Protocol of the Session on September 13, 2001

Dazu werden wir Vorschläge machen. Das wird auch nicht die Lösung aller Probleme sein; so verblendet ist niemand von uns. Aber wir wissen, wie die Haushaltsberatungen der letzen Jahre abgelaufen sind. Ich sage das deshalb schon zu Beginn der diesjährigen Beratungsphase, weil ich den großen Verdacht habe, dass es in diesem Jahr wieder genauso abläuft: Alle Änderungsvorschläge, die wir von der CDU-Fraktion in den letzten Jahren eingebracht haben, sind fast ohne Dis

kussion weggestimmt worden, ziemlich systematisch weggestimmt worden.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der DVU)

Gegen Ende der Haushaltsberatungen, so kurz vor der Bereinigungssitzung, lasen wir dann in der Zeitung, dass es in irgendwelchen Hotels oder wo auch immer die so genannte Fünf-plus-fünf-Runde gegeben hat.

(Herr Becker, CDU: Wohl wahr!)

Dort wurden die Entscheidungen getroffen, für die wir uns eigentlich sonst den Finanzausschuss leisten. Dann kam, meistens von den beiden Fraktionen gemeinsam, eine ganze Reihe von Änderungsanträgen für die Bereinigungssitzung, in denen wir nicht alles, aber einiges mit gering veränderten Zahlen wiederfanden, was wir schon einmal beantragt hatten, was aber abgelehnt worden war. Aber wir sagten, so ist das Leben nun einmal. Freude macht das aber nicht.

Trotzdem werden wir auch in diesem Jahr wieder die einen oder anderen Anträge einbringen, weil wir meinen, dass wenigstens innerhalb der gesamten Summe umgeschichtet werden könnte und sollte, weil wir andere Prioritäten für wichtiger halten.

Aber was wir nicht tun werden, ist Folgendes - das sage ich auch an meine Freunde in der eigenen Fraktion -: Ein Vorschlag zur Erhöhung der Kreditaufnahme kommt für uns nicht infrage, weil wir am Ende der Leistungsfähigkeit des Landes Sachsen-Anhalt sind.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der DVU - Herr Bischoff, SPD: Gut! Das ist immerhin etwas! Das ist eine Aussage!)

Wenn wir, wie das in diesem Jahr der Fall ist, einige Haushaltspositionen sehen, die verändert worden sind und für die sich der Finanzminister gerade selbst gelobt hat, dann könnte ich Ihnen aus dem Archiv heraussuchen, dass das der Inhalt von Anträgen war, die wir im vorigen Jahr eingebracht haben und die von Ihnen abgelehnt worden sind. Na ja, dazu sage ich: Mit ein bisschen Verzögerung hat es trotzdem geklappt. Hauptsache es geht in der richtigen Richtung in diesem Land weiter.

Eines muss uns allen klar sein: Die Risiken, die der Haushalt, die auch dieser Haushaltsentwurf hat, sind nicht gering. Eine globale Minderausgabe von 200 Millionen DM ist etwas, was man bei diesem Volumen als Finanzminister einigermaßen erwirtschaften kann.

Aber wir haben wieder festgestellt, dass keine Mittel für die Haushaltsvorsorge für Restbeträge aus dem Vorjahr eingestellt sind. Das ist in diesem Jahr unser Problem. Wenn wir über 800 Millionen DM Ausgabenreste zusätzlich zur globalen Minderausgabe und zusätzlich zu den ganzen Problemen, die noch dazugekommen sind und vorher nicht erkennbar waren, bedienen müssen, dann wird das Geld nicht mehr reichen. Wenn wir das wieder so machen, dann kann man voraussagen, dass kein Finanzminister - zu welcher Partei er auch gehören mag und wie freundlich oder unfreundlich er auch sein mag an einer erneuten Haushaltssperre vorbeikommt. Das muss man bei einem solchen Haushaltsansatz einfach vorhersagen.

Meine Damen und Herren! Ich will auch eines noch deutlich sagen: Dieser Landtag hat im Juni 2000 im Zusammenhang mit dem Entlastungsbeschluss für das Haushaltsjahr 1998 beschlossen, dass zur Vorsorge und

im Umgang mit Haushaltsresten entsprechende Beträge in den Entwurf des Haushaltsplanes einzustellen sind. Dies ist nicht geschehen. Also wird es Sie doch nicht erstaunen, dass ein Landtag sich darüber nicht nur wundert, sondern dies einfordert. Dafür sitzen wir nämlich hier.

