Protocol of the Session on April 6, 2001

(Herr Dr. Bergner, CDU: Nein, nein!)

Wir wollen aber die kommunalen Strukturen ändern und kommen damit zu dem Grundsatz zurück, den ich gerade zitiert habe. Das ist unsere Position von Anbeginn und diese hat Eingang in den Gesetzentwurf gefunden.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS und von der Regierungsbank)

Der Abgeordnete Herr Dr. Bergner verzichtet auf eine Zwischenfrage, Herr Remmers auch.

Meine Damen und Herren! Das war sicherlich ein gelungenes Lehrstück gelebter Demokratie für die Schülerinnen und Schüler des Hegel-Gymnasiums und für die weiter anwesende Gruppe von Damen und Herren der Berufsbildenden Schulen Burg. Ich begrüße Sie ganz herzlich.

(Beifall im ganzen Hause)

Die Debatte wird mit dem Beitrag der Abgeordneten Frau Dr. Paschke für die PDS-Fraktion abgeschlossen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wenn die Wogen jetzt etwas hoch geschlagen sind, es ist heute auch Zeit zur Besinnung. Es ist nämlich heute Jahrestag, Jahrestag der Regierungserklärung von Ministerpräsident Reinhard Höppner zur Funktional- und Verwaltungsreform in Sachsen-Anhalt. Wie es Jahrestage so an sich haben, stellt man sie unter ein Motto damals hat man „Losung“ gesagt -, man bringt ein Geschenk mit, zieht Bilanz und wagt einen Ausblick. Die Geschäftsordnung des Landtages verlangt, dass ich das in fünf, nein, jetzt in achteinhalb Minuten mache.

Wir stellen diesen Jahrestag unter das Motto „SachsenAnhalt zwischen Risiko und Chance - der Chance ein

Stück näher“. Was die Bilanz betrifft, so lohnt sich ein kurzer Blick zurück. Nicht um die Miesmacher zu überzeugen, meine Damen und Herren von der CDU - das ist vergeblich -, sondern um zu appellieren, den Reformprozess mit Selbstbewusstsein und Verantwortungsbewusstsein weiter voranzutreiben.

Erinnern wir uns: Ohne Vorwarnung begann im Dezember 1999 mit der Veröffentlichung des Leitbildes die freiwillige Phase der gemeindlichen Ebene. Der aufmerksamen Beobachterin wurde schnell klar, dass es um das Glattziehen der gemeindlichen Struktur ging. Deren Maßstabsvergrößerung, das war das eigentliche, im Zentrum stehende Ziel der Reform. Alles andere wirkte eher nur wie eine unschädliche Begründung im Gesetzestext.

(Herr Becker, CDU: Ja!)

Dennoch: Akteure, die daran mitwirkten, vor allem hinter den Kulissen, gab es genug.

Zwischen diesem Paukenschlag und der Regierungserklärung lagen nur drei Monate, aber eigentlich schon politische Welten. Längst waren nicht nur die kleinen Dörfer in der Diskussion, längst wurde klar: Die entscheidenden Fragen in dieser Diskussion muss sich das Land selber stellen. Das geht weit über die Frage hinaus, ob man in einer Gemeinde 1 000 oder 1 200 Einwohner haben muss.

Wer sich die entscheidenden Fragen nach seiner Funktionalität, nach seiner Effizienz, seinem Verhältnis zur unteren, zur kommunalen Ebene, nach seiner Fitness für Europa selbst stellen muss, der muss sich auch die Antworten selbst geben. Dem hat sich der Landtag gestellt: Arbeit im zeitweiligen Ausschuss mit Konzentration auf die Landesstrukturen, Verabschiedung des Ersten Vorschaltgesetzes, Diskussion über das zweite kommunale Modell.

Dennoch befand und befindet sich das Land ständig zwischen Risiko und Chance, dem Risiko, die Reform in einer rein gemeindlichen Strukturreform verstümmeln zu lassen, und der Chance, eine tief greifende Reform auf allen Ebenen durchzustehen.

