Protocol of the Session on May 17, 2001

(Zustimmung von Frau Liebrecht, CDU)

muss man verstehen, dass er diese Probleme langsam als lästig empfindet.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU - Beifall bei der DVU)

Dafür sollten wir ein klein wenig Verständnis haben, meine Damen und Herren.

Wenn er sagte - das sind alles Worte von ihm, an die wir uns erinnern können -, mit neuen Forderungen müsse erst einmal Schluss sein, im Osten müsse begriffen werden, dass es 40 Jahre gedauert habe, bis in der Bundesrepublik Deutschland der heutige Lebensstandard erreicht worden sei, und er damit gewissermaßen fragte, was wir denn immer noch wollten, dann ist es natürlich ärgerlich, wenn immer wieder auf diese wunden Stellen geklopft wird.

Wenn er die absurde Situation beklagte - auch dieses ist ein Zitat des Bundeskanzlers Schröder -, dass die Bundesregierung das Geld, dass von den westdeutschen Firmen verdient werde, dazu verwenden müsse, um in Ostdeutschland Konkurrenz aufzubauen - - Ja, meine Damen und Herren, das ist doch wohl eine ärgerliche Situation.

(Heiterkeit und lebhafter Beifall bei der CDU)

Dann darf auch ein Bundeskanzler einmal etwas Flapsiges sagen. Ich kann das so furchtbar ernst nicht nehmen. Ich weiß natürlich auch, dass er in SachsenAnhalt als Minister möglicherweise schon entlassen worden wäre.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Ich möchte ihn auch nicht überstrapazieren. Ich möchte davor warnen, dass jemand seine eigene Stimmung zur öffentlichen Stimmung überstilisiert. Es gibt Stimmungen, die untersucht worden sind. Ich will nur einen Satz

aus der Shell-Studie, die Sie möglicherweise kennen, über die Stimmung bei jungen Leuten, insbesondere im Osten, zitieren.

Könnte das der letzte Satz sein, Professor Böhmer? Das rote Lämpchen leuchtet.

Herr Präsident, mit zwei Sätzen komme ich gern zum Schluss. Ich möchte wenigstens etwas über Stimmungen vorlesen.

In der Shell-Studie wurde ausgeführt, dass es einen erdrutschartigen Vertrauensverlust gegenüber Parteien, politisch-administrativen Apparaten und parlamentarischen Ritualen gegeben hat.

Meine Damen und Herren! Ich kann das alles verstehen. Deswegen sage ich: Wir sollten solche Themen nicht überstrapazieren.

Ich möchte noch eines sagen, um den Bundeskanzler nicht zu sehr zu belasten. Er hat früher einmal gesagt: 2 DM für den Liter Sprit bringen zwar mehr Geld in die Kasse, aber die ökologische Lenkungswirkung ist gleich Null. Das kann ich, Gerhard Schröder, aus sozialen Gründen nicht akzeptieren.

Kommen Sie bitte zum Ende.

Ich komme zum Schluss.

(Unruhe bei der SPD - Herr Kuntze, CDU: Er kann nichts dafür, wenn ihn dauernd so viel Bei- fall unterbricht!)

Damals ist der Satz formuliert worden: Bei jedem Tanken Schröder danken. - Manche sagen das heute noch und wissen nicht mehr warum.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Da ich weiß, dass ein Präsident für Ordnung sorgen muss, gebe ich zu, dass mir noch viele Zitate von Gerhard Schröder einfallen, die mich zu einer gewissen Nachsicht beim Umgang mit solchen Formulierungen bewegen, aber diese kann ich Ihnen jetzt nicht mehr vortragen. - Vielen Dank.

(Starker Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Büchner, DVU, und von Herrn Buder, DVU)

Meine Damen und Herren! Auch ein Vizepräsident sollte sich an die fünf Minuten Redezeit halten. Es waren anderthalb Minuten mehr.

(Frau Lindemann, SPD: Schöne Büttenrede!)

Meine Damen und Herren! Sie sehen, die Tribüne hat sich gefüllt. Wir begrüßen Schülerinnen und Schüler des Trotha-Gymnasiums in Halle sowie Schülerinnen und Schüler der Humboldt-Sekundarschule in Naumburg.

(Beifall im ganzen Hause)

Die Fraktionen von SPD und DVU haben auf einen Redebeitrag verzichtet. Es spricht deshalb abschließend

die Abgeordnete Frau Dirlich für die PDS-Fraktion. Bitte, Frau Dirlich.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage, ob sich die Aussage Schröders, es gebe kein Recht auf Faulheit, auf die Arbeitslandschaft in SachsenAnhalt auswirken könnte, geht aus meiner Sicht gänzlich am Thema vorbei. Die Arbeitslandschaft in SachsenAnhalt wird sich durch eine solche Äußerung nicht ändern. Die Frage ist doch vielmehr, wie sich solche Äußerungen auf die Situation von Arbeitslosen auch in Sachsen-Anhalt auswirken sollen.