Das sind Probleme, zu denen Sie natürlich sagen können: Der Landtag hat es beschlossen, soll er es doch machen. Das kommt ja alles noch in den Finanzausschuss. - Das ist aber eigentlich keine seriöse Lösung des Problems; denn dann steht der Finanzausschuss vor dem Problem: Machen wir das, was wir selbst beschlossen haben? Dann müssen wir unabhängig davon, was wir beschließen, die Umschichtungen vornehmen, vor denen sich der Finanzminister zu drücken versucht hat, weil sie unpopulär sind. Oder sagen wir: Mein Gott, er hat sich dafür entschieden, so zu leben. Soll er sehen, wie er zurechtkommt. Muss er eben im nächsten Jahr wieder eine Haushaltssperre machen. - Das sind die Probleme, die wenigstens in diesem Zusammenhang angesprochen werden müssen.

Es gibt noch andere Probleme, die ich wenigstens ganz kurz nennen will. Sie sagen immer so freundlich mit Hinweis auf § 8 Abs. 2 des Haushaltsgesetzes: Sollte der Bund höhere Geldmittel im Rahmen der GA-Finanzierung zur Verfügung stellen, dann werden wir mit Zustimmung des Finanzministers dafür sorgen, dass sie abgerufen werden können. - Wir haben uns immer damit trösten lassen und haben gedacht, irgendwie wird es schon laufen.

Inzwischen gibt es aber die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage einer Bundestagsabgeordneten über den Mittelabfluss im Rahmen der GA-Finanzierung in den neuen Bundesländern, insbesondere in Sachsen-Anhalt. Da steht eben drin, dass nicht alle dem Land zustehenden Mittel abgefordert wurden, weil nach der freundlichen Erklärung - das Land im Rahmen der Haushaltskonsolidierung nicht genügend Geld dafür hatte. - Das heißt, es sind Trostformulierungen, die wir hineinschreiben.

Nun kann man natürlich sagen, wir hören auf zu trösten und schreiben gleich, was Sache ist. Das macht vielleicht auch nicht den besten Eindruck, bedeutet aber wenigstens so viel - mehr will ich heute gar nicht sagen, obwohl mir mehr dazu einfallen würde -, dass wir an den Grenzen dessen angekommen sind, was wir uns leisten können, auch an den Grenzen der internen Kompensationsfähigkeit in diesem Haushalt.

Deshalb sage ich mit großer Offenheit: Wer auch immer in diesem Land für Finanzpolitik zuständig ist, er wird nicht das Recht bekommen, Geld zu drucken. Und wer auch immer in diesem Haus als Landtagsabgeordneter in der Zukunft Mitverantwortung tragen muss - in welcher Kombination auch immer -, dem sage ich: Wir werden an schmerzhaften Entscheidungen nicht vorbeikommen, wenn wir überhaupt noch die Gestaltungsfähigkeit in Sachsen-Anhalt erhalten wollen.

Wir hatten versprochen, in diesem Zusammenhang auch einige Punkte zu nennen, die uns wichtig sind und bei denen wir der Meinung sind, dass man Geld innerhalb des Haushaltes umschichten könnte.

Ein Problem für mich, das ich in jedem Jahr anfechte, sind die Leistungen durch Dritte, insbesondere im Bereich der Landesverwaltung, aber auch die Beratungsleistungen. Soweit ich das mitbekommen habe, sind es

in diesem Jahr 128 Millionen DM, die so zusammenkommen.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Oh!)

Meine Damen und Herren! Das sage ich mit großer Deutlichkeit - obwohl ich weiß, dass man sich damit nicht beliebt macht -: Wir haben in jedem Jahr einen Antrag auf Kürzung oder auf Streichung dieser Mittel eingebracht. Wir sind immer weggestimmt worden. Ich habe es auch erlebt, dass nach der Abstimmung Kollegen von der SPD-Fraktion zu mir gekommen sind und gesagt haben: Herr Böhmer, Gott sei dank, dass Sie es wenigstens gesagt haben. Sie haben ja so Recht. Aber Sie werden doch verstehen, dass wir dagegen stimmen mussten. - Ich weiß, wie Politik gemacht wird. Aber wir sind in der Finanzpolitik so schmalbrüstig geworden, dass wir in großer Ehrlichkeit solche Dinge besprechen müssen.

