Protocol of the Session on March 1, 2001

Leben von Männern durch Tätigkeiten im Haushalt und auch durch die Beschäftigung mit ihren Kindern zu bereichern. Das aber nur am Rande.

(Zustimmung von Frau Bull, PDS)

Eine solche Wirtschaftsgemeinschaft Ehe hat es in der DDR nicht gegeben. Zu Recht wird immer wieder darauf hingewiesen, dass sich Frauen an der Erarbeitung des Lebensunterhalts beteiligen mussten, wenn das Familienbudget für eine zumindest bessere Lebensweise ausreichen sollte. Das hatte allerdings für Frauen den sehr wohl positiven Effekt, dass eine finanzielle Abhängigkeit vom Mann nicht bestand und dass die Lebensinhalte von Frauen sehr wohl bereichert wurden, ihre Stellung in der Gesellschaft sich wesentlich änderte.

Das führte zugegebenermaßen nicht gerade dazu, die Familienarbeit mit den Männern wirklich gerecht zu teilen. Allenthalben war von der Doppelbelastung der Frau die Rede und auch davon, dass man sie dafür ehren und dass man ihr dafür danken müsse.

Fakt ist, dass auf dieser Grundlage ein Versorgungsausgleich bei Ehescheidungen nicht vorgesehen war, was zu der oben beschriebenen Situation führte und führt.

Wie kann man das Problem nun lösen? - Ein Teil der betroffenen Frauen empfindet es nur als gerecht, für sich eine Gleichbehandlung mit den im Westen geschiedenen einzufordern, auch deshalb, weil ihre Lebenssituation mit der der Westfrauen durchaus vergleichbar ist. Das ist verständlich. Die CDU schließt sich mit ihrem Änderungsantrag offensichtlich dieser Forderung nach einer eheinternen Rententeilung an.

Die PDS kann sich dieser Forderung bei allem Verständnis für die Situation der betroffenen Frauen nicht anschließen. Ich will das begründen.

Eine Rückwirkung von Gesetzen der Bundesrepublik Deutschland auf die DDR-Zeit ist rechtlich äußerst problematisch. Beispielsweise ist das Rückwirkungsverbot Verfassungsgrundsatz für den Vertrauensschutz von Bürgerinnen in Recht und Gesetz.

Wir haben sonst an allen möglichen Stellen dagegen gekämpft, dass Maßstäbe und Gesetze der Bundesrepublik rückwirkend auf das Leben in der DDR angewendet, dass wir nach den Maßstäben und Gesetzen der Bundesrepublik beurteilt oder gar verurteilt werden. Wollte man an irgendeiner Stelle damit anfangen, würde das Tür und Tor für weitere derartige Forderungen öffnen. Einmal aufgemacht, wäre eine Grenze schwer zu ziehen. Ich will nur ein Beispiel nennen, das nicht das Leben in der DDR betrifft, sondern das Leben in der Bundesrepublik.

Wer in der Bundesrepublik vor 1977 geschieden und zu diesem Zeitpunkt schuldig geschieden wurde - das gab es damals noch -, bekommt ebenfalls keinen Versorgungsausgleich. Wenn die Gesetze der Bundesrepublik nach 1977 auf die DDR angewendet werden sollen, wo sie ja nicht gegolten haben, weshalb sollen dann nicht die Gesetze von nach 1977 auch für vor 1977 gelten?

Eine Einzelfallklärung nur auf Antrag ist aus der Sicht der Gleichbehandlung ebenfalls problematisch. Man müsste dann tatsächlich die 650 000 betroffenen Fälle einzeln berechnen. Es gehören eine ganze Menge Leute dazu, deren Problem die Rente zurzeit nicht ist.

Wollte man an dieser Stelle eine Ausnahme machen, müsste man weit rückwirkend in das Leben von Men

schen eingreifen. In jedem Einzelfalle müsste der Versorgungsausgleich nachgeholt werden, die Rente von Mann und Frau neu berechnet, dem Mann rückwirkend Rente entzogen, er also zur Rückzahlung aufgefordert werden. Noch ein bisschen komplizierter wird es - man kann ja alle Wechselfälle des Lebens einmal mit bedenken -, wenn der Mann mehrmals geschieden wurde, wenn er wieder geheiratet hat und inzwischen verstorben ist. Will man in diesem Falle die zweite Frau zur Kasse bitten? Wie soll das gehen?

