Protocol of the Session on April 5, 2001

Haben Sie die Industrie- und Handelskammern, die Handwerkskammern, den VCI oder das ISW, das eine von uns geförderte hervorragende Datenbank erstellt hat, befragt?

Sehen Sie, Herr Gürth, wen immer wir fragen, von Ihnen wird die Antwort kommen, dass die Antworten nicht seriös sind - das haben wir eben von Ihnen eindrucksvoll gehört -, weil wir nur allgemeine Aussagen tätigen können.

(Herr Gürth, CDU: Haben Sie gefragt oder nicht?)

Zu allgemeinen Aussagen sagen Sie jedes Mal: Das lohnt sich nicht. Von den Kammern bekomme ich auch nur allgemeine Zahlen. Ich bekomme keine konkrete Zahl, die ich auf irgendeinen Betrieb umsetzen kann.

(Frau Wiechmann, FDVP: Konkrete Antwort! Haben Sie gefragt? Ja oder nein?)

Deshalb ist das, was Sie fragen, witzlos. Es geht nicht um die Methode der Erhebung, sondern es geht darum, ob es sinnvolle Aussagen geben kann. Dabei komme ich nicht weiter, wenn ich sage: Zu Frage 7 bis 15 oder 23 habe ich das ISW befragt und zu den anderen die Industrie- und Handelskammern. Das ändert nichts an dem Tatbestand, den wir haben. Das versuchen Sie zu vernebeln.

(Unruhe bei und Zurufe von der CDU und von der FDVP)

Wir haben die Anfrage so gut es geht mit den Mitteln, die der Landesregierung zur Verfügung stehen, beantwortet. Mehr ist gegenwärtig nicht möglich.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke sehr. - Wir sind im richtigen Rhythmus. Für die FDVP-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Helmecke.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine wirklich große Anfrage der CDU-Fraktion, immerhin 16 Seiten umfassend, und die genauso große, dafür aber nichts sagende Antwort dieser Landesregierung stehen heute als Punkt 2 c auf der Tagesordnung. Wieder einmal ist es das Thema der Auswirkungen der so genannten Ökosteuer auf die Wirtschaft, den öffentlichen Haushalt und nicht zuletzt auf die Arbeitsmarktpolitik in SachsenAnhalt, das uns in diesem Hause beschäftigt.

Die Ausführungen der Landesregierung zu den immerhin 157 Fragen der CDU-Fraktion waren, wie bei diesem Thema nicht anders zu erwarten, mehr als dürftig. Der Landesregierung liegen keine Zahlen vor. Die Landesregierung besitzt hierzu keine Angaben. Wissenschaftliche Untersuchungen zur erfragten Thematik sind der Landesregierung nicht bekannt. Die amtliche Statistik und die erforderliche Datenbasis stehen der Landesregierung nicht zur Verfügung. Die Landesregierung kann die Fragen nicht beantworten.

Meine Damen und Herren! So oder ähnlich zieht sich das Band der Nichtbeantwortung seitens der Landesregierung durch die Antwort auf die Große Anfrage über die Konsequenzen der Energieverteuerung für SachsenAnhalt. Das ist allerdings nicht verwunderlich, wurde doch in der Vergangenheit trotz erheblicher Bedenken der Opposition die Ökosteuer mit allen Mitteln von der SPD-PDS-geführten Landesregierung auch in unserem Bundesland durchgesetzt. Mehr als ein Versuch der Rechtfertigung des Lieblingskindes Ökosteuer können wir weder in der Vorbemerkung der Landesregierung noch in der Beantwortung oder Nichtbeantwortung der gestellten Fragen erkennen.

Wer an die Ausführungen der Landesregierung glauben mag, könnte zu der Auffassung gelangen, dass die so genannte Ökosteuer nicht zu einer Verteuerung und wenn überhaupt, dann nur zu einer ganz geringen führen, sondern im Gegenteil den Bürger und den Unternehmer entlasten würde. Laut Aussagen der Landesregierung sind die Ursachen für die Verteuerung der Energiepreise ausschließlich in der Erhöhung des Rohölpreises und in der hohen Bewertung des Dollars im Verhältnis zum Euro zu suchen. So viel zu Alice im Ökosteuer-Wunderland.

Der Anstieg des Kraftstoffpreises und der Heizkosten, die Verteuerung des Stromes usw. sprechen eindeutig gegen die Legende der entlastenden Ökosteuer. Das Absenken der Rentenversicherungsbeiträge, wie von der Landesregierung stolz verkündet, hält dem Vergleich zur Mehrbelastung durch die Lügensteuer nicht stand. Es ist lediglich als Almosen zu bezeichnen.

Das Konzept der ökologischen Steuerreform verfolgte das Doppelziel, einerseits die Arbeitsmarktlage durch die Verringerung der Abgaben auf Arbeit zu verbessern und andererseits den Umweltverbrauch zu verringern - so die Landesregierung in ihrer Vorbemerkung. Leider ist wieder einmal nur der Wunsch der Vater des Gedankens.

