Protocol of the Session on March 1, 2001

(Frau Wernicke, CDU: Oh!)

Europa bleibt eine heilige Kuh. Europa darf alles. Kohls zweifelhaftes Lebenswerk, die europäischen Pyramiden, sind eben unantastbar. Sie enthalten nur Grabkammern.

Der Mut zur vernünftigen Politik - das ist eben der Alleingang, wenn man allein gelassen ist - steigt wohl gesetzmäßig, je weiter wir vergleichend nach Süden sehen. Der Freistaat Sachsen tat schon mehr als Sachsen-Anhalt, er macht sich nämlich wenigstens erst einmal Gedanken über eine vernünftige BSE-FolgenBekämpfung und bringt eigene Vorschläge ein. Tendenz steigend.

Die Freistaaten Thüringen und Bayern gingen weiter. Der Freistaat Thüringen stellt allein in einem Sofortprogramm 21 Millionen DM bereit. Bis zum Jahr 2010 sind weitere rund 148 Millionen DM vorgesehen.

Bayern bietet seit dem 22. Dezember 2000 ein landes eigenes Soforthilfeprogramm an. Die Unterstützung unmittelbar von BSE betroffener Betriebe mit einer Notstandsbeihilfe neben der Entschädigung durch die Tierseuchenkasse und neben Hilfen im Rahmen der Notstandsbeihilfe für aufgrund der BSE-Krise in existenzielle Schwierigkeiten geratene Betriebe ist damit gewährleistet. Für eine schnelle und unbürokratische Abwicklung der Ermittlung und Bemessung der Schadenshöhe ist ebenfalls gesorgt.

Allen gemeinsam ist, dass umfangreiche finanzielle Mittel für Landesinitiativen zur Bewältigung der BSE-Krise bereitgestellt wurden und werden. Der Bund hingegen beteiligt sich mit lächerlichen 425 Millionen DM für ganz Deutschland.

Schauen wir zu unseren europäischen Freunden nach Österreich, so stellen wir fest, dass dort die politische Normalität im Umgang mit BSE nochmals ansteigt. Zum österreichischen Notstandsprogramm kommt - das ist hier entscheidend - die Überlegung, national einen eigenen Weg zu gehen und das goldene Kalb EU zur eigenen Existenzerhaltung notfalls zu schlachten. Darüber wird in Österreich politisch offen diskutiert.

Forschung, Information, Hilfe für Schlachthöfe, Verarbeitungsbetriebe und Rinder haltende Betriebe, die Förderung der traditionellen ökologischen Landwirtschaft, der regionalen und gläsernen Produktion, die Förderung der Verarbeitung und Vermarktung sowie die Förderung der Marketingaktivitäten regionaler Anbieter von Fleisch- und Wurstwaren sind in Thüringen im Gegensatz zu Sachsen-Anhalt nicht nur leeres Geschwätz und Augenwischerei. Jedenfalls versteckt man sich dort nicht hinter der ängstlichen Aussage, wir hätten in Europa einen freien Markt und da könne man eben nichts machen. Wenn das so ist, dann soll doch die Regierung bitte schön nach Hause gehen.

Thüringen hat mit seiner Initiative sehr weitreichende Unterstützungsmaßnahmen beschlossen, die einen wichtigen Beitrag dazu leisten, Hilfen für die betroffenen Unternehmen zu gewährleisten.

Dieses Konzept, meine Damen und Herren, hebt sich positiv von den schwächlichen Maßnahmen SachsenAnhalts ab, wenn man die Computertabelle in unserem Bundesland als „Maßnahme“ bezeichnen will, die doch jeder zum Beispiel über Holland unterlaufen kann.

Meine Damen und Herren! Thüringen ist auch in einem weiteren Punkt richtungweisend. Ein Gütesiegel für Fleisch- und Wurstwaren aus Sachsen-Anhalt muss zum Verbraucherschutz her. Der Verbraucher muss sich darauf verlassen können, dass das Rindfleisch in unserem Bundesland erzeugt, geschlachtet, getestet und verkauft wird. Der Erzeuger kann sich dann auch dessen sicherer sein, dass seine Produkte konsumiert werden.

