Protocol of the Session on June 22, 2000

In der 26. Sitzung des Innenausschusses am 16. Februar 2000 - dies war vor der Überweisung des Gesetzentwurfs der Landesregierung - beschloß der Ausschuß mit 10 : 3 : 0 Stimmen, am 31. Mai 2000 eine Anhörung zu den bis dahin vorliegenden Gesetzentwürfen sowie zu dem CDU-Antrag zur Videoüberwachung durchzuführen. Am 31. Mai 2000 fand dann in der 31. Sitzung des Innenausschusses diese Anhörung von Experten, Sachverständigen und Gewerkschaftsvertretern statt.

In einer weiteren Sitzung des Innenausschusses am 9. Juni 2000 wurde eine Beschlußempfehlung erarbeitet. Beratungsgrundlage für diese Beschlußempfehlung war der Gesetzentwurf der Landesregierung. Materielle Änderungen an der vorläufigen Beschlußempfehlung nahm der Innenausschuß dann am 9. Juni 2000 im Hinblick auf folgende Paragraphen vor:

In § 16 SOG entfällt die Tonaufnahme an gefährlichen Orten.

In § 17 Abs. 6 SOG kann aufgrund der Verabschiedung des Strafverfahrensänderungsgesetzes 1999 auf die Befugnis, mittels sogenannter Personenschutzsender gewonnene Daten zum Zwecke der Strafverfolgung zu verwerten, verzichtet werden.

In § 23 a SOG werden die Notrufaufzeichnungs- sowie die Anrufaufzeichnungsbefugnisse auf die Polizei beschränkt.

In § 83 SOG wird die Regelung zu Hilfs- und Duldungspflichten bei Bränden, Unglücksfällen oder Notständen gestrichen, weil das Brandschutzgesetz hierzu bereits eine Regelung enthält.

Die Abstimmung über den geänderten Gesamtentwurf zur Novellierung des SOG erfolgte dann mit 9 : 2 : 0 Stimmen.

Der Innenausschuß geht davon aus, daß sich die Drs. 3/433 neu sowie 3/477 mit der Annahme der heute vorliegenden Beschlußempfehlung durch den Landtag erledigt haben werden. Das gleiche gilt für den Antrag der CDU-Fraktion in der Drs. 3/2160, da die Videoüberwachung an gefährlichen Orten in die Beschlußempfehlung Eingang gefunden hat.

Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Inneres empfiehlt Ihnen die Annahme der vorliegenden Beschlußempfehlung.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Danke sehr. - In der folgenden Debatte müßte die Landesregierung jetzt durch Innenminister Püchel vertreten sein. Bitte sehr, Herr Dr. Püchel.

Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der heutigen Beratung und Abstimmung zum Polizeigesetz wird ein Diskussionsprozeß abgeschlossen, der Politik, Öffentlichkeit und Medien über Monate hinweg beschäftigt hat. Ich danke all denen, die mir in den letzten Monaten den Rücken gestärkt und mich unterstützt haben.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Es war zu erwarten gewesen, daß es zu einer so sensiblen Materie sehr unterschiedliche Auffassungen geben würde. Dementsprechend waren auch die Reaktionen. Um so mehr bin ich mit dem heutigen Ergebnis zufrieden.

Zu Beginn noch einen Satz an die Naturschützer und Gartenfreunde zu meiner Kettensägenaktion. Den sechs gefällten Bäumen in meinem Garten stehen 17 neu gepflanzte Bäume und Sträucher gegenüber.

(Beifall bei der SPD)

Fast alle gefällten Bäume waren alt oder krank. Ich wäre also auch SOG-diskussionsungeschädigt in den Garten gegangen und hätte diese Bäume fällen müssen.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Aber so war der Mumm größer!)

- Die Wut vielleicht. - Alle Äste wurden übrigens geschreddert und zum Mulchen der neuen Bäume und Sträucher verwendet. Es wurde also nichts verbrannt.

Meine Damen und Herren! Nach meinem kurzen Exkurs in Püchels Gartenreich komme ich nun zu der vorliegenden Beschlußempfehlung.

