Protocol of the Session on March 1, 2001

keit widerfahren ließ. Das Opfer erwachte aus dem Traum und erlebte die Wirklichkeit formaljuristischer Rechtsprechung zulasten der Opfer.

Mein Gesprächspartner meinte verbittert: Zehn Jahre als Wärter im Gelben Elend waren ertragreicher für die künftige Rente als 20 Jahre als politischer Häftling in Bautzen.

Haben Sie in Ihrem Antrag, meine Damen Herren von der PDS, auch an den Nachteilsausgleich für die Opfer gedacht? Bevor man die besondere Begrenzung des rentenwirksamen Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens unterhalb des jeweiligen Durchschnittseinkommens für ungerechtfertigt erklärt oder die Entgeltbegrenzung für staats- oder systemnahe Mitglieder entsprechender Zusatz- und Sonderversorgungssysteme aufhebt oder den Ausgleich für Dienstbeschädigungen auch auf ehemalige Mitarbeiter des MfS ausdehnt, sollte doch zunächst einmal der Rechtsfrieden im vereinten Deutschland zwischen Opfern und Tätern der SED-Unrechtsherrschaft wiederhergestellt werden.

Ausgerechnet durch die linksextremistische PDS wird nunmehr der Antrag gestellt, den ehemaligen StasiSpitzeln und anderen Repräsentanten des DDR-Systems, also auch den Mitarbeitern und Abgeordneten aus eigener Reihe, höhere Rentenleistungen zu verschaffen.

(Zuruf von Frau Krause, PDS)

Dieser Antrag stellt geradezu eine Verhöhnung der Opfer der SED-Diktatur dar und kann von unserer Fraktion in dieser Form auf keinen Fall gebilligt werden.

(Zuruf von Frau Krause, PDS)

Ihnen von der PDS hätte es gut zu Gesicht gestanden, wenn Sie einen Antrag für die Opfer Ihrer Gesinnungsgenossen gestellt hätten, anstatt mehr Geld für StasiSpitzel, für Täter zu verlangen.

(Herr Mokry, FDVP: Das können sie ja nicht!)

Dass Sie dies nicht tun, zeigt Ihre wahre Gesinnung, die Sie oft zu verschleiern versuchen.

Mit uns wird es keine Wiederherstellung des SED-PDSSystems geben. Auch Sie, Herr Dr. Höppner, buhlen zwar ständig um die Gunst Ihrer roten Kungelbrüder von der linksextremistischen PDS, vergessen dabei aber auch die Opfer der Sozialdemokratie unter der Diktatur der SED.

(Unruhe bei der SPD und bei der PDS)

Dem Änderungsantrag der CDU stimmen wir zu; denn auch wir sehen das Bedürfnis der Opfer und meinen, dass durch die ständige Antragstellung, die auch jetzt noch erfolgt, ein erheblicher Beratungsbedarf zu diesem Thema besteht. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der FDVP)

Herr Bischoff hat jetzt für die SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das vorliegende Gesetz ist die konsequente Umsetzung der Urteile des Bundesverfassungsgerichts zum Rentenüberleitungsgesetz. Der Gesetzgeber war aufgefordert worden, Regelungen zu erlassen, die den Urteilen des Gerichts gerecht werden. Die Urteile des Bundesverfas

sungsgerichts führen in einer äußerst kontrovers geführten Diskussion eine rechtliche Klärung herbei, die zur Wiederherstellung des Rechtsfriedens beitragen kann.

Die noch von der alten Bundesregierung festgesetzten Entgeltbegrenzungsregelungen wurden von der SPD schon immer als kritisch angesehen. Die SPD hat mehrfach auf das hohe verfassungsrechtliche Risiko hingewiesen. Die Entscheidung des Bundesverfassungs- gerichts hat diese Ansicht bestätigt.

Diese Entscheidungen sind gemessen an den Grundsätzen des Rechtsstaats richtig. Das Rentenrecht ist kein geeignetes Feld, um Vergangenheitsbewältigung zu betreiben. Das Rentenrecht ist kein Strafrecht.

(Zustimmung von Frau Dr. Weiher, PDS - Zuruf von Frau Wiechmann, FDVP)

Der Anspruch auf eine angemessene Altersversorgung ist von den jeweiligen Interessengruppen vor Gericht erfolgreich erstritten worden. Formaljuristisch gab es dazu keine Alternative. Deshalb wird dieses Ergebnis von uns begrüßt.

