Protocol of the Session on June 22, 2000

Aber ich weiß schon, was die PDS im Vorder- und Hinterkopf hat. Da stehen mehrere hundert Millionen Mark. Sie redeten von 300, 400 Millionen DM. Wir und der Finanzminister reden zum Teil von wesentlich größeren Summen.

Diese Tatsache bringt auch unsere Fraktion in Konflikte. Die Landesregierung, die sich gerade im Haushaltsaufstellungsverfahren befindet, muß diese Summen nach den jetzigen Gegebenheiten in irgendeiner Weise gegenfinanzieren. Das wird nicht ohne schmerzhafte

Einschnitte möglich sein. Darüber werden wir im September bei der Einbringung des Haushalts noch intensiv zu reden haben.

Für uns als regierungstragende Fraktion sowohl im Bund als auch im Land kann es deshalb nur einen Kompromiß, eine Lastenverteilung geben. Die berechtigten Interessen des Landes werden von der Landesregierung im Vermittlungsausschuß - das hat der Finanzminister deutlich gemacht - entsprechend den jeweiligen Bedingungen zu vertreten versucht und auch deutlich vertreten. Dabei können niemals maximale Einzelforderungen durchgesetzt, sondern es kann immer nur der gesamte Kontext gesehen werden. Darauf vertrauen wir. Wir müssen diesen Antrag ablehnen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Ich bitte um Entschuldigung. Ich habe eben nicht auf die Zeit geachtet. Ich werde den Kollegen, die nach Herrn Dr. Rehhahn sprechen, selbstverständlich einen Zeitzuschlag geben. Ich habe nicht beachtet, daß er weit außerhalb der Redezeit lag.

Die DVU-FL-Fraktion verzichtet auf einen Redebeitrag. Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Professor Dr. Böhmer.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es kommt im deutschen Parlamentarismus nicht häufig vor, daß eine Bundesregierung, die einen Gesetzentwurf beschlossen und ihn mit ihrer Mehr- heit durch den Bundestag gebracht hat, dann, wenn sie mit ihm im Bundesrat erscheint, erleben muß, daß alle 16 Bundesländer ihn in den Vermittlungsausschuß schicken. Wir haben es auch schon einmal erlebt, daß niemand zugestimmt hat, nämlich beim Gesundheitsreformgesetz der Frau Fischer.

Auch dieses mal war das Gesetz im Vorfeld so wenig abgestimmt, daß kein Bundesland ihm zustimmen konnte. Die Gründe für die Überweisung in den Vermittlungsausschuß aber waren wieder so unterschiedlich, daß dort jetzt mühsam ein Konsens gesucht wird.

Wir sind uns darin einig, daß Deutschland eine Steuerreform, ein Steuerentlastungsgesetz braucht. Wir sind uns - wenn ich Sie, Herr Kollege Rehhahn, richtig verstanden habe - auch darin einig, daß eine Absenkung der Steuerlast einen wirtschaftsfördernden Effekt hat, was im Nachgang zu einem erhöhten Steueraufkommen führt.

Wenn Sie dies so sehen, dann ist klar, daß man bei einer Steuerreform nicht mehr, sondern erst einmal weniger Geld einnimmt und daß man die Einnahmeausfälle nicht bei einer einzigen Ebene, der des Bundes, abladen kann. Daß das die Länder, die besonders schlecht mit ihrem Geld gewirtschaftet haben, mehr trifft, sagen wir bereits seit 1995. Das überrascht uns überhaupt nicht.

(Beifall bei der CDU)

Wir werden aus dieser Situation nicht herauskommen. Aber ich habe Verständnis dafür, daß man geschickt damit umgeht; denn es müssen alle am Leben bleiben.

Da wir die Dinge differenzierter sehen, als es hier vorgetragen worden ist, Frau Präsidentin, bitte ich darum, daß über den Antrag der PDS-Fraktion punktweise abgestimmt wird und in Punkt 1 auch die Unterpunkte a

bis d getrennt zur Abstimmung gestellt werden. Wir werden unterschiedliche Positionen dazu beziehen.

