Protocol of the Session on April 5, 2001

Frau Kollegin, Sie beantragen damit aber keine Ausschussüberweisung, sondern folgen dem -

(Frau Schnirch, CDU: Richtig! Als Zustimmung!)

- Zustimmung zum Antrag. Danke schön. - Für die FDVPFraktion spricht jetzt der Abgeordnete Herr Wiechmann.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe die Zahlen, die in der Einbringungsrede von unserer Kollegin Kauerauf dargelegt wurden, natürlich auch anderenorts schon gelesen. Es ist natürlich irgendwie bemerkenswert, dass der niedere Bildungsgrad, in Prozenten ausgedrückt, den Sie hier dargelegt haben, von der Sache her dem Rechtsradikalismus geschuldet ist. Darauf muss man erst einmal kommen. A la bonheur, Frau Kauerauf!

Meine Damen und Herren! Ich war schon einigermaßen verblüfft, als ich diesen Antrag zum ersten Mal sah. Allerdings wäre mein Erstaunen noch um vieles größer gewesen, wenn ein Antrag der Sozialdemokraten mit gleicher Zielstellung und finanziellen Vorgaben zur Förderung der deutschen Familien, der deutschen Kinder und Jugendlichen vorgelegt worden wäre. Da aber

herrscht - das wissen Sie so gut wie ich - erbarmungslos der Rotstift. Da wird eine Politik betrieben, die keineswegs familienfreundlich und -förderlich ist, es sei denn, es dominieren hier Mulitkulti-Sichtweisen.

Meine Damen und Herren, haben Sie die Klagen des Handwerks und der Industrie über die ständig schlechter werdende Bildung der Schulabgänger - auch der deutschen, bitte sehr - noch nie gehört? Die Kenntnisse beim Lesen und Schreiben und beim Rechnen - von Mathematik will ich gar nicht reden - entsprechen nicht den geringsten Anforderungen einer Ausbildung in unserer modernen Industriegesellschaft.

Als dreist empfinde ich es, dass die Landesregierung plötzlich ihr Herz für die deutschen Spätaussiedler, für Kinder und Jugendliche, entdeckt. Denn bisher wurde doch die Politik - auch unter der Regierung Kohl für deutsche Spätaussiedler oder zur Unterstützung deutscher Minderheiten in der früheren Sowjetunion, in Rumänien, in Ungarn und anderswo verleumdet und als deutsche Großmannssucht und Volkstümelei denunziert.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Wann ist denn das ge- schehen von der Regierung Kohl? Haben Sie ein Beispiel?)

- Das kann ich Ihnen gern erklären, Herr Dr. Bergner.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Das ist ja jetzt interes- sant hier!)

Die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen von SPD und PDS fordern nun Handlungsstrategien für deutsche Spätaussiedler. Da kommen Sie reichlich spät, ich meine, zu spät.

Es ist zu durchsichtig, was Sie unter Handlungsstrategien verstehen. Vielleicht ist es das schlechte Gewissen gegenüber den deutschen Spätaussiedlern, vielleicht auch nur Stimmungsmache für kommende Wahlen. Vielleicht rechnen Sie dadurch mit Stimmenzuwachs, der Ihnen längst bei den Anhaltinern - besser, den Anhaltern -, bei den wahlberechtigten Jugendlichen durch Flucht aus Sachsen-Anhalt verloren ging. Wir werden morgen über diese Angelegenheit noch diskutieren müssen.

Eine rot-grüne Bundesregierung, die eine Verbreitung der deutschen Sprache durch die Einsparung bei den Goethe-Instituten verhindert, eine rot-grüne Bundesregierung, die einst als Opposition zu verhindern suchte, dass deutsche Kultur und deutsche Sprache an die nachrückenden Generationen von nunmehrigen deutschen Spätaussiedlern vermittelt werden konnten, ist ebenso unglaubwürdig wie die hier vorgelegten Handlungsstrategien.

Meine Damen und Herren! Unsere Fraktion hat sich stets für deutsche Spätaussiedler und deren Unterstützung in Deutschland, aber auch in ihren bisherigen Ländern ausgesprochen und nie einen Hehl daraus gemacht. Aber wir machen auch keinen Hehl daraus, dass wir dem Ansinnen ungehemmter und ungeregelter Zuwanderung von Ausländern ablehnend gegenüberstehen. Es ist schon beachtenswert, meine Damen und Herren, dass ausgerechnet der sozialdemokratische Minister Herr Schily inzwischen auch zu dieser Erkenntnis gelangt ist.

