Protocol of the Session on October 13, 2000

im Hafen von Queentown, Irland, die Anker zu einer ersten Transatlantikfahrt nach New York lichtet, tut sie das bei schönem, ruhigem und klarem Wetter und bestem Wasser. Aber es bleibt nicht so. Bereits einen Tag später erhält die „Titanic“ eine erste Eiswarnung. Dies ist bei Überfahrten bis April nichts Ungewöhnliches.

(Zuruf von Herrn Schulze, CDU)

Am folgenden Tag kreuzt ein weiterer Luxusdampfer die Bahn der „Titanic“.

(Unruhe - Herr Gürth, CDU: Das finde ich sehr gut, dass Sie das gerade bei unserem Haushalt sagen!)

Meine Damen und Herren! Ich habe Verständnis für Ihre Erregung. Es geht aber jetzt um unser Budgetrecht.

Sie von der CDU sollten einmal zuhören!

(Unruhe)

Moment, Herr Kollege. - Ich bitte Sie, den Lärmpegel so niedrig zu halten, dass man den Redner hier vorn noch versteht. Er hat jetzt das Rederecht.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Im Moment ist das der Untergang des Budgetrechts! - Heiterkeit bei der CDU)

Auch dieser Hilferuf bzw. dieses Signal war kein Grund für den Kapitän, entsprechende Sorgfalt walten zu lassen. Das bleibt auch so. Am dritten Tag der Jungfernfahrt gehen im Laufe des Tages weitere Eiswarnungen über Eisberge und starkes Packeis,

(Unruhe bei der CDU - Herr Dr. Daehre, CDU: Das darf doch nicht wahr sein!)

sogar mit genauen Positionsbeschreibungen, von fünf verschiedenen Schiffen per Funkspruch ein. Kapitän Smith hat aber nichts Wichtigeres zu tun,

(Herr Gürth, CDU: Kapitän Smith?)

als an einem Abendessen unter Deck teilzunehmen.

(Herr Gürth, CDU: Kapitän Gerhards! - Herr Dr. Bergner, CDU: Wer ist wer?)

Das Eis ist nur noch 50 km vom Schiff entfernt. Die sechste Warnung - auch da sollten Sie zuhören - meldet ein riesiges Eisfeld direkt vor der „Titanic“. Der Funkspruch der „Missawa“ wird auf die Brücke weiterge- geben. Im Salon erster Klasse wird aber weiter getanzt.

(Unruhe bei der CDU und bei der PDS - Zuruf von der CDU: Sind wir bei der Marine, oder was?)

Als dann auch noch der Funker der „California“ den Luxusliner ruft, werden dringliche Eiswarnungen rüde unterbrochen - so rüde sind Sie derzeit auch im Parlament -: Halten Sie sich heraus. Schluss jetzt; Sie stören unsere Kreise, Sie stören unser Signal.

(Widerspruch bei der CDU - Zuruf von der CDU: Das stimmt doch gar nicht!)

- Ich höre nichts anderes.

(Herr Schulze, CDU: Wir liegen doch schon auf dem Grund!)

Kurz vor Mitternacht erkennt der Ausguck plötzlich einen Eisberg in 500 m Entfernung.

(Unruhe bei der CDU - Zuruf von der CDU: Auf- hören!)

Bis zum Zusammenstoß vergehen noch 37 Sekunden.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Das gibt es doch wohl gar nicht!)

Herr Kollege, ich muss Sie auffordern, zur Sache zu kommen. Die Sache ist nicht die „Titanic“.

(Beifall bei der CDU, bei der PDS, bei der DVU- FL und bei der FDVP)

Frau Präsidentin, ich möchte Ihre Meinung nicht unbedingt teilen.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Jetzt ist die Redezeit vorbei!)

Wir könnten uns schließlich auch in einer ähnlichen Situation befinden.

(Herr Gürth, CDU: Das stimmt!)

Wenn so etwas auf uns zukommt, dann müssen wir Vorsorge betreiben.

(Herr Gürth, CDU: Wer hat so etwas aufge- schrieben?)

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ist Ihr Antrag, die Landesregierung zu zwingen, sich so wie die Mannschaft auf der „Titanic“ zu verhalten, irrig und ignorant.

(Herr Gürth, CDU: Daran denke ich auch immer, wenn ich diese Regierung sehe!)

Es stellt sich nun die Frage, warum gerade Sie als Christdemokraten die Landesregierung auf einen Kurs bringen wollen, der die begonnene Konsolidierung des Haushalts gefährdet. Nicht weil Sie es nicht besser wissen, sondern weil Sie genau den gleichen Ausgang wie auf der „Titanic“ bezwecken.

Dieses Manöver ist aber zu durchsichtig. Der Antrag bestätigt, dass die CDU hinsichtlich der Finanzpolitik nicht im Interesse des Landes handelt, sondern reines parteipolitisches Kalkül vollzieht.

Wir Sozialdemokraten sind der Meinung, dass eine rationale, langfristig angelegte Finanzpolitik ankommt, die über den Tag hinaus denkt und einem zu erwartenden finanziellen Schaden Rechnung trägt.

Die unmittelbar notwendigen und sinnvollen Maßnahmen wurden vom Finanzminister bereits ergriffen und heute auch erläutert. Das können Sie von der CDU gern anders sehen. Aber Ihrer Autorität und Kompetenz in finanzpolitischen Fragen wird damit in keiner Weise Ausdruck gegeben. Im Gegenteil, Sie erwecken den Eindruck, sparunwillig zu sein - auch wenn Sie versuchen, etwas anderes darzulegen, Herr Scharf.

Ich kann nichts anderes erkennen. Wenn Sie wirklich der Meinung sind, dass das, was der Finanzminister getan hat, nicht richtig ist, dann müssen Sie das schon etwas anders erläutern. Mit Ihren Spitzfindigkeiten ist das nicht zu machen.

(Widerspruch bei der CDU - Herr Dr. Daehre, CDU: Gehen Sie lieber in die Landwirtschaft zu- rück, Herr Rehhahn! Da haben Sie wenigstens ein bisschen was verstanden!)

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD)

Es wird Ihnen eine Frage gestellt. Möchten Sie diese beantworten?

Na ja, gut.

(Herr Gürth, CDU: Er ist heute großzügig!)

Bitte schön, Herr Mokry.

Herr Kollege, stimmen Sie mir zu, dass der Kapitän der „Titanic“, der alle Warnungen ignoriert, vielleicht Ihr

Finanzminister sein könnte und dass das Land SachsenAnhalt als „Titanic“ bezeichnet werden könnte? Den Ausgang kennen wir schließlich.

(Beifall bei der FDVP - Herr Dr. Bergner, CDU: Ein gefährlicher Vergleich!)

Nein.