Jetzt komme ich zu einem wesentlichen Punkt. Aber nicht für alle Gruppen gibt es die Möglichkeit, ihren Anspruch auf eine gerechte Altersversorgung vor Gericht erfolgreich zu erstreiten. Was ist mit denen, die gar nicht erst die Möglichkeit hatten, sich zusätzlich zu versichern, oder mit denen, die, auf welche Art und Weise auch immer, als Opfer des Systems beruflich benachteiligt wurden und deswegen keine angemessenen Altersbezüge aufbauen konnten? Sie haben überhaupt keine rechtliche Handhabe, ihre Altersbezüge zu erhöhen. Hier befinden sich die Regelungen des formalen Rechtsstaats und die Grundsätze der materiellen Gerechtigkeit nicht in Übereinstimmung.

Ich war leider nicht im Plenarsaal anwesend, als Frau Dirlich ihren Redebeitrag vortrug, weil ich gemeinsam mit Herrn Remmers eine Besuchergruppe betreut habe. Ich habe jedoch gehört, dass sie in ein oder zwei Sätzen diesen Aspekt beleuchten wollte, auf den ich noch einmal eingehe. Es hat mich verwundert, dass Sie, Frau Dirlich, diese Gruppe derer, die benachteiligt werden, in Ihrem Antrag gar nicht erwähnen.

(Herr Weich, FDVP: Stasi!)

Es ist recht einseitig, sich auf die Seite derer zu stellen, die teilweise Privilegierte eines Systems waren und die die rechtsstaatlichen Instrumente jetzt nutzen, um Recht zu bekommen. Ihr Vorstoß hätte gleichzeitig auch Anlass dafür geben sollen, diejenigen, die diese Mittel nicht haben und denen der Rechtsstaat diese Mittel nicht zur Verfügung stellt, wenigstens mit zu bedenken und zu würdigen.

(Zustimmung von Herrn Eckel, SPD)

Ich glaube, zehn Jahre nach der Wende hätte es der PDS tatsächlich gut zu Gesicht gestanden, einen solchen Antrag einzubringen und sich nicht in einer einseitigen Parteinahme nur für staats- und systemnahe Personengruppen einzusetzen.

(Zuruf von Frau Wiechmann, FDVP)

Wir werden dem Änderungsantrag der CDU zustimmen, weil wir dadurch die Gelegenheit haben, uns erstens im Ausschuss noch einmal darüber berichten zu lassen, wie der aktuelle Stand ist; denn das Verfahren ist bereits über den Bundesrat hinaus. Vielleicht können wir die

Aspekte, die nun - Gott sei dank - mit hineingekommen sind, nämlich dass die Opfer wenigstens in der beruflichen Rehabilitierung etwas besser gestellt werden, besser beleuchten. Beides gehört zusammen und beides muss man sehen. Dafür steht unsere Fraktion ein. - Danke schön.

(Zustimmung bei der SPD und von Herrn Dr. Berg- ner, CDU)

Frau Brandt von der DVU-FL-Fraktion bittet, ihren Redebeitrag zu Protokoll geben zu dürfen. Gibt es dagegen Widerspruch? - Das sehe ich nicht. Dann ist ihr Redebeitrag zu Protokoll gegeben.

(Zu Protokoll:)

Wieder einmal liegt uns von der PDS ein Antrag vor, der, wenn er denn beschlossen wird, was ich nicht hoffen will, den Steuerzahler sehr viel Geld kosten wird. Diesmal werden auch die ehemaligen Opfer des Unrechtsstaates DDR, wenn sie denn noch Steuerzahler sind, zur Kasse gebeten, um ihren Peinigern von einst eine möglichst hohe Rente zu ermöglichen. Das kann man schon als boshaft bezeichnen.

Die Bemessungsgrundlage für ehemalige MfS-Mitarbeiter und staatsnahe Funktionäre soll die Hälfte der Überzahlung aus DDR-Zeiten betragen. Interessant zu wissen ist übrigens, dass ein MfS-Mitarbeiter das vier- bis fünffache Einkommen eines guten Facharbeiters hatte, welcher sich noch dazu mit den Widrigkeiten der so genannten Planwirtschaft herumplagen musste.

Indem man einerseits anerkennt, dass diese Leute viel zu hoch bezahlt wurden, möchte man trotzdem noch etwas für seine im wahrsten Sinn teuren Genossen tun.

