Allein über die Überschrift „Mittelstand in Sachsen-Anhalt - zwischen Anspruch und Perspektivlosigkeit“ kann man lange philosophieren. Ich will in Anbetracht der knappen Zeit versuchen, es wirklich kurz zu machen.
Der Mittelstand deckt eine sehr breite Palette vom Automobilzulieferer über den Fußpfleger ab. Sie können, wenn Sie wollen, auch medizinische Bereiche und den Bäcker an der Ecke hinzuzählen. Daran wird schon deutlich, dass wir in Bezug auf die Rahmenbedingungen sehr unterschiedliche Dinge zu berücksichtigen haben, manchmal sogar gegenläufige Interessen. Leider ist sich auch die Wirtschaft über ihre Ziele und Wünsche nicht immer völlig einig. Gerade der Mittelstand ist ein Beispiel dafür, wie komplex die Abarbeitung der Probleme aufgrund der Vielfalt ist.
Die Bedeutung des Mittelstands ist uns allen klar. 74 % der Beschäftigten in der gewerblichen Wirtschaft arbeiten in mittelständischen Betrieben. Neun von zehn betrieblichen Ausbildungsplätzen werden von kleinen und mittleren Unternehmen zur Verfügung gestellt. Deshalb können Sie davon ausgehen, dass das Augenmerk der Landesregierung in Bezug auf die Wirtschaftspolitik sehr stark auf den Mittelstand fokussiert ist.
Aus diesem Grund haben wir die Mittelstandsinitiative ins Leben gerufen und bereits weitgehend umgesetzt. Ein wichtiger Bestandteil ist die Initiative „ego“. Wir haben bei der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur erhöhte Fördersätze für die kleinen und mittleren Unternehmen. Wir haben unsere Bestrebungen und unsere finanziellen Bemühungen im Bereich der Forschung und Entwicklung maßgeblich erweitert. Wir unterstützen die Unternehmen bei ihren Außenwirtschaftsbemühungen usw.
Wenn Sie jetzt Stichworte nennen wie Zahlungsmoral, dann muss ich Ihnen sagen: Erstens hat es diesbezüglich im letzten Jahr eine Verbesserung gegeben, zweitens gibt es einen ständigen engen Kontakt zwischen den Kammern, den Verbänden, den Unternehmen und dem Ministerium der Justiz, um weitere Möglichkeiten für eine Verbesserung der Zahlungsmoral auszuloten. Der Begriff der Moral zielt jedoch auch auf ein entsprechendes Verhalten der Menschen ab.
Die Förderung von Ausbildungsplätzen, die Deregulierung - das sind Themen, an denen wir im Rahmen des Bündnisses für Arbeit und darüber hinaus mit den Kammern, den Verbänden und den Unternehmen arbeiten. Wir haben sicherlich noch nicht alle Ziele erreicht. Aber vieles konnte bereits verbessert werden. Wir sind auf einem guten Weg.
Nehmen Sie zur Kenntnis, dass Sie uns nicht darauf aufmerksam machen müssen, dass es noch das eine oder andere Problem gibt. Wenn Sie von Perspektivlosigkeit sprechen, zeigt das, wie Sie - zum Glück erfolglos - das Land und die Unternehmerschaft in SachsenAnhalt schlechtreden.
Ich habe hier die Statistik verschiedener Branchen über die ersten drei Quartale bis September 2000. Die Ergebnisse für das vierte Quartal 2000 liegen noch nicht vor.
Die Industrie - das sind überwiegend kleine und mittlere Unternehmen - hat ihren Umsatz um 22,4 % erhöht. Die Zahl der Beschäftigten ist um 1 % gestiegen. Das Ernährungsgewerbe hatte Wachstumsraten von 8,9 % zu verzeichnen und einen Beschäftigungszuwachs von 4,4 %. Die chemische Industrie hatte einen Umsatzzuwachs von 32 % zu verzeichnen. Der Auslandsumsatz wuchs um 23 %. Auch das sind überwiegend kleine und mittlere Unternehmen. Diese Zahlen sprechen für sich.
