Protocol of the Session on March 1, 2001

Änderungsantrag der Fraktion der PDS - Drs. 3/4305

Der Antrag der Fraktion der SPD wird durch den Abgeordneten Herrn Barth eingebracht. Bitte schön, Herr Barth.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was wir heute in der Agrarpolitik erleben, macht uns wohl alle sehr betroffen. Das Ziel einer auf Verbraucher- und Umweltschutz orientierten landwirtschaftlichen Produktion ist sicherlich auch in diesem Hause unstrittig, die Umsetzung allerdings ganz offensichtlich äußerst problematisch.

Die bisherigen Versuche der Europäischen Kommission, eine Marktentlastung auf dem Rindfleischsektor herbeizuführen und gleichzeitig zum Umsteuern in der Agrarförderung Geld freizuschaufeln, haben sich als wenig zielführend erwiesen. Die vorgeschlagene Einführung von Obergrenzen für Tierprämien sowie die Kürzung der Direktzahlungen in Abhängigkeit von den Betriebsgrößen mögen zwar hocheffiziente Mittel für die Geldbeschaffung und Marktentlastung sein, haben aber rein gar nichts mit einer verbraucher- und naturnahen Produktion zu tun. Nun wäre es allerdings auch eine Illusion, davon auszugehen, dass für die europäische Agrarpolitik in absehbarer Zeit mehr Geld zur Verfügung gestellt wird.

Die monatlichen Ausgaben der Bundesrepublik für den Agrarsektor inklusive des Finanzierungsanteils an der EU-Agrarpolitik belaufen sich etwa auf die Größenordnung des Preises von einem Kilogramm Supermarktroastbeef je Kopf der Bevölkerung. Für alle, die nicht jede Woche einkaufen gehen: Das sind ungefähr 25 DM. Die Einschätzung, ob das für eine bisher immerhin sichere und mit einer breiten Angebotspalette verbundene Ernährung zu viel ist, überlasse ich Ihnen selbst. Ich bitte Sie aber zu bedenken, dass der Anteil der Ausgaben für Lebensmittel in den letzten Jahrzehnten dramatisch gesunken ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann nicht ganz nachvollziehen, dass immer betont wird, dass der Verbraucher für hochwertige Lebensmittel eben einen höheren Preis bezahlen müsse. Für meine Begriffe sollte man die derzeit so oft zitierte Preissteigerung für Lebensmittel auf das Verbot der Verramschung begrenzen.

Natürlich bin ich dafür, dass die Landwirte für qualitativ hochwertige Produkte mehr Geld bekommen, nur habe ich die Befürchtung, dass bei einer Steigerung der Preise für Lebensmittel bei den Produzenten nicht viel ankommt. Marktwirtschaftliche Mechanismen lassen sich auch durch eine BSE-Krise nicht einfach außer Kraft setzen. Es mag vielleicht sein, dass der Verbraucher bereit ist, für Nahrungsmittel mit bestimmten Qualitätseigenschaften mehr zu bezahlen. Der Preis für den Produzenten wird sich jedoch nach Angebot und Nachfrage richten.

Damit will ich Ihnen Folgendes sagen: Nach meiner Auffassung werden von einer Preissteigerung für Lebensmittel in erster Linie der Handel und die Verarbeitungsindustrie profitieren. Aus diesem Grunde wäre es meiner Meinung nach viel sinnvoller, ein flächendeckend wirkendes verbraucher- und umweltschutzorientiertes Förderprogramm zu installieren.

Die Rahmenbedingungen für ein solches Programm sind durch die flankierenden Maßnahmen der Agenda 2000 gegeben. Nicht Obergrenzen und Degression in Abhängigkeit von der Betriebsgröße sind die entscheidenden Instrumentarien zur Umsteuerung in der Agrarpolitik, sondern die bereits bei der Verabschiedung der Agenda hervorgehobene, wenngleich nicht konsequent verfolgte Umstellung auf die Greenbox.

Langfristig - davon bin ich überzeugt - wird es vor dem Hintergrund der WTO-Verhandlungen gar keinen anderen Weg geben, als zukünftig die Honorierung bestimmter Umwelt- und Sozialstandards in den Vordergrund der Förderpolitik in der Landwirtschaft zu stellen.

