Meine Damen und Herren! Wie ich bereits eingangs erwähnte, wurde im Ältestenrat eine Dauer der Debatte von 180 Minuten festgelegt. Ich teile Ihnen die Reihenfolge der Redner der Fraktionen und die Redezeiten mit: CDU 44 Minuten, SPD 74 Minuten, PDS 39 Minuten, DVU-FL zwölf Minuten und FDVP elf Minuten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe in diesem Hohen Hause schon viele Haushaltsberatungen miterlebt. Diese steht unter einem besonderen Vorzeichen. In wenigen Tagen werden wir zum zehnten Mal den Tag der Deutschen Einheit feiern können. Vor fast zehn Jahren wurde das Land Sachsen-Anhalt wieder gegründet. In diesem Herbst jährt sich auch zum zehnten Mal der Tag der Konstituierung dieses Landtages.
Insofern möchte ich gern eine Bilanz der Wirtschafts- und Finanzentwicklung in den zurückliegenden zehn Jahren zum Ausgangspunkt der Beratungen machen. Ich kann mich dabei in der Tat in erster Linie auf die fünf Wirtschaftsforschungsinstitute beziehen, die von den Ministerpräsidenten der neuen Länder mit einer Analyse des Standes des Aufbaus Ost beauftragt wurden.
Herr Minister, wenn ich das sagen darf: Es spricht für Ihre Ignoranz gegenüber der Opposition, wenn Sie meinen, wir hätten uns mit diesen Analysen nicht beschäftigt.
Es hat eine Vielzahl von Beratungen auch mit dem Staatsminister in der Sächsischen Staatskanzlei Thomas de Maizière gegeben. Es charakterisiert Ihr Verhältnis zum Parlament, dass wir es vorgezogen haben, uns bei benachbarten Landesregierungen schlau zu machen, und uns nicht an unsere eigene gewandt haben. So viel zu diesem Thema.
Meine Damen und Herren! Die Wirtschaftsforschungsinstitute stellen einen beachtlichen Fortschritt beim Aufbau der neuen Bundesländer fest. Die Infrastrukturausstattung, die ursprünglich 40 % des Westniveaus betrug, ist auf über 60 % angehoben worden. Die Wirtschaftskraft, das Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner, hat sich von 30 % vor zehn Jahren auf fast 60 % erhöht. Nach dem Auslaufen der Förderinstrumente des Solidarpaktes I können wir in einigen Bereichen, insbesondere bei der Sozialinfrastruktur, den Krankenhäusern, den Kindertagesstätten und den Altenheimen, eine annähernd 100-prozentige Angleichung an das Westniveau erwarten.
Demgegenüber - das darf nicht verschwiegen werden - bleiben erhebliche Rückstände in den produktivitätsorientierten Infrastrukturbereichen und bei der Finanzkraft der Gebietskörperschaften.
Insofern, Herr Minister, ist Ihre Nachricht - wenn sie sich als tragfähig erweist, die Verhandlungen sind ja noch nicht abgeschlossen -, dass auch nach 2005 auf demselben Niveau wie heute Transferleistungen erbracht werden sollen, eine durchaus beruhigende Botschaft.
Diese kurz skizzierte Bilanz sollte uns insbesondere in diesem Jahr Grund genug sein, in dieser Haushaltsberatung mit Anerkennung und Respekt auf die Aufbau- und Veränderungsleistungen der Menschen unseres Landes zu verweisen und für die finanzielle Unterstützung des Westens in all diesen Jahren zu danken.
Seit 1990 sind Jahr für Jahr 4,5 % des Bruttoinlandsprodukts in die neuen Bundesländer geflossen und haben geholfen, vieles zustande zu bringen, was wir früher nie geglaubt hätten schaffen zu können. Dafür sind wir dankbar.
Bei dieser Bilanz möchte ich allerdings nicht stehen bleiben. Ich möchte heute die Frage stellen, wie die Landespolitik Sachsen-Anhalts mit den Chancen und Möglichkeiten der zurückliegenden zehn Jahre umgegangen ist. Dafür bieten dieser Haushalt und die Haushaltsentwicklung aufschlussreiche Ansatzpunkte.
