Protocol of the Session on December 14, 2000

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Weich, FDVP)

Meine Damen und Herren! Wir befinden uns in der Restlaufzeit des Magdeburger Modells. Da kommt es nicht mehr darauf an, was mit diesem Haushalt beschlossen wird, sondern nur darauf, dass dieser Haushalt beschlossen wird. Die Stimmenthaltung der PDS zeigt neben dem programmierten Protest gegen Berlin, dass inzwischen auch den Beteiligten der Ehrgeiz und der Enthusiasmus verloren gegangen sind, ein Stück Zukunftssicherung für unser Land mit diesem Haushalt zu verbinden.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Weich, FDVP)

Die Politik in unserem Land ist nach Jahren der Fehlorientierung in das Stadium der Orientierungslosigkeit eingetreten.

(Beifall bei der CDU)

Die „Titanic“, um den tiefsinnigen Vergleich von Herrn Rehhahn aufzugreifen,

(Heiterkeit bei der CDU)

hat in Sachsen-Anhalt nicht einmal mehr einen Zielkurs; sie fährt Slalom zwischen den Eisbergen sporadisch auftretender politischer Widerstände, und dennoch ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie leckschlägt und untergeht.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Kannegießer, DVU-FL, von Herrn Weich, FDVP, und von Herrn Wiechmann, FDVP)

Darüber, meine Damen und Herren, ist die Haushaltsberatung zu einem konzeptionslosen Gewurstel geworden und der zu erwartende Haushaltsvollzug lässt noch Schlimmeres befürchten. Aus dem Mangel an Orientierung - und das ist mehr als eine Haushaltsfrage - resultiert auch ein Mangel an Verlässlichkeit. Was ist in diesem Land das Wort der Regierenden noch wert?

Wo Verlässlichkeit die Voraussetzung für zielführende Entscheidungen ist - ich denke an die Verwaltungsreform -, können wir uns diese Orientierungslosigkeit nicht leisten. Die allgemeine Orientierungslosigkeit hindert aber die Landesregierung und die SPD-Fraktion nicht daran, in hochglänzenden Selbstdarstellungsbroschüren politische Ziele zu formulieren, an deren Realisierung sie bei Lichte besehen selber nicht mehr glauben.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Kannegießer, DVU-FL, und von Herrn Weich, FDVP)

Ich will das an einigen Beispielen noch einmal verdeut- lichen.

Beispiel Haushaltskonsolidierung. In jeder Sonntagsrede verweisen Regierungsmitglieder und die SPD auf ihre zielstrebigen Anstrengungen zur Konsolidierung der Staatsfinanzen. Die Wahrheit sieht anders aus: höchste Pro-Kopf-Verschuldung; die Zinslast steigt auch mit diesem Haushalt, während sie, Herr Minister, beispielsweise im Freistaat Sachsen sinkt. Das spielt sich vor dem Hintergrund des niedrigsten Bruttoinlandsproduktes aller Bundesländer ab.

In der Broschüre der SPD kann man lesen, dass Sie im Jahre 2005 im Lande Sachsen-Anhalt ganz auf die Nettokreditaufnahme verzichten wollen. Herrn Rehhahn, der nickt, frage ich: Glauben Sie vor dem Hintergrund dieser Haushaltsdaten an die selbstgesteckten Ziele?

(Herr Dr. Rehhahn, SPD: Selbstverständlich!)

Wenn ja, dann müssen Sie mit einer ziemlichen Realitätsblindheit geschlagen sein.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Kannegießer, DVU-FL, von Herrn Mertens, FDVP, und von Herrn Weich, FDVP)

Mein zweiter Punkt betrifft die Wirtschaftsförderung und die Investitionsquote. Wir haben mit den 200 Millio- nen DM, die urplötzlich verschwunden sind, einen Beleg dafür, dass die Investitionsquote in Sachsen-Anhalt, die in den letzten Jahren geradezu gesetzmäßig eine Abmagerung erfahren hat und die regelmäßig unter dem Durchschnitt des Wertes der neuen Bundesländer liegt, zu einem Zufallsprodukt geworden ist.