Würde eine solche rückwirkende Entscheidung zum Versorgungsausgleich vor einem Verfassungsgericht überhaupt Bestand haben? Dass irgendein Mann dagegen klagt, darauf können Sie sich verlassen.

Das Risiko der Altersarmut betrifft nicht nur Altgeschiedene. Eine Lösung nur für sie würde ebenfalls dem Gleichbehandlungsgrundsatz widersprechen. An dieser Stelle setzt der Vorschlag der PDS an. Das Aktionsbündnis für soziale Gerechtigkeit der Stadt Halle und der frauenpolitische runde Tisch in Halle sagen - ich zitiere mit Ihrer Genehmigung, Frau Präsidentin -:

„Die Altersarmut in den neuen Bundeslän- dern wächst und ist vorwiegend weiblich. Über eine Million Rentnerinnen mit nur einer Rente liegen trotz langjähriger Berufsarbeit und umfangreicher Familienarbeit unter dem Existenzminimum, gemessen an der Hälfte der durchschnittlichen Nettoentgelte der Beschäftigten von derzeit 1 425 DM. Auch bei gleichzeitigem Bezug von Witwenrente liegen ca. 36 % unter diesem Existenzminimum.“

Wollte man das Problem der Altersarmut also nur für die so genannten Altgeschiedenen lösen, ergäbe das wiederum ein Problem mit der Gerechtigkeit und dem Gleichbehandlungsgrundsatz.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Na ja!)

Deshalb schlägt die PDS vor, eine politische Lösung anzustreben, wie im Antrag ausgeführt.

Ich nehme noch einmal die Gelegenheit, darauf hinzuweisen und zu betonen, dass die von der PDS angestrebte soziale Grundsicherung für von Altersarmut betroffene Personen nichts mit der von der SPD mit der Rentenreform eingeführten Grundsicherung zu tun hat, die die Rentnerinnen und Rentner auf die Sozialhilfe verweist.

Die PDS geht bei ihren Vorschlägen von der Armutsdefinition aus, die in der europäischen Diskussion angewendet wird. Diese bezeichnet jene als arm, die weniger Einkommen beziehen, als es der Hälfte des durchschnittlichen Nettoentgeltes der Beschäftigten entspricht. Das sind zurzeit die besagten 1 425 DM.

Frauen und Männer, die nach einem arbeitsreichen Leben aus welchen Gründen auch immer ein so geringes Einkommen beziehen, auf die Sozialhilfe zu verweisen, halten wir nicht für sachgerecht.

(Beifall bei der PDS)

Im Sinne der betroffenen Frauen und Männer hoffe ich auf eine sachliche Diskussion. Da es einen Änderungsantrag seitens der CDU gibt, wird es sicherlich am besten sein, wenn wir im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales zumindest über das Anliegen noch einmal in Ruhe diskutieren. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke Kollegin Dirlich für die Einbringung.

Meine Damen und Herren! Es ist eine Debatte mit fünf Minuten Redezeit je Fraktion in folgender Reihenfolge vereinbart worden: CDU, FDVP, SPD, DVU-FL, PDS. Als Erster erteile ich jedoch für die Landesregierung Ministerin Frau Dr. Kuppe das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen Abgeordnete! Der Deutsche Bundestag hat vor kurzem das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens beschlossen. Dieser Beschluss enthält nach meiner Auffassung - die sie nicht teilen, Frau Dirlich - bereits die wesentlichen Forderungen Ihres Antrages nach der Schaffung einer bedarfsorientierten Grundsicherung, und zwar dem Grundsatz nach, Frau Dirlich, sicherlich nicht der Höhe nach, wie Sie es eben beschrieben haben.

(Zurufe von Herrn Dr. Bergner, CDU, und von Herrn Scharf, CDU)

Dem Grundsatz nach ist jetzt die bedarfsorientierte Grundsicherung eingeführt worden. Sie soll genau dazu dienen, dass verschämte Altersarmut künftig verhindert wird.