Die Antwort auf die Frage auf Seite 29 - welche Lenkungsfunktion hat die so genannte Ökosteuer bisher in Sachsen-Anhalt insbesondere auf den Gebieten a) Energieverbrauch, b) Treibstoffe und c) CO2-Immission erreicht - lässt arge Zweifel an der Umsetzung der Verrin

gerung des Umweltverbrauches zu, zumal die Landesregierung im letzten Satz Ihrer Antwort zu dieser Frage wie folgt Stellung nimmt:

„Eine Bilanz zu ziehen, welche Lenkungsfunktion bzw. Effekte im Land Sachsen-Anhalt nur durch die Einführung der Ökosteuer erreicht worden sind, ist nicht möglich.“

Das, meine Damen und Herren, lässt nur eine Schlussfolgerung zu: Wo nichts erreicht wird, lässt sich auch nichts nachvollziehen. Das Ziel des Umweltaspektes ist wohl mit der Steuer als Lenkungsfunktion verfehlt worden.

Der zweite Punkt des steuerlichen Doppelziels, die Verbesserung der Lage am Arbeitsmarkt, ist wohl der traurigste Aspekt der Steuerlüge. Die Arbeitslosenzahlen sprechen für sich. Sachsen-Anhalt ist Rekordhalter. Jetzt versucht man mit dem Export von arbeitslosen Fachkräften in die Altbundesländer die Zahlen zu schönen. Von einer Verbesserung der Lage durch die Ökosteuer ist nichts zu spüren.

Fazit: Die Ökosteuer ist und bleibt eine Mehrbelastung für den Bürger und den Unternehmer. Ein positiver Effekt ist nicht erkennbar und auch nicht absehbar. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDVP)

Danke sehr. - Bevor wir mit dem Beitrag von Professor Trepte von der PDS-Fraktion fortsetzen, begrüßen wir Schülerinnen und Schüler der Lernbehindertenschule Zeitz.

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Professor Trepte, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind weder durch die Fragestellungen noch - demzufolge durch die Antworten wesentlich schlauer geworden. Herr Gürth, ich beginne mit einer Kritik der Fragestellungen.

Ein erster großer Teil der Anfragen konnte durch die Landesregierung nicht quantifiziert beantwortet werden, weil statistisches Material aus Datenschutzgründen - das wussten Sie - nicht vorlag oder weil das Material aufgrund des Tatbestandes multipler Korrelationen keine Aussagen zuließ. Das betrifft zum Beispiel Fragen zu Wirkungen der Energiepreiserhöhungen auf die Wettbewerbs- und Konjunktursituation. Das hätten Sie wissen müssen.

Zum zweiten Komplex: Antworten auf die Fragen zu Ausnahmeregelungen im Hinblick auf die Ökosteuer, zur europäischen Harmonisierung sowie zu den Kosten für Heizung und elektrische Kraft in öffentlichen Liegenschaften hätte der Fragesteller aus den Gesetzes- und Ausführungsregelungen sowie aus dem Landeshaushalt bei Titel 517 59 über alle Einzelpläne und Kapitel hinweg selbst entnehmen können.

Eine Reihe weiterer Fragen ist derart marginal, dass sie sich der Fragesteller hätte sparen können. Mit Ihrer Genehmigung, Herr Präsident, will ich aus Abschnitt II Frage 8 zitieren:

„Wie hat sich die Energieverteuerung beim Straßenwinterdienst in den Jahren 1999 und 2000 ausgewirkt...?“

Antwort: Die Durchführung des Straßenwinterdienstes ist nicht beeinträchtigt worden.

Schließlich gibt es Fragen, die einfach falsch sind und Unkenntnis unter Beweis stellen. Ich zitiere - abermals mit Ihrer Erlaubnis - aus Abschnitt I Frage 19:

„Warum werden auch regenerative Energien mit zusätzlichen Steuern belastet?“

Meine Damen und Herren! Nun will ich sagen, mit welcher Zielstellung aus der Sicht meiner Fraktion diese Große Anfrage wirklich Sinn gemacht hätte. Die Preise für Rohöl - und das hat sogar meine Vorrednerin gewusst - und in der Folge von Erdgas werden durch die Opec diktiert und durch den Dollarkurs wesentlich beeinflusst. Das ist klar.

Ein Rückgang auf das Preisniveau von Mitte 1998 ist aus einer Reihe von Gründen, über die ich hier gesprochen habe, auszuschließen. Vielmehr ist langfristig eine tendenzielle Verteuerung von Rohöl und Erdgas mit Sicherheit anzunehmen. Bei der Verteuerung von Energie in Gegenwart und Zukunft spielt die Energiesteuer aber eher eine marginale Rolle. Herr Gürth, auch das wissen Sie.

