Protocol of the Session on December 14, 2000

Unsere Forderungen und Vorschläge zum Haushaltsplanentwurf 2001 dienten der Bekämpfung der sozialen Wirkungen des Sparkonzepts der Bundesregierung. Und das kann man ja wohl schlecht jemandem vorwerfen.

Der in der Beschlussempfehlung enthaltene Kompromiss wurde trotz der äußerst eng bemessenen finanziellen Spielräume in einem durchaus fairen und konstruktiven Prozess ausgehandelt. Das wäre, um auf die erwähnte Dramatik zurückzukommen, angesichts der Kompliziertheit der Umstände auch gar nicht anders zu bewerkstelligen gewesen. Ohne Leidenschaften ist es allemal nicht abgegangen.

In der Öffentlichkeit findet dieser Kompromiss nicht gleichermaßen Akzeptanz. Von unmittelbaren Kürzungen Betroffene oder Betroffene in Bereichen, bei denen eine finanzielle Substanzsicherung bzw. eine geringfügige absolute Erhöhung der Mittel bei gleichzeitigen Einschnitten im Sach- und Personalbereich eine relative Verschlechterung nach sich zieht, kritisieren durchaus mit Recht diesen erreichten Stand. Ich meine konkret die Proteste an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Im derzeitigen Haushaltsplanentwurf sind Mittel für beide Universitäten, also auch für Halle, bis einschließlich 2004 fixiert worden.

Das Grundanliegen, klare finanzielle Planungssicherheiten zu geben, haben wir mitgetragen, weil es mit der Kurzfristigkeit von Haushaltsansätzen und der permanenten Absicht, Teile der Hochschulhaushalte unterzufinanzieren, Jahr für Jahr erhebliche Planungsunsicherheiten an den Hochschulen gab. Aber gerade im wissenschaftlichen Bereich muss konzeptionell gearbeitet werden können. Zudem muss Planung komplex ansetzen.

Beide Universitäten haben im Vorfeld der Haushaltsberatungen Zustimmung zur geplanten Summe und zum Verfahren signalisiert. Der Senat der Universität Halle beriet bereits im August über einen entsprechenden Beschluss. Zu diesem Zeitpunkt war also klar, dass dieser Prozess Änderungen im Personalbereich nach sich ziehen würde. Klar war auch, dass die Veränderungen an der Universität Halle tiefer greifen würden als jene in Magdeburg, weil Halle seit Jahren ein so genanntes strukturelles Defizit im Personalbereich als Bugwelle vor sich herschiebt. Diese resultiert vor allem daraus, dass die aus den Empfehlungen des Wissenschaftsrates abgeleiteten Struktur- und Personalbeschlüsse nur teilweise umgesetzt werden konnten. Für den Osten befristet geltende arbeitsrechtliche Regelungen kamen nur punktuell zur Anwendung.

Wir als PDS vertraten und vertreten die Auffassung, dass nach dem massiven Personalabbau der ersten Jahre - Herr Bergner, zu Zeiten Ihrer Regierung -

(Herr Dr. Bergner, CDU: Das ist wahr!)

ein undifferenzierter weiterer Abbau im wissenschaftlichen Bereich zu Substanzverlusten führen muss.

Nunmehr überschneidet sich die oben angeführte ungeklärte Frage mit neueren Wandlungen in Wissenschaft und Forschung. Neue Technologien und viele andere Veränderungen in der Wissenschaft haben zu neuen Studiengängen, aber auch zu neuen oder veränderten Anforderungen an das wissenschaftliche und nichtwissenschaftliche Personal geführt. Typisch für Hochschulen der Bundesrepublik ist, dass im Personalbereich überwiegend mit befristeten Stellen gearbeitet wird. Die Stellen, um die es in Halle derzeit vor allem geht, sind aber unbefristet und betreffen wissenschaftliches wie auch nichtwissenschaftliches Personal, jedoch kaum die Professoren.

Die Landesregierung hat erklärt, dass sie Lösungen ohne Kündigungen für möglich hält und dass sie Kündigungen nicht aussprechen will. Es gebe dazu, so der Minister, eine ganze Reihe von Überlegungen, wie der Umbau vollzogen werden könne. Beschäftigten, deren Stellen an der Hochschule vakant würden, sollten entsprechende andere Beschäftigungsangebote unterbreitet werden. Damit sei es zugleich möglich, auf die infolge des demografischen Knicks sinkenden Bewerberzahlen zu reagieren. Die reduzierte Zwischenausbauzielzahl so genannter flächenbezogener Studienplätze korrespondiere mit den sinkenden Stellenzahlen und umgekehrt.

