Protocol of the Session on December 15, 2000

Sie hebt die Bedeutung gesamtgesellschaftlicher Prävention hervor.

(Zuruf von Herrn Kannegießer, DVU-FL)

Bundesweite Präventionsgremien, zu denen auch unser Land im Rahmen der IMK seinen Beitrag leistet, gewährleisten die nötige Professionalität von zielgerichteten Präventionsmaßnahmen.

Hervorzuheben ist ein Präventionspreis, der bundesweit ausgelobt werden soll. Es wäre ein erfreuliches Signal, wenn es hierfür aus Sachsen-Anhalt viele und wenn möglich auch erfolgreiche Teilnehmer geben würde. Dies wäre auch ein deutlicher Beleg für das im vorliegenden Antrag erwähnte bürgerschaftliche Engagement gegen Rechts. Ich darf an dieser Stelle an Sie alle appellieren, bei entsprechenden Initiativen in Vereinen, Schulen und anderswo bereits jetzt Interesse an diesem Preis zu wecken.

Meine Damen und Herren! Bereits die genannten Erläuterungen zum aktuellen IMK-Beschluss haben deutlich gemacht, dass die präventive wie repressive Bekämpfung des Rechtsextremismus durch Polizei und Verfassungsschutz seit Jahren praktiziert wird. Ich habe die wichtigsten Maßnahmen bereits bei anderer Gelegenheit vorgestellt, etwa die Einrichtung der Ermittlungs- und Koordinierungsgruppe gegen Rechts und des MEK Staatsschutz im LKA

(Herr Weich, FDVP: Demokraten! - Herr Wolf, FDVP: Machen Sie einmal ein Drogeneinsatz- kommando! Das wäre viel wichtiger! - Weiterer Zuruf von Herrn Weich, FDVP - Gegenruf von Herrn Oleikiewitz, SPD)

oder die sukzessive personelle Verstärkung der Fachkommissariate in den Polizeidirektionen und Polizeirevieren des Landes. Auch die kontinuierliche Steigerung der polizeilichen Präsenz an bekannten Schwerpunkten war und ist ein Mittel, um den Erscheinungsformen des Rechtsextremismus auch dort zu begegnen, wo sie nicht unbedingt strafbar, aber doch störend und bedrohlich sind.

Gerade Letzteres wird immer wieder auch aus Ihren Reihen als Bitte an mich herangetragen. Die Erhöhung der polizeilichen Präsenz ist natürlich außerordentlich personalintensiv und findet deshalb ihre Grenzen bei dem vorhandenen Personal. Ich bin diesbezüglich im Übrigen gerade im Gespräch mit Bundesinnenminister Schily, um durch eine engere Zusammenarbeit mit dem Bundesgrenzschutz zu einem Mehr an polizeilicher Präsenz insbesondere in öffentlichen Verkehrsmitteln und auf Bahnhöfen zu kommen.

Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang haben sich auch die mit der SOG-Änderung geschaffenen Befugnisse bereits bewährt. Dies gilt insbesondere für den erweiterten Platzverweis, dessen Anwendung bei verschiedenen Anlässen Schlimmeres verhütet hat.

Die Liste polizeilicher Maßnahmen gegen Rechtsextremismus in Sachsen-Anhalt ließe sich weiter fortsetzen. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit aber nur noch auf einen Punkt lenken, der uns im Landtag mehrmals beschäftigt hat, und zwar die so genannten Skinhead-Konzerte. Ich halte die Verhinderung dieser Konzerte insbesondere deshalb für wichtig, weil hier mithilfe geradezu typischer Mittel wie aggressiver Musik, ausuferndem Alkoholkonsum und ausgeprägtem Cliquenverhalten Jugendliche in

Subkulturen, Gewalttätigkeit und Menschenverachtung hineingezogen werden.

(Herr Wolf, FDVP: Zeckenhäuser nicht verges- sen!)

Dass es dabei auch um handfeste materielle Interessen geht, zeigen die Erfolge der polizeilichen Vermögens- ermittler im Bereich der Skinhead-Musikszene.