Die Meinung der CDU zu einer Steuerreform ist relativ einfach, Herr Finanzminister. Wir waren schon einmal viel weiter. Es gab schon einmal einen Gesetzentwurf, der damals von der SPD aus wahltaktischen Gründen - im wesentlichen steckte Herr Lafontaine dahinter - abgelehnt worden ist.

Die erste Rechnung von Herrn Lafontaine ist aufgegangen. Das hat sich bei der Wahl günstig für diese Fraktion ausgewirkt. Er hat aber kaum ein halbes Jahr gebraucht, um zu merken, daß es nicht seine Positionen waren, die umgesetzt wurden, und hat dann die persönlichen Konsequenzen daraus gezogen. Er sagt immer noch, er hat recht. Aber die Welt hat sich weitgehend anders entwickelt.

Der Gesetzentwurf, der jetzt vorgelegt worden ist, kann von der CDU nicht mitgetragen werden. Angesichts dessen, daß man den Verkauf von Beteiligungen durch Großunternehmen steuerfrei stellt und daß die Körperschaftsteuer auf 25 % der einbehaltenen Gewinne abgesenkt wird - das ist nur für die Großunternehmen interessant -, kann ich verstehen, wenn jemand vom Genossen der Bosse spricht.

(Beifall bei der CDU)

Das ist eine Gesetzgebung, die auch wir für nicht zumutbar halten. Deswegen werden wir an dieser Stelle dem PDS-Antrag zustimmen.

Die CDU vertritt nur drei grundsätzliche Standpunkte; über vieles andere kann man reden. Wir sind für eine Gleichmäßigkeit der Besteuerung aller Einkommensarten, wir sind für eine Nettoentlastung sowohl der Betriebe als auch der Arbeitnehmer mit einer Senkung des Eingangssteuersatzes, einer Abflachung der Steuerprogressionskurve und einer Senkung des Spitzensteuersatzes.

Dabei sage ich keine Zahl. Ich bin also nicht jemand, der sagt: 35 % und sonst kennen wir nichts. - Da muß man wirklich erst rechnen und gucken, wo eine Kompromißlinie sein wird. Aber eine Absenkung muß es geben.

Wir sind ferner - auch das ist uns wichtig - für eine Anpassung der Ober- und Untergrenzwerte im Einkommensteuertarif an die Tarifentwicklung; denn wenn wir sie absenken und die Tarifentwicklung so weitergeht, wie es in den letzten Jahren der Fall gewesen ist, dann werden selbst einfache Facharbeiter bald zu Spitzenverdienern nach dem Einkommensteuerrecht werden. Dies ist eine Sache, die aus unserer Sicht eingebaut werden muß.

Ihre Vorwürfe, Herr Finanzminister, an die CDU sollten Sie sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Das von Rot-Grün nach dem Gesetzentwurf vorgelegte Modell bedeutet eine Steuerentlastung von 45 Milliarden DM. Das, was die CDU bisher vertreten hat, würde eine Steuerentlastung von etwa 50 Milliarden DM bedeuten; das heißt, wir liegen 5 Milliarden DM auseinander, und das bei einer Einnahmesituation, die für die gegenwärtige Bundesregierung ein Geschenk sein müßte. Sie wird nämlich im Jahre 2000 etwa 100 Milliarden DM mehr Steuereinnahmen haben, als nach der früheren Finanzplanung erwartet wurden. Wenn die wirtschaftliche Entwicklung so weitergeht wie bisher und nicht gebremst wird, dann wird sie im Jahre 2005 schätzungsweise 200 Milliarden DM mehr Steuereinnahmen haben,

als nach der bisherigen Finanzplanung angenommen wurde.

