Protocol of the Session on March 1, 2001

Ich halte es für verfehlt, wenn eine Einrichtung diese demokratische Erziehung außen vor lässt. Das ist nach meiner Einschätzung auch ein Verstoß gegen die Kinderrechte-Konvention der Vereinten Nationen.

(Zuruf von Frau Wernicke, CDU)

Was die Organisation von Kinderbetreuung im Hort sowie die damit verbundene Organisation der Transporte der Kinder anbelangt, so ist das in der Tat ein Problem, das vor Ort gelöst werden muss. Wir sind sehr gern bereit, den Kommunen hilfreich zur Seite zu stehen, bei Beratungen dabei zu sein. Aber, Frau Wernicke, ich halte doch die Kommunen für pfiffig genug, dass sie in der Lage sind,

(Zustimmung von Frau Krause, PDS, und von Frau Theil, PDS)

für dieses Problem, das ja kein neues ist und das sie in den vergangenen Jahren stets geregelt haben, auch bei der veränderten Gesetzeslage eine Regelung zu finden, die dieser Herausforderung genügt.

(Zurufe von der CDU - Herr Wolf, FDVP: Das ist doch keine Antwort!)

Es ist ein Organisationsproblem, das vor Ort zu lösen ist. Ich traue den Kommunen und den Eltern zu, dass sie die adäquaten Antworten darauf finden werden.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU - Un- ruhe)

Danke sehr. - Für die Fraktion der CDU erteile ich der Abgeordneten Frau Feußner das Wort. Bitte, Frau Feußner.

(Anhaltende Unruhe)

- Lassen Sie bitte wieder etwas Ruhe einkehren.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die vorliegende Große Anfrage zur Kinderbetreuung stellt weder die die Bevölkerung bewegenden Fragen, noch werden die Antworten gegeben, aus denen man schlüssige Argumente für den weiteren Umgang ziehen könnte.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Büchner, DVU-FL)

Die Probleme bei der Kinderbetreuung im Land werden nicht offen angesprochen, sondern es wird der Eindruck erweckt, dass bei der Kinderbetreuung alles in bester Ordnung sei.

In der Vergangenheit gab es aber genügend Anlässe, den Umgang der regierungstragenden Fraktionen mit dem Problem der Kinderbetreuung zu kritisieren. Einen Beweis dafür, dass es bei der Kinderbetreuung nicht zum Besten bestellt ist, liefert die Volksinitiative mit den von ihr bereits einmal gesammelten ca. 300 000 Unterschriften. Die letzte Novelle zum Kinderbetreuungsgesetz wird von einem Großteil der Bevölkerung also nicht hingenommen.

Anstatt sich mit berechtigter Kritik auseinander zu setzen, ihr Gehör zu schenken und nach Lösungen und Kompromissen zu suchen, wird die Meinung vieler Bürger ignoriert und zum Teil diffamiert. Welche Wertschätzung dem Engagement von Bürgern entgegengebracht wird, zeigt auch der Umgang mit dem unter Punkt 4 der Tagesordnung zu behandelnden Thema der Grundschule mit festen Öffnungszeiten.

Aus der Volksinitiative ist nun ein Volksbegehren geworden. Das Ergebnis des Volksbegehrens erwarten wir in naher Zukunft. Die Landesregierung hat ganz im Sinne

einer Hinhaltetaktik auf Zeit gespielt und auf den Ermüdungseffekt gesetzt.

Egal wie das Ergebnis der Unterschriftenaktionen ausgeht - die Landesregierung hat keine Veranlassung, mit dem geltenden Kinderbetreuungsgesetz zufrieden zu sein. Schon jetzt ist klar, dass die Volksinitiative nicht ohne Wirkung ist und bleiben wird.

