Protocol of the Session on June 22, 2000

(Beifall im ganzen Hause)

Frau Wiechmann, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts der letzten Ereignisse und der äußerst angespannten Sicherheitslage kann es nur verwundern, daß der von der Quasi-Koalition dominierte Ausschuß sich weigert, dem Polizeivollzugsdienst die rechtlichen Möglichkeiten zu eröffnen, genau die Möglichkeiten zu eröffnen, die geboten erscheinen, um einer nachhaltigen Gefahrenabwehr entsprechen zu können.

Erinnern wir uns: Die sogenannte Antiterrorgesetzgebung in den 70er Jahren setzte erst dann ein, als Politiker höchstselbst betroffen waren. Die ermordeten Polizeibeamten sind vergessen, die Täter frei. Die Hinterbliebenen wurden verhöhnt.

Politiker sind heute nicht betroffen. Betroffen sind die Polizeibeamten und die Bürger. Man hat soeben drei Polizeibeamte ermordet, in diesem Staat, den sie verteidigen und schützen wollten und der so lange zuließ, daß Moralbegriffe unseres Lebens erst umgestoßen und dann zerstört wurden, und der es auch zuließ, daß langsam, aber stetig ein rechtsfreier Raum geschaffen wurde für Verbrecher, aber auch für die ihnen Deckung schaffenden realen rechtlichen Gegebenheiten, die sich schlichtweg irgendwann entschieden hatten, Gesetze unseres Staates nicht mehr zu beachten.

Jetzt, meine Damen und Herren, da drei Polizeibeamte in Nordrhein-Westfalen ermordet worden sind, sind alle ziemlich bestürzt, jedenfalls mehr oder weniger, entsetzt, betroffen, von Trauer übermannt, erschrocken. Alle ringen sie um Worte, die ihren Seelenzustand noch nachdrücklicher beschreiben könnten. Bestürzt sind auch diejenigen, die über Jahre hinweg kein gutes Wort für unsere Polizeibeamten, sondern nur Schimpf und Schelte für sie übrig hatten, sowie manche Rundfunkanstalten und Regionalprogramme, deren Berichte über die Polizei und die Polizeieinsätze sich stets wie die Hofberichterstattung aus dem Lager der Rechtsbrecher anhörten.

Dabei erwarten unsere Polizeibeamten doch eigentlich nur rechtliche und auch tatsächliche Fairneß - nicht

mehr und nicht weniger - und Loyalität nach unten. Der Begriff der Loyalität ist im Duden erläutert mit Treue gegenüber der herrschenden Gewalt, der Regierung, dem Vorgesetzen. Dann steht Loyalität aber auch noch für Achtung vor den Interessen anderer, für Anständigkeit und für Redlichkeit.

Meine Damen und Herren! Ist es aber loyal gegenüber den im Einsatz befindlichen Polizeibeamten, jahrelang nichts zu tun? Ist es loyal, wenn man Polizeibeamte vorschickt, um politische Probleme zu lösen? Ist es loyal gegenüber den mitbetroffenen Bürgern, die ihre grundgesetzlich garantierten Rechte ausüben, wenn der Staat zuschaut, wie einige wenige ihre Interessen in erheblichem Maße mißbrauchen? Ist es schließlich loyal, wenn sich die Vertreter des Volkes weigern, der geschundenen Exekutive wenigstens die rechtlichen Mittel an die Hand zu geben, um noch bestehen zu können?

Spätestens jetzt, meine Damen und Herren, müßte Ihnen allen doch klar sein, worum es hier geht und worum es hier nicht geht. Ihre Weigerung, meine Damen und Herren, das SOG inhaltlich an die Regelungen anderer Bundesländer anzugleichen, hat unseres Erachtens Methode. Verletzte Personen, ermordete Polizeibeamte, beschädigte und umgeworfene Polizeiautos, Barrikaden, eingeschlagene Schaufenster, Steinwürfe auf Polizeibeamte, Plünderungen usw. haben offensichtlich Vorrang vor dem Schutzbedürfnis des Bürgers. Meine Damen und Herren, Sie praktizieren eine besondere Art des Grundsatzes „in dubio pro libertate“.

Unsere Fraktion wird sich diesen Vorgaben nicht anschließen. Sie lehnt auch die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Inneres ab; denn diese Empfehlungen gehen inhaltlich kaum über das hinaus, was gegenwärtig ohnehin Rechtslage ist. Ich greife die Worte von Herrn Rothe auf, der gesagt hat, es sei der liberalste Gesetzentwurf aller Bundesländer.

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag. - Danke schön.

(Beifall bei der FDVP)

Danke sehr. - Die Debatte wird beendet mit dem Beitrag von Herrn Becker. Bitte, Herr Becker.

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Es ist in der letzten Zeit in der Tat nicht häufig vorgekommen, daß dem Hohen Haus eine gemeinsam von CDU und SPD getragene Beschlußempfehlung vorliegt.

Ich möchte klarstellen: Es geht uns, der CDU, nicht um Stützung oder Gefährdung des Magdeburger Modells - ich weiß sowieso nicht, wo das Modell eigent- lich noch zu erkennen ist -, sondern es geht uns ein- zig und allein um die Verbesserung der inneren Sicherheit.

(Zustimmung bei der CDU, bei der DVU-FL und von Herrn Miksch, fraktionslos)

Das muß klargestellt werden. Das sage ich auch an Ihre Adresse, Herr Gallert, da Sie heute Geburtstag haben. Sie brauchen keine Angst zu haben. Uns geht es nicht darum, einen Zipfel der Macht zu ergreifen, sondern uns geht es darum, unseren Weg geradlinig durchzuziehen,

der da heißt: Schutz der Öffentlichkeit vor Rechts- brechern dort, wo er nötig ist.