In einem Erlass vom November 1999 habe ich den Ordnungsbehörden, der Polizei und dem Verfassungsschutz noch einmal besonders nachdrücklich Hinweise zur Verhinderung solcher Konzerte gegeben. Seither sind alle bekannt gewordenen Skinhead-Konzerte verhindert bzw. zu einem sehr frühen Zeitpunkt unterbunden worden.

Besonders erwähnen möchte ich in diesem Zusammenhang auch unseren Verfassungsschutz, der in den vergangenen Jahren eine Fülle von Informationen zur Verhinderung solcher Konzerte geliefert hat. Durch eine gute Abstimmung konnte in den letzten Jahren die Zusammenarbeit mit der Polizei verbessert werden. Diese gute Zusammenarbeit und die häufig genug auch länderübergreifende Einsatzbereitschaft der Polizei an vielen Wochenenden haben zu den positiven Ergebnissen geführt, obwohl die Vorbereitung solcher Konzerte immer konspirativer wird und immer abgelegenere Veranstaltungsorte gewählt werden.

Nachdem praktisch keine Säle oder geschlossenen Räume mehr zur Verfügung stehen, versuchen die Rechten, im Freien oder, wie zuletzt in Annaburg, in verlassenen Militärliegenschaften fernab von Ortschaften Auftritte zu organisieren.

Das versuchte Konzert in Annaburg war am 25. November 2000 in der Nacht im Anschluss an die große NPDKundgebung in Berlin vorgesehen. Im Vorfeld war uns nur der Großraum Mitteldeutschland als möglicher Veranstaltungsort polizeilich bekannt geworden. Unser Verfassungsschutz konnte noch rechzeitig den Hinweis auf die Militärliegenschaft in der Annaburger Heide liefern. Dieses Gebiet liegt mitten in einem dichten Waldgebiet, 5 km von der nächsten Ortschaft entfernt, auf der Grenze zwischen Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Sachsen.

Herr Minister, würden Sie eine Frage von Frau Brandt beantworten?

Nein.

(Zustimmung bei der PDS)

Der Polizei gelang es mithilfe rechtzeitiger Vorkontrol- len und Platzverweise, einen Großteil der anreisenden Skinheads bereits vor dem Gelände abzufangen. Der Verfassungsschutz und das BKA hatten zugleich vor militanten Übergriffen für den Fall der Auflösung des Konzertes gewarnt.

Die Einsatzhundertschaften der Landesbereitschaftspolizei, die zur NPD-Demonstration bereits tagsüber in Berlin im Einsatz waren, wurden vorzeitig aus dem dortigen Einsatz herausgelöst und nach Annaburg beordert. Es gelang, auch die Kräfte aus Thüringen, Sachsen und Brandenburg dort zusammenzuziehen.

Vieles deutet im Nachhinein darauf hin, dass neben den Vorkontrollen nur diese starke Präsenz der Polizei die

angekündigten militanten Ausschreitungen der Rechten verhindert hat, für die es vor Ort Besorgnis erregende Hinweise gab.

Die Polizeiführung berichtete von geradezu gespenstischen Szenen im dichten Waldgebiet mitten in der Nacht bei starkem Nebel und von auf der Straße entzündeten Autoreifen. Im Anschluss wurden für Übergriffe auf die Polizei bereitgehaltene Mittel bis hin zu Molotow-Cocktails aufgefunden, was die zunehmende Militanz in der rechten Szene deutlich machte.

Um den Bericht zu Ende zu führen: Die zwei Hundertschaften unserer Bereitschaftspolizei, die tagsüber in Berlin die Demonstrationen gegen die NPD begleitet hatten und die in Annaburg an entscheidender Stelle bis in den frühen Morgen im Einsatz waren, mussten noch in der Nacht nach Berlin zurück, weil sie dort ihren Einsatz überstürzt hatten abbrechen müssen.

Meine Damen und Herren! Ich habe diesen Bericht vom Einsatz der Bereitschaftspolizei bewusst in dieser Breite dargestellt; denn solche unmittelbaren Berichte unserer Beamten und Beamtinnen machen deutlich, welche Anstrengungen nötig sind und welche Gefahrensituationen für unsere Polizei bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus mitunter bestehen.