Meine Damen und Herren! Natürlich sind Sprachbarrieren misslich und hinderlich. Aber der Antrag vermittelt den Eindruck, dass mit der Beseitigung von Sprachbarrieren alle Probleme der Integration gelöst wären.

Die ausländischen Kinder und Jugendlichen sind - das meine ich - auch Opfer, da sie von ihren Eltern, von den Familientraditionen, von ihrer Herkunft, Gesellschaft und Kultur gezwungen werden, zwischen den Kulturen zu leben. Das sind die eigentlichen Migrationsprobleme der zweiten und der dritten Generation von Ausländern. Sie sitzen eben zwischen allen Stühlen und werden damit auch an der Sozialisation gehindert.

Es ist keine Vision, es ist auch keine Utopie - Ihre Vorstellung von einer multikulturellen Gesellschaft in Deutschland ist einfach Irrsinn. Meine Damen und Herren von der SPD und von der PDS, Sie wissen genau, dass Sie damit gescheitert sind, und nun versuchen Sie, das durch die Hintertür unseren Menschen schmackhaft zu machen.

Es ist heuchlerisch, wenn Sie sich zum Anwalt von Kindern und Jugendlichen erheben, aber andererseits bei der Erteilung von Greencards eine deutsche Sprachausbildung nicht abfordern, ganz einfach weil es dieser nicht bedarf. Integration auf absehbare Zeit geht also auch ohne deutsche Sprachkenntnisse bzw. wird von den Greencard-Inhabern gar nicht als erstrebenswert angesehen.

(Zuruf von Herrn Siegert, SPD)

Unglaubwürdig sind die Antragsteller, wenn sie ungehemmt und zügellos in Sachsen-Anhalt Schulen schließen, aber im Antrag die Festlegung von Mindestschülerzahlen für Sprachvorbereitungsklassen und besondere Unterrichtseinrichtungen bei unbekannter Größenordnung der Folgekosten fordern.

Meine Damen und Herren! Ich bin durchaus der Meinung, wie es von unserer Kollegin Schnirch vorgetragen wurde, dass man Ausländerkinder und auch die Kinder von Spätaussiedlern zusammenfassen sollte und ihnen umfangreiche Kenntnisse in der deutschen Sprache vermitteln sollte. Aber man sollte überlegen, wie das gemacht wird.

Vielleicht sollte die Landesregierung eine Versuchsstation „Grundschule mit festen Öffnungszeiten“ nutzen und den ausländischen „Versuchskindern“ erst dann wieder die Tür öffnen, wenn sie laut und mit deutschen Worten die Regierung Höppner begrüßen können. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDVP)

Frau Dr. Hein hat jetzt für die PDS-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der eben gehörte Beitrag lässt sich relativ kurz in einem Satz zusammenfassen: Bildung für deutsche Kinder zuerst! Und diese Losung kommt mir dann doch ziemlich bekannt vor.

(Zustimmung bei der PDS und bei der SPD)

Es steht außer Frage, dass der Antrag der SPD-Fraktion ein Thema von höchster Brisanz aufgreift. Wer es bisher nicht gemerkt hat, der hat es eben bei dem Beitrag von Herrn Wiechmann gemerkt. Das nicht nur, weil auch in der Zukunft damit zu rechnen ist, dass Kinder ausländischer Herkunft ohne oder nur mit geringen Kenntnissen in der deutschen Sprache in Sachsen-Anhalt woh

nen werden, sondern weil das ganz einfach zu einer Normalität in einer modernen Gesellschaft gehören wird.

(Zustimmung bei der PDS, von Frau Kauerauf, SPD, und von Herrn Siegert, SPD)

Gerade die sprachliche Barriere ist eine der Hauptursachen dafür, dass Kinder ausländischer Herkunft in Deutschland unabhängig von ihren potenziellen Begabungen und Fähigkeiten nicht die gleichen Chancen haben. Das haben die Kultusministerien und die Bildungsinitiativen auch in den alten Bundesländern bisher nicht beseitigen können.