Vor dem Hintergrund, dass die Frist für das Volksbegehren ausläuft, hat die PDS in den Haushaltsberatungen noch flugs beantragt, den Etat um 18 Millionen DM zu erhöhen. Das geschah nur zu dem Zweck, das Bild des scheinbaren Wohltäters aufrechtzuerhalten. Dabei hat die PDS das Kinderbetreuungsgesetz und die darin enthaltenen Kürzungen der Pauschalen maßgeblich mitgetragen und mitzuverantworten.

(Zustimmung bei der CDU - Herr Weich, FDVP: Richtig! - Zuruf von Frau Bull, PDS)

Der Öffentlichkeit aber wird suggeriert, man habe die Pauschalen angehoben. Geflissentlich verschwiegen wird aber, dass zuvor beträchtlich gekürzt wurde; denn im Jahre 2001 ist die Landespauschale trotz der so genannten Anhebung für die Krippenkinder um 10 DM und für die Kindergartenkinder um 6 DM niedriger ausgefallen als im Jahre 2000. Dies ist objektiv immer noch eine Kürzung und keine Anhebung.

Allein diese Kürzungen werden im Jahre 2001 voraussichtlich mindestens 10 Millionen DM ausmachen, die das Land auf Kosten der Eltern und der Betroffenen spart.

Das Land spart aber auch an anderer Stelle. In der Großen Anfrage werden die Investitionszuschüsse nur statistisch abgehandelt. Es wird nicht mitgeteilt bzw. es wird verschwiegen, warum der tatsächliche Mittelabfluss so gering ist. Zum Beispiel betrug der Haushaltsansatz 1999 für Zuweisungen an die Gemeinden für Investitionen in Kitas insgesamt 8 Millionen DM; abgeflossen sind nur 1,7 Millionen DM. Im Jahre 2000 betrug der Haushaltsansatz 20 Millionen DM; abgeflossen sind nur 7,4 Millionen DM. Nach der Abflussliste einschließlich Dezember 2000 wurden 14 Millionen DM eingespart.

Ein Investitionsbedarf kann doch nicht ernsthaft bestritten werden.

(Herr Bischoff, SPD: Den bestreitet doch keiner!)

Es gibt also bei der praktischen Umsetzung des Kinderbetreuungsgesetzes offensichtlich noch größere Probleme, als die Landesregierung bereit ist zuzugeben.

(Zustimmung bei der CDU)

Die Landkreise und auch die Gemeinden, deren Mittel immer knapper werden, schaffen es nicht mehr, die entsprechenden Mittel kozufinanzieren. Da sie sich dann nicht beteiligen können, ist die Maßnahme schon von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Ein verlässlicher Landesanteil für die Träger war im Gesetz auch nicht mehr vorgesehen.

Die in den Landeshaushalt für Investitionen eingestellten Mittel werden daher aller Voraussicht nach nicht abgerufen werden, obwohl - das geht aus der Antwort auf die Große Anfrage hervor - Anträge für die Gewährung von Mitteln in Höhe von 42,5 Millionen DM vorliegen.

(Herr Bischoff, SPD: Der Bedarf ist doch da! Da widersprechen Sie sich doch!)

Völlig offen ist - darauf geht die Antwort auf die Große Anfrage auch nicht ein -, wie hoch der konkrete Bedarf an Investitionen tatsächlich ist. Er dürfte noch wesentlich höher sein.

Hinsichtlich der Größe der Kindereinrichtungen ist eine Entwicklung weg von der Klein- und Kleinsteinrichtung hin zu Großeinrichtungen mit mehr als 120 Kindern festzustellen.

(Herr Bischoff, SPD: Wo steht das?)

- Das geht aus der Antwort auf die Frage 10 hervor.

(Herr Bischoff, SPD, lacht)

Ursachen und Folgen dieser Entwicklung werden nicht benannt. Aus der der Antwort auf die Große Anfrage beigefügten Übersicht geht hervor, dass im Jahre 1999 von insgesamt 1 222 Einrichtungen nur noch 261 Einrichtungen über weniger als 24 Plätze verfügten.

