Wir sind damit am Ende des Namensaufrufs. Befindet sich noch jemand im Saal, der zum Zeitpunkt des Namensaufrufs nicht anwesend war? - Herr Bullerjahn!
Damit ist die Abstimmung abgeschlossen. Der Zählvorgang dauert einen Moment, aber wir unterbrechen die Sitzung nicht.
Ich gebe das Abstimmungsergebnis bekannt: Mit Ja haben 56 Abgeordnete, mit Nein 38 Abgeordnete gestimmt. 22 Abgeordnete waren nicht anwesend.
Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen worden. Der Tagesordnungspunkt 10 ist damit abgeschlossen.
Stellungnahme zu dem Verfahren vor dem Landesverfassungsgericht betreffend das Gesetz zur Einführung der Grundschule mit festen Öffnungszeiten - LVG 12/01
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Landesverfassungsgerichtsverfahren wurde mit Schreiben vom 14. September 2001 durch den Landtagspräsidenten auf der Grundlage des § 52 der Geschäftsordnung des Landtages dem Ausschuss für Recht und Verfassung übergeben. Inhaltlich wendet sich die Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz zur Einführung der Grundschule mit festen Öffnungszeiten.
Der Ausschuss für Recht und Verfassung hat sich in seiner Sitzung am 27. September 2001 mit diesem Verfahren unter dem Aktenzeichen 12/01 befasst und empfiehlt, keine Stellungnahme abzugeben.
Ich darf das Hohe Haus darum bitten, der einstimmigen Empfehlung des Ausschusses für Recht und Verfassung zu folgen. - Danke schön.
Danke schön, Herr Jüngling. - Im Ältestenrat wurde verabredet, dass eine Debatte hierzu nicht stattfinden soll. Ich sehe auch keine Wortmeldungen.
Dann kommen wir zum Abstimmungsverfahren. Wer dem Vorschlag des Ausschusses für Recht und Verfassung folgen will, den bitte ich um das Handzeichen. Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Dann ist einstimmig so beschlossen. Damit ist der Tagesordnungspunkt 11 abgeschlossen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erziehungsarbeit wird in Deutschland weder anerkannt noch honoriert. Im Gegenteil, Familien mit Kindern sind einerseits materiell schlechter gestellt als kinderlose Ehepaare. Sie werden darüber hinaus ideell diskreditiert. Wer heutzutage klagt über unverschämte Preise bei Kinderbekleidung, bekommt meist noch zu hören, man sei doch selber Schuld, dass man sich Kinder angeschafft habe. Familien mit drei oder mehr Kindern werden in dieser Gesellschaft sogar oft als asozial abgestempelt.
Das Einkommen vieler deutscher Familien liegt nach Abzug der Steuern und Fixkosten knapp über dem Existenzminimum. Eigentlich reicht dies gerade einmal für die Sicherung der Grundbedürfnisse der Kinder. Alles hängt vom beruflichen Einkommen der Eltern ab. Eine Kindererziehung zu Hause ist aus wirtschaftlichen Zwängen heraus oft nicht möglich.
Natürlich gibt es Leistungen für Familien in der Bundesrepublik, aber die sind schnell aufgezählt: keine Erhöhung des Erziehungsgeldes seit 1986; die Einkommensgrenze bei Ehepaaren liegt weit unter dem steuerlichen Existenzminimum; eine Anhebung des Erziehungsgeldes auf 900 DM pro Monat erfolgt nur, wenn Eltern darauf verzichten, ihre Kinder im zweiten und dritten Lebensjahr selbst schwerpunktmäßig zu betreuen und zu erziehen; das Recht auf Teilzeitarbeit ist nur während, aber nicht nach dem Erziehungsurlaub gewährleistet; Erziehende müssen bei Kindererziehungszeiten Benachteiligungen bei der Rentenversicherung in Kauf nehmen.
Das alles zeigt deutlich: Bislang jedenfalls stehen nicht die Kinder im Mittelpunkt, sondern das so genannte Vereinbarkeitsproblem berufstätiger Eltern und die Forderung des Sozialversicherungssystems nach möglichst lückenloser Erwerbstätigkeit und Beitragszahlungen.
Alle Wünsche von Eltern und Kindern zählen nicht. Laut einer Umfrage möchten jedoch 94 % der Acht- bis Zwölfjährigen ihre Eltern öfter sehen. Eine weitere Umfrage eines renommierten Instituts ergab, dass rund 73 % der Mütter ihre Kinder in den ersten Lebensjahren gern selbst zu Hause betreuen würden.
Meine Damen und Herren! Auch wenn es nicht in das ideologische Weltbild manch linker Politiker und linker Pädagogen passt, selbst gute Fremdbetreuung kann die zentrale Rolle der Eltern bei der Entwicklung von Kindern nicht ersetzen. Eine Studie zur Qualität der Kindergärten von Professor Tietze von der Universität Berlin unterstreicht die letzte Aussage zusätzlich.
Diese Studie lässt sich in zwei Kernpunkten zusammenfassen: Die erzieherische Qualität der Eltern ist wesentlich wichtiger als die in Kindergärten oder Schulen bzw. in Grundschulen mit festen Öffnungszeiten.
Es ist an der Zeit, sich von der Vorstellung zu verabschieden - das ist der zweite Punkt -, dass die Einrich
tungen Fehlentwicklungen in den Familien korrigieren könnten. - Da haben wir doch so eine linke Pädagogin, Frau Hein, nicht wahr?
Eltern, meine Damen und Herren, die zeitweilig ihre Erwerbstätigkeit zugunsten der Kindererziehung einschränken, sind letztlich zweifach die Dummen. An diesen Fakten kommen Sie selbst bei aller Ideologie nicht vorbei. Sie verzichten auf ein Erwerbseinkommen und werden nicht durch mehr Kindergeld entschädigt. Vollzeiteltern müssen also hohe Einkommensverluste und dazu noch Benachteiligungen besonders im Rentenrecht hinnehmen.
All das, meine Damen und Herren, erfordert neue und vor allem mutige Ideen in der Familienpolitik. Stattdessen wird weiter nach dem Grundsatz verfahren, Privatisierung der Kinderkosten, das heißt, die Kindererziehung sei Privatvergnügen. Bezahlt wird nur, wer anderer Leute Kinder erzieht, zum Beispiel bei Haushaltshilfen durch die Krankenkassen, Pflegefamilien, Ersatzeltern in SOS-Kinderdörfern, Kindergärtnerinnen, Lehrer - wie paradox.
Wer daran nichts ändert, meine Damen und Herren, muss zwangsläufig über Einwanderungskonzepte beschließen. Die stereotype Klage über fehlendes Geld in einem der reichsten Länder der Welt zeugt eher von politischer Mut- und Fantasielosigkeit und vor allem von mangelnder Ehrlichkeit der derzeit politisch Verantwortlichen. Regierungsamtliche Appelle, die weder der Politik, der Gesellschaft noch der Wirtschaft etwas abverlangen, haben sich die Familien in diesem Land schon seit Jahrzehnten ohnmächtig angehört.
Keine Gesellschaft kann ungestraft an ihrer eigenen Zukunft sparen. Einzige Initiative der Bundesregierung, die zu erkennen ist, ist es, alle Weichen so zu stellen, dass die Ausfallzeiten der Eltern für die Betriebe minimiert werden. Öffentliche Einrichtungen werden also zum Familienersatz.