Jeder Tag, der hier verstreicht, mindert die Chancen regionaler Erzeuger, wenn sie sich nicht deutlich erkennbar abheben, um vom Konsumenten wahrgenommen zu werden. Warten heißt Plattmachen. Es muss erlaubt sein, die Frage zu stellen, ob eine solche Selbstabwicklung nicht zu einem heimlichen Konzept gehört; denn längst ist die BSE-Situation zu einer Marktbereinigung mutiert und verkommen.

Der Weg zum vernünftigen Verbraucherschutz kann andererseits nicht in die Steinzeit und zum Zehn-RinderMikro-Ökohof à la Künast führen, auf dem der Ökolandwirt jeden Morgen seine Tiere mit Fremdfutter versorgt und mit Knochen- und Blutmehl seine 5 ha Land düngt.

Meine Damen und Herren! „BSE - die Krankheit als Chance für eine gesunde Landwirtschaft“ - so lautet die Überschrift im Blättchen „Aktives Land“. Das ist für meinen Geschmack etwas makaber. Unter dieser Überschrift ist viel über Kreisläufe und Nachhaltigkeit als Prinzip der Ökologie und umweltgerechter Landwirtschaft zu lesen.

Die Zukunft liegt in Betrieben, die nach dem Prinzip der eigenen Kreislaufwirtschaft arbeiten. Dazu gehört zum Beispiel, dass ausschließlich selbst erzeugte pflanzliche Futtermittel in der eigenen Mischfutteranlage des Betriebes verarbeitet und verfüttert werden. Wie viel Grashalme wachsen und wie viel nicht, ist ohne EU zu entscheiden, autark und stark.

Das Hin-und-her-Karren von lebenden Tieren und von Futtermitteln aus zweifelhafter Produktion erschließt jedem Erreger sagenhafte Ausbreitungsmöglichkeiten.

Wenn ein Minister im Zusammenhang mit massenhaften Tötungen von Rindern schon ethische Fragen aufwirft, dann muss man fragen: Gehen die Tiertransporte quer durch Europa ethisch sauber durch? Da wird es Zeit für Religionsunterricht. Dann hätte man bei der Vereidigung am 26. Mai 1998 bitte auch nicht auf Gott schwören sollen; denn wer auf Gott schwört, hat die Schöpfung zu achten. Über den Passus in dem Eid, der das Wohl des Volkes betrifft, wollen wir lieber nicht reden.

Meine Damen und Herren! Wir glauben und sehen uns bestätigt in dieser Auffassung, dass Landwirtschaftsbetrieb, Schlachtbetrieb und Fleischverarbeiter ein regionales, kontrollierbares System bilden müssen. Der BSETest muss bei jedem Tier Standard sein; denn es geht um nichts Geringeres als um Gesundheit und Ernährung.

Regionale Marken, die sich selbst strenge Qualitätsstandards setzen, haben dabei die besten Chancen, das Vertrauen der Verbraucher zurückzuerlangen, zum Beispiel Burgenlandfleisch. Solche Keimzellen haben wir in Sachsen-Anhalt. Das ist einmal etwas Gutes!

Betriebe wie etwa in Bornstedt existieren bereits oder sind im Aufbau. Es sind Agrarbetriebe, die zum Teil seit Jahren ihre Tiere artgerecht im Freiland und in Offenställen auf Stroh halten, die ihren Biodiesel selbst herstellen, den Boden ohne Tiefenpflug bearbeiten und sich für eine regionale Schlachtung und Vermarktung einsetzen. Dort ist die Förderung sinnvoll und bestimmt von größerem Nutzen als im kleinststrukturierten Ökolandbau, der zweifellos natürlich auch eine umweltfreund- liche Form der Landbewirtschaftung darstellt.