Kleinsteinrichtungen sind aber gerade in ländlich strukturierten Gebieten notwendig. Kurze Beine, kurze Wege! Man kann den Allerkleinsten in unserer Gesellschaft doch nicht ernsthaft zumuten, als „Berufspendler“ lange Wegstrecken und Fahrzeiten zurückzulegen. Kommunen und freie Träger sind jedoch finanziell damit überfordert, eine ausreichende Finanzierung und eine ausreichende Personalversorgung für Kleinsteinrichtungen zu gewährleisten.

Die Antwort auf die Große Anfrage enthält also nur Statistiken, die informativ sind; aber für die Auswirkungen des Kinderbetreuungsgesetzes und die daraus resultierenden Schlussfolgerungen - nur das sollte uns interessieren - bietet sie wenig interessante und diskussionswürdige Ansatzpunkte. An den eigentlichen Problemen der Kinderbetreuung im Land geht die Große Anfrage vorbei.

Eigentlich müssten wir die Frage stellen, warum wir uns überhaupt mit diesem Thema beschäftigen, wenn sowohl die Fragen als auch die Antworten keinerlei Grundlagen für eine kritische Auseinandersetzung bieten. Mit Sicherheit war das auch nicht gewollt.

Es ist sicherlich interessant, welche Modellprojekte im Land laufen und wie sie umgesetzt werden.

Kommen Sie bitte zum Ende, Frau Feußner.

Jawohl. - Wir sind zwar nicht die fragestellende Fraktion, aber es verwundert uns schon, dass die wesentlichen Knackpunkte außen vor bleiben. Die Elternbeiträge habe ich bereits angesprochen. Es fehlen zum Beispiel Aussagen zum Personalschlüssel, zu Versorgungs- und Finanzierungsproblemen, zu Problemen der Leitungstätigkeit, zu Investitionsmöglichkeiten, zur durchschnittlichen Arbeitszeit des Personals und auch zu der tatsächlichen Anzahl der Entlassungen.

Frau Feußner, kommen Sie bitte zum Ende. Sie haben bereits um eine Minute überzogen.

Ja. - Ich möchte gern noch einen Schlusssatz sagen. Zusammenfassend kann man nur feststellen, dass die

Anfrage nicht gestellt wurde, um Defizite im Land aufzuzeigen und daraus Konsequenzen zu ziehen. Wir haben vielmehr Lobesgesänge gehört, was den Vollzug des Kinderbetreuungsgesetzes anbelangt. Das kann aber nicht alles sein; denn es geht schließlich um die Kinder in unserem Land. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Büchner, DVU-FL - Herr Sachse, SPD: Mit dem Satz kann man alles erschlagen!)

Frau Abgeordnete, es war eine Redezeit von sechs Minuten vereinbart worden, nicht von 7:15 Minuten. - Für die DVU-FL spricht die Abgeordnete Frau Brandt. Bitte, Frau Brandt.

Herr Präsident! Werte Herren und Damen! Am 17. Ju- ni 1999 stimmte die Fraktion der PDS im hiesigen Landtag dem neuen Kinderbetreuungsgesetz zu. Damit wurden empfindliche Kürzungen bei den Mitteln für Kindergärten, Krippen und Hortplätze eingeläutet. Gleichzeitig wurde dabei der Abbau mehrerer Tausend Erzieherstellen betrieben.

Gut zwei Jahre später muss konstatiert werden: Mit dem Kinderbetreuungsgesetz will sich die Landesregierung auf Kosten der Kinder und deren Eltern gesundschrumpfen.

Mindestens 3 600 Entlassungen sind in diesem Bereich vorprogrammiert. Weiterhin sollen die Kommunen geringere Zuschüsse vom Land erhalten. Die verbleibenden Erzieher müssen dann künftig mehr Kinder als bisher betreuen. Alles in allem sind mit diesem Kinderbetreuungsgesetz die Bedingungen für unsere Kinder in Sachsen-Anhalt schlechter geworden.