Die Kritik besteht nunmehr darin, dass diese Veränderung allein finanzpolitisch motiviert sei. Das steht im Widerspruch zu der Ankündigung der Landesregierung, dass es sich um einen umfassenden Umstrukturierungsprozess an den Hochschulen handeln soll.

Insgesamt überlagern sich also folgende wesentlichen Probleme:

- offene Personalstruktur der Universität,

- nachhaltig wirkender Strukturwandel in der Wissenschaft,

- Notwendigkeit neuer oder deutlich veränderter Studienangebote, die nicht vollständig mit vorhandenem Personal abgedeckt werden können,

- ab 2007 eine deutlich sinkende Bewerberzahl,

- permanente Verteuerung der Finanzierung von Wissenschaft, Forschung und Lehre und nicht zuletzt natürlich

- knapper werdende öffentliche Kassen.

Darauf hat die Landesregierung mit der Bildung von entsprechenden Expertengruppen reagiert, die ihr wiederum entsprechende Empfehlungen für die Hochschulentwicklung im Land zuarbeiten sollen. Diesen Ansatz teilen wir durchaus. Zwischenergebnisse sind den Abgeordneten derzeit jedoch noch nicht bekannt.

Unsere Gespräche mit dem Personalrat, mit der GEW, mit dem Studierendenrat, mit dem Rektor, dem Prorektor für Studium und Lehre, die Diskussionen auf hochschulöffentlichen Veranstaltungen und zahlreiche Protestbriefe haben gezeigt, dass sich die Erwartungen zunächst auf konzeptionelle Vorstellungen richten. Deren Vorlage wird als Voraussetzung betrachtet.

Verschärfend kommt aus unserer Sicht hinzu, dass die Landesregierung den Beginn des Personalabbaus zur Voraussetzung für die Freigabe von Qualifizierungsstellen aus Landesmitteln erklärt hat. Daraus ergibt sich gewissermaßen für die Universität eine Blockade für die Reproduktion des eigenen wissenschaftlichen Nachwuchses an der Hochschule. Über dieses Junktim ist gar nicht informiert worden. Wir haben diese Information nur den Gesprächen entnehmen können, lehnen das Vorgehen aber ab.

Der Landtag, namentlich der Wissenschaftsausschuss, muss sich nunmehr diesem Gesamtkomplex widmen und er muss prüfen, worin die Vorstellungen der Landesregierung und der Universitäten bestehen, und das ins Verhältnis zur bisherigen Weichenstellung setzen und daraus entsprechende, wenn notwendig auch korrigierende Schlussfolgerungen ziehen. Es lediglich auf eine finanzielle Ebene zu ziehen löst das Problem überhaupt nicht, weil es nicht nur um ein quantitatives, sondern vor allem auch um ein qualitatives Problem geht.

Zurück zum Haushalt im weiteren Sinne. Folgende Schwerpunkte hat sich die PDS für die Verhandlungen gesetzt: Kommunalfinanzen, Sozial- und Gesundheitspolitik sowie Betreuungsangebote, unter anderem im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit, und soziale Betreuungsdienste.

Insofern, Herr Bergner, können Sie uns nicht vorwer- fen, dass eine klare Orientierung fehlt. Sie teilen unsere Orientierung nur nicht.

Im Zuge der Beratungen zu den Einzelplänen sind innerhalb der jeweiligen Einzelhaushalte zahlreiche kleine Umverteilungen vorgenommen worden, deren Aufzählung hier jedoch zu sehr ins Detail führen würde.

Aber von den 16 Prioritäten, welche die PDS-Fraktion neben den oben angeführten Schwerpunkten zur Umverteilung über die Einzelhaushalte hinweg gesetzt hat, konnten 15 wirklich umgesetzt werden, ohne den Haushalt zu sprengen.

(Zustimmung von Herrn Dr. Eckert, PDS)

Umverteilungen über Einzelpläne hinweg erfolgten also nicht als Aufwüchse, sondern mit Vorschlägen und Überlegungen zur Refinanzierung.

Im Übrigen haben wir keinen einzigen Vorschlag gemacht, der sich in der Refinanzierung auf den Wirtschaftshaushalt bezieht. So viel zu dem Thema Wirtschaftsfreundlichkeit oder Wirtschaftsfeindlichkeit der PDS.

