Sie haben nicht überzogen. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir kommen jetzt zum Abstimmungsverfahren. Es ist eine Überweisung in die Ausschüsse für Wirtschaft, Technologie und Europaangelegenheiten sowie für Raumordnung und Umwelt beantragt worden. Der Ausschuss für Inneres ist nicht genannt worden. Jetzt müssen wir die Federführung bestimmen. Gibt es einen Antrag dazu, welcher Ausschuss das Thema federführend bearbeiten soll? - Herr Professor Trepte.
Ich würde den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Europaangelegenheiten vorschlagen. Das ist dort angesiedelt.
Wirtschaft, Technologie und Europaangelegenheiten. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer der Ausschussüberweisung einschließlich der Übertragung der Federführung an den Wirtschaftsausschuss zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Das bedeutet eigentlich: keine Überweisung.
Die Federführung soll dem Wirtschaftsausschuss übertragen werden. Wir müssen also getrennt abstimmen.
(Herr Dr. Köck, PDS: Die Behandlung in den Ausschüssen ist Gegenstand des Antragstextes. Ich habe das noch einmal nachgelesen. Wir kön- nen direkt abstimmen.)
Die Überweisung in die Ausschüsse ist akzeptiert worden. Wir stimmen jetzt ab über die Federführung. Wer dem zustimmt, dass der Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Europaangelegenheiten die Federführung erhält, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Eine. Enthaltungen? - Bei einer großen Anzahl von Enthaltungen ist dem zugestimmt worden.
Meine Damen und Herren! Damit ist der Tagesordnungspunkt 17 beendet. Wir takten wieder ein in unseren Zeitplan und setzen fort mit den Punkten, die gestern nicht abgearbeitet worden sind.
Einbringer ist der Abgeordnete Herr Remmers von der CDU-Fraktion. Es ist eine Fünfminutendebatte vereinbart worden. Nach dem Einbringer wird für die Landesregierung die Justizministerin Frau Schubert reden. Bitte, Herr Remmers, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben mit diesem Antrag ein Thema in Ihr Augenfeld bringen wollen und wollen das auch heute noch, das nach unserer Meinung für unser Land eine sehr viel größere Bedeutung hat, als dies gemeinhin wahrgenommen wird. Die Überschrift über dem Gesetz, das auf Bundesebene beraten wird, das aber das Land Sachsen-Anhalt und alle Länder erheblich berührt, heißt: Justizreformgesetz.
Das, was uns betrifft, ist eine - wenn man es zu Ende denkt - vollständige Umstrukturierung unseres Gerichtswesens im Land. Ich bin mir nicht ganz sicher, meine Damen und Herren, ob dem Kabinett und auch den Mehrheitsfraktionen eigentlich klar ist, was an Umstrukturierung und daraus resultierend auf die Bürger in Bezug auf die Verfahrensdauer und in Bezug auf die Kosten für das Land auf uns zukommt.
Wir haben das heute in einen schlichten Antrag gegossen, indem wir gesagt haben: Das ist ein Verlust an Bürgernähe. Wir haben hierbei besonders darauf abgehoben, dass in diesem Gesetz vorgesehen ist, alle Berufungen - alle, meine Damen und Herren! - von den Amtsgerichten und den Landgerichten beim OLG zu bündeln. Dies ist nach unserem Eindruck und nach meiner festen Überzeugung aber nur die Spitze des Eisbergs.
Ich kann wirklich nur sagen: Der Finanzminister dieses Landes sollte sich in die Debatte um diese Justizreform dringend einklinken,
weil sie nach allen Hochrechnungen, die wir kennen, tatsächlich zu einer - auch finanziellen - Mehrbelastung im Land führt.
Dahinter steckt eines: Wir wissen, dass die Ministerin der Justiz in diesem Land seit Jahren die Ansicht vertritt, wir brauchten eine dreistufige Ordnung in der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Wann immer das unter diesem Etikett diskutiert worden ist, haben wir darauf hingewiesen, dass das ein sehr teures Unterfangen sei.
Auf Bundesebene haben insbesondere die Länderminister und -ministerinnen diesen Plänen immer eine Absage erteilt.
In dem uns jetzt vorliegenden Reformentwurf wird aber, ohne dass man es ausdrücklich sagt, mit dieser Konzentration der Berufungen die Gerichtsorganisation schon jetzt strukturell so umgebaut, dass damit der Versuch unternommen wird, diese Dreistufigkeit zu erzwingen.
Meine Damen und Herren! Ich will mit unserem Antrag Ihre Aufmerksamkeit darauf richten, dass hiermit eine Entwicklung begonnen wird, die wir, wenn wir jetzt nicht aufpassen, später nicht mehr stoppen können. Dann müssten Sie den nächsten Schritt tun, weil das Bundesgesetz uns dann natürlich binden wird. Das würde heißen, dass wir eine viel größere Anzahl von Amtsgerichten verlieren werden, als dies mit der hiesigen Amtsgerichtsreform realisiert wird.
Und wir würden die Landgerichte mittelfristig zu Eingangsgerichten herunterzoomen. Wir werden dann vielleicht noch zwei Landgerichte dazubekommen. Aber nach meiner Einschätzung würde das im Ergebnis bedeuten, dass alle anderen Amtsgerichte verschwinden würden. An die Kosten einer solchen Folge mag ich gar nicht denken.
