Protocol of the Session on May 4, 2000

Ich komme jetzt zur Überweisung des Gesetzentwurfes zur Mitberatung in den Ausschuß für Recht und Verfas

sung. Wer sich dem anschließt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen?

(Herr Dr. Brachmann, SPD, an die CDU gewandt: Das ist natürlich auch ein Rechtsstaatsverständ- nis!)

Stimmenthaltungen? - Bei drei Stimmenthaltungen ist die Überweisung mehrheitlich abgelehnt worden. Damit erfolgt die weitere Beratung im Innenausschuß.

Meine Damen und Herren! Damit ist der Tagesordnungspunkt 1 abgeschlossen.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 2:

Erste Beratung

Maßnahmen zur Erhöhung der öffentlichen Sicherheit

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 3/3015

Einbringer ist die Abgeordnete Frau Tiedge. Es folgt danach eine Fünfminutendebatte. Frau Tiedge, ich bitte Sie, das Wort zu ergreifen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der PDS-Fraktion zielt auf Maßnahmen zur Erhöhung der öffentlichen Sicherheit ohne Einschränkung von bürgerlichen Freiheitsrechten. Wir wollen, daß subjektive Unsicherheitsgefühle und reale Gefährdungen ernst genommen, das heißt auch: nicht willkürlich politisch benutzt werden.

Mit dem soeben behandelten Gesetzentwurf wird wohl der eine oder andere kleine Fisch gefangen werden können, wie zum Beispiel, Herr Becker, der Eierdieb. Die großen Fische oder etwa die Straftäter in Nadelstreifenanzügen werden Sie damit nicht bekommen.

(Zustimmung bei der PDS)

Wenn es um wirksame Zurückdrängung von Kriminalität gehen soll, werden Sie jedoch an einer ernsthaften und offenen Debatte über unsere Vorschläge nicht vorbeikommen. Es geht um mehr Präsenz der Polizei dort, wo es notwendig ist.

(Zuruf von der SPD: Ein Beispiel!)

So kann persönlichen Unsicherheits- und Ohnmachtsgefühlen ebenso wie tatsächlicher Gefährdung effektiver begegnet werden als mit anonymer und nicht zu kontrollierender Überwachung. Allerdings geht es nicht um die pauschale Erweiterung von Polizeipräsenz nach dem Motto „Mehr Grün auf die Straße“, sondern es geht um den zielgerichteten Einsatz von Polizeivollzugsbeamten an Schwerpunkten der Kriminalitätsgefährdung, es geht um Ansprechpartner für die Bürger.

Des weiteren geht es um notwendige Bundesratsinitiativen zur Neufassung des Waffenrechts und um andere, effektivere Sanktionsmöglichkeiten für sogenannte Bagatelldelikte. Es ist schließlich nicht einzusehen, daß der gesamte polizeiliche und juristische Apparat mit der Verfolgung geringfügiger Delikte beschäftigt wird, obwohl mit anderen Mitteln der Effekt tatnaher Sanktionen und eines schnellen Schadensausgleiches besser erreichbar wäre, zum Beispiel durch eine Regelung analog der Verfehlungsregelung wie zu DDR-Zeiten

und durch aufgrund dessen mögliche polizeiliche Strafverfügungen.

Überfällig ist ebenso, daß sich der Landtag und die Landesregierung der gerechten Forderung der Gewerkschaft der Polizei nach schneller Angleichung der Bezüge an das Niveau der alten Bundesländer annimmt.

(Beifall bei der PDS)

Es ist völlig unverständlich, daß die Polizei auf der einen Seite mit immer mehr Befugnissen ausgestattet werden soll - siehe Novellierung des SOG -, auf der anderen Seite aber die Augen vor der immer noch ungerechten Bezahlung der Polizei verschlossen werden. In der Arbeit der Polizei werden Sie keinen Grund finden, der die ungleiche Bezahlung von Polizisten in Goslar und von Polizisten in Magdeburg rechtfertigt. An dieser Stelle muß gehandelt werden, und zwar schnell und verbindlich. Eine dauernde Ungleichbehandlung in dieser Frage führt zur Demotivation von Beamten und Angestellten.

Ebenso haben wir den Arbeitsbedingungen in den Polizeirevieren mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Notwendige bauliche Sanierungsmaßnahmen sollten zügig eingeleitet werden.