Ich weiß nicht, woher Ihre Zufriedenheit kommt, Herr Minister. Eine Investitionsquote von genau 21,9 % ist, gemessen am Freistaat Sachsen mit über 27 %, ein Signum für die Wirtschaftsfeindlichkeit dieses Haushaltes und ein Abschreckungssignal für Investoren.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Kannegießer, DVU-FL, und von Herrn Wiech- mann, FDVP - Herr Weich, FDVP: Jawohl!)

Angesichts dieses Hintergrundes können Sie sich auf anderen Gebieten noch so große Mühe geben. Da helfen dann auch nicht die vielen Initiativchen des Wirtschaftsministers, wie Ego, Pakte, Inno-Regio und vieles andere mehr, die im Einzelfall durchaus sinnvolle Anliegen aufgreifen mögen, die aber zum Teil den aufgesetzten Geist der Neuererbewegung der DDR atmen.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der CDU, bei der DVU-FL und bei der FDVP)

Ihre Handhabung - das erfahren wir von der Wirtschaft immer wieder - steht vorwiegend im Dienst der Regierungspropaganda und ist weniger auf das eigentliche Wirtschaftsförderungsanliegen gerichtet. Das ist zu beklagen.

(Beifall bei der CDU)

Ich komme jetzt zu dem Gestaltungsziel der stabilen Kommunalfinanzen. Wir alle wissen, dass die Finanzausstattung unserer Kommunen ein Schlüssel für die Wahrnehmung kommunaler Selbstverwaltung, aber auch die Basis für wirtschaftsfördernde Aufträge und die Entwicklung einer notwendigen Infrastruktur ist.

Aber wer kann nach den Ausführungen des Finanzministers sicher sein, ob die Gestaltung der Kommunalfinanzen in diesem Haushaltsjahr nicht eigentlich bloß ein Zugeständnis an die bevorstehenden Bürgermeister- und Landratswahlen war statt eine klare Zukunftsvorgabe? Ich frage mich ernsthaft, wie es die Landesregierung vor dem Hintergrund der mangelnden Verlässlichkeit hinsichtlich der Finanzausstattung der Kommunen immer noch wagen kann, großspurig von einer bevorstehenden kommunalen Gebietsreform zu reden.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Kannegießer, DVU-FL, von Herrn Mertens, FDVP, und von Herrn Weich, FDVP)

Denn wenn hier die Verlässlichkeit fehlt, kann man auch dort nicht führen.

Meine Damen und Herren! Wir sind vom Stadium der Fehlorientierung in das Stadium der Orientierungslosigkeit eingetreten. Seit 1994 haben sich die Regierenden von Haushalt zu Haushalt in einem Schuldenturm ein

gemauert und verharren nun in der Enge dieses Turmes in der politischen Bewegungslosigkeit.

(Herr Bischoff, SPD: Irrtum!)

Sie üben sich in Sonntagsreden und verkünden Ziele, an deren Realisierung Sie selbst nicht mehr glauben. Meine Damen und Herren, Sie betreiben Fassadenpolitik, statt das Land zu gestalten.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Kannegießer, DVU-FL, von Herrn Mertens, FDVP, und von Herrn Weich, FDVP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich komme in diesem Zusammenhang gern auf die letzte Landtagssitzung zurück, in der der Ministerpräsident eine Regierungserklärung abgab: Sachsen-Anhalt auf dem Weg zur Informations- und Wissensgesellschaft. Das Denkwürdige an dieser Rede war die bescheidene Resonanz im Lande.