Bei einer solchen Steuereinnahmeentwicklung, denke ich, ist eine Steuerentlastung, die zwischen 45 und 50 Milliarden DM liegt, zumutbar. Deshalb ist ein Kompromiß aus meiner Sicht vernünftig und möglich.

Eines will ich noch sagen, Herr Kollege Trepte. In Ihrer Einbringungsrede haben Sie weniger auf die Steuerpolitik als auf Punkt 3 Ihres Antrages abgehoben. Sie möchten nämlich, daß durch Beschlüsse des Finanzausschusses oder auch des Parlaments - auch das haben wir schon erlebt - der Partner, den Sie tolerieren, auf eine Linie gebracht wird, die Sie wünschen.

Da sage ich Ihnen: Dazu sind solche Beschlüsse nicht da. Das muß man in Koalitionsvereinbarungen regeln, oder man läßt es ungeregelt und muß dann dauernd nachkorrigieren, um diejenigen, die man über Wasser hält, auch einzufangen.

Das kann es natürlich nicht sein. Deswegen bitte ich um Verständnis dafür, daß wir Ihnen in dem Punkt zustimmen werden, in dem wir Ihnen recht geben, daß wir uns aber bei Punkt 3 zum Beispiel, bei dem es nur darum geht, die SPD-Fraktion, die Sie über Wasser halten, einzufangen, zurücklehnen und sagen: Das macht mal bitte schön unter euch aus. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Büchner, DVU-FL)

Für die FDVP-Fraktion spricht jetzt die Abgeordnete Frau Wiechmann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da haben wir nun den nächsten Antrag, ich sage einmal, zur chaotischen Politik der rot-grünen Bundesregierung in Berlin. 630-DM-Jobs, Scheinselbständigkeit, Öko-Steuer, Gesundheitsreform, jetzt Steuerreform - wie soll ich sie bezeichnen? Ich würde sagen Pleiten, Pech und Pannen.

Auch die FDVP-Fraktion weiß, daß wir eine Steuerreform brauchen. So wie sie jetzt im Vermittlungsausschuß vorliegt in dieser Fassung, findet sie nicht unsere Zustimmung.

Die große Mehrheit, nämlich 85 % der in Deutschland tätigen Betriebe sind kleine und mittelständische Betriebe. Sie sind - ich habe das Wort schon oft gebraucht und gebrauche es wieder - die Stütze unserer Wirtschaft. Durch die geplante Steuerreform werden diese Firmen sogar noch gegenüber dem geltenden Steuerrecht deutlich benachteiligt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die drei Hauptbestandteile der Steuerreform sind die Absenkung der Körperschaftsteuer, die Ersetzung des Vollanrechnungsverfahrens durch das Halbeinkünfteverfahren und das Optionsmodell zur Körperschaftsteuer. Das Ende des Anrechnungsverfahrens fordert überdies eine Übergangsregelung bis zum 31. Dezember 2016. Die mit der Körperschaftsteuer belasteten Teile des Eigenkapitals werden auf den 1. Januar 2001 auf Aufschüttungsbelastungen von 30 % heruntergefahren.

Meine Damen und Herren! Das bedeutet nichts anderes, als daß große Kapitalgesellschaften aufgrund der zum Übergangszeitraum angesammelten Steuerguthaben jahrelang steuerfrei sein werden. Kleine und

mittelständische Betriebe, deren Anteilseigner über geringere Einkünfte verfügen, werden schlechter gestellt als bisher.

Wir fordern, das bisherige Anrechnungsverfahren beizubehalten. Ebenso sollte auf das sogenannte Options- modell verzichtet werden. Mittelständische Personengesellschaften und deren Mitunternehmer haben bedeutende Nachteile durch dieses Optionsmodell.

Meine Damen und Herren! Mit dem Ziel, die Unternehmen, aber nicht die Unternehmer zu entlasten, ist die Berliner Koalition in eine Sackgasse geraten. Kapitalgesellschaften werden mit Gewerbesteuer und Solidaritätszuschlag ab dem Jahr 2001 mit 38,5 % belastet. Alle anderen Unternehmensformen müssen ab einem Einkommen von 107 000 DM 51,2 % abführen. Die Mehrheit der deutschen Wirtschaftswissenschaftler hält dies für einen gefährlichen Irrweg.