Der Innenausschuß hat in nur knapp sechs Wochen den für die innere Sicherheit unseres Landes wichtigen Gesetzentwurf zur Änderung des SOG beraten und zur Entscheidungsreife gebracht. Ich möchte daher zunächst an dieser Stelle den Mitgliedern des Innenausschusses für die zügige, aber gleichwohl gründliche und auch konstruktive Beratung danken. Wenn auch bei kontroversen Auffassungen in Einzelfragen, hat sich im Landtag doch eine Mehrheit aus SPD und CDU gefunden, die dem erkannten Handlungsbedarf gerecht wird und zu einer Gesetzesänderung bereit ist, um die innere

Sicherheit im Lande zu erhöhen und den Schutz unserer Bürgerinnen und Bürger zu verbessern.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Da in den letzten Monaten die Änderung des Polizeigesetzes in aller Ausführlichkeit diskutiert worden ist, so gründlich wie vielleicht nur wenige andere Gesetze zuvor, brauche ich nicht noch einmal auf die Einzelheiten des Gesetzentwurfes und die Ergebnisse der Beratung im Ausschuß einzugehen, zumal dies auch schon durch den Berichterstatter geschehen ist. Vielmehr möchte ich an dieser Stelle noch einmal feststellen, daß sowohl die Beratung im Innenausschuß als auch die durchgeführte Anhörung bestätigt haben, daß die Landesregierung mit ihrem Gesetzentwurf einen goldenen Mittelweg verfolgt hat.

Zum einen erhält die Polizei zeitgemäßes und praxisgerechtes Handwerkszeug, also Befugnisse für ein effektives, aber vor allem auch rechtsicheres polizeiliches Handeln; zum anderen stehen die damit verbundenen Eingriffe in die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger in einem ausgewogenen und maßvollen Verhältnis zu den angestrebten polizeilichen Zielen.

Den datenschutzrechtlichen und verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den Entwurf wurde weitgehend Rechnung getragen. Diesen Mittelweg dokumentiert auch der Beratungsverlauf im Ausschuß, in dem sich zwei konträre Meinungen gegenüberstanden. Die eine Seite hielt die geplanten Befugnisse für nicht ausreichend und forderte weitergehende Kompetenzen; die andere Seite sah bereits in den vorgesehenen Befugnissen zu weitgehende Eingriffe in die grundrechtlich geschützten Freiheitsrechte der Bürger.

Als bezeichnend habe ich den Bericht empfunden, der mir über die Ausschußanhörung gegeben wurde. Der von der CDU geladene Polizeiinspektor aus BadenWürttemberg zeigte danach kein Verständnis für die vorgesehenen gesetzlichen Beschränkungen der Höchstfristen bei Platzverweisen. Ich habe demgegenüber auch in der Diskussion, bei der ich auf der Seite der Befürworter gestanden habe, kein Problem damit, gerade diese Befristung als maßvoll zu vertreten. Zu oft bin ich in diesem Zusammenhang kritisch auf die BerlinVerbote aus DDR-Zeiten angesprochen worden und wollte diese böse Assoziation mittels eindeutiger Befristung und dem eindeutigen Bezug zu gefährlichen Straftaten ausgeräumt wissen.

Der von der PDS geladene Hochschullehrer begann dagegen seine Kritik zu Straßenkontrollen mit einem Beispiel aus dem Jahre 1969 in Prag, wo er selbst von einer Kontrolle betroffen gewesen sei.

Meine Damen und Herren! Wer solche Beispiele pflegt, in denen unsere Polizei mit dem Willkürapparat in der CSSR nach der Niederschlagung des Prager Frühlings verglichen wird, der muß sich den Vorwurf der Polarisierung und Polemik gefallen lassen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU - Frau Bull, PDS: Das ist kein Vergleich! Das ist ein Unter- schied!)

Ich kann es nur wiederholen: Ich habe den Mittelweg vertreten, um einerseits notwendige rechtliche Instrumentarien für die Polizei zu schaffen und andererseits die Gefahr abzuwehren

(Zuruf von der PDS: Wo waren Sie denn?)

- wir hatten eine Klausurtagung der Landesregierung -, daß unsere dem demokratischen Rechtsstaat verpflichtete Polizei zu Unrecht in eine Ecke mit traurigen historischen Vorbildern gestellt wird, in die sie nicht hinein- gehört.