(Zustimmung von Frau Dr. Sitte, PDS)

Heute nun soll die Verabschiedung des Zweiten Vorschaltgesetzes erfolgen. Das Land Sachsen-Anhalt kommt damit der Chance ein Stück näher, weil mit den Regelungen tatsächlich der rechtliche Rahmen für diese Reform gesetzt wird. Die Zweistufigkeit wurde festgeschrieben, die Bündelungsfunktion auf die Kreise übertragen und das Prinzip der Erstinstanzlichkeit der Entscheidung für die Aufgabenzuordnung festgelegt.

Dieser Rahmen gibt erstmals eine zunächst hinreichende Auskunft darüber, wofür die Kommunen leistungsfähig sein müssen und wofür sie vergrößert werden müssen. Herr Becker, es gibt erstmals die Auskunft, dass die Kommunen nicht nur größer sein müssen, sondern dass sie dann auch besser sein können.

(Beifall bei der PDS)

Wer es mit der Funktionalreform ernst meint, der muss die Gebietsreform durchstehen. Er darf sich nicht im Land hinstellen und sagen: Wenn ihr uns wählt, dann machen wir das alles ganz anders.

(Beifall bei der PDS)

Denn diese Zusage - das haben Wahlen und Gebietsreformen in vielen Ländern gezeigt - gilt nur bis einen Tag nach dem Wahltag.

(Beifall bei der PDS - Widerspruch bei der CDU)

Wer es mit der Funktionalreform ernst meint, muss zweitens unwiderruflich bereit sein, seine Kraft nicht darauf zu verschwenden, jeden Weichmacher aus diesem Gesetz für sich auszunutzen. Herr Böhmer, ich glaube, manchen Weichmacher in diesem Gesetz würden Sie auch als die richtige Interpretation dafür benutzen, dass die Verwaltung des Landes dreistufig belassen werden könne.

(Zuruf von Herrn Dr. Bergner, CDU)

Wie dem auch sei, gerade weil das Landesverwaltungsamt bisher viel in der Diskussion war, möchte ich das auch an diesem Beispiel dokumentieren.

Die zufällig oder nicht zufällig noch einmal aufgeflammte Diskussion über die mögliche Interpretation zum Landesverwaltungsamt ließ uns aufhorchen. Um es klar zu sagen: Es darf in Sachsen-Anhalt kein Landesverwaltungsamt à la Thüringen geben. Wer sich nach wie vor nicht von dem Gedanken trennen kann, regionale Zuständigkeiten diesen Behörden zu übertragen, der gefährdet die Reform im Grundsatz, der setzt die politische Glaubwürdigkeit aufs Spiel.

Wer es mit der Funktionalreform ernst meint, muss sich drittens der politischen Verantwortung stellen, nun diesen rechtlichen Rahmen, dieses Zweite Vorschaltgesetz, dieses Skelett mit Innereien und Fleisch auszufüllen.

Bis zum Jahresende, also noch in der freiwilligen Phase der Kommunen, muss es gelingen, die entscheidenden Aufgabenbündel zu bestimmen, die auf die kommunale Ebene verlagert werden sollen. Die Zuständigkeiten zwischen den Kreisen und Gemeinden sind klar zu umreißen. Wir müssen dringend bei dem Bemühen weiterkommen, Personalentwicklung und Finanzierungsmodalitäten zu bestimmen. Wir müssen das tun, um allen Akteuren und den vielen betroffenen Bediensteten Unsicherheiten zu nehmen und ihnen einen angemessenen Zeitraum für die Vorbereitung und Umstellung einzuräumen.

Letztlich hängt die politische Glaubwürdigkeit des Landtages davon ab, ob es gelingt, trotz Wahlkampfgetöses diese Sacharbeit zu leisten. Was die PDS betrifft, so stellt sie sich dieser Herausforderung. Wir haben die Vision, dass Sachsen-Anhalt eine tief greifende Reform durchsteht. Deshalb entwickeln wir die Kraft, um diese Chance zu kämpfen.

