Protocol of the Session on April 5, 2001

Bericht über Arbeitsgruppe „Wissenschaftsstruktur“

Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 3/4352

Der Antrag wird durch den Abgeordneten Herrn Dr. Bergner eingebracht. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir bitten mit unserem Antrag, über ausgewählte Aspekte der Arbeit der eingesetzten Arbeitsgruppe „Wissenschaftsstruktur“ zu berichten.

Dass eine solche Gruppe eingesetzt wird, ist nicht ungewöhnlich. Ihre Funktion ist in § 5 Abs. 4 des Hochschulgesetzes ausdrücklich geregelt. Es ist auch ausdrücklich vorgesehen, dass die Empfehlungen dieser Kommission, die übrigens, soweit sie nicht gesetzliche Belange berühren, durch ein Ministerium durchgesetzt werden können, vor einer solchen Umsetzung an den zuständigen Hochschul- bzw. Finanzausschuss zur Anhörung gegeben werden müssen. Insoweit sind die Rechte des Parlamentes im Hochschulgesetz bereits beschrieben.

Der Antrag will aber nicht nur die Ergebnisse der Wissenschaftsstrukturkommission im Parlament behandelt wissen, sondern er will das Parlament beteiligt sehen, ehe es zu einer abschließenden Formulierung entsprechender Empfehlungen kommt.

Ich denke, dass wir diesbezüglich im Landtag von Sachsen-Anhalt eine gute Tradition haben. Als im Jahre 1991 - wer damals dabei war, wird sich erinnern - eine Hoch

schulstrukturkommission eingesetzt worden ist, war der zuständige Parlamentsausschuss mit der Einberufung befasst.

Er hat im Übrigen dazu noch Vorschläge gemacht und die Berufung von zwei Mitgliedern der damaligen Hochschulstrukturkommission durchgesetzt. Damals - wenn ich daran erinnern darf - geschah das unter dem Gesichtspunkt, dass man sich wünschte, dass die Hochschulstrukturkommission nicht nur externe, also außerhalb des Landes tätige Wissenschaftler und Fachleute, sondern auch Fachleute aus dem Lande SachsenAnhalt und damit Sprecher der unmittelbaren Betroffenen einbezieht.

Wie gesagt, der Kultusminister, der sich vor Ort, wenn es zu Konflikten kam, sehr schnell hinter der Parlamentsentscheidung versteckte, hat es nicht für nötig befunden, uns im Vorfeld entsprechend einzubeziehen.

Wir gehen aber davon aus, dass die Akzeptanz der zu erwartenden Kommissionsvorschläge wesentlich von der Akzeptanz der Zusammensetzung der Kommission, von den erteilten Vorgaben und von anderem mehr abhängt. Insofern wäre es wünschenswert gewesen, wenn wir im Vorfeld beteiligt worden wären. Was wir jetzt tun, ist im Grunde genommen ein wenig nachgeholt. Es ist aber immer noch besser, als wenn wir mit den Kommissionsvorschlägen dann unmittelbar konfrontiert würden.

Wie ernst die Dinge zu werden drohen, beweisen erste Gerüchte, über deren Wahrheitsgehalt sich im Moment nicht viel sagen lässt. Es kursiert beispielsweise das Gerücht, dass im Tausch gegen die Lehrerbildung, die von Magdeburg nach Halle kommen soll, die Ingenieurwissenschaften von Halle nach Magdeburg wechseln. Wer die Verankerung der Ingenieurwissenschaften im wirtschaftlichen Umfeld des Campus der Universität in Halle sieht, wird wissen, mit welchen schwerwiegenden Konsequenzen eine solche Entscheidung verbunden wäre, und es wird ihn natürlich interessieren, aufgrund welcher Vorgaben es möglicherweise zu solchen Vorschlägen und Entscheidungen gekommen ist.

Damit sind wir auf eine viel grundsätzlichere Frage verwiesen, nämlich die Frage, ob die Hochschul- und Wissenschaftspolitik in Sachsen-Anhalt nicht mit grundsätzlichen Fehlern belastet ist, die in den Kommissionsempfehlungen womöglich nur ihre Konkretisierung erfahren können.

