Mit dem Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht zeigen die Demokraten in Deutschland, dass der Satz von der wehrhaften Demokratie nicht nur ein Lippenbekenntnis ist.
Meine Damen und Herren! Ich möchte die Gelegenheit nutzen, Ihnen den Ablauf der Geschehnisse und meine Auffassung hierzu vorzutragen.
Die Diskussion wurde von meinem bayerischen Amtskollegen Beckstein am 31. Juli begonnen. Am 11. August traf erstmals eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe in Berlin zusammen, die sich mit der verfassungsrechtlichen und verfassungsschutzrechtlichen Prüfung eines NPD-Verbots beschäftigte. Die Arbeitsgruppe bestand aus Verfassungsschutzexperten und Verfassungsrechtsexperten des Bundes und der Länder. Unser Land war durch den Leiter der Abteilung Verfassungsschutz vertreten. Dieses Gremium hatte den Auftrag, bis Mitte Oktober die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen für die Entscheidung über einen eventuellen Verbotsantrag gegen die NPD zu erarbeiten.
In einem ersten Schritt wurden die verbotsrelevanten Fakten von den Verfassungsschutzbehörden bis Anfang September zusammengetragen und dem Bundesamt für Verfassungsschutz zugeleitet. Dabei wurden auch die Erkenntnisse unseres Verfassungsschutzes, insbesondere zur Zusammenarbeit der NPD mit neonazistischen Kameradschaften und rechtsextremistischen Skinheads, umfassend berücksichtigt. Das Bundesamt wiederum legte der Arbeitsgruppe eine komplexe Materialsammlung zur Zulässigkeit und Begründetheit anlässlich ihrer Tagung im September in Köln vor.
Den Erkenntnissen der sachsen-anhaltischen Verfassungsschutzbehörde kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Denn obwohl der sachsen-anhaltische Landesverband der NPD über vergleichsweise nur wenige Mitglieder verfügt, gewinnen seine Aktivitäten aufgrund seiner intensiven Zusammenarbeit mit neonazistischen Kräften, wie den so genannten Kameradschaften und den freien Nationalisten, eine besondere Bedeutung.
Die von den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder gemeinsam getragene Materialsammlung dient als Grundlage für die verfassungsrechtliche Prüfung, die eine Gruppe von Verfassungsrechtlern vornahm. Diese Prüfung hatte zum Ergebnis, dass die NPD verfassungsfeindliche Ziele in aktiv-kämpferischer und aggressiver Weise verfolgt und ein Verbot dieser Partei zur Bewahrung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung geeignet, erforderlich und angemessen und somit auch verhältnismäßig ist.
Am 26. Oktober 2000 beschloss die IMK bei zwei Enthaltungen, die Stellung eines Antrages auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der NPD zu befürworten und die Konferenz der Ministerpräsidenten über das Ergebnis zu informieren.
Die Ministerpräsidentenkonferenz befürwortete am 27. Oktober 2000 einen Antrag auf Festestellung der Verfassungswidrigkeit der NPD beim Bundesverfassungsgericht. Nur zwei Ministerpräsidenten stimmten dem nicht zu.
Heute, zu dieser Stunde, berät der Bundesrat über die Beantragung eines NPD-Verbotes beim Bundesverfassungsgericht. Nach derzeitigem Stand wird er beschließen, ebenfalls einen entsprechenden Antrag zu stellen.
Ob der Bundestag einen eigenen Antrag stellen wird oder bezüglich der Initiative von Bundesregierung und Bundesrat einen zustimmenden Beschluss fassen wird, ist noch offen. Nach der Planung jedenfalls werden noch in diesem Jahr Bundesrat und Bundesregierung den Verbotsantrag gegen die NPD beim Bundesverfassungsgericht stellen.
Meine Damen und Herren! Wie Sie der Presse entnehmen konnten, stand ich einem Verbotsantrag anfangs skeptisch gegenüber. Im August habe ich gesagt, dass man von einem Antrag absehen sollte, falls Zweifel an der Durchsetzbarkeit bestünden.
Dieses sehe ich immer noch so. Ich bin jedoch nach eingehender Prüfung zu der Auffassung gekommen, dass die Gründe für ein Verbot ausreichend sind. Die mittlerweile zusammengetragenen Kenntnisse belasten die NPD in einem so hohen Maße, dass aus meiner Sicht ein Verbotsantrag Erfolg haben könnte. Diejenigen, die in der öffentlichen Diskussion Zweifel an den Erfolgsaussichten hegten oder hegen, haben dieses zum Teil ohne Kenntnis des zusammengetragenen Materials getan.
Ich möchte und kann in diesem Zusammenhang nicht alle Details nennen. Lassen Sie mich auf einige wenige grundlegende Fakten noch einmal eingehen.
