Protocol of the Session on October 12, 2001

Beim Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigen kann man nämlich für Sachsen-Anhalt feststellen, dass wir über dem Durchschnitt der ostdeutschen Bundesländer liegen. Sachsen-Anhalt liegt mit 75 522 DM pro Erwerbstätigen weit vor Sachsen und Thüringen. Sachsen weist ein Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigen in Höhe von lediglich 72 520 DM und Thüringen eines in Höhe von 72 010 DM auf.

Nur das Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigen ist vergleichbar, Herr Gürth, und nicht das, was Sie mit Ihren prozentualen Zahlenspielchen jedes Mal veranstalten.

(Herr Gürth, CDU: Nehmen Sie mal die Einwoh- ner!)

- Wer macht denn das Bruttoinlandsprodukt? - Die Erwerbstätigen. Oder wer? Das ist doch genau der wirtschaftspolitische Ansatz, den man an dieser Stelle finden muss.

(Zurufe von Herrn Schomburg, CDU, und Herrn Gürth, CDU)

Es ist unseriös, dass Sie ständig Zahlen interpretieren, die eine ganz andere Aussage beinhalten.

Beim Bruttoinlandsprodukt liegen wir seit Jahren über dem ostdeutschen Durchschnitt und auch über dem Durchschnitt anderer Bundesländer, die Sie stets anführen.

(Herr Prof. Dr. Böhmer, CDU: Je höher die Ar- beitslosigkeit, umso höher das Bruttoinlandspro- dukt je Erwerbstätigen!)

Sehen wir uns die Steigerung der Industrieumsätze in den Jahren 1999 und 2000 an. Auch dort nimmt Sachsen-Anhalt beim Zuwachs einen absoluten Spitzenplatz ein, nämlich mit einem Plus von 19,8 %. Die Industrieumsätze entstehen dort, wo tatsächlich eine Produktion stattfindet und Werte geschaffen werden.

Auch beim Ländervergleich der Investitionen im verarbeitenden Gewerbe stehen wir mit gut 35 000 DM je Beschäftigten weit vor allen anderen ostdeutschen Bundesländern. Zum Vergleich: Sachsen kann lediglich auf 24 000 DM und Thüringen sogar nur auf knapp 11 500 DM verweisen. Das sind alles Zahlen, die Sie nachprüfen und nachlesen können.

Man kann es anhand dieser Fakten auch anders ausdrücken: Sachsen-Anhalt hat den modernsten Kapitalstock aller ostdeutschen Bundesländer. Dies hat im Übrigen auch zur Folge, dass unser Land auch auf die höchste Arbeitsproduktivität je Erwerbstätigen verweisen kann.

Die bisher genannten Daten und Fakten sind offenbar auch die Ursache für einen absoluten Spitzenplatz bei ausländischen Direktinvestitionen; das wissen Sie. So investierten nach einem Bericht der Deutschen Bundesbank bis Ende 1999 ausländische Unternehmen Mittel in Höhe von 10,5 Milliarden DM in Sachsen-Anhalt. Unser

Land belegt damit unter den 16 Bundesländern den achten Platz. Das war ein bundesweiter und nicht nur auf Ostdeutschland bezogener Vergleich. Thüringen ist mit 1,1 Milliarden DM das absolute Schlusslicht.

Auch bei indirekt wirkenden Komponenten für die Wirtschaftsentwicklung können wir auf besondere Alleinstellungsmerkmale hinweisen, um einmal einen Begriff von Herrn Ludewig zu verwenden. So ist Sachsen-Anhalt bundesweit das einzige Land - Sie wissen das aus den Beratungen des Wirtschaftsausschusses -, das flächendeckend in die regionale Innovationsstrategie der Europäischen Union einbezogen wurde. Dies ist eine entscheidende Voraussetzung für Produkt- und Verfahrensinnovationen sowie landesweite Netzwerke zwischen Unternehmen, Fachhochschulen und Universitäten - im Übrigen auch mit nachvollziehbaren und erkenn-baren Ergebnissen.

Allein für den Innoregio-Wettbewerb der Bundesregierung haben sich 81 Projekte aus Sachsen-Anhalt beworben. Vier Projekte wurden Preisträger. Bei diesen Projekten zeichnet sich jetzt bereits ab, dass sie strukturbestimmend für die Wirtschaft unseres Landes sein werden. Besonders deutlich wird das beim Projekt MAHREG Automotive, ein Netzwerk von Automobilzulieferern, dem mittlerweile über 80 Betriebe, Dienstleister und wissenschaftliche Einrichtungen angehören. Damit wird eine hochinnovative und völlig neue Branche unterstützt, die ebenfalls zu den positiven Besonderheiten im Land gehört.