Zum einen werden die Kinder älterer Menschen vom Gesetzgeber nicht mehr verpflichtet, für deren Unterhalt aufzukommen. Gerade das war ja ein Grund, warum Betroffene in vielen Fällen die ihnen jetzt schon zustehenden Leistungen nicht in Anspruch genommen haben. Zum anderen wird durch die Beratung und Weiterleitung von Anträgen durch die Rentenversicherungsträger an die neuen Grundsicherungsämter die hinreichend bekannte Hemmschwelle vor dem Sozialamt hoffentlich auch genommen.

Dieses Gesetz stellt nach meiner Einschätzung sozialpolitisch einen wesentlichen Fortschritt dar. Denn erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland wird damit außerhalb des Sozialhilferechts vor allem für alte Menschen eine eigenständige soziale Leistung etabliert. Das ist systemgerecht und das ist systematisch richtig, weil die Sozialhilfe dafür gedacht ist, bei vorübergehender Notlage den notwendigen Lebensunterhalt sicherzustellen. Dabei geht es vor allem auch darum, dem oder der Einzelnen die Überwindung von Armut zu ermöglichen. Das ist der Grundsatz der Sozialhilfe.

Genau diese Funktion kann die Sozialhilfe im Falle von Altersarmut nicht erfüllen; denn im Falle von Altersarmut würde Sozialhilfe - das erleben wir ja jetzt schon in Fällen - zur Dauerleistung werden. Ältere Menschen können sich eben durch Erwerbsarbeit, die in anderen Fällen anzustreben wäre, nicht mehr selber helfen.

Deshalb finde ich es richtig, dass dieses neue System der bedarfsorientierten Grundsicherung als neues vorgelagertes System vor die Sozialhilfe gestellt wurde. Das ist wirklich eine Neuheit im sozialen Sicherungssystem der Bundesrepublik Deutschland. Deswegen werden wir uns als Landesregierung auch im anstehenden Vermittlungsverfahren dafür einsetzen, dass diese Regelung vom Grundsatz her mehrheitsfähig wird. Ich halte sie für richtig.

Wichtig ist für uns allerdings, dass die Rahmenbedingungen für die bedarfsorientierte Grundsicherung so gestaltet werden, dass sie für unser Land und unsere Kommunen tragbar sind. Ich bin ganz zuversichtlich, dass es gelingen wird, das Vermittlungsverfahren so zu gestalten und das Gesetz so zu modifizieren, dass die dabei herauskommende Regelung den Anforderungen gerecht wird und bedürftigen älteren Menschen eine würdige Existenz sichern hilft.

Das gilt natürlich auch für den im vorliegenden PDSAntrag besonders angesprochenen Personenkreis der Altgeschiedenen in der DDR. Auch sie können zu den Leistungsempfängerinnen und -empfängern des neuen Grundsicherungsgesetzes gehören, wenn sie bedürftig sind.

Aber wir haben uns darüber hinaus im laufenden Gesetzgebungsverfahren zur Rentenreform auch mehrfach dafür eingesetzt, dass eine adäquate Lösung für diesen Kreis der Altgeschiedenen gefunden wird, eine Lösung, die über den Grundsicherungsanspruch hinausgeht. Es handelt sich ja bei den Betroffenen um Personen, die zu DDR-Zeiten geschieden worden sind.

Man muss noch einmal auf die Situation in der alten Bundesrepublik zurückkommen. Sie haben dazu schon einiges geschildert, Frau Dirlich.

In den alten Bundesländern erhalten die vor dem Ju- li 1977 Geschiedenen eine Geschiedenenwitwenrente, sofern der frühere Ehepartner Unterhalt zahlen musste. Nach 1977 ist in der alten Bundesrepublik ein Versorgungsausgleich eingeführt worden. Er führt dazu, dass es zu einer gerechten Aufteilung der in der Ehe erworbenen Rentenansprüche zwischen den beiden Partnern kommt, die sich trennen. Dieser Versorgungsausgleich wurde bei uns in den neuen Bundesländern erst ab 1992 eingeführt.

Das führt nun dazu, dass bei älteren Frauen aus Ostdeutschland soziale Härten auftreten. Sie haben sehr treffend ein Beispiel geschildert und ich kenne mehrere Beispiele in dieser Güte. Viele Frauen waren bei mir in der Bürgersprechstunde und haben sich auch an das Ministerium gewandt.

