Protocol of the Session on November 9, 2000

Vielen Dank, Kollege Kasten. - Eine Debatte ist nicht vorgesehen. Wünscht noch jemand das Wort? - Herr Dr. Daehre.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Uns liegt der Antrag der PDS-Fraktion vor. Wir würden gern eine mündliche Ergänzung vornehmen, die übernommen werden könnte. Es geht um zwei Ergänzungen. „Der Landtag ersucht die Bundesregierung...“, schreibt die PDS-Fraktion. Ich denke, wir sollten schreiben: „Der Landtag fordert die Bundesregierung

auf...“ Das Wort „ersuchen“ sagt mir zu wenig aus. Im weiteren steht bereits: „Der Landtag fordert die DB AG auf...“ Es wäre wichtig, dass man das Wort „ersucht“ durch das Wort „fordert“ ersetzt.

Ferner hätten wir gern folgende Ergänzung: „Der Landtag fordert die Bundesregierung auf, bisher vom Bundesfinanzministerium gesperrte Investitionsmittel in Höhe von 200 Millionen DM für die Modernisierung von Rangieranlagen unverzüglich freizugeben.“

(Minister Herr Dr. Heyer: Das befindet sich schon in der Mitzeichnung!)

- Ja, das ist richtig. Sie haben heute Morgen erläutert, dass es im Jahre 2001 zur Auszahlung der Mittel kommen kann, Herr Minister. Darüber wird schon seit zwei Jahren gesprochen. Es wäre nicht schädlich, wenn es so vorgesehen ist, dass wir das in diesen Antrag aufnehmen, sodass wir diesem Antrag mit der eben von mir vorgetragenen Ergänzung zustimmen könnten. Wenn es tatsächlich im nächsten Jahr passiert, dann ist es in Ordnung. Wenn sich der Landtag aber eindeutig positioniert, dass er für die Freigabe dieser Mittel ist, dann haben wir doppelt genäht. Ich denke, das wäre in dieser Richtung nicht verkehrt. - Danke.

(Zustimmung bei der CDU und bei der DVU-FL - Beifall bei der FDVP)

Kollege Daehre, würden Sie mir die Änderung bitte herüberreichen? Ich gebe sie Ihnen dann zurück. - Ich frage die PDS-Fraktion, ob sie den Änderungsvorschlag der CDU-Fraktion übernehmen würde.

Ich habe gerade mit dem Minister gesprochen. Da beides in der Tat ohnehin in Arbeit ist bzw. das Letzte, wie er gesagt hat, schon in der Mitzeichnung ist, könnte man das mit dieser ausdrücklichen Formulierung im Antrag verstärken. Wir übernehmen beide Vorschläge.

Ich lasse über den soeben mündlich geänderten Antrag in der Drs. 3/3779 abstimmen. Wer stimmt diesem Antrag in der mündlich geänderten Fassung zu? - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist einmütig beschlossen worden. Wir haben den Tagesordnungspunkt 4 erledigt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 6 auf:

Fragestunde - Drs. 3/3786

Meine Damen und Herren! Entsprechend § 45 der Geschäftsordnung findet auf Antrag monatlich eine Fragestunde statt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Ihnen liegen in der Drs. 3/3786 insgesamt vier Kleine Anfragen vor.

Die Frage 1 stellt der Abgeordnete Herr Wiechmann. Sie betrifft das Elend der deutschen Straßenkinder.

Ich frage die Landesregierung:

1. Hat die Landesregierung Erkenntnisse darüber, wie viele Kinder im Land Sachsen-Anhalt aus ihrem Elternhaus flüchteten oder flüchten und wie die Straßenkinder ihren Lebensunterhalt finanzieren?

2. Wie sind die Altersstrukturen der Straßenkinder und welches sind die Hauptgründe für die Flucht aus der Familie?

Für die Landesregierung antwortet Ministerin Frau Dr. Kuppe.

Die Fragen beantworte ich für die Landesregierung wie folgt.

Zu 1: Der Begriff „Straßenkinder“ wird in der Fachöffentlichkeit unterschiedlich beschrieben. Das Deutsche Jugendinstitut hat die Situation der bundesdeutschen Straßenkinder zu definieren versucht. Danach haben sich Straßenkinder weitestgehend von den Sozialinstanzen wie Familie, Schule und Ausbildung distanziert. Sie haben sich zur Straße hingewendet, die damit ihre wesentliche, oftmals auch einzige Sozialisationsinstanz darstellt, also zu ihrem Lebensmittelpunkt wird.

Den Lebensunterhalt versuchen diese Straßenkinder in der Regel durch Betteln, durch Raub, durch Prostitution oder durch Drogenhandel abzusichern. Faktisch leben diese jungen Menschen in Obdachlosigkeit.

Für das Land Sachsen-Anhalt wurde im Jahr 1998 eine Situationsstudie zum Lebensort Straße über Kinder und Jugendliche in besonderen Problemlagen in den Städten Halle, Dessau und Magdeburg vom Landesjugendamt in Auftrag gegeben. Aufgrund dieser Studie können qualitative Aussagen zur Situation in Sachsen-Anhalt getätigt werden.

Erstens. Wir haben in Sachsen-Anhalt eine feste Szene in Halle und sich entwickelnde Bahnhofsmilieus in Magdeburg und in Dessau.

Zweitens. Für die so genannten Straßenkinder müssen niedrigschwellige Angebote zur Verfügung stehen, die die Zielgruppe erreichen, eine Grundversorgung zur Verfügung stellen und den Zugang zum bestehenden Hilfesystem offen halten.