Lassen Sie mich eine weitere Aussage zur heiß diskutierten Videoüberwachung machen. Auf kritische Nachfrage zur Überwachung des Platzes vor dem Leipziger Hauptbahnhof erwähnte der dortige Polizeipräsident folgendes:

„Während über zwei Kameras der Polizei vor dem Bahnhof gestritten wird, hat die Bundesbahn im Inneren des neugestalteten Bahnhofs über 100 Überwachungskameras installiert.“

(Herr Dr. Daehre, CDU, lacht)

„Nennenswerte öffentliche Beachtung hat dies jedoch im Unterschied dazu nicht gefunden.“

Dieses Mißverhältnis sollte den Kritikern der Videoüberwachung zu denken geben.

Meine Damen und Herren! Uns liegt heute eine Beschlußempfehlung vor, die sich am Gesetzentwurf der Landesregierung orientiert und in einigen Punkten die Hinweise aus der Anhörung aufgenommen hat. Gewinner des parlamentarischen Ringens war und ist in jedem Fall die innere Sicherheit im Land Sachsen-Anhalt im Interesse unserer Bürgerinnen und Bürger.

(Zustimmung bei der CDU)

Die sachliche und konstruktive Diskussion in den Ausschußberatungen hat sich wohltuend von den zum Teil irrationalen Diskussionen im Vorfeld der parlamentarischen Beratung zum SOG abgehoben, in denen von den Kritikern mit zum Teil weit übertriebenen und verzerrenden Darstellungen von polizeilichem Handeln infolge der Gesetzesänderung argumentiert worden ist. Wahre Horrorszenarien von einer Totalüberwachung der Gesellschaft wurden aufgebaut, die niemals Absicht und Inhalt der vorgeschlagenen Gesetzesänderung gewesen sind. Adressat der Regelungen war und ist auch nicht der unbescholtene Bürger, sondern derjenige, der Straftaten begeht oder begehen will.

Das haben auch die Bürgerinnen und Bürger im Land Sachsen-Anhalt verstanden. Bei einer repräsentativen Umfrage im Auftrag der „MZ“ ermittelte das Leipziger Institut für Marktforschung zwischen 65 und 90 % Zustimmung für die maßvollen Vorschläge zur SOG-Änderung. Selbst bei den Anhängern und Wählern der PDS lag die Zustimmung je nach Vorschlag zwischen 53 und 91 %, 70 % waren es bei der Videoüberwachung.

Meine Damen und Herren! Ich respektiere die Ängste einzelner gegenüber der einen oder anderen Bestimmung des Gesetzes, wie zum Beispiel zur Videoüberwachung, und nehme sie ernst. Sie beruhen zum Teil auf der persönlichen Biographie in Gestalt schlimmer Erfahrungen mit dem Überwachungsstaat DDR. Gleichwohl sage ich diesen Menschen aber auch, daß sie nunmehr dank der friedlichen Revolution von 1989 in einem demokratischen Rechtsstaat leben, in dem sich die Polizei auf rechtsstaatlicher Grundlage bewegt und in dem sich polizeiliche Maßnahmen gegebenenfalls einer rechtsstaatlichen und richterlichen Kontrolle auf Antrag betroffener Bürger unterziehen lassen müssen.

Gerade die seit zehn Jahren verfassungsrechtlich verbürgte und praktizierte Garantie des Rechtsstaates, die jedem Bürger und jeder Bürgerin eine unabhängige

Kontrolle staatlichen Handelns ermöglicht, stellt einen weiteren Schutz der Grundrechte dar, der zusätzlich zu den im vorliegenden Gesetz bereits eingebauten Schranken besteht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eines sollte nicht vergessen werden: Effektiver Schutz vor Straftaten bedeutet auch effektiven Grundrechtsschutz für die Bürgerinnen und Bürger.

Vor diesem Hintergrund ist es im Vorfeld der parlamentarischen Beratung des Gesetzentwurfes beinahe schon verantwortungslos gewesen, mit verzerrten Diskussionen polarisierend eventuell vorhandene Ängste und Befürchtungen bei den Bürgerinnen und Bürgern zu schüren

(Zustimmung von Herrn Dr. Bergner, CDU)

oder erst aufzubauen, die jeglicher Grundlage entbehren. Die PDS hat sogar eine Postkartenaktion unter dem Motto „Nein zum Überwachungsstaat“ gestartet.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Gerade die! - Heiterkeit bei der CDU)

Sie haben mich hiermit wirklich empfindlich getroffen, vor allen Dingen damit: Wenn ich eines nicht leiden kann, dann daß man meinen Namen „Püchel“ mit s schreibt.