Herr Gürth, ich kann Ihnen nur empfehlen: Sehen Sie sich an, was in der Nordharzregion passiert. Dort kooperieren regionale Unternehmen mit Globalplayern. Ich kann aus Gesprächen mit den dortigen Geschäftsführungen mitnehmen, dass für diese Standortdiskussion, die Sie stets führen, überhaupt kein Verständnis aufgebracht wird; denn wenn Sie im Parlament den Standort schlechtreden, dann reden Sie auch den Standort dieser Unternehmen schlecht.

(Zustimmung bei der SPD und von der Regie- rungsbank)

Meine Damen und Herren! Während bis zur Mitte der 90er-Jahre das verarbeitende Gewerbe bis zur Unkenntlichkeit zusammenschrumpfte und die Bauwirtschaft sowie die baunahen Dienstleistungen Jahr für Jahr zweistellige Zuwachsraten aufwiesen, hat sich dieser Trend längst umgekehrt. Zwischenzeitlich tragen das verarbeitende Gewerbe und die mittelständische Industrie zu einer positiven Wirtschaftsentwicklung bei. Dies betrifft nicht nur die Umsatzzuwächse einzelner Branchen. Ich will einige nennen, um das deutlich zu machen. Dabei handelt es sich lediglich um die Umsatzzuwächse vom vergangenen Jahr bis zum jetzigen Zeitpunkt.

Allein die Umsätze des Ernährungsgewerbes sind um 14,9 % gewachsen. Im Bereich der Herstellung von Gummi- und Kunststoffwaren ist der Umsatz um 20,7 % gewachsen. Der Umsatz bei der Metallerzeugung und bearbeitung ist um 17,3 % gestiegen. Der sonstige Fahrzeugbau weist eine Umsatzsteigerung um 28,8 % auf.

(Zuruf von Frau Wernicke, CDU)

Auch bei den Beschäftigtenzahlen können deutliche Zuwächse festgestellt werden. Sie sehen also, in diesen Bereichen findet ein zukunftssicherndes Wirtschaftswachstum statt.

Es muss auch der Tourismus erwähnt werden, damit ich mit meiner Kollegin Kachel aus meiner Fraktion keinen

Ärger bekomme. Dieser hat mit 5,44 Millionen Übernachtungen im Jahr 2000 einen Höchststand erreicht.

Unterlaufen - daran besteht kein Zweifel - wird diese positive Entwicklung allerdings durch den Abbau von Kapazitäten in der Bauwirtschaft.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Abschluss noch einen Punkt sehr deutlich ansprechen. Natürlich haben wir noch Defizite in der Wirtschaftsentwicklung. Die Ursachen dafür liegen aber ausschließlich in der besonderen Ausgangslage unseres Landes beim Strukturwandel, wie der aktuelle Beitrag der Otto-vonGuericke-Universität zur Enquetekommission deutlich belegt.

Es ist deshalb schon ein Treppenwitz der Geschichte, dass ausgerechnet ein ehemaliger Kanzlerberater, der dafür mitverantwortlich ist, dass in Sachsen-Anhalt sämtliche industriellen Kerne wegrasiert wurden, uns die daraus resultierenden Defizite jetzt vorhalten will.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS - Herr Gürth, CDU: So ein Unsinn!)

Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, wenn Sie sich Herrn Ludewig als Wirtschaftsberater eingekauft haben, dann ist das Ihre Angelegenheit. Mit Blick auf das Land Sachsen-Anhalt kann ich nur feststellen: Ein kläglich gescheiterter Bahnmanager ist das Letzte, was wir in Sachsen-Anhalt brauchen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS und von der Regierungsbank)

Herr Gürth, Sie haben noch einmal für die CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Metke, als ich Ihre Rede gehört habe, dachte ich, das kommt mir bekannt vor. Sie haben geredet wie ein Funktionär zu DDR-Zeiten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDVP)

Sie haben als Vergleich immer die eigenen Ergebnisse in den Vorjahren herangezogen. Das war eine Stärke der Plankommission; man hat immer sich selbst mit den Vorjahren verglichen.