Aber jetzt noch zu einigen anderen Einzelheiten. Dieses Gesetz, das in vielen Punkten auf Bundesebene diskussionswürdig ist und das in vielen Punkten den Versuch unternimmt, verkrustete Verfahrensvorschriften im Zivilprozess zu ändern - aber damit will ich Sie, meine Damen und Herren, gar nicht behelligen - -
Herr Abgeordneter Remmers, sind Sie bereit, eine Frage des Abgeordneten Herrn Becker zu beantworten?
Herr Kollege Remmers, können Sie sich bei dem Bild, das Sie gerade gemalt haben, das künftige Schicksal des Oberlandesgerichts Naumburg vorstellen
Herr Becker, das ist relativ einfach gesagt. Der erste Schritt wird sein - das würde Ihnen vielleicht Spaß machen, wenn Sie kurzfristig dächten -, das Oberlandesgericht in Naumburg zunächst zu verstärken, da bei dieser Fassung viele Senate mehr dem Oberlandesgericht zugeordnet werden müssten. Da ich es aber für schlechterdings unvertretbar halte, dass man Berufungen gegen amtsgerichtliche Urteile aus der Altmark in Naumburg fahren wird - und zwar erstinstanzliche Berufungen -, würde das bedeuten, dass das Oberlandesgericht mittelfristig entweder durch Zweigstellen ergänzt oder aber durch eine richtige Aufteilung und Schaffung von mehreren Obergerichten, die man dann vielleicht neu bezeichnen müsste, ganz aufgegeben werden müsste.
Die Dreistufigkeit heißt ja: Eingangsgericht, oberes Landesgericht, Bundesgericht. Da man um Gottes willen wohl nicht auf die Idee kommen wird, in Sachsen-Anhalt alles in Naumburg zusammenzufassen,
würde die Endstruktur dann heißen: mehrere obere Gerichte, davon eines von mir aus in Naumburg, und im Übrigen darüber der BGH. Das ist die Konsequenz. Soweit sind wir noch nicht. Aber ich will insbesondere den Finanzminister darauf hinweisen: Dies ist der erste Schritt, wenn unsere Regierung nicht aufpasst.
Nun aber noch einige Bemerkungen zu nur drei Punkten aus dem Gesetzentwurf, weil ich wirklich glaube, dass dies die Bürger hart treffen wird.
Es wird behauptet: Wir machen die Gerichtsverfahren schneller. Dazu will ich nur aus einer Stellungnahme zitieren, die der Deutsche Anwaltsverein, ebenfalls nur zitierend, dem Bundesministerium vorgelegt hat. Es wird behauptet, die Zivilrechtspflege müsse insbesondere in der ersten und zweiten Instanz grundlegend reformiert werden, mit all diesen Folgen.
Tatsache ist allerdings: Bei den Amtsgerichten enden 93 % der Verfahren endgültig. Bei den Landgerichten enden 84 % der Verfahren endgültig. Und die Entscheidungen fallen im Zivilprozess in Deutschland und auch in unserem Land relativ schnell. Woher bei diesen Zahlen der Reformdruck kommen soll, diese Struktur zu ändern, ist niemandem ersichtlich, außer Frau Ministerin Schubert und der Bundesjustizministerin.
Der Deutsche Anwaltsverein, die Rechtsanwaltskammer, der Deutsche Richterbund und die Oberlandesgerichtspräsidenten haben der jetzt vorgesehenen Reform massiv widersprochen. Trotzdem wird sie angestrebt.
Was bedeutet das für den Bürger? Es wird gesagt: An den Amtsgerichten wird dafür besser ausermittelt. Meine Damen und Herren! Wer sich im Justizwesen etwas auskennt und weiß, dass das Quasi-Amtsermittlungsverfahren, das für die Amtsgerichte vorgesehen ist, etwas mehr dem angenähert wird, was bei den Verwaltungsgerichten läuft, der weiß auch, dass sich eine Gerichtsform durch besonders lange Verfahren auszeichnet; das ist die Verwaltungsgerichtssystematik.
Im Landtag gibt es ja nun einige Leute, die auch in der Kommunalpolitik tätig sind. Fragen Sie zu Hause einmal Ihren Bürgermeister, Ihren Verwaltungsleiter oder andere Leute, die mit solchen Sachen zu tun haben, wie lange diese sich gelegentlich bei Verwaltungsgerichten vergnügen.
Das heißt: Je mehr ich beim Amtsgericht das Amtsermittlungsprinzip - mit der Aufklärungspflicht des Richters, mit der Pflicht, Hinweise zu geben, und anderes mehr - einführe, umso länger werden die Verfahren, die dort jetzt zügig laufen, dauern. Der Bürger bekommt hier also Steine statt Brot.
Ein Weiteres muss man dazu sagen. Die Berufungsverfahren, die dann beim Oberlandesgericht gebündelt sein sollen, werden etwas weiter geöffnet. Bisher gibt es eine Streitwertgrenze von 1 500 DM, die auf 1 200 DM abgesenkt werden soll. Verfahren mit einem geringeren Streitwert - das war der gestrigen Diskussion zu entnehmen - sollen künftig im Wesentlichen auf die Schiedsgerichte verlagert werden. Nun ist das nicht der allergrößte Schritt, aber immerhin.