Meine Damen und Herren! Ich nenne Ihnen das Beispiel, das ich im vorigen Jahr auch schon genannt habe: Wir haben im Sozialministerium eine Abteilung 2. Diese Abteilung ist zuständig für den Krankenhausneubau und setzt im Jahr über 250 Millionen DM um. - Und das klappt.

Wenn ich mit Krankenhausträgern spreche - ich kenne einige davon -, dann höre ich immer Lob über die Mitarbeiter im Sozialministerium - auch bei der OFD -, wie offen die Beratungsgespräche geführt werden, wie verständnisvoll auf Probleme eingegangen wird und wie sachkundig Entscheidungen getroffen werden. Aber daneben haben wir eine andere Abteilung, die für die Investitionsmaßnahmen nach § 52 des Pflegeversicherungsgesetzes zuständig ist. Die muss im Jahr ungefähr die gleiche Summe verbauen und braucht jedes Jahr 4 Millionen DM für Hilfe durch Dritte.

Nun hören wir - das ist richtig -, dass wir einen zu hohen Besatz an Landesbediensteten haben, und die Landesregierung - auch der Ministerpräsident - lobt sich dafür, dass sie ganz entschlossen jedes Jahr 2 000 Stellen kürzen wird. - Das ist richtig, auch wenn da gejammert wird.

Aber wenn man weiß, dass man im Jahr 2001 mit 2 000 Mitarbeitern weniger als im Vorjahr auskommen muss und es im nächsten Jahr wieder so sein wird, dann muss man doch darüber nachdenken dürfen, ob man die Mitarbeiter, deren Stellen man abbauen muss - wenn es auch erst im nächsten Jahr ist -, nicht in diesem Jahr schon ein wenig herauszieht und die Arbeiten machen lässt, für die wir jetzt Dritte von außen bezahlen. Das ist doch -

(Herr Bischoff, SPD: Das läuft doch aus!)

- Ja, entschuldigen Sie, bevor das ausgelaufen ist, sind es über 16 Millionen DM, von denen wir da reden. Darüber dürfen wir doch einmal reden, Herr Bischoff.

Das heißt, wir könnten wenigstens die Mitarbeiter, die wir haben und bezahlen und von denen wir sagen, es seien sogar einige zu viel, für die Aufgaben einsetzen, die wir bei Dritten einkaufen. Da wäre auch manches Landeskonzept von eigenen Mitarbeitern zu erarbeiten; sie sind ja nicht unfähig. Bei manchem Gutachten, das in diesem Land bezahlt worden ist, frage ich mich heute, was es mehr als Staubabhalten in Schubfächern bewirkt hat.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der DVU)

Ich könnte Ihnen eine ganze Reihe von Gutachten nennen, die auch nach Auskunft derjenigen, die sie einmal mit in Auftrag gegeben haben, nichts, aber auch gar nichts gebracht haben.

Ein Beispiel fällt mir ein, das nicht von der Landesregierung - das muss ich dazu sagen -, sondern von anderer Stelle in Auftrag gegeben worden ist, ein Gutachten über die betriebswirtschaftlichen Verhältnisse der Universitätsklinika. Dieses Gutachten hat, glaube ich, 2 Millionen DM gekostet.

(Herr Dr. Daehre, CDU, lacht)

Ich habe es mir durchgelesen. Was in diesem Gutachten steht, hätte ich an Material auch zusammentragen können, wenn ich mir ein halbes Jahr Zeit genommen hätte. An Konsequenzen ist nichts enthalten, was der gesunde Menschenverstand nicht hergibt. Wenn ich es gemacht hätte, wäre ich jetzt Millionär. Aber dem Land hat es nichts gebracht.

So haben wir eine ganze Reihe von Ausgaben, zu denen wir einfach sagen: Diese Leistungen müssen wir mit den eigenen Landesbediensteten erbringen; dazu müssen wir fähig sein. Es ist eine Leitungsaufgabe. Jeder Geschäftsführer eines Betriebes würde entlassen werden, wenn er Leute bezahlen würde, die keine Leistungen erbringen, und dafür noch Dritte bezahlen müsste, damit die Arbeit gemacht wird.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Kannegießer, DVU)

Es gibt noch andere Positionen, über die wir sehr kritisch nachdenken werden. Ich weiß, dass der IuK-Bereich in der Staatskanzlei eine große Rolle spielt. Das sind auch Zukunftstechnologien, das wird niemand leugnen. Aber wenn dort Geld ausgegeben wird - ich glaube von 5 Millionen DM ist die Rede -, damit Visionen in diesem Bereich entwickelt und erarbeitet werden, während sich die Beamten aus den Amtsgerichten des Landes darüber beklagen, dass sie nicht einmal ausreichend PCs haben, sage ich: Visionen, für deren Erfüllung wir kein Geld haben, werden nur zu Frustrationen führen, aber nicht zur weiteren Entwicklung des Landes. Das sind die Probleme, die uns belasten.