Sie machen vielleicht besser als jedes Konzept oder jede Statistik deutlich, was in den Köpfen junger Beamtinnen und Beamter vorgehen mag, wenn der Polizei von vermeintlich kritischen Teilen der Bevölkerung pauschal vorgeworfen wird, auf dem rechten Auge blind zu sein

(Zuruf von Herrn Kannegießer, DVU-FL)

oder die Gefahren des Rechtsextremismus zu verharmlosen.

(Zuruf von Frau Brandt, DVU-FL)

Völlig fehl geht insbesondere der Vorwurf, die Polizei würde bei Demonstrationen Rechtsextremer unverhältnismäßig hart gegen linke Gegendemonstranten vorgehen. Das Grundgesetz unterscheidet nicht zwischen erwünschten und unerwünschten Versammlungen. Es ist nun einmal die undankbare Aufgabe der Polizei, die Versammlungsfreiheit auch von Rechten, wenn ein Versammlungsverbot nicht möglich ist, gegenüber Gegendemonstranten zu verteidigen. Diese Aufgabe macht den Beamtinnen und Beamten bestimmt keine Freude. Sie tun allein ihre Pflicht. Kritik, wie sie immer wieder geäußert wird, ist hierbei völlig unangebracht.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zusammenfassen: Ich kann Ihnen versichern, dass die Landesregierung in der Bekämpfung des Rechtsextremismus eine ihrer Hauptaufgaben sieht. Ich kann Ihnen weiterhin versichern, dass Verfassungsschutz und Polizei einen konsequenten und wichtigen Beitrag zur Bekämpfung des Rechtsextremismus in diesem Land leisten. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Frau Ferchland, PDS)

Danke, Herr Minister. - Frau Wiechmann, Sie wollen als Fraktionsvorsitzende das Wort nehmen.

(Frau Wiechmann, FDVP: Ja!)

- Bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Dr. Püchel, ich möchte es auf das Schärfste zurückweisen, dass von dem Innenminister des Landes SachsenAnhalt demokratisch gewählte Fraktionen dieses Landtages als Teil dieses politischen Problems - damit sind, darüber haben wir gerade gesprochen,

(Herr Bischoff, SPD: So ist das!)

rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten gemeint - bezeichnet werden.

(Zuruf von der SPD: Was ist daran falsch?)

Herr Minister Püchel hat offenbar erhebliche Defizite in Bezug auf ein demokratisches Verständnis. Im Übrigen, Herr Minister Püchel, haben Sie Probleme mit den Begriffen Rechts und Rechtsextremismus, die - das haben Experten und auch die letzte Anhörung im Bildungsausschuss bewiesen - keinesfalls mit Gewalt gleichzusetzen sind.

Ihnen, Herr Minister Püchel, geht es ausschließlich um die Diffamierung und Ausschaltung unliebsamer politischer Meinungen. Ich muss auch fragen: Wieso gibt es in Sachsen-Anhalt beim LKA eine Hotline, die „gegen Rechts“ heißt?

Ich kann nur sagen: Da kann einem angst und bange um die Demokratie in Sachsen-Anhalt werden.

(Zustimmung bei der FDVP - Lachen und Wider- spruch bei der SPD und bei der PDS - Frau Bull, PDS: Buh!)

Die DVU-FL hat auf einen Redebeitrag verzichtet, ebenso die CDU-Fraktion. Für die PDS-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Gärtner.

(Zuruf von Herrn Weich, FDVP)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Wiechmann, in der Tat ist es so, dass einem angst um die Demokratie ist,

(Frau Wiechmann, FDVP: Bei Ihnen, Herr Gärt- ner, ganz genau!)

wenn beim Landeskriminalamt eine Hotline gegen Rechts eingerichtet werden muss. So schlimm ist also die Situation in diesem Land. Das ist eine Gefahr für die Demokratie. Deshalb ist es auch richtig, dass es diese Hotline gibt.

(Beifall bei der PDS - Frau Wiechmann, FDVP: Sie bestimmen, welche Meinung man in Sach- sen-Anhalt hat! Das ist wohl das Letzte! - Herr Wolf, FDVP: Deine Tage sind gezählt! - Weitere Zurufe von der FDVP und von der DVU-FL)