Protocol of the Session on September 14, 2001

Meine Damen und Herren! Wir haben im Moment eine Pattsituation zwischen Land und Bund, die aufgelöst werden muss. Deshalb fordern wir, dass das Raumordnungsverfahren eingeleitet wird, nicht mehr und nicht weniger. Wer soll denn sonst darüber entscheiden? Wir brauchen eine Abwägung zwischen der Wirtschaftlichkeit einerseits und der Ökologie andererseits. Warum traut man diese Differenzierung einem Raumordnungsverfahren nicht zu, an dessen Ende entweder ein klares Ja und die Einleitung eines Planfeststellungsverfahrens oder aber ein Nein steht? Aber diesen Weg müssen wir nun endlich einmal beschreiten.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Büchner, DVU, und von Herrn Montag, DVU)

Nicht mehr und nicht weniger ist unser Anliegen: dass wir tatsächlich darauf vertrauen, ein Raumordnungsverfahren einzuleiten und durchzuführen.

Wenn die Landesregierung bereit ist, für Stendal/Buchholz ein Raumordnungsverfahren und ein Planfeststellungsverfahren einzuleiten, für ein Projekt von völlig anderer Dimension, dessen Finanzierung und sonstige Rahmendaten bis heute noch nicht deutlich sind, und sich an dieser Stelle weigert, ein Raumordnungsverfahren einzuleiten, dann verstehe ich die Welt wirklich nicht mehr.

(Zustimmung bei der CDU)

Entscheidend ist aber nicht, ob ich die Welt nicht mehr verstehe. Meine Damen und Herren, Sie müssen den Menschen entlang der Saale klar machen, dass wir einerseits immer über alternative Verkehrsträger sprechen, aber andererseits den letzten Schritt nicht gehen wollen.

Wenn das Raumordnungsverfahren eingeleitet wird, dann heißt das doch nicht, dass am Ende die Staustufe gebaut werden wird. Deshalb verstehe ich nicht, warum man sich weigert. Ich hatte jedenfalls den Eindruck - ich hoffe, dass das in der heutigen Debatte umgesetzt wird -, dass die bei der Veranstaltung in Halle und bei der Fahrt auf der Saale Anwesenden der Meinung waren: Es wird höchste Zeit, dass wir dieses Raumordnungsverfahren einleiten.

Nun, meine Damen und Herren, zu den beiden vorliegenden Anträgen. Nachdem die CDU-Fraktion geschrieben hatte: „Der Landtag wolle beschließen: Die Landesregierung wird aufgefordert, ein Raumordnungsverfahren für den Bau einer Staustufe an der Saale bei Klein Rosenburg zu eröffnen“ - nicht mehr und nicht weniger -, kommt der Änderungsantrag der SPD. Er lautet: „Der Landtag fordert die Landesregierung auf, sich nach Wertung der Ergebnisse der derzeit von der Wasser

und Schifffahrtsdirektion Ost durchgeführten Wirtschaftlichkeitsanalyse zum frühestmöglichen Zeitpunkt für die Einleitung eines Raumordnungsverfahrens für den Bau einer Staustufe an der Saale bei Klein Rosenburg einzusetzen.“

Meine Damen und Herren! Eine weichere Formulierung gibt es wirklich nicht. Zunächst wollen Sie die Wirtschaftlichkeitsanalyse abwarten. Sie könnte auch Bestandteil des Raumordnungsverfahrens sein, wenn man ihre Ergebnisse in die Abwägung einfließen ließe. Aber nach Vorliegen dieser Analyse, die vielleicht sogar positiv ausfällt, die Landesregierung lediglich aufzufordern, sich für die Einleitung eines Raumordnungsverfahrens einzusetzen, statt von ihr zu verlangen, dass sie es endlich tut, ist nun wirklich weniger als das, was man berechtigt erwarten könnte.

(Es ertönt das akustische Signal zum Aufsuchen des Plenarsaales)

Das war kein Zeichen zur Beendigung Ihrer Rede, sondern eine für die draußen befindlichen Abgeordneten bestimmte Erinnerung an die um 12 Uhr vorgesehenen Gedenkminuten.

Ich bedanke mich, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren, da wir uns dem genannten Zeitpunkt nähern, bitte ich abschließend darum, dass wir uns heute darauf verständigen, die Landesregierung aufzufordern, dieses Raumordnungsverfahren einzuleiten, in dessen Rahmen alles andere mit beraten und abgewogen werden kann. Haben wir das Vertrauen in ein Raumordnungsverfahren! Sowohl die Ökologen als auch die Ökonomen müssen mit dem sich daraus ergebenden rechtsstaatlichen Gutachten umgehen.

Darüber, dass dieses Gutachten erstellt werden soll, bitten wir heute zu entscheiden. Wir entscheiden damit nicht darüber, ob die Staustufe in Klein Rosenburg gebaut oder nicht gebaut werden soll, sondern lediglich darüber, dass die Landesregierung aufgefordert wird, nun endlich, nach fast zehn Jahren, dieses Raumordnungsverfahren einzuleiten.

Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Büchner, DVU, und von Herrn Kannegießer, DVU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist jetzt drei Minuten vor 12 Uhr. Ich nehme an, Sie sind damit einverstanden, dass wir in der Beratung zunächst nicht fortfahren, sondern uns darauf einstellen, dass wir um 12 Uhr entsprechend unserer Verabredung einige Gedenkminuten einlegen.

Der Ministerpräsident hat mir dazu mitgeteilt, dass er sich in das Friedensgebet im Dom eingereiht hat. Somit ist der Landtag an dieser Stelle vertreten.

(Unruhe bei der CDU - Zuruf von der CDU: Da wären wir auch gern hingegangen!)

- Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, dass jetzt nicht der geeignete Zeitpunkt ist, um darüber

zu diskutieren, an welcher Stelle wir der Opfer gedenken.

Wir wollen in Übereinstimmung mit allen Bürgern der Europäischen Union schweigen, in Trauer und im Gedenken an die vielen Opfer unterschiedlicher Nationen, gemeinsam mit den Hinterbliebenen und dem gesamten Volk der Vereinigten Staaten, die in Gemeinschaft mit uns und mit unserer Unterstützung so tapfer, wie sie damit begonnen haben, den Schmerz überwinden und das Leben in Freiheit fortführen werden.

Wegen der großen Zahl der Opfer des Verbrechens sind Schweigen, Mitgefühl und Trauer angebracht, in der wir an der Seite des amerikanischen Volkes verharren. Ich rufe Sie auf, so wie in der gesamten Europäischen Union drei Minuten lang schweigend die Trauer der Hinterbliebenen der vielen Opfer zu teilen.

Ich danke Ihnen.

Wir haben im Schweigen der Opfer gedacht. Wir haben uns dafür entschieden, die Sitzung fortzuführen. Ich will dies nicht tun, ohne dazu noch eine Bemerkung zu machen.

Ich denke, die Anstrengung gerade auch der Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika, durch die Wiedereröffnung ihrer Schulen und durch vielfältige Bemühungen zu demonstrieren, dass dies zwar ein schrecklicher Anschlag war, dass wir uns aber in unserem demokratischen freiheitlichen Tun nicht ernsthaft unterbrechen lassen, sondern mutig dagegen stehen und stilvoll und in Wahrnehmung unserer Verantwortung unsere Arbeit fortsetzen, ist sicherlich auch im Sinne der Verteidigung der Freiheit. Ich möchte das gern an dieser Stelle für dieses Haus hervorheben. - Ich danke Ihnen.

Wir fahren in unserer Aufgabe fort. Wir waren beim Antrag betreffend das Raumordnungsverfahren für die Staustufe in Klein Rosenburg. Das Wort hat für die Landesregierung Minister Herr Keller.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gestehe, es fällt nicht leicht, nach diesen Minuten der Besinnung zum tagespolitischen Geschäft zurückzukehren. Aber ich will es gleichwohl tun.

Meine Damen und Herren! Der Ausbau der Saale ist im Bundesverkehrswegeplan 1992 ein Vorhaben des dringlichen Bedarfs. Herr Dr. Daehre hat es vorhin dargestellt. Das Ziel dieses Projekts ist der Ausbau der Saale von der Mündung in die Elbe bis nach Halle-Trotha zur Erreichung einer Abladetiefe von 2,50 m bei Mittelwasser einschließlich des Neubaus der vor dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gebauten sechsten Staustufe im unteren Abschnitt bei Klein Rosenburg. Damit soll gemäß dem Bundesverkehrswegeplan 1992 der Anschluss der Saale unter maximaler Ausnutzung der Verkehrsmöglichkeiten der Elbe erreicht werden.

Von Kilometer 88 bis Kilometer 20 wurde die Saale inzwischen durch Schlammbaggerungen sowie durch Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten an den fünf Schleusen ertüchtigt, sodass die Saale für das Europaschiff mit 1 350 t schiffbar ist. Auch der Hafen Halle-Trotha wurde inzwischen ausgebaut. Es fehlt nur noch ein 20 km langer Saaleausbau von Calbe bis zur Einmündung in die Elbe. Der hierfür vorgesehene Investitionsaufwand beläuft sich auf ca. 155 Millionen DM.

Von dem geplanten Vorhaben wird ein Vorranggebiet für Natur und Landschaft sowie ein Vorbehaltsgebiet für den Aufbau eines ökologischen Verbundsystems berührt. Es handelt sich hierbei um Flächen des Biosphärenreservats Mittlere Elbe, die als besonderes Schutzgebiet entsprechend der Vogelschutzrichtlinie der EU bereits anerkannt sind und als FFH-Gebiet ausgewiesen werden sollen.

Meine Damen und Herren! Aus naturschutzfachlicher Sicht wird befürchtet, dass die in diesem Bereich geplanten Maßnahmen unter anderem zu einer Veränderung der Wasserstände und der Wasserstandsdynamik mit nachteiligen Veränderungen für das Gewässer-AuenSystem im Bereich der unteren Saale führen.