Die wesentliche Folge dieser langfristigen Tendenz ist: Im Bereich der Primärenergieträger und auch der Nutzenergien wird sich die Wettbewerbssituation für Kohle, für Strom aus KKW und für erneuerbare Energien schrittweise und wesentlich verbessern. Das ist ein objektiver Prozess, der zur Kenntnis genommen werden muss. Dieser hat zwei wesentliche strukturelle Resultate.

Ein erstes Resultat: Substitutionsprozesse im Bereich der Primärenergieträger und Nutzenergien haben eingesetzt, sind dabei, Größenordnungen zu erreichen, und werden langfristig die Energiestrukturen wesentlich verändern.

Lediglich mit zwei bescheidenen Fragen nach alternativen Treib- und Heizstoffen - Fragen 5 und 6 im Abschnitt IV - gibt es eine andeutungsweise Einblendung.

Meine Damen und Herren! Ich finde, hierbei stehen wir am Beginn des neuen Jahrtausends zugleich am Beginn einer wirklich revolutionären strukturellen Veränderung. Das ist die Folge der Energiepreisverteuerung.

Zweitens. Der Druck auf die Entwicklung Energie sparender Technologien, Gebrauchsgüter und Dienstleistungen in allen Bereichen wird aufgrund dieser Preisentwicklungstendenz gewaltig zunehmen. Zugleich resultieren daraus Anreize für technisch-technologische Fortschritte bei der wettbewerbsfähigen Bereitstellung regenerativer Energien. Auf beiden Gebieten kann ein weiterer Innovationsschub vorausgesagt werden.

Die unter Punkt 1 und 2 genannten Tendenzen, meine Damen und Herren, werden durch absehbare Preisentwicklungen für Öl und Gas initiiert und vorangetrieben. Sie sind ordnungs- und prozesspolitisch durch EU, Bund und Länder zu begleiten und zu unterstützen. Welches in unserem Land in dieser Richtung Ziele und Aufgaben der Politik sind, das hätte nach unserer Meinung tragender Geist und Gegenstand der Großen Anfrage sein können und sein müssen.

In der Vorbemerkung zur Großen Anfrage anerkennt zwar die CDU die Tatsache verschiedener Ursachen für die Energiepreiserhöhung. Es fehlt jedoch der Versuch der Quantifizierung der Auswirkungen des Ursachenpakets auf die Preissteigerungsraten. Mit Absicht, denke

ich. Denn im Folgenden - das habe ich in meiner Nachfrage bereits gesagt - wird in allen Fragestellungen stets nur die so genannte Ökosteuer, wie Sie das nennen, als preistreibende Ursache angeführt und auf diese Bezug genommen. Im Grunde geht es der CDU mit dieser Großen Anfrage um einen weiteren Angriff auf die Energie- und Ökosteuer und um nichts anderes.

Meine Damen und Herren! Sie wissen, dass die PDS für eine Energiesteuer als Einstieg in eine ökologische Steuerreform eintritt. Aber die Machart des Einstiegs durch die rot-grüne Bundesregierung ist in weiten Teilen korrekturbedürftig, unüberlegt und stümperhaft. Auch das ist hier schon gesagt worden. Sie ist sozial unausgewogen, sie begünstigt den Bereich der Banken und Versicherungen in unangemessener Weise. Das Steueraufkommen dient weder der ökologischen Vorsorge noch der ökologischen Nachsorge. Die Anpassungsfähigkeit der Wirtschaft und der Haushalte ist nicht ausreichend berücksichtigt worden.

Jetzt, Herr Gürth, sage ich etwas Neues. Dazu noch wenige Worte auch im Sinne der vorliegenden Großen Anfrage: Eine Energiesteuer, meine Damen und Herren, muss nach unserer Meinung in kleinen Schritten, in marginalen Größen und mit geringen Belastungen, dafür aber stabil über lange Zeiträume und sehr langsam ansteigend eingeführt werden.

Der Grund für diese Behutsamkeit ist folgender: Das strukturelle Anpassungspotenzial der Wirtschaft sowie der privaten und öffentlichen Haushalte darf nicht überfordert werden. Der entscheidende Vorzug von mehr Behutsamkeit, aber auch von mehr Beharrlichkeit in der Zeitachse wäre gewesen, dass die Anpassungspotenziale diese kleinen Schritte verkraftet hätten.

Die Ein- und Fortführung der Ökosteuer hätte Sonderund Anpassungsregelungen, Steuerbefreiungen, Kompensationen im Bereich der privaten Haushalte auf ein Minimum reduzieren können. Aber so wie die Lage ist und wie die Bundesregierung die Ökosteuer eingeführt hat, sind Sonderbedingungen

Herr Professor Trepte, kommen Sie bitte zum Schluss Ihrer Ausführungen.

für energieintensive Branchen und andere Ausnahmeregelungen notwendig.

Herr Professor Trepte -