Ich spreche aus einem konkreten Anlass. Ich bin Mitglied der Enquetekommission „Zukunftsfähiges Sachsen-Anhalt“ und muss unter Hinweis auf die Expertenanhörungen in der vorletzten Sitzung einige eindeutige Schlussfolgerungen ziehen, die sich zwingend aus dem Protokoll der Anhörung in der Enquetekommission ergeben.

Erstens. Hochschule und Wissenschaft spielen für die Nachhaltigkeit der Landesentwicklung eine entscheidende Rolle. Zweifellos gilt für Sachsen-Anhalt mehr als für andere neue Bundesländer der Satz von Wissenschaftsminister Meyer: „Wenn ein armes Land wieder ein reiches werden will, bleibt ihm gar nichts anderes übrig, als sich das Hochschulwesen eines reichen Landes zu leisten.“

(Zustimmung bei der CDU)

Zweitens. Wir haben in Sachsen-Anhalt - das hat die IWH-Studie ausgesagt - ein eklatantes Defizit, und zwar ein höheres Defizit als andere neue Bundesländer, an wie es in der Studie des IWH heißt - „qualitativ höher

wertigem“ Humankapital. Das heißt, der Handlungsbedarf, der für die neuen Länder insgesamt eingeklagt wird, trifft für Sachsen-Anhalt in besonderer Weise zu.

Drittens. Die Politik der Landesregierung wird den Entwicklungspotenzialen unseres Landes, die im Hochschulwesen und in den außeruniversitären Forschungseinrichtungen bestehen, nachweislich nicht gerecht. Das ist jedenfalls das einhellige Urteil der Experten. Ich fühle mich auch angesichts der Vorgänge und der internen Diskussionen, die in der SPD-Fraktion stattgefunden haben und an denen ich mich ansonsten nicht beteiligen will, verpflichtet, wenigstens darauf hinzuweisen, dass jeder, der über diese Aussagen Zweifel hat, in der Niederschrift über die Sitzung der Enquetekommission „Zukunftsfähiges Sachsen-Anhalt“ vom 23. Februar 2001 nachlesen kann.

Ich bin gewillt, im Abschlussbericht der Enquetekommission auch diese außerordentlich kritische Sicht auf die Bildungs- und Hochschulpolitik des Landes SachsenAnhalt und der Landesregierung zur Geltung zu bringen. Wir könnten uns sonst das Geld für diese Enquetekommission schenken, wenn wir nicht solche kritischen Voten der Fachleute ernst nähmen.

Deshalb kann ich nur sagen: Hinter dem Thema Wissenschaftskommission, um das es uns in unserem Antrag vorrangig geht, steht eine fragwürdige politische Richtung im Umgang mit Wissenschaft und Hochschulen in unserem Lande. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Danke, Herr Kollege, für die Einbringung. - Meine Damen und Herren! Es ist eine Debatte mit fünf Minuten Redezeit je Fraktion vereinbart worden, und zwar in folgender Reihenfolge: DVU, PDS, SPD, FDVP und CDU. Ich erteile zunächst für die Landesregierung Ministerin Frau Dr. Kuppe in Vertretung des Kultusministers das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen Abgeordneten! Die Arbeitsgruppe „Wissenschaftsstruktur“ wurde als Beratungsgremium des Kultusministeriums berufen. Sie soll unabhängigen Rat zur Entwicklung der Wissenschaftsstrukturen in Sachsen-Anhalt geben.

Entsprechend dem Beschluss in der 38. Sitzung des Landtages am 7. April 2000 hat der Kultusminister im Ausschuss für Bildung und Wissenschaft des Landtages mehrfach über den Arbeitsstand der Arbeitsgruppe „Wissenschaftsstruktur“ berichtet, zuletzt am 17. Januar 2001. Das ist noch nicht so lange her, Herr Dr. Bergner.

Die Arbeitsgruppe „Wissenschaftsstruktur“ sieht ihre Aufgabe darin, dem Land und seinen Hochschulen Wege aufzuzeigen, wie innerhalb des durch Ausbaukapazität und Finanzvolumen vorgegebenen Rahmens durch Strukturreformen und Profilbildung optimierte Handlungsspielräume für die Einrichtungen des Landes geschaffen werden können. Die Arbeitsgruppe wird die Berichte und die Empfehlungen am 23. April dieses Jahres dem Kultusminister übergeben.

