Protocol of the Session on October 12, 2000

- Sie suchen zurzeit noch einen Zeugen, ich weiß es doch. Gehen Sie zu Herrn Schönbohm, verwenden Sie ihn.

(Herr Sachse, SPD: Das passt gar nicht in sein Konzept!)

Kollege Schönbohm verfolgt mit seinen im Juli vorgelegten Leitlinien fast den gleichen Weg wie wir. Schauen Sie nach Brandenburg, meine Damen und Herren von der CDU, unterhalten Sie sich mit Herrn Schönbohm, lassen Sie sich, wenn Sie mir nicht glauben, dort beraten und legen Sie Ihre parteipolitisch motivierten Scheuklappen gegen die Kommunalreform in Sachsen-Anhalt ab.

(Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren! In unserem Land ist eine Entwicklung in Gang gekommen, deren Dynamik viele überrascht hat - zugegebenermaßen auch mich. Waren am Anfang noch überwiegend ablehnende oder skeptische Stimmen zu vernehmen, so können wir heute feststellen, dass meist nicht mehr das Ob, sondern im Wesentlichen nur noch das Wie der Kommunalreform diskutiert wird.

(Herr Gürth, CDU, lacht)

- Natürlich nur, wenn Sie nicht dabei sind.

Dies ist ein echter Fortschritt und dürfte auch mit der um sich greifenden Erkenntnis zusammenhängen, dass am Ende derjenige, der sich nicht selbst bewegt, die vielfältigen Gestaltungs-, Mitwirkungs- und Einflussmöglichkeiten für die zukünftige Entwicklung seiner Gemeinde oder seiner Stadt aufgibt.

(Herr Schulze, CDU: Untergebuttert wird!)

Das ist eine Erkenntnis, die fast alle kommunalpolitisch Interessierten und Aktiven gewonnen haben, die unterstützt wird von vielen Kommunalpolitikern vor Ort, gleich welcher politischen Couleur, eine Erkenntnis, die von den Spitzenverbänden mitgetragen wird.

(Herr Hoffmann, Magdeburg, SPD: Von vielen CDU-Bürgermeistern!)

Das ganze Land ist in Bewegung - mit einer Ausnahme: der Landes-CDU.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Jüngsten Pressemeldungen zufolge entpuppt sich ihre Führung als Totalverweigerer.

(Herr Hoffmann, Magdeburg, SPD: Traurig, trau- rig!)

Sie will oder kann mit einem monotonen Nein nahezu als Einzige im Lande die Notwendigkeit der kommunalen Gebietsreform nicht einsehen,

(Zurufe von Herrn Gürth, CDU, und von Herrn Schulze, CDU)

weil sie glaubt - so die „Mitteldeutsche Zeitung“ -, mit dieser Haltung Wahlen gewinnen zu können. Das ist eine Aussage von Herrn Becker.

(Herr Becker, CDU: Nein, wir machen es zum Wahlkampfthema!)

- Sie machen es zum Wahlkampfthema. Wenn es ein Wahlkampfthema ist, heißt das, sie wollen damit punkten.

(Herr Becker, CDU: Jawohl!)

Aber ich glaube, damit werden Sie keinen Erfolg haben.

(Herr Becker, CDU: Oh! Abwarten!)

Herr Kollege Becker, Ihr trotziger Schlachtruf in der „MZ“: Wir brauchen keine kommunale Gebietsreform, dokumentiert eine für mich nicht nachvollziehbare Einstellung einer Partei mit starker kommunaler Verwurzelung,

(Herr Gürth, CDU: Gerade darum! - Herr Schulze, CDU: Deshalb!)

die weder Ihnen noch unserem Land zum Nutzen gereichen wird.

(Zuruf von Herrn Becker, CDU)

Sie stehen an einem Bahnhof und kurbeln am StoppSignal, obwohl der Reformzug schon seit Wochen und Monaten voll besetzt - auch mit vielen wichtigen und kompetenten CDU-Kommunalpolitikern - abgefahren ist.