(Lebhafter Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der DVU-FL, von Herrn Wiechmann, FDVP, und von Herrn Miksch, fraktionslos - Herr Gallert, PDS: Dazu kenne ich Sie zu gut, Herr Becker!)

Leider, Herr Gallert, ist die parlamentarische Diskussion in der letzten Zeit sehr emotionsbelastet und nicht hinreichend sachorientiert gewesen, sonst wären wir in dieser Sache, was den Schutz der Bevölkerung anlangt, weitergekommen.

Ich darf in die Erinnerung des Hohen Hauses rufen, wir hatten bereits im Jahre 1998 einen Gesetzentwurf eingebracht, der, wie die Anhörung im Mai dieses Jahres bestätigt hat, genau auf der richtigen Linie lag und genau das gebracht hätte, was dieses Land braucht.

(Zustimmung bei der CDU)

Leider Gottes konnten sich die Damen und Herren der SPD aus ihren Verquickungen, ihren Strängen und ihren Seilen nicht lösen, die sie nach links ziehen.

(Heiterkeit bei der CDU - Zuruf von der PDS: Und Sie wollen sie nach rechts ziehen!)

Leider Gottes haben wir deshalb - - Nein, in die Mitte. Wir sind die Partei der Mitte. Sie sind immer auf der Linken. In der Mitte ist unser Platz, übrigens auch von vielen SPD-Leuten.

(Zustimmung bei der CDU - Ach! und Unruhe bei der PDS - Frau Bull, PDS, winkt ab)

Leider Gottes konnten Sie sich dazu nicht durchringen.

Ich bin ganz froh, daß die PDS den Antrag auf namentliche Abstimmung gestellt hat. Den hätte ich nämlich auch gestellt. Wir werden im übrigen zu drei Punkten weitergehende Anträge stellen.

Ich muß Sie von der SPD fragen: Warum haben Sie eigentlich so wenig Vertrauen zu unserem Innenminister? Glauben Sie, daß er nicht mit dem Recht umgehen könnte, das wir im Grunde genommen - und er wollte es ursprünglich auch - in den einzelnen Punkten unseren Polizeibeamten geben wollten?

Dann muß ich Sie noch einmal fragen: Was haben Sie denn für ein tiefsitzendes Mißtrauen gegenüber unseren Polizeibeamten? Das ist doch nicht mehr die Volkspolizei von einst. Die sind doch längst in der Demokratie angekommen. Denen können wir doch diese Möglichkeiten und Mittel einräumen.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Frau Ha- jek, SPD, bei der FDVP und von Herrn Miksch, fraktionslos)

Deshalb werden wir diese drei Anträge stellen.

Lassen Sie mich etwas zu unseren Änderungsanträgen sagen, meine Damen und Herren. Was die Schleierfahndung anlangt, so hat mir gerade ein Kollege gesagt: Weißt du, wozu der Antrag der SPD zur Beschränkung auf Bundesfernstraßen führt? Er wird dazu führen, daß die Autobahnen leer sein werden, daß alle auf die Landstraßen ausweichen werden, und zwar auf die, Herr Rothe, die Sie genannt haben, von Freyburg bis Naumburg.

(Heiterkeit bei der CDU, bei der SPD und bei der PDS)

Dann drängen Sie die Kriminalität an den Rand, dorthin, wo wir sie erst recht nicht haben wollen. Das ist doch unser Problem.

(Beifall bei der CDU)

Herr Rothe, Sie müssen noch vieles hinzulernen.

(Frau Budde, SPD: Das kommt mir vor wie meine Kassette vom Räuber Hotzenplotz!)

Im übrigen, Herr Rothe, muß ich Ihnen sagen, was soll denn diese Befragerei: Wie heißen Sie? Wenn er nicht sagt, wie er heißt, dann fährt er weiter und die Polizei sagt: Aha. - Die Identität muß man doch feststellen. Warum bleiben wir auf halbem Wege stehen? Deshalb unser Antrag.

(Unruhe bei der PDS)

Herr Abgeordneter, könnten Sie einmal innehalten?

Jawohl, Herr Präsident.

Möchten Sie eine Frage des Abgeordneten Herrn Fikentscher zulassen?

Weil es der Herr Fraktionsvorsitzende ist. Bitte schön, Herr Fikentscher, auch wenn das von meiner Zeit abgeht.

Herr Kollege Becker, nur zu meinem Verständnis, weil Sie gesagt haben, die Autobahnen würden leer sein. Meinen Sie, daß jetzt nur Gangster auf der Autobahn sind? Ich sehe da immer ganz viele Leute.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Herr Fikentscher, Ihre spaßige Frage lege ich zu den Akten. Haben Sie dafür bitte Verständnis.

(Heiterkeit bei der CDU - Lachen bei der PDS)

Zweitens. Die Videoüberwachung. Meine Damen, meine Herren! Was macht denn das für einen Sinn, wenn wir lediglich einmal kurzfristig aufzeichnen? Das gibt doch keinen Sinn. Es wurde uns selbst vom Inspekteur der Polizei dieses Landes gesagt, daß man die Flüchtigkeit der Informationsgewinnung nicht händeln könnte, sondern daß man eine Aufzeichnung vorübergehender Art braucht, um solche Vorgänge nachzuvollziehen.

(Zustimmung von Herrn Dr. Bergner, CDU)