Die Angehörigen der Regierungsfraktion haben - vielleicht um der Rede des Regierungschefs doch noch irgendeine Wirkung zu geben - in der Bereinigungssitzung in den Einzelplan 02 - also bei der Staatskanzlei, darüber reden wir hier - einen Titel für die Förderung von ITProjekten mit einem Ansatz in Höhe von 5 Millionen DM eingestellt - wohlgemerkt bei der Staatskanzlei, nicht bei dem zuständigen Fachressort, dem Wirtschaftsministerium. Die Staatskanzlei in Sachsen-Anhalt fördert die Zukunftstechnologie. Darüber lohnt es sich nachzudenken.

(Herr Kühn, SPD: Das ist doch prima, oder?)

Meine Damen und Herren! Es lohnt sich, darüber nachzudenken. Wir haben die Personalkompetenz im Wirtschaftsministerium, nehmen aber 5 Millionen DM in den Einzelplan der Staatskanzlei hinein. Ich frage: Hält der Ministerpräsident das Wirtschaftsressort für zu dumm für IT-Projekte?

(Zustimmung bei der CDU - Herr Bullerjahn, SPD: Sie müssen sich einmal fachlich damit be- schäftigen! Das ist dummes Zeug, was Sie reden! - Herr Quien, SPD: So ein Quatsch!)

Meine Damen und Herren! Wenn das nicht der Fall ist, so lässt sich aus der Platzierung eines solchen Titels aus meiner Sicht nur eine Schlussfolgerung ziehen:

(Herr Bullerjahn, SPD: Die werden Sie genau fin- den!)

Die Förderung soll weniger der Zukunftstechnologie als vielmehr der Imagepflege des Ministerpräsidenten dienen.

(Zustimmung bei der CDU, von Herrn Kannegie- ßer, DVU-FL, und bei der FDVP - Herr Bischoff, SPD, und Herr Bullerjahn, SPD: Ha, ha!)

Meine Damen und Herren! Dann bekommen diese 5 Millionen DM schon eine Bedeutung, die wir bei der Debatte über den Einzelplan 02 nicht verschweigen dürfen. Bei der Förderpolitik kommt es doch darauf an, den Leistungswillen der Bürger und der Gesellschaft zu stärken. Es kommt nicht darauf an, Regierungspropaganda damit zu machen. Aber genau diesen Verdacht muss ich jetzt haben. Ein Regierungschef, der den Leistungswillen der Bürger zum Vehikel für politische Selbstdarstellung nimmt, sollte über sein Amtsverständnis nachdenken, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU, bei der DVU-FL und bei der FDVP - Herr Quien, SPD: So ein Quatsch! - Herr Bullerjahn, SPD: Meine Herrn!)

Wenn es um die Vorbereitung Sachsen-Anhalts auf die Wissensgesellschaft geht, dann ist ein Gestaltungsziel von herausragender Bedeutung und verdient eine gesonderte Erwähnung. Der frühere SPD-Abgeordnete Eichler hat dieses Gestaltungsziel bei jeder seiner Reden mit einem Ceterum censeo am Ende trefflich genannt: Und im Übrigen bin ich der Meinung, dass Wissenschaft und Forschung gestärkt werden müssen. - Recht hat er.

Jetzt ist Herr Eichler Staatssekretär und die Mittel werden gekürzt.

(Frau Dr. Sitte, PDS: Das stimmt nicht!)

Meine Damen und Herren! Dies ist der Widerspruch. Frau Sitte, wenn ich den Verlauf der letzten Haushaltsjahre betrachte, dann blicke ich auf die vielen Zuschriften, die von der Martin-Luther-Universität gekommen sind.

(Herr Dr. Fikentscher, SPD: Sie müssen es auch bezahlen!)

Ich will deutlich sagen: Dies ist nicht allein die Schuld von Herrn Eichler; ich würde es nicht einmal ganz beim Kultusminister abladen. Das ist vielmehr das Ergebnis einer verfehlten Haushaltspolitik in der Vergangenheit.