Keine Frage aus dieser Partei, wie es den Opfern dieser Leute heute geht. Glaubt man denn wirklich, dass 600 DM Entschädigung pro erlittenen Haftmonat ausreichend sind? Hat man sich einmal gefragt, wie hoch die psychischen Belastungen der Opfer waren, für deren Verursacher man jetzt Geld haben möchte, vom Klassenfeind versteht sich.

Wenn dieser Antrag eine Mehrheit in diesem Hause finden würde, würde das einen Schlag ins Gesicht der Leute darstellen, welche in den 89er-Herbsttagen für die Freiheit und letztendlich für die Einheit unseres Vaterlandes auf die Straße gegangen sind.

Es ist schon das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht nachvollziehbar, nach dem die Stasi-Leute eine höhere Rente bekommen sollen, was bei den neuen Bundesländern zu Mehrausgaben von 690 Millionen DM und jährlich von noch einmal 325 Millionen DM führt. Die Leute aber, denen dieser Antrag gilt, standen damals - wie wir wissen - auf der anderen Seite.

Sie wollten das, was für sie eine Lebensaufgabe war - denn nichts weiter hatten sie gelernt -: Demokratie und Freiheit verhindern. Man sollte sich schämen, wenn man sich für diese Leute einsetzt. Dieser Rechtsstaat, der von den Novemberdemonstranten des Jahres 1989 erstritten wurde, ist mit den Verantwortlichen aus der DDR ohnehin nach Meinung der Bevölkerung zu glimpflich umgegangen.

Wäre die Wende anders herum verlaufen - und genau das war geplant -, dann hätte niemand die Möglichkeit gehabt, vor einer großdeutschen Volkskammer mehr Rente für ehemalige BND-Mitarbeiter einzufordern.

Natürlich kann dieser Antrag nicht unsere Zustimmung finden.

Für die CDU-Fraktion spricht jetzt der Abgeordnete Herr Dr. Bergner.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will die Schwierigkeiten der Überführung der Sonderversorgungssysteme der ehemaligen DDR nicht gering schätzen. Sie haben quasi pensionsähnliche Versorgungsansprüche aufgebaut und sie haben Gerechte wie Ungerechte, je nach der Stellung im staatlichen System, eingeschlossen.

Dafür, dass wir uns aber dem PDS-Antrag nicht anschließen können, gibt es mehrere Gründe. Der erste Grund ist deckungsgleich mit dem, was Herr Bischoff gesagt hat. Man kann die Regelung, die für MfS-Mitarbeiter durch das Bundesverfassungsgericht bereits vorgeschrieben wurde und die nach meinem Verständnis nichts anderes bedeutet, als dass man MfS-Einkommen wie Durchschnittseinkommen behandelt, nicht ohne einen Blick auf die Frage des Nachteilsausgleichs für politisch Verfolgte diskutieren.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDVP)

Ich will erstens auf Folgendes aufmerksam machen: Wenn die Ergebnisse journalistischer Recherchen über die Konsequenzen des jetzigen Gesetzentwurfes zutreffen, dann werden wir es mit der Situation zu tun haben, dass Margot Honecker eine Rentennachzahlung in Höhe von 70 000 DM beantragen könnte, wenn das Gesetz in der jetzt vorliegenden Fassung in Kraft träte.

Meine Damen und Herren! Allein ein solcher Betrag wird zum Politikum für eine große Zahl von Benachteiligten werden, die ihren Rentenanspruch, der aus der Benachteiligung entstanden ist, aus formalrechtlichen Gründen überhaupt nicht geltend machen können.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDVP)

Insofern ist der Zeitpunkt jetzt wirklich nicht gegeben, über noch weitergehende Forderungen zu sprechen.

Zweitens. Mir fehlt mindestens eine Betroffenengruppe, die das Bundesverfassungsgericht auch nicht im Blick hat und auf die ich im Rahmen einer Kleinen Anfrage die Sozialministerin schon einmal aufmerksam gemacht habe. Dabei geht es um emeritierte Hochschullehrer nach dem Stichtag 30. Juni 1995. Wir haben eine Versorgungskurve der emeritierten Hochschullehrer, die dazu führt, dass ein Hochschullehrer der Martin-LutherUniversität - ich will bewusst keine Namen nennen -, der Studenten exmatrikulierte, weil man in ihrem Bücherregal den „Archipel Gulag“ gefunden hat, heute einen höheren Rentenanspruch hat als der erste frei gewählte Rektor der Martin-Luther-Universität.