Wie sich während der Haushaltsberatungen zeigte, war die Zustimmung zur Steuerreform eher politisch motiviert als finanzpolitisch für Sachsen-Anhalt bereits untersetzt. Letzteres zeigte sich auch deutlich.

Ein so genanntes Reformprojekt der Bundesregierung, welches für ein allgemeines Konsolidierungsprinzip soziale Zukunftschancen Ostdeutschlands sowie differenzierte Ausgangslagen in Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Wissenschaft und Umwelt vernachlässigt, bedarf nicht nur des verbalen und politischen, sondern auch des inhaltlichen und fachpolitischen Widerstandes. Und das haben wir bei diesem Haushalt versucht.

Im Folgenden will ich eine kurze Übersicht über unseren Prioritätenkatalog geben, weil erst in der Summe der einzelnen Ansätze klar wird, warum wir den Haushaltskompromiss für verantwortbar halten.

Hinsichtlich der Zuweisungen an die Kommunen konnte ein großer Teil der geplanten Etatkürzungen in Höhe von 108,3 Millionen DM verhindert werden. Die Zuweisungen für Investitionen an die Kommunen bleiben mit 441,5 Millionen DM auf dem Stand der Vorjahre. Die ursprünglich geplante Änderung des Finanzausgleichsgesetzes - wie bereits ausgeführt - in Form der Absenkung des Anteils an den Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen von 37 % auf 34 % wird nicht erfolgen.

Diese Absichten sind nicht neu. Der Finanzminister vertritt diese Position bereits seit Jahren. Er geht davon aus, dass Kommunen im Verhältnis zum Landeshaushalt stärker an der Lastenverteilung zu beteiligen sind.

Der Widerspruch zur Landesregierung ist also in diesem Haushaltsplanentwurf manifest geworden. Jedoch signalisierte die SPD-Landtagsfraktion bereits in der ersten Beratung zum Haushalt 2001 Verhandlungsbereitschaft und Entgegenkommen. Letztlich konnte eine Kürzung für den kommunalen Bereich in Höhe von 66 Millionen DM abgewendet werden.

Der Dissens in der Grundposition zwischen Landesregierung und PDS-Fraktion bleibt aber bestehen. Es handelt sich dabei nicht nur um einen Dissens unter vielen anderen. Die Landes- und Kommunalfinanzen sind von zentraler Bedeutung. Sie erfassen Grundfragen der Verfasstheit der Bundesrepublik Deutschland. Uns wird vom Finanzminister bewusst oder unbewusst - das sei dahingestellt - ein verfassungsrelevantes Thema als scheinbar technokratisches und verwickeltes Finanzproblem präsentiert.

Vor dem Hintergrund der von uns geforderten Verwaltungs- und Funktionalreform mit dem Ziel eines zweistufigen Verwaltungsaufbaus ergibt sich daraus zwangsläufig eine Diskussion über politische Reformen im Föderalismus und unter Umständen auch über eine Reform der Bund-Länder-Kommunalbeziehungen.

Das Thema ist aber auch in Verbindung mit dem Auslaufen des Solidarpaktes I im Jahre 2004 und einem selbstbestimmten ostdeutschen Handlungsrahmen aus dem Blickwinkel sachsen-anhaltischer Interessen und Positionen in die öffentliche Debatte einzuführen.

Zurück zum vorliegenden Haushaltsplanentwurf. Die PDS forderte, die Teilentschuldungs- und Sanierungsmittel für Abwasserzweckverbände in Höhe von 42,3 Millionen DM in vollem Umfang aus Landesmitteln zu finanzieren und den kommunalen Anteil der IfG-Mittel unangetastet zu lassen. Das konnte umgesetzt werden. Die Mittel werden vollständig von der Investitionspauschale gedeckt. Allerdings machte erst unser Änderungsantrag das Vorhaben praktisch umsetzbar.

Die Mittel für die Gewässerunterhaltungsverbände bleiben bei dem Ansatz des Jahres 2000 und erreichen damit erneut die Höhe von 7 Millionen DM.

Die Mehrbelastungen der Träger von Kinderbetreuungseinrichtungen durch längere Betreuungszeiten und Personalkostenaufwüchse sind mit der Einstellung entsprechender Haushaltsmittel berücksichtigt worden. 18 Millionen DM stehen nunmehr dafür bereit. Das ist in etwa die Höhe, die von der Volksinitiative „Für die Zukunft unserer Kinder“ gefordert wurde.