(Beifall bei der CDU und bei der DVU)

So wird es eine Reihe von kleineren Problemen geben, die keinen völligen Strukturwandel bedeuten, bei denen wir aber erreichen wollen, dass Geld umgeschichtet wird, insbesondere in die Bereiche, in denen nach unserer Meinung Nachfinanzierungsbedarf besteht.

Trotzdem, meine Damen und Herren, will ich auch ganz deutlich machen, dass damit die grundlegenden Probleme, auch die langfristigen Probleme nicht gelöst sind.

Es gibt eine auch für uns bedeutsame und hochinteressante Ausarbeitung aus dem Finanzministerium des Landes Sachsen. Die Kollegen in Sachsen haben eine Modellberechnung unter der Annahme durchgeführt, dass alle Parameter, die der Berechnung zum Solidarpakt II zugrunde gelegt wurden, genau so eintreten, wie sie dort vermutet und angenommen worden sind: dass also das gesamtstaatliche Wirtschaftswachstum mit 1,5 % durchgerechnet wird, dass die Steuerentwicklung wie dort vermutet durchgerechnet wird, dass die EUFörderung wie vermutet bis 2006 oder 2007 auf etwa 50 % und dann linear weiter absinken wird, dass die Neuverschuldung, wie in der Finanzplanung vermutet, deutlich reduziert werden kann, und zwar auf null im

Jahr 2006, dass der Personalabbau wie geplant durchgeführt wird und dass die Tarifanhebung einschließlich der Ost-West-Angleichung mit 3 % pro Jahr eintreten wird.

Wenn man all das wie in der Finanzplanung vermutet zu Ende rechnet, ergibt sich, dass das Land Sachsen, das finanziell deutlich besser dasteht als das Land SachsenAnhalt, im Jahr 2019 noch eine Investitionsquote von 1,2 % aufbringen kann. Für unser Land gelten bei deutlich schlechterer Ausgangssituation die gleichen Konditionen. Wenn man das für Sachsen-Anhalt ebenfalls grob zu Ende rechnen würde, käme das Land wahrscheinlich schon nach etwa zehn Jahren zu dem gleichen Ergebnis.

Das heißt, die Gestaltungsfähigkeit für die Zukunft wird überhaupt nur erhalten bleiben können, wenn wir zu Sparmaßnahmen, die mit Sicherheit unpopulär sein werden, fähig sind und die politische Kraft dazu haben. Das sehe ich allerdings genauso. Dazu müssen wir auch Mehrheiten organisieren.

Auch wenn wir uns zugesagt haben, heute auf eine Reihe mehr spitzer Bemerkungen zu verzichten, und ich das auch tun will, kann ich auf eine Einlassung nicht verzichten, die mir eingefallen ist, als ich, weil ich nun mein Zimmer räumen musste, dabei war, alle alten Papiere noch einmal in die Hand zu nehmen und sie auszusortieren. Ich habe im Januar 1993 den Haushaltsplanentwurf 1993 eingebracht. Damals umfasste das Finanzvolumen im Einzelplan 08 2,6 Milliarden DM. Das war eine Stange Geld.

Wir hatten nicht Vorsorge getroffen für die Elf-AquitaineEntscheidung, die damals noch nicht getroffen worden war. Es gab also noch keine Rechtsgrundlage dafür, die Landesmittel einzustellen. Aber wir wussten und hofften, dass die Entscheidung kommen wird. Wir hofften es, meine Damen und Herren, und niemand von uns musste bestochen werden, damit die Entscheidung kommt.

(Beifall bei der CDU - Herr Dr. Daehre, CDU: Richtig!)

Elf Aquitaine war nämlich das einzige Unternehmen, das keine Pipeline bauen wollte und das bereit war, eine Raffinerie zu bauen und damit Arbeitsplätze zu schaffen. Und das war unsere Bedingung.

(Zustimmung bei der CDU)