Herr Dr. Bergner, diese Empfehlungen der Arbeitsgruppe werden dann Gegenstand der Verhandlungen

zwischen dem Ministerium und den einzelnen Hochschulen unseres Landes sein. Sie bilden eine Basis für Diskussionen zur Fortentwicklung der Hochschulstrukturen in Sachsen-Anhalt. Sie nehmen also das Ergebnis dieser Diskussion auf keinen Fall vorweg.

Der Kultusminister hat dem Ausschuss für Bildung und Wissenschaft am 17. Januar 2001 zugesagt, die Ergebnisse der Tätigkeit der Arbeitsgruppe „Wissenschaftsstruktur“ und seine Überlegungen dazu nach der Übergabe des Berichtes vorzustellen. Deshalb bedarf es nach meiner Einschätzung nicht eines weiteren Antrages; denn es ist eigentlich alles verabredet, was es dazu zu sagen gibt.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Frau Dr. Sitte, PDS, und von Herrn Dr. Süß, PDS)

Danke, Frau Ministerin. - Die DVU-Fraktion hat auf einen Redebeitrag verzichtet. Für die PDS-Fraktion spricht jetzt die Abgeordnete Frau Dr. Sitte.

Danke schön, Frau Präsidentin. - Herr Bergner, manchmal habe ich wirklich das Gefühl, wir leben in unterschiedlichen parlamentarischen Welten. Dieser Antrag ist für mich ein klassisches Beispiel dafür, wie man blitzsauber an dem vorbeigehen kann, womit sich ein Ausschuss seit einem Jahr ziemlich intensiv beschäftigt hat. Ich will das ganz kurz an einigen Beispielen deutlich machen:

Der Landtag hat in der Aprilsitzung des Jahres 2000 eine Diskussion geführt im Rahmen der Aussprache zu der Großen Anfrage Ihrer Fraktion „Hochschulentwicklung und Hochschulen in Sachsen-Anhalt“. Er hat kurze Zeit später, das heißt am nächsten Tag, am 7. April 2000, einen Beschluss zur Entwicklung der Hochschul- und Wissenschaftslandschaft in SachsenAnhalt gefasst. Das war damals ein Antrag der Fraktion der SPD.

Dann ging es weiter: In der Ausschusssitzung am 14. Juni 2000 gab es Erläuterungen des Kultusministeriums zu einem Schreiben, das ich damals an den Ausschuss gerichtet hatte, hinsichtlich der Haushaltsplanaufstellung 2001 an der Martin-Luther-Universität HalleWittenberg. Dazu wurde im Ausschuss entsprechend informiert.

Es ging dann weiter in der Sitzung des Ausschusses am 5. Juli 2000. In einem Schreiben vom 23. Juni 2000 hatte ich darum gebeten, dass wir im Rahmen der Selbstbefassung genau über diese Fragen der Arbeitsgruppen, der Projektgruppen, der Untergruppen und was es dazu noch alles beim Ministerium gab, informiert werden sollten. Das ist damals durch das Ministerium auch erfolgt. Man kann über die Qualität unterschiedlicher Meinung sein. Gut, zugegebenermaßen hätte ich mir manches auch ausführlicher gewünscht.

Am 27. September 2000 gab es eine weitere Berichterstattung der Landesregierung zu dem oben genannten Beschluss des Landtages. Das Gleiche erfolgte dann am 22. November 2000. Nicht zuletzt gab es am 17. Januar 2001 - das ist eben erwähnt worden - ebenfalls eine Berichterstattung der Landesregierung zu eben jenem Beschluss.

Es ist außerdem im Arbeitsplan des Ausschusses - das ist eine Tabelle, in der das steht; die bekommen wir

regelmäßig zugeschickt - verankert, dass wir Ende April über die Ergebnisse eben jener Projektgruppe eine Unterrichtung bekommen, die Sie hier beantragen.