Der Bereich der Metallerzeugung und -bearbeitung sowie der Herstellung von Metallerzeugnissen konnte einen Umsatzzuwachs von 13,5 % sowie einen Beschäftigungszuwachs von 1,4 % erreichen. Ich könnte diese Aufzählung fortsetzen.
Das sind die Erfolge der Unternehmen. Das Unternehmertum hat eine positive Entwicklung geschafft. Man kann demnach davon ausgehen, dass das Wort „Perspektivlosigkeit“ schlicht falsch und unangebracht ist, auch wenn wir in anderen Bereichen, wie der Bau
Lassen Sie uns besser darüber reden, wie wir mit diesen Wachstumspotenzialen in Zukunft noch mehr Wachstum und Beschäftigung erreichen können. - Vielen Dank.
Herr Minister Gabriel, die Abgeordnete Frau Wiechmann möchte eine Frage stellen. - Bitte, Frau Wiechmann, stellen Sie Ihre Frage.
Herr Minister, ich habe jetzt die Erfolgsmeldungen gehört. Es war wirklich interessant. Ist Ihnen der offene Brief der Kreishandwerkerschaft Bitterfeld und der Innungen bekannt? Er ist eigentlich an die Landesregierung adressiert und müsste auf Ihrem Tisch angekommen sein. In diesem Brief werden genau die Probleme dargestellt, die Herr Wolf in seinem Beitrag benannt hat. Können Sie mir bestätigen, dass der Brief angekommen ist? Oder kennen Sie ihn nicht?
Zunächst einmal ist der Umgang mit offenen Briefen eine Sache für sich. Ich möchte das Verfahren und die Sinnhaftigkeit offener Briefe jetzt nicht erörtern. Die Inhalte, die Sie aufgezählt haben und die in dem offenen Brief vorkommen, werden auch in anderen offenen und geschlossenen Briefen erwähnt.
Ich nehme diese Briefe immer ernst. Davon können Sie ausgehen. Aber manchmal wundere ich mich etwa darüber, dass in solchen Schreiben gebetsmühlenartig Punkte aufgeführt werden, die teilweise schon abgearbeitet bzw. erkennbar in Bearbeitung sind, sodass man die Öffentlichkeit dafür nicht gesondert bemühen muss. In den Bereichen, in denen bestimmte Probleme noch nicht gelöst sind, werden wir die Schwierigkeiten an- gehen.
Herr Minister, bezüglich des offenen Briefes der Kreishandwerkerschaft Bitterfeld möchte ich Sie fragen, ob Sie anlässlich Ihres kurz darauf folgenden Besuches im Landkreis Bitterfeld - Sie waren im Buchdorf Friedersdorf - die Möglichkeit genutzt haben, um mit der Kreishandwerkerschaft ins Gespräch zu kommen.
Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Auf der Tribüne hat ein Wechsel stattgefunden. Ihnen schauen und
hören jetzt Schülerinnen und Schüler des Fürst-FranzGymnasiums Dessau zu, die wir herzlich begrüßen.
(Beifall im ganzen Hause - Minister Herr Gabriel: Ich war damals im Übrigen auf dem Weg zum CDU-Wirtschaftsrat! - Zuruf von Herrn Schulze, CDU)
Für die PDS-Fraktion spricht jetzt der Abgeordnete Herr Dr. Süß. Bitte, Herr Dr. Süß, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die beste Mittelstandspolitik ist eine gute Wirtschaftspolitik. Dies kann in einem Fünfminutenbeitrag nur ansatzweise erörtert werden. Darum will ich mich auf einige grundsätzliche Überlegungen konzentrieren.
Auf einem Symposium des Bundesverbands deutscher Banken im Mai vergangenen Jahres wurde festgestellt, dass es mit der Globalisierung der Wirtschaft einen Trend zu größeren Unternehmenseinheiten gibt. Globale Unternehmen produzieren, forschen und verkaufen weltweit. Das Internet verschärft den Wettbewerb. Kleine und mittlere Unternehmen sind herausgefordert, sich inmitten dieses Wandels erfolgreich zu behaupten.