Drittens. Die so genannten Straßenkinder leiden unter dem Mangel an stabilen und verlässlichen Beziehungen zu Erwachsenen.

Eine quantitative Situationsanalyse gibt es deutschlandweit und auch für Sachsen-Anhalt nicht. Nicht jedes aus dem Elternhaus flüchtende Kind wird automatisch zu einem Straßenkind. Darüber hinaus halten sich in Sachsen-Anhalt auch Jugendliche aus anderen Bundesländern auf, die der Straßenkinderszene zugerechnet werden müssten.

Herr Wiechmann hat eine Nachfrage. Bitte, Herr Wiechmann.

Frau Ministerin, hat die Landesregierung Erkenntnisse darüber, in wie vielen Fällen Straßenkinder als Werkzeuge zur Begehung von Straftaten durch Erwachsene angeleitet werden? Besteht bei Straßenkindern eine Kriminalitätsauffälligkeit gegenüber vergleichbaren Altersgefährten?

Zu diesen Fragen liegen der Landesregierung keine konkreten Anhaltspunkte vor.

(Herr Wiechmann, FDVP: Danke schön!)

Danke, Frau Ministerin.

Die Frage 2 stellt die Abgeordnete Frau Wiechmann. Sie betrifft das Thema Ermittlungsverfahren wegen Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie viele Ermittlungsverfahren wegen Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht wurden im Lande Sachsen-Anhalt im Jahre 1999 eingeleitet?

2. Warum wurden in der Vergangenheit auch unter Berücksichtigung von 40 000 Straßenkindern in Deutschland nur offenkundig wenig Sorgepflichtige wegen Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht gemäß § 171 des Strafgesetzbuches verurteilt?

Für die Landesregierung antwortet Frau Ministerin Schubert.

Frau Präsidentin! Im Namen der Landesregierung beantworte ich die Fragen wie folgt.

Zu Frage 1: Im Jahre 1999 wurden Ermittlungsverfahren gegen 126 Personen wegen Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht eingeleitet.

Gegen eine Person wurde das Ermittlungsverfahren gemäß § 153 der Strafprozessordnung eingestellt. In einem Fall erfolgte Freispruch. Zwei Personen wurden zu Geldstrafen von 31 bis 90 Tagessätzen verurteilt. Eine Person wurde zu einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bis einschließlich zwei Jahren verurteilt. Die genannten Fälle betreffen nur abschließende gerichtliche Entscheidungen. Sie geben keine Auskunft über den Stand der bei den Staatsanwaltschaften des Landes durch Anklageerhebung, Antrag auf Erlass eines Strafbefehls oder vorläufige Einstellung erledigten Verfahren.

Zu der Frage des Abgeordneten Herrn Wiechmann kann ich Folgendes sagen: Selbst wenn die Kinder angeleitet oder angestiftet werden im Sinne der Strafprozessordnung, sind sie Täter und sind dann mit in dieser Anzahl enthalten. Die anderen, die Anstifter, Beihelfer oder sonstige Tatbeteiligte sind, werden in gesonderten Verfahren abgeurteilt, weil es sich in der Regel um erwachsene Straftäter handelt, die nicht im Jugendgerichtsverfahren mit enthalten sind. Deswegen haben wir auch keine Erkenntnisse, wie viele von denen Kinder angeleitet, angestiftet oder ihnen geholfen haben; denn es gibt keine verknüpfenden Statistiken.

Zu Frage 2 von Frau Wiechmann: Eine Verurteilung kann nur aufgrund einer staatsanwaltschaftlichen Anklage erfolgen. Die Staatsanwaltschaften ihrerseits sind zu Ermittlungen erst dann berufen, wenn sie von Straftaten, sei es durch Anzeige oder von Amts wegen,

Kenntnis erlangen und für das Vorliegen einer Straftat zureichende tatsächliche Anhaltspunkte gegeben sind.

Die Anzahl von 40 000 so genannter Straßenkinder, die von Ihnen in der Frage genannt worden ist, bezieht sich auf Deutschland. Wir haben die Zuständigkeit nur für Sachsen-Anhalt und haben keine Erkenntnisse aus Statistiken der anderen Bundesländer, sodass ich nur für Sachsen-Anhalt antworten kann.

Frau Wiechmann, Sie haben noch eine Nachfrage. Bitte schön.

Die Nachfrage hat sich aus der Antwort von Frau Ministerin Dr. Kuppe ergeben. Frau Ministerin Schubert, können Sie aber die Zahl von ca. 40 000 Straßenkindern deutschlandweit bestätigen, weil Frau Ministerin Dr. Kuppe gesagt hat, es gibt weder deutschlandweit noch auf Sachsen-Anhalt bezogen diesbezüglich Erhebungen?

Ich denke, dass die Prognosen diesbezüglich weit auseinander gehen. Die 40 000 habe ich aus Ihrer Anfrage entnommen, nicht aus eigenen Erkenntnissen.

Ich weiß das. Ich habe aber deswegen gefragt, weil Sie nicht gesagt haben, dass die Zahl nicht stimmt. Können Sie diese Etwa-Zahl bestätigen?

Ich habe keine Anhaltspunkte.

(Frau Wiechmann, FDVP: Danke!)

Danke, Frau Ministerin.

Frage 3 stellt für die FDVP-Fraktion der Abgeordnete Herr Wolf. Sie betrifft das Thema Gefährlichkeit des Polizeiberufs und Möglichkeiten der Eigensicherung.