Der Grundfehler besteht darin, dass Sie nicht das vergleichen, was wirklich verglichen werden muss, nämlich Sachsen-Anhalt mit seinen Nachbarländern. Wir müssen heute, nach zehn Jahren Aufbau Ost, sehen, wo stehen wir

(Unruhe bei der SPD - Herr Tögel, SPD: Sie hät- ten mal zuhören sollen! Das hat er gemacht!)

und wo stehen wir im Vergleich zu anderen Bundesländern. Dass nach zehn Jahren Aufbau in Sachsen-Anhalt Erfolge da sind, das ist unbestritten. Das ist auch gut so.

(Zuruf von Herrn Metke, SPD)

Wir sind stolz auf die Erfolge unserer Unternehmen mit ihren Arbeitnehmern. Wir haben auch allen Grund, stolz zu sein; denn für die meisten positiven Dinge, die erwähnt wurden, haben wir den Grundstein gelegt.

(Zustimmung bei der CDU)

Es ist wichtig, dass man auch Probleme erkennt und analysiert, um sie zu lösen. Wer so wie die Landesregie

rung Probleme permanent ignoriert und schönredet, der macht nach außen hin auch deutlich, dass er Probleme offensichtlich gar nicht erkennt. Wer sie nicht erkennt, der kann sie auch nicht lösen. Ob eine Landesregierung, die Probleme nicht erkennt, eine Werbung für unseren Standort ist, das wage ich zu bezweifeln.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDVP)

Man könnte jetzt eine Vielzahl der Wirtschaftsdaten, die Sie herausgepickt und selektiv genannt haben, zer- pflücken und in der Luft zerreißen.

(Herr Metke, SPD: Machen Sie das!)

Ich nehme einmal den Zuwachs in der Exportquote oder den Zuwachs im verarbeitenden Gewerbe. Wenn Sie sich die Analyse, die Sie brachten, einmal genau ansehen und Ihre Regionalanalyse daneben legen, dann stellen Sie fest, dass sich gerade diese beiden wirtschaftlichen Kennziffern auf zwei bis drei Landkreise reduzieren. Wenn man sich das im Fokus ansieht, dann kommt man ganz klar auf das Chemiedreieck.

Wenn Sie mit den Unternehmern im Chemiedreieck sprechen, dann werden diese Ihnen sagen, dass mehr als 80 % dieser Zuwächse, die eigentlich erfreulich sind, einzig und allein auf die Tatsache zurückzuführen sind, dass die Energiepreise dramatisch gestiegen sind. Das ist also nicht eine Bruttowertschöpfung im eigentlichen Sinne, entstanden durch einen Zuwachs infolge der Eroberung neuer Märkte, sondern das ist schlicht eine Steigerung der Preise durch höhere Energiepreise, die an den Markt weitergegeben werden.

(Herr Dr. Süß, PDS: Das erzählen Sie den Che- mieunternehmen!)

Genau das ist eigentlich eher kritisch zu sehen.

Ich will deshalb an dieser Stelle noch einmal auf eine unserer ganz wichtigen Forderungen hinweisen: Wir müssen in der Solidarität der neuen Bundesländer dafür sorgen, dass wir die größten Probleme, nämlich die mangelnde Anzahl unserer Unternehmen und die Lücke in der Infrastrukturausstattung, lösen. Wir müssen dieses Problem lösen, indem wir mit allen neuen Bundesländern gemeinsame Forderungen aufmachen und diese auch umsetzen.

Ich werbe deshalb an dieser Stelle namens der CDUFraktion dafür, dass Sachsen-Anhalt und unsere Landesregierung den Vorschlag des thüringischen Ministerpräsidenten unterstützen, ihn aufgreifen und auch auf Bundesebene umzusetzen versuchen.

Worum geht es bei diesem Projekt? Bei diesem Projekt geht es um den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, der dringend nötig ist. Es geht um eine Infrastrukturpauschale zur Verbesserung der kommunalen Infrastruktur. Es geht um ein Pilotprojekt zum Abbau regionalspezifischer Defizite. Man kann Städtebauförderungsprojekte mit kommunaler und wirtschaftsnaher Infrastruktur gemeinsam mit Technologieeinrichtungen voranbringen. Es geht eigentlich um die Beseitigung genau dieser Missstände, die uns im Standortwettbewerb um Investitionen zurückwerfen.