Es ist nicht nur die Frage der Bildungsbeteiligung und die Höhe der Abschlüsse, sondern es ist auch die Frage, wie Chancen, Begabungen und Fähigkeiten tatsächlich zur Wirkung gebracht werden. Das hat nicht nur für die Kinder eine Bedeutung, die hier weiter leben, arbeiten und lernen wollen, sondern auch für die Kinder, die nach einigen Jahren eventuell in ihre Heimat zurückgehen. Sie werden dann Nachteile haben, wenn sie nicht entsprechend ihren Fähigkeiten lernen durften und lernen konnten.

Ich will die Rede von Frau Kauerauf inhaltlich nicht wiederholen, auch nicht die Rede von Frau Dr. Kuppe, weil ich den Inhalt dieser Reden teile. Ich will nur darauf hinweisen, dass es schon ein gewaltiger Unterschied ist, ob man Deutschunterricht für Muttersprachler oder für Ausländerkinder gibt. Ich habe so etwas als Studentin tun dürfen, immerhin mit Deutschlehrern. Da gab es noch eine Anschlusssprache. Ich habe gemerkt, wie verschieden das ist. Ich glaube, dass es sehr großer Bemühungen bedarf, um Lehrerinnen und Lehrer darauf vorzubereiten. Ich habe eine Kollegin, die so etwas macht und die mir erzählt hat, wie schwierig nicht nur der Umstieg ist, sondern wie schwierig auch diese Arbeit ist. Ich habe vor dieser Arbeit hohen Respekt.

Allerdings bitte ich eines zu bedenken: Eine zielgerichtete Integration von Kindern ausländischer Herkunft ist nicht nur deshalb wichtig, weil sie dazu beitragen kann oder muss, ausländerfeindlichen Tendenzen in unserer Gesellschaft entgegenzuwirken. Auch das ist ein Effekt. Sie kann aber nur erfolgreich sein, wenn diesen Kindern und Jugendlichen ermöglicht wird, dass sie ihre Kultur leben können, und wenn das auch gefördert wird.

Dabei ist es nur eine Seite, dass ich, wenn ich in Deutschland lebe, weiß, was das Weihnachtsfest ist. Es ist genauso wichtig, andere Neujahrsfeste zu kennen und Kenntnisse über religiöse Feste anderer Kulturen und anderer Nationen zu vermitteln und zu verbreiten und genau in diesem Bereich Kontakte herzustellen.

Dann wird es vielleicht nicht mehr vorkommen, dass eine Lehrerin mit Kopftuch in deutschen Schulen nicht unterrichten darf. Ich empfinde das als eine Unzumutbarkeit für eine deutsche Gesellschaft.

(Beifall bei der SPD - Herr Dr. Bergner, CDU: Warum muss sie denn das?)

- Weil es einfach zu ihrer Kultur gehört, Herr Dr. Bergner, so wie andere Dinge zu unserer Kultur gehören, die ich genauso zu respektieren habe.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Dann hängen wir das Kruzifix wieder auf!)

- Lassen Sie uns jetzt nicht über das Kruzifix reden. Gerade die Bayern, die so auf dem Kruzifix bestehen, beschneiden Menschen anderer Kulturen, diese für sie

wichtigen religiösen und kulturellen Zeichen zu tragen. Ich finde, das passt überhaupt nicht zusammen.

(Zustimmung bei der PDS - Zuruf von Frau Wiech- mann, FDVP)

Ich denke, wir können darüber im Ausschuss diskutieren. Ich möchte nur noch den Vorschlag unterbreiten, dass wir vielleicht einen der Mitautoren dieses Modellversuches in den Ausschuss einladen, weil das für alle von Interesse sein könnte - vielleicht sogar für die FDVP. - Danke.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung von Herrn Siegert, SPD)

Frau Kauerauf, Sie haben noch einmal das Wort für die SPD-Fraktion.

(Frau Kauerauf, SPD: Ich hätte noch ein paar Sachen zu sagen! Nein, ich verzichte!)

- Frau Kauerauf verzichtet.

Wir kommen zum Abstimmungsverfahren zur Drucksache 3/4341. Eine Ausschussüberweisung ist nicht beantragt worden. Deswegen ist unmittelbar über den Antrag abzustimmen. Wer stimmt diesem Antrag zu? Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Bei einigen Stimmenthaltungen und bei einigen Gegenstimmen wurde dem Antrag gefolgt. Der Antrag ist angenommen worden. Wir haben damit den Tagesordnungspunkt 16 abgeschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf:

Beratung

Bericht über Arbeitsgruppe „Wissenschaftsstruktur“