Gegründet wurde die NPD im Jahre 1964 und hatte zunächst erhebliche Erfolge zu verzeichnen. In den 70erund 80er-Jahren setzte dann ein allmählicher Niedergang ein. Mit der Wiedervereinigung konnte sich die NPD zwar ein Standbein in den neuen Bundesländern verschaffen, aber den Niedergang nicht aufhalten.
Mit der Übernahme des Parteivorsitzes durch Vogt im Jahre 1996 erhielten ihre Aktivitäten eine völlig neue Qualität. Die NPD gab nämlich ihre Abgrenzung gegenüber den Neonazis auf, was sich im Jahr 1997 symptomatisch in der Wahl des in Sachsen-Anhalt ansässigen Neonazis Hupka zum Landesvorsitzenden widerspiegelte. Zusätzlich entwickelte die NPD mit dem von ihr so genannten Dreisäulenkonzept eine neue strategische Vorgehensweise. Sie versteht darunter den Kampf um die Straße, den Kampf um die Köpfe und den Kampf um die Parlamente.
Meine Damen und Herren! Unter dem Kampf um die Straße hatte gerade das Land Sachsen-Anhalt in den letzten drei Jahren verstärkt zu leiden. Wiederholt wurde die Landeshauptstadt Schauplatz von Aufmärschen, die die NPD angemeldet hatte oder an denen sie maßgeblich beteiligt war. Ich erinnere nur an die beiden Demonstrationen im Februar und April 1999 in Magdeburg.
Ziel der NPD war es stets, mit martialischem und paramilitärischem Auftreten zu beeindrucken, um nicht zu sagen einzuschüchtern. Wie zu beobachten war, befanden sich in den Marschkolonnen und bei den Kundgebungen nicht nur NPD-Mitglieder, sondern auch rechtsextremistische Skinheads und neonationalsozialistische Kameradschaftler, die in besonders hohem Maße für die alltägliche rechtsextremistische Gewalt verantwortlich sind. Hartgesottenen Neonazis, wie den so genannten freien Nationalisten, bietet die NPD auf diesen Veranstaltungen ein Podium, um Demokratie und Rechtsordnung zu schmähen sowie ausländerfeindliche Parolen zu verkünden.
Lassen Sie mich an dieser Stelle noch eines ganz deutlich sagen: Es gibt bei dem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht keine 100-prozentige Sicherheit, dass die Verfassungswidrigkeit der NPD durch die Richter festgestellt wird. Das verbleibende Restrisiko, wenn man dies so bezeichnen kann, halte ich jedoch für verantwortbar.
Was aber, wenn dem Verbotsantrag nicht stattgegeben wird? - Natürlich besteht die Gefahr, dass die NPD versuchen würde, diese Situation propagandistisch auszuschlachten. Die Entscheidung müsste genau analysiert werden. Ich schließe aber aus, dass das Bundesverfassungsgericht die NPD zu einer verfassungskonformen Partei erklären wird, wie seitens der NPD vollmundig verkündet worden ist.
Im Übrigen: Was wäre denn die Alternative? Verzichten wir auf einen Verbotsantrag, bedeutet dieses, nachdem die Diskussion so weit fortgeschritten ist, auch die Anerkennung der Verfassungskonformität der NPD.
Meine Damen und Herren! Ín jedem Fall wird das Land Sachsen-Anhalt mit allen Mitteln des Rechtsstaates weiterhin konsequent gegen alle rechtsextremistischen Tendenzen vorgehen. Das muss auch gelten, wenn die NPD, wie beantragt, verboten wird. Das ist ein Punkt, der mir persönlich sehr wichtig ist und der auch meinen Kollegen in den anderen Bundesländern sehr bewusst ist.
Die gewaltbereite rechtsextremistische Neonazi- und Skinheadszene wird zwar in ihrem ideologischen Rückhalt durch ein Verbot geschwächt und verliert einen gewichtigen Teil ihrer Agitationsbasis, aber sie ist auch noch nach einem Verbot der NPD existent.
Die Bundesrepublik Deutschland ist eine stabile Demokratie, deren Existenz durch die NPD nicht unmittelbar gefährdet ist. Die NPD ist aber mitverantwortlich für ein geistiges Klima, das den Boden für gewaltsame Übergriffe von Rechtsextremisten auf Ausländer und Minderheiten in Deutschland schafft.
Es sind die Opfer von Ausländerhass und von rechtsextremistisch motivierter Gewalt gegenüber Minderheiten, die unserer Aufmerksamkeit bedürfen. Es muss grundsätzlich für jedermann und jederzeit möglich sein, sich unbehelligt in unseren Städten und Gemeinden aufhalten zu können.
Der Kampf gegen Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus und Rassismus muss auch nach einem Verbot weiter mit aller Konsequenz auf allen politischen und gesellschaftlichen Ebenen sowohl repressiv als auch präventiv geführt werden. In diesem Zusammenhang macht mir die Demonstration vom gestrigen Tag in Berlin auch Mut.
Meine Damen und Herren! Es bedarf einer langfristigen Strategie auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene.