Den Klein- und Mittelstandsunternehmen im Osten Deutschlands ist zusätzlich die Last aufgegeben, ohne große Rücklagen und ohne langfristige Einbindung in internationale Geschäfte dennoch zu bestehen. Auch dies macht deutlich, dass die im Rahmen des generellen Strukturwandels anstehenden Aufgaben einer langfristig angelegten Strategie in der Wirtschaftspolitik bedürfen. Das fordern wir prinzipiell.
Der Mittelstand ist nach einer Studie des deutschen Bankenverbands kein homogener Block mehr. So genannte Start-ups stellen andere Anforderungen als Traditionsunternehmen. Dem müssen eine begleitende Mittelstandspolitik und die Banken wirksamer Rechnung tragen.
Kürzlich gab eine Anhörung im Wirtschaftsausschuss zur Novellierung des Mittelstandsförderungsgesetzes - eine Initiative der CDU - einen Überblick über die Auffassungen von Vertretern des Mittelstandes, von Kammern und Verbänden zur Mittelstandpolitik im Land und zu Veränderungsvorschlägen. Insgesamt gibt es eine differenzierte, aber positive Meinung zur Novellierung des Mittelstandsfördergesetzes, zur Mittelstandsinitiative 2000 und zur Existenzgründeroffensive des Landes.
Aus unserer Sicht ist Folgendes weiter hervorzuheben und zu unterstützen: Es wurde die berechtigte Forderung nach einem ganzheitlichen Mittelstandskonzept erhoben, das heißt nicht nur Förderpolitik im Sinne von finanzieller Unterstützung. Die vorgesehene Abschätzung von Folgen gesetzlicher Regelungen auf den Mittelstand dient zum Beispiel diesem Ziel.
Weitere Stichworte in diesem Zusammenhang sind die Vergabe öffentlicher Aufträge, die Bekämpfung der Zahlungsunmoral, die Entschlackung der Förderpraxis von bürokratischen Hürden. Das alles ist nicht neu. Aber trotz aller Reden wurden diese Probleme nicht im Sinne und zur Zufriedenheit des Mittelstands gelöst.
Der Mittelstandsbericht der Landesregierung wurde von allen Vertretern als ein hilfreiches Instrument zur Bewertung und Beurteilung der Mittelstandspolitik und als eine gute Grundlage für die Formulierung neuer Ziele eingeschätzt.
In einer Schwerpunktsetzung werden Möglichkeiten für eine wirksamere Politik gesehen. Dazu gehören zum Beispiel Ansätze der Landespolitik im Kampf gegen die schlechte Zahlungsmoral und gegen die Schwarzarbeit, Ansätze zur Stärkung von Außenwirtschaftsaktivitäten usw. Zugleich wird erwartet, dass inhaltlich mehr passiert und erkannte Probleme zügiger einer Lösung zugeführt werden.
Wir teilen und unterstützen diese Auffassung. Zum Beispiel bieten die Belebung von Kontakten zu Kuba und zu den mittel- und osteuropäischen Staaten sowie die Förderung von Firmenpools Klein- und Mittelstandsunternehmen reale Chancen, überregional aktiv zu werden. Wir sollten diese Entwicklung in keiner Weise unterschätzen, sondern sie mit allen Mitteln und Kräften unterstützen.
Der Mittelstandsbericht 2000 enthält gute Ansätze und eine Fülle von analytischen Fakten. Die Zahlen der Beschäftigten sind bereits genannt worden. Das zeigt den entscheidenden Beitrag, den die kleinen und mittelständischen Unternehmen zur Beschäftigung im Lande leisten.
Andererseits hat sich die Kleinteiligkeit weiter ausgeprägt. Nahezu 20 % der abhängig Beschäftigten aller Wirtschaftsbereiche arbeiten in Betriebsstätten mit weniger als zehn Beschäftigten. Dies und auch die Verflechtung der kleinen und Mittelstandsunternehmen untereinander sowie mit industriellen Kernen muss tiefer ausgelotet werden. Auch an dieser Stelle sehen wir weitere Möglichkeiten für die Landespolitik, die kleinen und mittelständischen Unternehmen zu unterstützen.