Wir können die Jahre 1990 bis 1994 sehr gut von den danach folgenden sechs Jahren unterscheiden. Herr Minister, wenn Sie auf die höhere Verschuldungsrate verweisen, dann muss ich Ihnen sagen, dass sich Sachsen-Anhalt in den ersten Jahren im Durchschnitt der Verschuldungsrate der neuen Bundesländer bewegte. Diese war allerdings höher als jetzt, weil wir das Finanzierungsinstrument des Fonds „Deutsche Einheit“ hatten und noch nicht das föderale Konsolidierungsprogramm, welches ein ganz anderes Finanzierungsniveau begründete.
Insofern machen Sie uns allen etwas vor, wenn Sie von der niedrigsten Verschuldungsrate seit dem Bestehen des Landes reden, und damit suggerieren, dass beson
Nein, die Aussage muss anders lauten: In den ersten vier Jahren hatten wir - bei einer zugegebenermaßen hohen Arbeitslosenquote und hohen arbeitsmarktpolitischen Leistungen - ein Wirtschaftswachstum, das einen europäischen Spitzenwert erreichte. Davon können wir seitdem nur träumen.
Wenn wir die Verschuldungsrate betrachten, so müssen wir feststellen, dass Sachsen-Anhalt in den letzten sechs Jahren einen stärkeren Schuldenanstieg zu verzeichnen hatte als alle anderen neuen Bundesländer. Auch das gehört zu der Bilanz.
Wenn wir - das haben wir neulich in der Enquetekommission „Zukunftsfähiges Sachsen-Anhalt“ getan, denn es ist eine Frage der Zukunftsfähigkeit - das Verhältnis von Schulden zu Bruttoinlandsprodukt berechnen, die so genannte Schuldenquote, so müssen wir im Jahr 2000 eine bestürzende Feststellung treffen: Sachsen-Anhalt hat mit Abstand die höchste Schuldenquote aller Bundesländer. Im Haushalt 2000 liegt die Schuldenquote bei 35 %. Das ist weit über dem Durchschnitt der alten Länder - dort liegt sie bei 14 % -, aber auch weit über dem Durchschnitt der neuen Bundesländer - dort liegt sie bei 24 %.
Anders ausgedrückt: Seit der Regierungsübernahme von Reinhard Höppner ist die Schere zwischen Schuldenzuwachs und wirtschaftlichem Leistungswachstum immer weiter auseinander gegangen. Das sagen die nüchternen Zahlen.
Anders ausgedrückt: Sachsen-Anhalt hat Schulden gemacht, ohne damit einen äquivalenten Produktivitätszuwachs zu erreichen. Es muss uns also nicht wun- dern, wenn wir bei den meisten wirtschaftlichen Kennziffern die rote Laterne haben: höchste Arbeitslosigkeit, höchste Bevölkerungsabwanderung, unterdurchschnittliches Wachstum, niedrigste Investitions- und Exportquote, geringe Unternehmensaktivität, ausgedrückt in Selbständigenquote und Gewerbebilanz, und anderes mehr.
Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, Herr Finanzminister, alle diese Indikatoren sind unwiderlegbar und sie sagen deutlich: Ihre Regierung hat die letzten sechs Jahre schlechter genutzt als die Landesregierungen anderer neuer Bundesländer.
Wenn Sie uns den Vorwurf machen, wir würden damit das Land schlechtreden, so finde ich diesen Vorwurf merkwürdig. Es geht uns gerade darum nachzuweisen, dass unser Land eigentlich eine bessere Politik verdient hat; denn es hat große Chancen.
Es geht uns darum nachzuweisen, dass die rote Laterne nicht das Land Sachsen-Anhalt und schon gar nicht die Menschen in diesem Land tragen, sondern diese Landesregierung. Das ist der Punkt!
Damit bin ich beim Haushalt 2001. Der Haushalt 2001 bringt aus unserer Sicht keine Trendwende, die doch
dringend erforderlich wäre. Er ist vielmehr die Folge einer Entwicklung, die - das müssen wir inzwischen auch zugeben - nur unter großen und konzentrierten Kraftanstrengungen umkehrbar ist.