Das im Jahr 2000 aufgelegte Investitionsprogramm zur Senkung der Betriebskosten in Kindertagesstätten kann im Haushaltsjahr 2001 und in den Folgejahren in gleicher Größenordnung fortgeführt werden. Damit wer

den auch weiterhin Möglichkeiten erschlossen, Kostenfaktoren zu reduzieren, um Kosten nicht mehr oder in geringerem Umfang als bislang auf Elternbeiträge um- legen zu müssen.

Die Kürzungen im Bereich der Breitenkultur in Höhe von 2,5 Millionen DM konnten zurückgenommen werden.

Im Bereich der Krankenhauseinzelfinanzierung sichert das Land nunmehr die exakte Kofinanzierung der bereitgestellten Bundesmittel und der Kommunalanteile. Die pauschale Krankenhausfinanzierung wird auf 2 000 DM pro Bett aufgestockt. Damit wird die in den letzten Jahren erzeugte Blockade hinsichtlich des Ersatzes, der Sanierung und der Modernisierung medizinischer Einrichtungen aufgebrochen.

Die PDS-Fraktion forderte einen Ansatz in Höhe von 6 Millionen DM für kleine Neu-, Um- und Erweiterungsbauten im Polizeibereich, die sowohl in den Polizeirevieren als auch in den Polizeistationen einsetzbar sein sollten. Diese 6 Millionen DM sind in den Haushalt eingestellt worden.

Während der Verhandlung um diese 6 Millionen DM wurde aber auch bekannt, dass im Haushalt des Innenministeriums seit Jahren Übertragungsreste in zweistelliger Millionenhöhe durch Einsparungen infolge der eingeführten Budgetierungsverfahren entstanden sind. Diese Einsparungen erfolgten vor allem bei sächlichen Ausgaben, zu denen unter anderem Ausgaben für Ausrüstungen und Fahrzeuge gehören. Wiederholt war aber in den Zeitungen zu lesen, dass es an Ausrüstungen mangele und dass Fahrzeuge nicht zum Einsatz fahren könnten, weil die Spritkosten nicht aufzubringen wären.

Nun wissen wir zwar, dass sich die Budgetierung auf einzelne Polizeidirektionen erstreckt und dass sich je nach konkreter Haushaltsführung und nach den Aufgabenbelastungen vor Ort auch unterschiedliche Situationen ergeben können. Eine Diskussion über Ursachen und Fehler muss diese Differenzierung auch berücksichtigen. Die Bürger und Bürgerinnen werden aber für die hohen Übertragungsreste einerseits und die gehemmte Einsatzbereitschaft der Polizei andererseits wohl kaum Verständnis aufbringen.

Sparen sollte in dieser Hinsicht an keiner Stelle Selbstzweck sein, sondern mit dem Ziel erfolgen, die vorhandenen Mittel mit größerem Effekt einzusetzen. Es geht nicht um Übertragungsreste schlechthin, sondern es geht um sinnvolle und vernünftige Umverteilungen. Die Betroffenen sagen insofern nicht ganz zu Unrecht, dass sich damit die Budgetierung in ihr Gegenteil verkehre, weil übertragene Mittel - Ausgabenreste - nicht wirksam würden.

Besonders wichtig war für unsere Fraktion die Erhöhung der Mittel für soziale Betreuungs- und Beratungsdienste um 2,5 Millionen DM. Die Funktionsfähigkeit der sozialen Betreuungs- und Beratungsdienste betrachten wir als einen ganz wichtigen Baustein demokratischer Verhältnisse. Das betrifft unter anderem die Betreuung von Opfern des Naziregimes. Es betrifft die Schulden- und Insolvenzberatungsstellen, die Unterstützung von Opfern rechtsextremer Gewalt, Ehe-, Lebens-, Familien- und Erziehungsberatungsstellen, Beratungen für Menschen mit Behinderungen, die Schwangerenberatung, die Suchtberatung, die Verbraucherberatung, die Arbeitslosenberatung sowie die Familienförderung. Neu aufgenommen wurden Mittel für die Landesstelle für Mädchenarbeit.

Für Maßnahmen zur Stärkung der Demokratie konnten 300 000 DM zusätzlich eingestellt werden, was den Demokratiezentren und dem Verein „Miteinander“ zugute kommt. Nicht zuletzt wird das Eurocamp mit 300 000 DM rechnen können. Auch das sind wiederum ganz praktische Schritte zur Untersetzung einer Politik gegen den Rechtsextremismus.