Man sollte bitte nicht von einem Extrem in das andere verfallen; denn gerade der moderne Landwirtschaftsbetrieb, welcher Tradition und Erfahrung mit Innovation und moderner Technologie verbindet, kann bei entsprechender Förderung oft kostengünstiger gezielte Umweltleistungen erbringen und damit den bestmöglichen Verbraucherschutz erzielen.

Meine Damen und Herren! Die erste Hinrichtungs- und Vernichtungsaktion von 400 000 gesunden Rindern ist noch nicht beendet, da greift die alles beherrschende europäische Marktregulierung schon nach dem verbliebenen deutschen Restbestand an Rindern. Interessant ist hierbei die Abschlachtungsquote. Von 1,2 Millionen Rindern EU-weit tragen wir allein ein Drittel dieser Strafexpedition. EU-Treue zahlt sich eben aus.

Unter dem nagelneuen Deckmantel des Verbraucherschutzes agiert der Überstaat erneut ohne Rücksicht auf Verluste. Übrig bleibt eine Vernichtungsaktion von unüberschaubarem Ausmaß.

Als der Verbraucherschutz nötig war, wurde er verzögert und verhindert. Es mag die billigste Variante sein, um den Markt zu entlasten, aber am Beginn des 21. Jahrhunderts Rinder auf Scheiterhaufen zu verbrennen, entspricht nicht den ethischen Werten des Abendlandes. Diese Vernichtungsaktion hat nichts mehr mit BSEKrisenmanagement zu tun.

Stattdessen sollten die gesunden Rinder verarbeitet und die Rindfleischprodukte den Not und Hunger leidenden Menschen der Welt gespendet werden. Das würde bei uns Arbeitsplätze sichern und gleichzeitig eine vernünftige Umschichtung der Entwicklungshilfegelder darstellen. Außerdem würden dadurch die BSE-Folgekosten sinken.

Diese einleuchtende, weil logische Grundidee ist made in Austria, also aus dem Heimatland des von Ihnen so geschmähten Populismus. Die Vernichtung von hochwertigen Nahrungsmitteln zur europäischen Marktregulierung in Zeiten der von Natur- und Hungerkatastrophen heimgesuchten Länder der so genannten Dritten Welt ist nicht gerechtfertigt und kann nicht gerechtfertigt sein. Die gleiche EU, die den Euro-Kat verlangt, verbrennt das Nahrungsmittel Fleisch auf offenen Scheiterhaufen, und in Nordkorea verhungern die Kinder. Europa verkommt zusehends, besonders moralisch. Solana, Scharping, Serbien, Uran, BSE - man schämt sich, EU-Bürger zu sein.

Meine Damen und Herren! Wieder kommt aus Österreich ein richtungweisendes Signal.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren! Ich muss Sie bitten, den Lärmpegel etwas zu senken.

Österreich - so fordert die Freiheitliche KlubobmannStellvertreterin Dr. Helen Patrick-Pable - müsse sich auf alle Fälle dem EU-Befehl, gesunde Rinder zu verbrennen, widersetzen. Wenn die EU nicht von ihrem Standpunkt abrücke, müsse Österreich auf nationaler Ebene einen eigenen Weg finden. Es ist der Gipfel des Zynismus, aus Gründen der Überproduktion Rinder auf Scheiterhaufen zu werfen. Ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin:

„Österreich muss jetzt Flagge zeigen, egal wie die EU letztendlich entscheidet.“

Dies zeigt uns deutlich, dass Alleingänge von Mitgliedstaaten in der Europäischen Union nicht nur nicht rechtswidrig, nicht unmöglich, sondern in letzter Zeit üblich und nötig sind. Zählt der Schutz der Bevölkerung oder der organisierte Wahnsinn?

Unsere guten Kontakte nach Österreich machen uns mehr Mut als dieses Plenum. Ich frage Sie: Warum zeigen nicht auch deutsche Politiker Flagge und bekennen sich zur Vernunft? Was haben österreichische Politiker den unseren beim Bund und in Sachsen-Anhalt voraus? Diese Frage sollte jeder für sich selbst beantworten, vor allem diejenigen, die sich zu einem Eid haben hinreißen lassen, der nicht erfüllt wird.