Es ist so: Die beste Mittelstandspolitik ist eine gute Wirtschaftspolitik. Ich verweise auf die Leitlinien zur Wirtschaftspolitik der PDS in Sachsen-Anhalt. Dies gilt insbesondere für diejenigen, denen es ernsthaft um ein konstruktives Ringen um die besten Lösungen geht. Wir waren und sind dazu jederzeit bereit. - Vielen Dank.
Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Da die Fraktionen der DVU-FL und der SPD auf einen Beitrag verzichten, wird die Debatte mit dem Beitrag von Herrn Gürth für die CDU-Fraktion abgeschlossen. Bitte, Herr Gürth.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe hier eine ganze Liste von Zahlen. Wir haben uns gefragt, ob wir in der Aktuellen Debatte zur Lage des Mittelstandes sprechen sollten; denn die Zahlen, die uns heute, im Januar 2001, vorliegen, sagen alle dasselbe aus: Wir sind bei vielen volkswirtschaftlichen Kennziffern Schlusslicht oder auf hinteren Plätzen. Das ist leider nicht nur aktuell so; das haben wir nicht nur seit Monaten, sondern mittlerweile seit Jahren zu verzeichnen. Insofern ist es eigentlich kein aktueller Anlass, aber ein trauriger Anlass, um über den Mittelstand und dessen Position in Sachsen-Anhalt zu sprechen.
Das Herunterbeten der wirtschaftlich negativen Kennziffern, die wir zu verzeichnen haben, ändert auch nichts. Wir haben dies seit Jahren getan, und es hat sich nichts geändert. Warum sollte es sich denn lohnen, darüber zu sprechen, dass wir die niedrigste Exportquote, die höchste Arbeitslosenquote, das geringste
Wirtschaftswachstum oder andere negative Kennziffern aufzuweisen haben? Das bringt uns nicht weiter.
Da der Minister einige Initiativen angesprochen hat, möchte ich etwas zu den Rahmenbedingungen, die angesprochen wurden, sagen. Wenn wir etwas für die kleinen und mittleren Unternehmen in diesem Land, die die Steuern zahlen, die ausbilden und die das Rückgrat unserer Wirtschaft sind, tun wollen, wenn wir bewirken wollen, dass sie eine bessere Chance im Wettbewerb mit ihrer Konkurrenz außerhalb unseres Landes haben, dann müssen wir alle zusammenrücken und etwas dafür tun, dass sich die Rahmenbedingungen ändern.
Diesbezüglich besteht eine Verpflichtung des Landes, die der Gesetzgeber, der Landtag von Sachsen-Anhalt, insbesondere auch außerhalb des eigenen Wirkungskreises wahrzunehmen hat, und zwar im Hinblick auf Entscheidungen beim Bund. Hierbei möchte ich den Ministerpräsidenten ansprechen, der die Interessen unseres Landes, die Interessen unseres Mittelstandes und insbesondere die Interessen der Arbeitsuchenden beim Bund vertritt.
Wir können feststellen, dass wir die niedrigste Selbständigenquote aller deutschen Bundesländer haben. Hätten wir eine Selbständigenquote wie Sachsen - ich rede noch nicht einmal von Bayern -, dann hätten wir zwischen 60 000 und 80 000 zusätzliche sozialversicherungspflichtige Jobs in Sachsen-Anhalt. Das heißt, wir haben eine Unternehmerlücke in diesem Land.
Nun startet dieses Land die Initiative „ego“, um zu Existenzgründungen zu ermutigen. Gegen diese Initiative ist nichts zu sagen, aber diese Initiative wird keinen Erfolg haben, wenn die Landesregierung dieser Initiative gleichzeitig die Macht nimmt, wirklich Erfolg zu haben, wenn wir auf Bundesebene alles tun, damit sich der Schritt in die Selbständigkeit nicht mehr lohnt.
Wir können doch nicht eine Existenzgründerinitiative starten und gleichzeitig einer Reihe von gesetzlichen Maßnahmen im Bund zustimmen, die das Leben für einen Selbständigen schwerer machen. Ich nenne hier nur einmal das Stichwort Scheinselbständigkeit. Das war ein Schlag ins Kontor, eine klare Fehlentscheidung.