Eine weitere Frage - damit bin ich bei Punkt 4 - betrifft den zukünftigen Verwaltungsaufwand für die Agrarförderung. Das bisherige System unterschiedlicher Flächenbeihilfen und Tierprämien hat zu einem überdimensionierten Verwaltungsaufwand geführt. Auch die dabei eingeführten Quoten wie der nationale Rindfleischplafond vermögen es zudem nicht, die angestrebte Marktentlastung umzusetzen. Vielmehr führen diese zum Einfrieren von Bestandsgrößen.

Aus diesem Grund halte ich es für unerlässlich, das Prämiensystem dahin gehend zu vereinfachen, dass zukünftig Tierprämien auf die Grobfutterfläche, also auf das Grünland umgelegt werden.

Hinsichtlich der allgemeinen Grünlandproblematik sei an dieser Stelle auf unseren Antrag vom Dezember des letzten Jahres verwiesen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte an dieser Stelle noch ein Stück weitergehen und ein paar Ideen dazu äußern, wie ich mir eine Umgestaltung der Agrarförderung vorstellen könnte. Für meine Begriffe sollte überlegt werden, ob es nicht sinnvoll wäre, die allgemeinen Direktzahlungen um 5 bis 10 %, eventuell auch um bis zu 15 % zu kürzen. Dieses Geld müsste allerdings auf der Ebene gekürzt und dann auch wieder eingesetzt werden, auf der die flankierenden Maßnahmen umzusetzen sind, in diesem Fall also auf Landesebene.

Nun liegt es auf der Hand, dass eine Kürzung und der damit verbundene Aufwand sowohl bei den Landwirten als auch in der Verwaltung nicht sonderlich beliebt sein dürften. Es muss also auch auf der anderen Seite einen Anreiz geben.

Dieser wäre meiner Meinung nach gegeben, wenn die gekürzten Mittel als nationale Kofinanzierungsmittel für entsprechende Agrar-Umwelt-Maßnahmen ausgegeben werden könnten. Zumindest in Ziel-1-Gebieten sehe ich dies als zwingende Notwendigkeit, denn sonst werden sich wohl nur reiche Länder diese Umsteuerung leisten können. Eine entsprechende Änderung der EU-Richtlinie sollte im Rahmen der Evaluierung der Agenda 2000 angestrebt werden.

Ich möchte als Nächstes kurz auf die unter Punkt 5 vorgenommene Ergänzung eingehen. Wie bereits aus dem Antrag hervorgeht, handelt es sich bei „Repro“ um eine Agrarsoftware zur Beurteilung der Nachhaltigkeit landwirtschaftlicher Betriebssysteme, welche mit beträchtlichen Mitteln des Landes gefördert wurde und heute im Rahmen von Pilotprojekten bereits bundesweit Anwendung findet.

Mit dem Modell Repro erreichen wir genau das, war wir wollen, nämlich eine gläserne Produktion, die uns darüber hinaus bei der Entscheidungsfindung in Bezug auf betriebliche Maßnahmen zur Seite steht. Es kommt nun also darauf an, die Einführung von Repro in der Praxis zu unterstützen. Hervorragende Instrumente hierfür sind zweifelsohne die Betriebsberatung und die Einführung in die Agrar- und Umweltverwaltung.

Wir sollten dieses Modell - das geht ebenfalls aus unserem Antrag hervor - als Grundlage für die geplante Einführung eines Gütesiegels für landwirtschaftliche Betriebe auf Bundesebene ins Gespräch bringen, denn die Entscheidung darüber, nach welchen Kriterien dieses Gütesiegel vergeben werden soll, wird nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Abschließend möchte ich auf die beiden Änderungsanträge von CDU und PDS eingehen. Die beiden Punkte des Änderungsantrages der CDU halte ich für sinnvolle Ergänzungen.

Um das dahinter stehende Anliegen jedoch noch stärker zu konkretisieren und nicht den Eindruck zu erwecken, der Landtag wolle sich den von Fischler vorgeschlagenen Maßnahmen zur Bekämpfung von BSE vollständig verschließen, beantrage ich, den zweiten Punkt wie folgt zu fassen:

„Der Landtag lehnt aus dem von Agrarkommissar Fischler vorgelegten Sieben-Punkte-Plan die Punkte ab, die ostdeutsche Landwirtschaftsbetriebe in besonderer Weise benachteiligen.“

(Herr Dr. Bergner, CDU: Das ist aber sehr allge- mein!)