Deshalb ist in Absprache mit dem Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen verabredet, vor einem Planfeststellungsverfahren, insbesondere wegen des ökologisch sensiblen Bereichs, ein Raumordnungsverfahren durchzuführen. Aus raumordnerischer Sicht ist dies erforderlich, da mit dem Durchstich bei Trabitz und dem Schleusenkanal ca. 2,5 km neue Wasserstraßen gebaut werden sollen. Es ist nicht auszuschließen, dass sich diese bauliche Maßnahme erheblich auf die Saale und die angrenzenden Gebiete auswirken kann.

In einem solchen Raumordnungsverfahren mit integrierter Umweltverträglichkeitsprüfung können mögliche Varianten in einem fachlich objektiven Verfahren geprüft werden, um die schwierige Abwägung zwischen ökonomischen und ökologischen Interessen durchführen zu können.

Die für die Durchführung des Raumordnungsverfahrens erforderlichen Verfahrensunterlagen wurden von der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes bisher noch nicht vollständig vorgelegt. Insofern, Herr Dr. Daehre, muss ich betonen: Zu einem solchen Verfahren gehören immer zwei Seiten.

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen teilte dem Ministerium für Raumordnung, Landwirtschaft und Umwelt mit Schreiben vom 15. März 1999 mit, dass im Hinblick auf die Überarbeitung des Bundesverkehrswegeplanes auch eine nochmalige ökonomische und ökologische Überprüfung des Ausbaus der Saale vorgesehen sei, die vor der Einleitung des Raumordnungsverfahrens sinnvollerweise abzuwarten wäre.

Mit dem Ministerium für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr des Landes hat sich das Bundesministerium inzwischen darauf verständigt, dass der Träger des Vorhabens, nämlich das Wasser- und Schifffahrtsamt Magdeburg, vertiefende Untersuchungen und Planungen unter besonderer Berücksichtigung der Eingriffsminimierung bzw. der Entwicklung geeigneter Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen erstens zur Optimierung flussregulierender Maßnahmen ohne Staustufe und zweitens zur Standortoptimierung eines Staustufenaufbaus durchführen wird.

Vom Wasser- und Schifffahrtsamt Magdeburg wird inzwischen eine so genannte ökologische Staustufenlösung vorgeschlagen, bei der mithilfe einer Brunnengalerie im Staubereich die Wasserdynamik in den Vorländern weitgehend erhalten werden soll. Sie haben das auch dargestellt. Die Planungsunterlagen werden entsprechend weiterentwickelt.

So soll unter anderem die geplante Staustufe um ca. 1,6 km weiter flussaufwärts verschoben werden. Damit

soll der Bereich, in dem sich der Auenwald entwickeln soll, möglichst wenig berührt werden. Eine für den Auenwald erforderliche Wasserdynamik soll durch die genannte Brunnengalerie ermöglicht werden.

Im Ergebnis kann deshalb Ihrem Antrag gegenwärtig aus fachlichen Gründen nicht entsprochen werden, weil ein Raumordnungsverfahren erst dann eröffnet werden kann, wenn die erforderlichen Unterlagen vorliegen und die Saalestaustufe als Maßnahme in den neuen Bundesverkehrswegeplan aufgenommen ist.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Jetzt! Der letzte Satz!)

Würden Sie eine Zwischenfrage beantworten, Herr Minister?

Am Schluss, Herr Dr. Daehre.

Die Landesregierung hat diese Maßnahme als vordringlichen Bedarf inzwischen angemeldet. Insofern begrüßt die Landesregierung den Änderungsantrag der SPDFraktion. Ich bin nämlich der Auffassung, dass nach dem Vorliegen dieser Voraussetzungen möglichst bald ein Raumordnungsverfahren durchgeführt werden soll.

Dazu steht die Landesregierung auch jederzeit bereit. Aber ich sagte vorhin schon: Es gehören zwei dazu. Die Entscheidungen des Bundes sind in der Reihenfolge beabsichtigt, wie ich sie eben dargestellt habe.

Es wird dann in dem Raumordnungsverfahren zu prüfen sein, ob das beabsichtigte Vorhaben mit den Erfordernissen der Raumordnung vereinbar ist und insbesondere auch eine nachhaltige Entwicklung unter Berücksichtigung aller ökonomischen und ökologischen Belange gewährleistet. Insofern teile ich Ihre Auffassung, Herr Dr. Daehre, dass das Raumordnungsverfahren selbst die Frage des Ausbaus, des Ob und des Wie nicht präjudiziert, sondern sozusagen im Ergebnis feststellen soll. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Herrn Prof. Dr. Trepte, PDS)

Jetzt bin ich gerne bereit, eine Zwischenfrage zu beantworten.

Herr Dr. Bergner, bitte.

Herr Minister, das läuft aber nun nach Ihrer Auskunft darauf hinaus, dass wir es hier mit einem Problem zu tun haben, das wir leider in der Realisierung des Bundesverkehrswegeplans aus dem Jahr 1992 nicht nur an dieser Stelle kennen, nämlich dass dem Bund die Projekte, die damals im Bundesverkehrswegeplan standen, nicht mehr so wichtig sind, wie sie damals erachtet wurden, als der Bundesverkehrswegeplan so beschlossen wurde.