Nicht zuletzt gibt es seitens eines Abgeordneten Ihrer Fraktion, nämlich von Professor Spotka, eine Kleine Anfrage zur gleichen Problematik - sie ist vom 28. Dezember 2000 -, die immerhin in ihrer Fragestellung noch deutlich weiter geht als Ihr eigener Antrag, was mich dann auch etwas wundert.

Schließlich haben wir am 26. Januar 2001 - das hat auch damit zu tun - eine ziemlich intensive und heftige Debatte über unseren Antrag „Rahmenbedingungen für die Personalentwicklung an den Hochschulen SachsenAnhalts“ geführt.

Nun kann man bei all diesen Aktivitäten sagen: Eigentlich reicht mir das nicht, das ist mir immer noch zu wenig. Das würde ich auch verstehen, weil auch mir manches zu oberflächlich ist. Aber, Herr Dr. Bergner, man muss dann auch richtig da sein und bei den Ausschusssitzungen mitdiskutieren. In diesem Zusammenhang hätte ich die CDU schon manchmal gern eher an unserer Seite denn im Rücken gehabt. Ich hätte also die Bitte, dass Sie zukünftig eher mitreden als nur darüber reden.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung bei der SPD)

Frau Mittendorf hat für die SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön, Frau Mittendorf.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kollege Ernst ist leider erkrankt, sodass ich seinen Beitrag übernehme.

Herr Bergner, der Streit um die Wissenschaftsstruktur ist sicher ein permanenter, ein interessanter und auch ein wichtiger. Aber man sollte auch ehrlich sein, wenn es um die Anträge geht. Sie haben den Eindruck hinterlassen zumindest bei mir und wahrscheinlich auch bei der Mehrheit des Hauses -, dass Sie eine Zwischendiskussion zu dem führen wollen, was die Enquetekommission „Zukunftsfähiges Sachsen-Anhalt“ diskutiert hat. Das ist ein etwas unglückliches Verfahren.

Es ist wichtig, sich über diese Fassetten zu verständigen, aber dann sollte man den geraden Weg über entsprechende Anträge nehmen, die sich direkt auf diese Punkte beziehen. Es ist nicht das erste Mal, dass unter der Tarnkappe eines Antrages Dinge diskutiert werden sollen, die nach dem Ursprungsantrag eigentlich nicht zur Debatte stehen.

Ich verweise auf die letzte Landtagssitzung. Da ging es um den Technikunterricht. Inhalt Ihrer Rede war die gesamte Problematik der Universität Halle. Man kann etwas so verpacken, aber das ist nicht der Weg, wie wir im Parlament miteinander umgehen sollten.

Nun zu Ihrem Antrag selbst. Ich weiß nicht, ob die CDUFraktion - weil Sie vorhin von Gerüchten gesprochen haben, gehe ich mal in die Märchenwelt - nicht von einer bestimmten Spindel gestochen wurde und die Wirkung nicht vielleicht die Gleiche war, nämlich ein weit reichender Tiefschlaf. Nun scheint die CDU-Fraktion auch ohne Kuss des Prinzen vorzeitig erwacht zu sein und will Dornenhecken an einer Stelle einreißen, an der es gar keine gibt.

Zu Ihrer Kenntnis, meine Damen und Herren von der CDU: Mit Ihrem Antrag wollen Sie einen Landtagsbeschluss herbeiführen, den es schon gibt. Am 7. April des Jahres 2000 hat der Landtag einen Beschluss zur Entwicklung der Hochschul- und Wissenschaftslandschaft in Sachsen-Anhalt verabschiedet.

(Die Rednerin hält die Beschlussdrucksache hoch)

Unter Punkt 2 wird die Landesregierung darin aufgefordert, in regelmäßigen Intervallen, beginnend ab Herbst 2000, im Ausschuss für Bildung und Wissenschaft über den Arbeitsstand zu berichten und vor abschließenden Entscheidungen konzeptionelle Strukturüberlegungen und deren mögliche Auswirkungen darzustellen. Dies bezog sich vor allem auf die Tätigkeit und die Diskussionsergebnisse in den Projektgruppen bzw. dann folgend in der Arbeitsgruppe „Wissenschaftsstruktur“, und zwar als Beratungsgremium.