Der erste Punkt des Änderungsantrages der PDS zielt in die gleiche Richtung; nur scheinen mir die beiden Punkte der CDU weiterzugehen. Da wir den ersten Punkt des PDS-Änderungsantrages nicht unbedingt wegstimmen wollen, es aber auch keinen Sinn macht, in einem Antrag zweimal das Gleiche zu beschließen, würden wir es begrüßen, wenn die PDS den ersten Punkt ihres Änderungsantrages zurückzöge.

Dem zweiten Punkt des PDS-Antrages werden wir zustimmen, da wir durchaus Verständnis dafür haben, dass es im parlamentarischen Raum noch Informationsbedarf zu Repro gibt. Da der Agrarausschuss ohnehin am 21. März an der landwirtschaftlichen Fakultät in Halle ist, sehen wir bei der von der PDS vorgeschlagenen Formulierung auch keinen allzu großen zeitlichen Verzug.

Mit der Bemerkung, dass die Mitglieder des Agrarausschusses von Repro begeistert sein werden,

(Herr Dr. Bergner, CDU, und Herr Gallert, PDS, lachen)

möchte ich meinen Beitrag schließen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Es ist eine Debatte mit fünf Minuten Redezeit je Fraktion vereinbart worden, und zwar in der Reihenfolge DVU-FL, CDU, FDVP, PDS und SPD. Herr Czaja als Abgeordneter der DVU-FL-Fraktion bittet darum, seine Rede zu Protokoll geben zu dürfen. Erhebt sich dagegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir so. Die Rede ist zu Protokoll gegeben worden.

(Zu Protokoll:)

Um nach der BSE-Krise das Vertrauen der Konsumenten in deutsche Produkte wiederzugewinnen, setzt die grüne Ministerin Künast auf „Klasse statt Masse“. Die Bundesregierung strebe an, den Anteil des ökologischen Landbaus von 2,5 % auf 20 % in zehn Jahren zu er- höhen.

Dazu soll das Prämiensystem für Rinder statt an Produktionszahlen an die Fläche gekoppelt werden. Die Produktion von Ackerfutterpflanzen soll damit bessergestellt werden und zudem eine Grünlandprämie eingeführt werden. Für den Verbraucher, aber auch im ethischen Umgang mit unseren Tieren wäre ein solches Idealbild wünschenswert.

Eine eklatante Mitschuld an der jetzigen BSE-Krise muss auch der deutschen Bundesregierung angelastet werden. Fehlende staatliche Kontrollmechanismen, von der Aufzucht des Tieres bis hin an die Fleischtheke, rächen sich jetzt unbarmherzig an den Menschen und Tieren.

Die Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände Frau Müller sagte in einem Zeitungsinterview ganz eindeutig: „Die BSE-Krise ist wie eine Zeitbombe, die seit langem tickt und nun hochgeht.“

Mit anderen Worten: Der Sprengsatz, hervorgerufen durch eine jahrzehntelange verfehlte Agrarpolitik und Agrarproduktion ist jetzt hochgegangen. Die BSE-Krise in Deutschland hat damit deutlich gezeigt, dass das Vertrauen der Verbraucher an den bestehenden Säulen der hiesigen Agrarpolitik zerbrochen ist. Der Verbraucher verlangt mit Recht eine transparentere Agrarpolitik, zum Schutz vor schweren Krankheiten einerseits und einen radikalen Kurswechsel bei der Massentierhaltung andererseits.

So begrüßen auch wir die Initiativen zur Schaffung einer flächendeckenden Gendatenbank für Rinder in SachsenAnhalt und in ganz Deutschland, mit der ein zweifelsfreier Nachweis über die Herkunft der Tiere jederzeit möglich sein sollte.

Jedoch sollten wir es nicht allein bei kosmetischen Veränderungen belassen. So hat auch der Naturschutzbund Nabu folgerichtig die Landwirte aufgerufen, an der bevorstehenden Umgestaltung der Landwirtschaft mitzuwirken. Natürlich sollen und müssen aus Tierschutz

gründen bestimmte Kriterien, wie beispielsweise eine bestimmte Flächengröße pro Rind, eingehalten werden. Das wollen auch wir so.