Seit Minister Gerhards sich bei der Rückführung der Nettokreditaufnahme Etappenziele stellt, verfehlt er sie. Und wenn dieser Haushalt eine Überschrift bekommen soll, so müssen wir ihn auch den „Haushalt der nicht erreichten Ziele“ nennen.
Dabei denke ich nicht nur an die 300 Millionen DM, die Sie nicht erreicht haben, sondern auch an die 150 Millionen DM, die Sie zu erreichen vorgeben und die doch wie Schnee in der Sonne zerschmelzen, wenn wir daran denken, dass über den Förderfonds weitere 35,8 Millionen DM Schulden neu aufgenommen werden, dass 106 Millionen DM aus der allgemeinen Rücklage, die selbst natürlich kreditfinanziert ist, also keine Rücklage darstellt, entnommen werden, dass weitere 25 Millio- nen DM aus dem Grundfonds kommen. Dies alles zusammengerechnet macht die 150 Millionen DM, auf die Sie sich so berufen, nicht unbedingt zu einer stolzen Meldung.
Die Wahrheit ist, meine Damen und Herren: Der Schuldenabbau in Sachsen-Anhalt stagniert. Dies wird umso dramatischer, wenn wir uns die Schuldenquote betrachten; denn das Missverhältnis zwischen Schulden und Leistung steigt gewissermaßen gesetzmäßig weiter. Nach unseren Berechnungen müssten wir im vorliegenden Haushalt ca. 500 Millionen DM weniger Ausgaben bzw. mehr Einnahmen haben, um die Schuldenquote wenigstens konstant zu halten.
Dass dies eine illusorische Zahl ist, brauche ich nicht zu sagen. Ich erwähne sie trotzdem, weil man in betriebswirtschaftlichen Kategorien sagen muss: Unsere Verschuldung steigt gesetzmäßig stärker als der Umsatz. Zitat: „Wenn wir Sachsen-Anhalt als Unternehmen begreifen würden, müssten wir Konkurs anmelden.“
Um die erdrückende Schuldenlast zu verdeutlichen, will ich darauf hinweisen, dass wir, wenn wir die Pro-KopfVerschuldung des Freistaates Sachsen hätten, 900 Millionen DM weniger Zinsen zahlen müssten. Das ist doch eine erstaunliche Zahl.
Die Bemühungen des Finanzministers um Haushaltskonsolidierung sind nach wie vor ein Kampf gegen Windmühlenflügel, und sie werden so lange ein Kampf gegen Windmühlenflügel bleiben, solange nicht strukturelle Entscheidungen insbesondere im Personalbereich realisiert werden. Doch dazu später mehr.
Angesichts der verfahrenen Haushaltslage wird eine Diskussion spätestens dann aufflammen, wenn die PDS ans Rednerpult tritt, und das ist die Bewertung der Steuerreform und der damit verbundenen Einnahmeausfälle für das Land. Die PDS sieht, wenn ich die Verlautbarungen richtig lese, in dieser Steuerreform mit den damit verbundenen Einnahmeausfällen die Ursache aller Haushaltsübel.
Diese Haltung ist nicht überraschend für die Partei des Demokratischen Sozialismus, die auf Staatsleistung auch und gerade bei der Lösung von Wirtschafts- und Arbeitsmarktproblemen setzt. Für die PDS ist die Höhe der staatlichen Umverteilung nach wie vor ein Maß für soziale Gerechtigkeit.
Uns ist klar: Je mehr nationales Einkommen, je mehr Volkseinkommen im Wettbewerb und unter den Regularien des Marktes verteilt werden kann, desto größer wird die Wirtschaftsbelebung und damit die Belebung auf dem Arbeitsmarkt sein.
Anders ausgedrückt: Je mehr Geld wir in die Verantwortung von Bürgern und Unternehmen zurückgeben können, umso mehr an Teilhabegerechtigkeit können wir über Wirtschaftsbelebung und Arbeitsmarktbelebung erwarten. Deshalb beklagen wir die Einnahmeausfälle durch die Steuerreform nicht, wir beklagen aber, dass die gegenwärtige Steuerreform vor allem großen Kapitalgesellschaften Vorteile bringt und den für unser Land so unentbehrlichen Mittelstand sowie das Handwerk benachteiligt. Dies ist ein ausgesprochener Webfehler dieser Steuerreform.