Wie sieht es denn mit der Ankurbelung der Wirtschaft in Wirklichkeit aus? Großkonzerne, Versicherungen und Banken werden ihre einbehaltenen Gewinne für Finanzanlagen nutzen. Die mittelständische Wirtschaft wird durch die Verschlechterung der Abschreibungsbedingungen erheblich benachteiligt. Der Erwerb von Kapitalbeteiligungen wird sich in Zukunft mehr lohnen als der Kauf von neuen Maschinen.

Die Steuerreform wird in dieser Form die Kommunen in Sachsen-Anhalt bis zum Jahr 2004 jährlich 6,5 Milliarden DM kosten. Herr Dr. Ludolf Wartenberg, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, erklärte, daß die Unternehmenssteuerreform ein Schritt, aber noch lange nicht das letzte Wort sei. Eine stärkere Entlastung des Mittelstandes ist zwingend, und zwar durch eine deutliche Senkung der Steuerlast.

Meine Damen und Herren! Wird der Mittelstand gestärkt, geht es auch mit der Wirtschaft aufwärts; das weiß jedes kleine Kind. Höhere Steuereinnahmen für Bund, Land und Kommunen wären mittelfristig das Ergebnis.

Eine Steuerreform ist nötig - ich habe das schon gesagt -, aber nicht in dieser vorliegenden Fassung.

Ihr Antrag, meine Damen und Herren von der PDS, verfehlt sein Ziel. Ich schlage Ihnen folgendes vor: Fordern Sie die Landesregierung auf, bei der Bundesregierung dahin gehend tätig zu werden, die Wirtschaft durch Steuersenkungen tatsächlich anzukurbeln, bzw. fordern Sie sie auf, in Sachsen-Anhalt endlich eine vernünftige Wirtschaftspolitik zu betreiben, dann halten sich auch die Mindereinnahmen künftig in Grenzen bzw. wir haben wieder Mehreinnahmen.

Herr Professor Trepte, Sie haben von einem perfekten Dilemma gesprochen oder von einem Dilemma, das dann perfekt wäre. Sie und Ihre Fraktion, Herr Kollege Trepte, haben genau dieses Dilemma mit verursacht. Sie zerfließen in Selbstmitleid, empfinden die Steuerreform als Bedrohung und die Mindereinnahmen als Bedrohung für das Magdeburger Modell und für Mecklenburg-Vorpommern, und Sie halten es vielleicht sogar für gewollt.

Zerfließen Sie nicht in Selbstmitleid. Sie und Ihre Fraktion, Herr Professor Trepte, haben es maßgeblich mit verursacht. Versuchen Sie jetzt, Ihren Aufgaben als Tolerierungspartner nachzukommen. Flüchten Sie sich nicht in die Oppositionsrolle. Fordern Sie die Landesregierung auf und helfen Sie vor allen Dingen mit, richtig

gute Wirtschaftspolitik in Sachsen-Anhalt zu machen. - Danke.

(Beifall bei der FDVP)

Herr Professor Trepte hat für die PDS-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zur Sache will ich nur zwei Dinge sagen, obwohl viel zu sagen wäre.

Herr Rehhahn, Sie haben recht, daß wir in Deutschland sehr hohe Grenzsteuersätze haben; sie liegen bei der Einkommensteuer bei 51 %, bei der Körperschaftsteuer derzeit bei 40 %. Aber die Bemessungsgrundlage, Herr Rehhahn, wird doch heruntergerechnet. Von 100 Einkommensmillionären in Hamburg bezahlen 30 überhaupt keine Steuern, weil die Bemessungsgrundlage Null ist. Die Bemessungsgrundlage müssen wir nennen, nicht die Spitzensteuersätze.