(Herr Gürth, CDU: Nein! - Zurufe von Frau Wer- nicke, CDU, und von Herrn Schulze, CDU)

Zeitweise hatte ich zumindest den Eindruck, dass Sie die Reiseroute des Reformzuges konstruktiv mitgestalten wollen, aber offensichtlich hat sich die Landes-CDU bereits an der Fahrkartenausgabe untereinander zerstritten, wohin sie eigentlich will und wer den Kurs bestimmt.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der SPD - Zu- stimmung von der Regierungsbank - Zurufe von der CDU)

Ich verstehe nicht, Herr Kollege Becker, warum Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen das verweigern wollen, was Sie selbst über Jahre hinweg betrieben haben.

(Herr Becker, CDU: Freiwillig! - Zuruf von der CDU: Wann denn?)

An der Entstehung des leitbildgerechten Burgenlandkreises waren Sie maßgeblich beteiligt. Ich kann einen alten Artikel heraussuchen, in dem Sie noch gejammert

haben, dass Sie nicht die fünf Kreise zusammenbekommen haben.

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

Sie haben Eingemeindungen vorgenommen.

(Herr Gürth, CDU: Das ist doch der beste Be- weis, dass wir es nicht brauchen!)

Sie haben keine Verwaltungsgemeinschaft nach dem Trägergemeindemodell gebildet. Nun aber sind große Kreise und starke Einheitsgemeinden Teufelswerk.

(Herr Gürth, CDU: Sehen Sie! - Weiterer Zuruf von der CDU: Wo denn?)

Warum gönnen Sie anderen nicht das, was Sie selbst gemacht haben? Warum dürfen andere Ihnen nicht nacheifern?

(Herr Gürth, CDU: Können sie doch! - Zurufe von Herrn Schulze, CDU, und von Herrn Becker, CDU)

Sie warnen vor dem kommunalen Einheitsbrei. Worin liegt denn Ihrer Meinung nach der Unterschied zu Ihrer Naumburger Wurstsuppe? Die Insider wissen, was damit gemeint ist.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der SPD)

Die gibt es wirklich. Das ist ein Knausermahl.

Meine Damen und Herren, ich möchte es Ihnen und mir ersparen, noch einmal dezidiert die zwingenden Gründe für eine Kommunalreform darzulegen. Das habe ich in den letzten Monaten mehrfach getan. Diese Gründe haben nach wie vor Gültigkeit und sie bestehen vergleichbar auch in anderen neuen Bundesländern.

Bei kaum einem anderen Thema gehen die Emotionen so hoch wie in Fragen der Kommunalstruktur, des bürgerschaftlichen Engagements, der Teilnahme an politischen Prozessen. Emotionale Bindungen und geschichtliche Erfahrungen sind direkt mit dem unmittelbaren Lebensumfeld der Gemeinde verbunden. Gerade das wollen wir auch fördern. Uns geht es nicht darum, Dörfer zu beseitigen oder gesichtslos zu machen oder den Menschen ihre Identität zu nehmen. Dörfer bleiben Dörfer und Städte bleiben Städte. Aber wir wollen und müssen leistungsstarke Verwaltungseinheiten auf kommunaler Ebene schaffen.

Herr Minister, würden Sie zwei Fragen beantworten?

Zum Ende, bitte. - In einer Vielzahl von Diskussionsrunden im Land, mit den Menschen vor Ort, konnte ich allerdings auch erfahren, dass vom Land inhaltliche Begleitmaßnahmen erwartet werden. Die handelnden Personen vor Ort benötigen einen Orientierungsrahmen und erwarten zu Recht Regelungen, die zur Flankierung einer derartigen Funktionalreform und Verwaltungsreform erforderlich sind. Dieser Erwartungshaltung werden wir heute, was die kommunale Ebene betrifft, mit der abschließenden Beratung des Ersten Vorschaltgesetzes zur Kommunalreform gerecht.

Ich freue mich, dass wir in diesem Hause nach zügiger und intensiver Beratung zum Abschluss eines ersten großen Schrittes zur Stärkung der Verwaltungskraft in unserem Lande gekommen sind. Mit dem heutigen Beschluss wird vom Gesetzgeber auch das weithin hörbare

Startsignal für eine umfassende Reform unseres Landes gegeben. Dafür danke ich allen an den Ausschussberatungen beteiligten Personen.