Ich denke, in dieser Hinsicht sollten wir konkreter und auch ein bisschen ernsthafter nachfragen. Mehr Druck soll ausgeübt werden - Druck zur Annahme jedes Arbeitsangebotes. Es soll mehr Bestrafungsmöglichkeiten durch Leistungsentzug geben. Fragen wir aber ernsthaft, ob das notwendig ist, und schauen wir uns die Zumutbarkeitsregelungen des SGB III zur Arbeitsförderung genauer an. In § 121 steht - ich zitiere -:

„Vom siebenten Monat der Arbeitslosigkeit an ist dem Arbeitslosen eine Beschäftigung nur dann nicht zumutbar, wenn das daraus erzielbare Nettoeinkommen niedriger ist als das Arbeitslosengeld.“

Das heißt, der Arbeitslose muss sich schon nach sechs Monaten Arbeitslosigkeit mit einem Einkommen begnügen, das 67 % seines vorherigen Einkommens beträgt. Tut er es nicht, kann er schon jetzt mit Leistungsentzug bestraft werden.

Zumutbar sind außerdem Pendelzeiten von bis zu drei Stunden bei sechs Stunden Arbeitszeit, eine getrennte Haushaltsführung und eine Beschäftigung, für die der Arbeitslose nicht ausgebildet ist, die er noch nie ausgeübt hat und die auch weit unter seiner Qualifikation liegen kann.

Nimmt der Arbeitslose diese Arbeit nicht an, kann er schon jetzt mit Leistungsentzug bestraft werden. Soll man das? Darf man das noch verschärfen? - Ich denke, nein. Es gibt jedoch noch interessantere Vorschläge; es kommt noch besser.

Es gibt Menschen, die noch eins draufsetzen. Der Vorschlag des CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Merz zum Beispiel, an Arbeitslose so etwas wie Essenmarken oder Gutscheine auszugeben, passt genau in das Klima, Arbeitslose als Drückeberger und Faulenzer abzustempeln. Das gilt auch für den Vorschlag des CDU-Bundestagsabgeordneten Hansjürgen Doss, gegen die Arbeitslosen eine Art Arbeitslosenpolizei einzusetzen. Das kann man nur als dreiste Verhöhnung von Millionen Menschen bezeichnen und man muss es scharf zurückweisen.

In dieser Hinsicht muss sich die CDU an ihre eigene Nase fassen. Ich finde, hierbei ist Gelassenheit weniger angebracht.

(Beifall bei der PDS)

Das eigentlich Schlimme ist, dass diese Vorschläge das Pferd vom Schwanz aufzäumen. Das Problem der Massenarbeitslosigkeit - das wurde schon gesagt - ist sehr wohl nicht darin begründet, dass Millionen Menschen nicht arbeiten wollen, sondern darin, dass Millionen Arbeitsplätze fehlen. Die Androhung von Strafe gegen Arbeitslose ändert daran nichts. Arbeitslose

brauchen Arbeit, keine Bestrafung. Arbeitslosigkeit ist Strafe genug.

Es muss endlich über die Tatsache nachgedacht werden, dass sich ein Teil der arbeitsfähigen Menschen kaputtackert, während der andere Teil resigniert. Wir brauchen Konzepte zum Abbau von Überstunden. Die Einführung der 35-Stunden-Woche hat in Frankreich Wirkung gezeigt. Warum orientieren wir uns nicht daran?

Wann wird endlich begriffen, dass die Politik der Lohndrückerei den meisten Unternehmen in Sachsen-Anhalt schadet? Der Mittelstandsbericht des Jahres 2000 sagt aus, dass 3,1 % der kleinen und mittelständischen Unternehmen Sachsen-Anhalts am Export des Landes Sachsen-Anhalt beteiligt sind. Darin ist auch der Export in andere Bundesländer eingerechnet.

Im Umkehrschluss heißt das, dass 97 % der Unternehmen allein auf die Kaufkraft der Sachsen-Anhaltinerinnen und Sachsen-Anhaltiner angewiesen sind. Nur eine intelligente Ankurbelung der Binnennachfrage kann diesen Unternehmen wirklich nützen.

Statt immer nur darüber nachzudenken, wie man die Kosten der Unternehmen senken kann, sollte über mehr Absatz für sie nachgedacht werden. Die Diskussion in der Bundesrepublik gehört vom Kopf auf die Füße gestellt. Nicht die Arbeitslosen sind das Problem, sondern die Arbeitslosigkeit. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS)

Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Gemäß § 46 Abs. 6 der Geschäftsordnung werden Beschlüsse zur Sache nicht gefasst. Damit ist die Aktuelle Debatte beendet und der Tagesordnungspunkt 1 abgeschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Aussprache zur Großen Anfrage

Vollzug freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung

Große Anfrage der Fraktion der CDU - Drs. 3/4038

Antwort der Landesregierung - Drs. 3/4295