Kärnten arbeitet nach der Devise: Kärnten zuerst! Bei uns heißt es: Wir sind die Letzten in der Befehlskette der EU. Kein Fax aus Berlin - kein Handlungsbedarf.

Die Beantwortung unserer Kleinen Anfrage in Drs. 3/4082 durch Minister Keller liest sich sehr interessant. Obwohl laut Aussage von Minister Keller in den Niederlanden nur Rinder, die mindestens 30 Monate alt sind, getestet werden - in Deutschland zurzeit ab einem Alter von 24 Monaten -, käme nach seiner Auffassung ein Verbringungsverbot eben nicht infrage. Kein Handlungsbedarf. Verstoß gegen EU-Vorgabe. Ein paar Liter Diesel, eine Schleife gefahren und schon kann man eben nichts mehr machen. Wenn das keine Sicherheitslücke ist, dann weiß ich nicht.

Für den Verbraucher heißt das: Rinder im Alter bis 29 Monate kommen zur Schlachtung nach Holland. Dort werden sie nicht getestet, da sie noch nicht 30 Monate alt sind. Sie kommen zurück nach Deutschland und landen als unbedenklich qualifiziert auf den Kindertellern. Da kann man eben nichts machen. Der Test wird gespart und die Rinder werden mit EU-subventioniertem Sprit von holländischen Spediteuren billig hin- und hergekarrt. Wozu soll sich der Verbraucher noch finanziell über den Fleischerwerb an BSE-Tests beteiligen, wenn sie umgangen werden? Die Viehschleuserei durch Euroland geht legal weiter.

Lange nichts aus England gehört? - Doch, eine Meldung. Der brisante Inhalt: Maul- und Klauenseuche. Kopfstand. Wer hat wo über wen und wann wie viele Schweine wohin verbracht?

Die Säulen des EU-Wahnsinns brechen wie Streichhölzer. Der Starrsinn überlebt. Lächerliche Kontrollen mitgebrachter Stullenpakete aus England an Flughäfen zeigen uns, wo man angekommen ist: ganz unten. Aber wir haben ja die Gewebekneifzange für Rinderohren,

bald wohl auch für Schweineohren. Nur bei Geflügel müssen wir noch nachdenken, denn die haben keine Ohren.

Meine Damen und Herren! Angesichts der unkontrollierten Situation in Sachsen-Anhalt und angesichts der Maßnahmenpakete anderer Bundesländer zur Bewältigung der BSE-Folgen sind wir wie immer gespannt - viel weniger auf Ihre Entgegnungen als vielmehr auf Ihr Abstimmungsverhalten, auf das unsere Druckerei schon wartet. - Danke.

(Beifall bei der FDVP)

Ich danke für die Einbringung. - Meine Damen und Herren! Es ist eine Debatte mit fünf Minuten Redezeit je Fraktion vereinbart worden in der Reihenfolge DVU-FL, CDU, PDS, SPD, FDVP. Die Abgeordneten der Fraktionen der DVU-FL, der CDU, der PDS und der SPD verzichten auf einen Redebeitrag.

(Zustimmung von Herrn Wolf, FDVP)

Damit haben Sie, Herr Wolf, noch einmal das Wort.

(Frau Lindemann, SPD: O nein!)

Es ist zwar nichts zu entgegnen, aber es steht ihm zu.

Frau Präsidentin! Ich will mich hier nicht als Hellseher hinstellen, aber das habe ich geahnt. Dann will ich die Debatte für mich allein führen; denn offensichtlich liegt kein Interesse vor.

Erlauben Sie mir angesichts Ihrer verlogenen Europa- politik noch einige Worte.

(Herr Prof. Dr. Trepte, PDS: Aber jetzt geht‘s los!)

Was haben wir nicht alles versucht, um die Tiertransporte quer durch das gelobte Euroland zu geißeln! Die Mehrheiten hier lassen aber der Vernunft keine Chance. Immer weiter, immer tiefer, immer schneller in das nächste Desaster und Sie sitzen da und lachen frech.

(Unruhe)