Nun möchte aber der EU-Agrarkommissar Fischler zur Verringerung des Rinderbestandes in der EU die Rinderprämien vor allem für Großbetriebe kürzen. Nach seinem Willen sollen künftig nur noch Betriebe mit höchstens 90 Rindern Zuschüsse erhalten. Diese EU-Pläne gefährden aber besonders die Bauern in Mitteldeutschland; denn viele der Rinder züchtenden Betriebe im Land könnten dann nicht überleben. Das wiederum führt unweigerlich zu einem weiteren Verlust von Arbeitsplätzen.

Nach Aussagen von Agrarminister Keller halten allein in Sachsen-Anhalt 850 von etwa 2 000 Rinderzuchtbetrieben mehr als 90 Rinder im Bestand. Zum Vergleich: In den alten Bundesländern hat ein Milchviehbetrieb im Durchschnitt 31 Tiere, in den neuen Ländern beträgt der Durchschnitt über 100 Tiere.

Sollten Fischlers Vorstellungen Wirklichkeit werden, so wären unsere Landwirte in Mitteldeutschland am härtesten betroffen. Zudem belegen die bisherigen BSE-Fälle in Deutschland sehr deutlich, dass BSE in keinem Zusammenhang zur Betriebsgröße steht.

Noch ein paar Worte zum erneuten Ausbruch der Maul- und Klauenseuche. Als besonders dramatisch bezeichnete Bauernpräsident Gerd Sonnleitner die Entwicklung in der deutschen Landwirtschaft. „Die durch Rinderwahn und Maul- und Klauenseuche entstandene Krise stellt zwar noch keinen Todesstoß für die Landwirtschaft dar, doch muss die Bundesregierung nun handeln, anstatt weiter abzuwarten“, so Sonnleitner.

Die Verseuchung von Nachbarregionen Europas, wie beispielsweise von Teilen der Türkei, des Iran und Nordafrikas haben ständig zugenommen. Will man in Zukunft Tierseuchen eindämmen, muss die EU nicht nur das Risikomaterial aus diesen Ländern aus dem Verkehr ziehen, sondern darauf bedacht sein, die regionale Vermarktung stärker als bisher zu fördern. Die Betonung liegt auf „regionale Vermarktung“.

Daraus kausal ergibt sich: Ob sich unsere Landwirtschaft als ein Problem für Umwelt, Natur und Verbraucher darstellt, definiert sich nicht über die Betriebsgröße, sondern über die jeweilige individuelle Arbeitweise der einzelnen Bauern. Und genau hier muss im Interesse der Landwirte, der Verbraucher und der Tiere eine akzeptable Lösung gefunden werden. Gegenseitige Schuldzuweisungen bringen uns hier nicht weiter.

Für die CDU-Fraktion spricht nunmehr die Abgeordnete Frau Wernicke.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die BSE-Krise hat in unserem Land eine umfassende Diskussion über Landwirtschaft und über Agrarpolitik ausgelöst. Ich denke, wir sind uns alle einig, dass es nach den Versäumnissen in der Vergangenheit in allen Bereichen zu einer Öffnung und zu einem Umdenken in der Landwirtschaft, nicht zuletzt verursacht durch die Zweifel und die Reaktionen der Verbraucher, kommen muss.

Die nun notwendige Reform der Agrarpolitik darf sich aber auf keinen Fall allein an populistischen Parolen

ausrichten, sondern muss sich den grundlegenden Herausforderungen der nachhaltigen Entwicklung von Landwirtschaft und ländlichem Raum stellen.

Der Antrag der SPD-Fraktion ist dabei mit seinen Punkten ein Schritt in die richtige Richtung. Ergänzt durch die vorliegenden Änderungsanträge ist er eine politische Positionsbestimmung des Landtages im Interesse des Verbrauchers, des ländlichen Raumes und letztendlich der Landwirtschaft.

Obwohl die eingeleiteten Maßnahmen, wie zum Beispiel die Einrichtung einer Gendatenbank, richtig und ein Schritt hin zu mehr Verbrauchersicherheit sind, braucht man aus unserer Sicht dazu keine Aufforderung oder Bestätigung durch den Landtag. Ebenso wenig bedarf es einer Aufforderung durch das Parlament, eine europaweite Einführung anzustreben und dazu erforderliche Anstrengungen durch die Landesregierung zu unternehmen.