Gesellschaft einsetzen, außerordentlich.

Außerdem erstellt das Kultusministerium gerade einen Antrag an die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung, bei dem es um die Teilnahme an einem Programm „Demokratie lernen und leben“ geht. Der Schwerpunkt des Programms für Sachsen-Anhalt, in dessen Mittelpunkt die Verbesserung der Lernkultur im Unterricht stehen soll, zielt auf die Qualifizierung der Lehrkräfte ab.

Fortgebildet werden dabei nicht nur diejenigen Lehrkräfte, die durch ihre fachliche Ausrichtung einen engen Bezug zum Thema haben wie beispielsweise Lehrkräfte in Sozialkunde. Es geht darum, auch Lehrkräfte anderer Fächer anzusprechen und für sie erfahrbar zu machen, wie im fachbezogenen Unterricht und im schulischen Alltag überhaupt mit demokratischen Werten sensibler umgegangen werden kann.

Das Programm soll im April nächsten Jahres starten. Zunächst sollen bis zu zwölf Schulen daran teilnehmen. Es wird daran gearbeitet, anschließend die entsprechenden Erfahrungen auf die anderen Schulen zu übertragen.

Einige Ihrer Vorschläge sind auch in dem kürzlich von mir vorgelegten Zehnpunkteprogramm enthalten, beispielsweise die regelmäßige Befragung von Schülerinnen und Schülern, Eltern, Lehrerinnen und Lehrern und deren schulinterne Auswertung zu Fragen der sozialen und pädagogischen Situation in der Schule. Die aus der eigenverantwortlichen Auswertung resultierenden Ergebnisse können für die Gestaltung des Schullebens umgesetzt werden.

Die Beschlussempfehlung enthält auch Vorschläge, die ohne zusätzliche Anstrengungen nicht umgesetzt werden können, die ich aber dennoch hier ansprechen möchte. In Punkt 6 weist der Antrag darauf hin, dass für die Forschung im Rahmen des Landeshaushaltes Mittel bereitgestellt werden müssten.

In Punkt 7 wird von einer Ausweitung der Schulsozialarbeit unter Einbeziehung des überörtlichen Trägers und der örtlichen Träger der Jugendhilfe gesprochen. Kurz gesagt, wird über eine kommunale Beteiligung an der Sozialarbeit in den Schulen gesprochen. Dies bedarf der Verhandlungen und eines längeren Prozesses.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Fremdenfeindlichkeit, Angst vor Fremden, Rechtsextremismus und Gewaltbereitschaft können auf Dauer nur zurückgedrängt werden, wenn es in allen Bereichen der Gesellschaft gelingt, Toleranz, Gesprächsfähigkeit, Kompromissfähigkeit und Respekt vor Mitmenschen weiterzuentwickeln.

(Zustimmung von Frau Dr. Hein, PDS, und von Frau Stolfa, PDS)

Aus diesem Feld haben Lehrerinnen und Lehrer in den Schulen eine besondere Aufgabe - als Pädagogen, aber auch als persönliches Vorbild. Dabei sollten sie allerdings auch die Unterstützung der Eltern, der Öffentlichkeit und der Politik erhalten.

Lehrerinnen und Lehrer können allerdings Entwicklungen innerhalb der Gesellschaft nicht umkehren oder aufheben. Ich bitte auch darum, die Schule nicht zu überfordern und nicht bei allen unliebsamen Phänomenen nur nach der Schule zu rufen. Das ist auch unser ge

meinsames Problem, für das es keine einfachen Lösungen gibt.

Insofern verstehe ich den Titel des Antrags richtig: Es geht um einen Beitrag der Bildung, es geht nicht um eine Lösung durch die Bildung. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Danke schön. - Das Wort hat nunmehr für die FDVP Herr Weich.

(Frau Bull, PDS: O nee!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der ursprüngliche PDS-Antrag wie auch die vorliegende Beschlussempfehlung beinhalten die übliche Aufzählung von Schlagworten, mit denen eine gesellschaftliche Erscheinung eingedämmt werden soll. Die vorliegende Beschlussempfehlung beleuchtet nicht die Extremismusproblematik insgesamt; im Vordergrund steht wieder nur der Begriff des Rechtsextremismus.

Von einer freien Extremismusforschung kann kaum die Rede sein. Der Extremismus selbst, also die Schnittmenge aller Extremismen, ist nicht Gegenstand der Beschlussempfehlung. Das dürfte daran liegen, dass das Extremismuskonzept wegen seiner Eindimensionalität und seiner Fixierung auf den demokratischen Rechtsstaat der Komplexität der gesellschaftlich-politischen Wirklichkeit kaum gerecht wird.

Während im Bereich des Rechtsextremismus beachtliche Forschungsleistungen erbracht wurden, wird man auf der Suche nach Ergebnissen einer Linksextremismusforschung kaum fündig.

Als extremistisch gelten Bestrebungen, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet sind. Als rechtsextremistisch werden extremistische Bestrebungen bezeichnet, die in nationalistischem und rassistischem Gedankengut wurzeln.