Meine Damen und Herren Abgeordneten! Am 22. Dezember 1999 - der Innenminister erwähnte es bereits wurde für viele, auch für uns, zunächst ein ungewolltes Kind geboren: das Leitbild über die Gebietsreform. Das Leitbild über die Verwaltungs- und Funktionalreform war zunächst ein an der Babyklappe oder, wie die CDU sagt, im Panzerschrank abgegebenes Waisenkind.

Es muss uns gelingen, mit einem fundierten Entschließungsantrag über die Funktionalreform Ende dieses Jahres diesem inhaltlich nicht zu trennenden Zwillingspaar Charakter und Gesicht zu verleihen. Da der Innenminister ein kampferprobter und humorvoller Mensch ist,

(Heiterkeit und Zustimmung bei der PDS - Zu- stimmung von Herrn Jüngling, SPD)

wird er dieses Geburtstagsgeschenk, den Entschließungsantrag, vom Landtag dankend entgegennehmen, auch wenn er sich wie beim Ersten, Zweiten und Dritten Vorschaltgesetz seine Kinder in vielerlei Hinsicht sicherlich anders vorgestellt hätte, auch wenn dieser Entschließungsantrag sicherlich nicht der vor der Wahl verkündeten Alternative der CDU entspricht. - Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der PDS - Zustimmung von Herrn Eckel, SPD, und von Herrn Jüngling, SPD)

Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Wir kommen zum Abstimmungsverfahren zur Drs. 3/4386. Wir stimmen zunächst über die selbständigen Bestimmungen ab.

Über die §§ 1 bis 8 wird in der Fassung der Beschlussempfehlung des Ausschusses abgestimmt. Kann ich über die §§ 1 bis 8 geschlossen abstimmen lassen?

(Herr Dr. Bergner, CDU: Geschlossen!)

Es gibt offensichtlich keinen Widerspruch. Dann stimmen wir jetzt über die §§ 1 bis 8 ab, das heißt Zweck und Umfang des Gesetzes, Ziele und Grundsätze, Kommunalisierung, Auflösung der Regierungspräsidien, Landesverwaltungsamt, Neuorganisation der übrigen Landesbehörden, Personalübergang und Kostenausgleich. Wer den §§ 1 bis 8 in der Fassung der Beschlussempfehlung des Ausschusses seine Zustimmung erteilt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Ohne Enthaltungen und bei einer großen Anzahl von Gegenstimmen ist den §§ 1 bis 8 zugestimmt worden.

Ich komme zu § 9. Er ist ganz harmlos.

(Heiterkeit bei der PDS)

Dieser Paragraf betrifft das In-Kraft-Treten. Der Paragraf bleibt unverändert. Wer § 9 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? Bei einer Vielzahl von Gegenstimmen ist § 9 angenommen worden.

Wir stimmen über die Gesetzesüberschrift in unveränderter Fassung ab: „Zweites Vorschaltgesetz zur Kommunalreform und Verwaltungsmodernisierung“. Wer sich dem anschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Bei wenigen Gegenstimmen und einer Vielzahl von Enthaltungen ist die Gesetzesüberschrift akzeptiert und vom Parlament angenommen worden.

Wir stimmen über das Gesetz in seiner Gesamtheit ab. Wer dem Gesetz in dieser Fassung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Es ist das ursprüngliche Bild. Bei einer Vielzahl von Gegenstimmen ist das Gesetz beschlossen worden.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS und von der Regierungsbank)

Damit ist der Tagesordnungspunkt 8 erledigt.

Wir können mit der Beratung zügig fortfahren und kommen zu Tagesordnungspunkt 9:

Erste Beratung

Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der Verwaltungsgemeinschaften

Gesetzentwurf der Fraktion der CDU - Drs. 3/4353