In diesem Sinne ist ein Verbotsverfahren und ein Verbot ein Baustein - nicht mehr, aber auch nicht weniger. - Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren! Ich begrüße auch in Ihrem Namen herzlich Schülerinnen und Schüler der Integrierten Gesamtschule Halle und Schülerinnen und Schüler der Pestalozzi-Schule Aschersleben. Herzlich willkommen!
Die DVU-FL-Fraktion hat auf einen Redebeitrag verzichtet. Für die FDVP-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Wiechmann.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Innenminister, ich habe mit Genugtuung soeben von Ihnen gehört, dass es jederzeit möglich sein muss, dass man im Dunkeln in allen unseren Städten und Gemeinden auf die Straßen gehen kann.
Das, Herr Innenminister, muss ich leider bestreiten. Es gibt in diesem Land Sachsen-Anhalt und anderswo eine ganze Reihe von Städten, wo es nicht ratsam ist, im Dunkeln auf die Straßen zu gehen. Dabei handelt es sich nicht nur um ausländische Mitbürger, sondern auch um unsere eigenen Bürger des Landes Sachsen-Anhalt oder der Bundesrepublik Deutschland.
Zur Sache, meine Damen und Herren. Eine Berichterstattung der Landesregierung zum Stand eines Verbotsantrages gegen die NPD, wie es die Fraktion der PDS in ihrem Antrag fordert, ist nach meinem Dafürhalten ein weiterer Beitrag zur Panikmache mit der rechten Gefahr.
Warum eine Info vor dem Innenausschuss? Jederzeit sind wir in der Lage, uns täglich in allen Zeitungen auf mehreren Seiten über die so genannte rechte Gefahr zu informieren. Der Herr Ministerpräsident oder der Herr Innenminister würden uns vor dem Innenausschuss gegebenenfalls nur dann Neuigkeiten erzählen können, wenn sie zu der handverlesenen Crew des Herrn Schily gehören würden, die den fünfhundertseitigen Bericht zum Verbotsantrag zu lesen bekommt. Das ist ja nun nicht jedem gestattet.
Die Medien, die die rechte Gewalt in zynischer Weise zu politischen Zwecken missbrauchen und instrumentalisieren, sind voll von Meldungen über rechte Gewalt und Naziterror.
Nun neigen Politiker zu Überreaktionen. Vom politisch korrekten Eifer ergriffen, vergessen sie, die Herren und Damen Politiker, die elementaren Regeln des Rechtsstaates, die vorschreiben, dass ein Parteienverbot nur durch das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen werden kann.
Meine Damen und Herren! Es kommt zuweilen auch vor, dass bezüglich der rechten Gefahr anstatt der richtigen lediglich die passenden Täter gefunden werden, und
diese Beispiele sind Legion. Ich streite damit nicht ab, dass in der rechten Szene - ich betone das Wort Szene, denn ich gehöre nicht dazu
Aber hierbei kommt es nicht darauf an, richtige, sondern - ich wiederhole mich - passende Täter zu finden. Ich nenne dazu einige Beispiele.
Vor einigen Jahren scharten sich Zehntausende von Hallensern zum Protestmarsch gegen Nazigewalt an einem Mädchen, dem ein Hakenkreuz in die Wange geritzt worden war. Später stellte sich dann heraus, dass es sich in pubertärer Abirrung selbst verstümmelt hatte.
Ich denke dabei - das hat die Frau Ministerin gestern hier von sich gegeben - an das fürchterliche Attentat in Düsseldorf, bei dem Menschen, Mitbürger mosaischen Glaubens, zu Schaden kamen. Frau Ministerin Kuppe stellte gestern hier fest, dass das natürlich die Rechten waren.
Sehr verehrte Frau Ministerin, ich würde diese Ihre Bemerkung dem Bundeskriminalamt übermitteln, denn die stochern gegebenenfalls noch im Nebel herum und suchen die richtigen Täter, die wahrscheinlich in der Russenmafia zu suchen sind.
Ich denke, es gibt wirklich wichtigere Berichterstattungen als die zum Stand des Verbotsantrages gegen die NPD. Dieser Antrag, der vor uns liegt, spricht für ein extrem linksideologisches Glaubensbekenntnis, mit dem die PDS fortwährend versucht, Politik zu praktizieren.
Meine Damen und Herren von der PDS, kehren Sie erst einmal vor Ihrer eigenen Tür. Ich erinnere nur an die Pläne Ihrer Mutterpartei über die Errichtung von Internierungs- und Umerziehungslagern in der ehemaligen DDR.
Man muss kein Sympathisant der NPD sein, um festzustellen, dass es durch Panikmache mit der so genannten rechten Gewalt bereits zu einem Sympathieschub für die NPD gekommen ist, der mit Sicherheit nicht geringer werden wird, wenn nun auch noch völlig überflüssige Berichterstattungen zum Verbotsantrag gegen die NPD durch die Landesregierung erfolgen.