Frauen sind vor allem dann betroffen, wenn sie sich vorrangig der Familienarbeit, dem Aufziehen von Kindern gewidmet haben und nicht über hinreichende Arbeitsjahre verfügen. Damit haben die Betroffenen keine ausreichenden eigenen Rentenansprüche erworben und erhalten entweder gar keine gesetzliche Altersrente oder haben nur sehr geringe Ansprüche erworben. Ein Versorgungsrecht wie in der alten Bundesrepublik hat es zu DDR-Zeiten nicht gegeben. Das macht einen Teil des Problems aus.

Sachsen-Anhalt hat die Bundesregierung in einer politischen Sitzung des Bundesratsausschusses für Arbeit und Soziales im September des vergangenen Jahres gebeten, nach adäquaten Lösungen für dieses tatsächlich vorhandene Problem zu suchen. Wir haben damals vorgeschlagen, dass wenigstens diejenigen Frauen eine Geschiedenenhinterbliebenenrente erhalten sollen, die vor dem Jahr 1977 in der DDR geschieden wurden und die die Voraussetzungen erfüllen, die auch für Betroffene im Westen gelten.

Wesentlich ist dabei, dass zum Zeitpunkt des Todes des geschiedenen Ehegatten ein Unterhaltsanspruch bestand. Das war nun wiederum in der DDR sehr selten der Fall. Deshalb hat man nach der Wende darauf ver

zichtet, eine Geschiedenenhinterbliebenenrente überhaupt einzuführen. Von dieser Regel wird derzeit auch dann keine Ausnahme gemacht, wenn die Leistungsvoraussetzungen erfüllt werden.

Ich meine, dass schon aus Gründen der Gleichbehandlung mit den Leistungsempfängerinnen in den alten Bundesländern eine Neuregelung dringend geboten ist, auch wenn dadurch nur ein kleiner Kreis unserer Frauen begünstigt würde.

Eine zweite Variante hat der Bundesrat im Rahmen seiner Stellungnahme zum Altersvermögensgesetz vom 21. Dezember 2000 vorgeschlagen. Nach diesem Vorschlag soll die Benachteiligung der zu DDR-Zeiten geschiedenen Frauen durch die Aufgabe des Unterhaltsersatzprinzips beseitigt werden, und zwar durch die Aussetzung der Anwendung des § 243 SGB VI.

Das bedeutet, dass für die Geschiedenen in Ostdeutschland eine fiktive Regelung zum Tragen kommen soll, nämlich dass für sie das Recht angewendet wird, das bis zum 30. Juni 1977 in der alten Bundesrepublik gegolten hat. Dabei gibt es auch wieder einen Teil der Schwierigkeiten, die Sie, Frau Dirlich, benannt haben. Es muss dann die Schuld nachgewiesen werden, das heißt die Frage beantwortet werden, wer die Schuld an der Zerrüttung der Ehe trug.

(Zurufe von der PDS)

Das ist zumindest eine der problemhaften Randbedingungen bei dieser Regelung, die wir ins Auge gefasst haben. Trotzdem haben wir im Bundesrat diese Forderung aufgemacht und sie gegenüber der Bundesregierung artikuliert.

Nun schreibt die CDU-Fraktion in ihrem Änderungsantrag, wir mögen uns dafür einsetzen, dass der Versorgungsausgleich auch für die Fälle angewandt wird, die aus der Zeit von vor 1992 datieren. Hier teile ich wiederum die Bedenken, die Frau Dirlich geäußert hat, weil danach, wie ich schon andeutete, die in einer Ehe erworbenen Ansprüche geteilt werden. Es müsste jetzt rückwirkend für die nun getrennten Partner der Versorgungsanspruch eruiert und dann geteilt werden.

Herr Remmers ist nun leider nicht da. Ich wundere mich, dass Sie als CDU-Fraktion diesen Antrag gestellt haben; denn ich halte ihn für verfassungsrechtlich außerordentlich bedenklich, weil er gegen das durch das Grundgesetz abgedeckte Prinzip des Rückwirkungsverbotes verstößt. Hier sollen staatliche Regelungen geschaffen werden, die in erheblichem Maße in Vertrauenstatbestände eingreifen. Ich habe große Bedenken, dass dies möglich ist.