Wer Kriminalität wirksam einschränken will, darf den Blick nicht auf die polizeiliche Arbeit beschränken. Notwendig sind politische Ansätze, auch auf kommunaler Ebene, um Tatgelegenheiten im öffentlichen Raum zu begegnen. Das beginnt bei der Wahrnehmung realer Gefährdung jenseits von Hysterie und Angst und schließt den integrativen Umgang mit anders lebenden, zum Teil ausgegrenzten Menschen ein.

Ob es um eine soziale Umgestaltung des Wohnumfeldes, um eine bürgerfreundlichere Ausgestaltung des ÖPNV oder um vermeintlich kleine Maßnahmen wie Frauennachttaxis oder Taxis für jugendliche Nachtschwärmer, um bessere Straßenbeleuchtung oder einen aufgeklärteren Umgang mit Drogengebrauchern geht - immer sind es wirksame Maßnahmen für einen konkret erlebbaren, angstfreien Umgang im öffentlichen Raum.

Das setzt voraus, daß tätige Präventivräte und Polizeibeiräte ihre Arbeit nicht als verlängerten Arm der Polizei im Vorfeld jeglicher Gefahrenabwehr, als Ermittlungshilfe im sozialen Nahraum begreifen, sondern eigene, originäre Ansätze außerhalb der Polizeiarbeit entwickeln.

Gleiches gilt für die engagierte Sozialarbeit zur Prävention, zur Opferbetreuung im Kinder- und Jugendbereich und bezogen auf den Umgang mit sogenannten Rand- oder Problemgruppen.

Die reale Bedrohung durch Kriminalität und das Sicherheitsgefühl von Bürgerinnen und Bürgern differieren in Deutschland nicht nach der jeweiligen Ausgestaltung der polizeilichen Zugriffsrechte in den jeweiligen Landesgesetzen. Die immer weitere Ausgestaltung dieser Befugnisse, zum Teil mit erheblichen Einschränkungen bürgerlicher Rechte verbunden, entlarvt sich selbst als populistischer Aktionismus. Wollen wir Fragen der öffentlichen Sicherheit wirklich ernst nehmen, so müs-sen wir an anderen, konkreten Maßnahmen arbeiten. Zu einigen habe ich heute gesprochen.

Wir beantragen die Überweisung unseres Antrages in die Ausschüsse für Inneres, für Recht und Verfassung und für Finanzen. Ich bitte um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei der PDS)

Danke sehr. - Nach der Geschäftsordnung stehen der Landesregierung in der Debatte zehn Minuten Redezeit zu. Ich erteile jetzt dem Minister Dr. Püchel das Wort. Bitte, Herr Dr. Püchel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war von Anfang an ein wichtiges Anliegen der Landesregierung, die objektive und subjektive Sicherheit in unserem Lande zu verbessern. Neben der Beeinflussung gesellschaftlicher Faktoren ist durch differenziertes sicherheitspolitisches Handeln sowie durch personelle, organisatorische, materielle und auch gesetzgeberische Maßnahmen die öffentliche Sicherheit weiter zu erhöhen. Diese Maßnahmen orientieren sich an einer sich ständig ändernden Sicherheitslage und sind deshalb auch ständig weiterzuentwickeln.

Nachdem ich unter dem vorhergehenden Tagesordnungspunkt unsere Vorstellungen zu einer Novellierung des SOG dargelegt habe, diskutieren wir nun über ein Maßnahmenpaket der PDS-Fraktion, mit dem die innere Sicherheit in unserem Lande verbessert werden soll. Der Antrag erweckt den Anschein eines Rundumschlages, der - wie es bei einem Rundumschlag nun einmal üblich ist - gut durchdachte und weniger durchdachte Ansätze enthält. Da ich davon ausgehe, daß sich der Innenausschuß ausführlich mit den Vorschlägen auseinandersetzen wird, greife ich nur einige Punkte heraus.

So will die PDS-Fraktion 150 Polizeibeamte mehr auf die Straße bringen. Dies finde ich gut. Leider beabsichtigt sie aber nicht, dies durch einen Stellenaufwuchs zu erreichen. Damit bleibt die Situation des Stellenabbaus bei der Landespolizei bestehen, auf die ich bereits bei der Beratung des Personalkonzeptes der Polizei am 10. Februar dieses Jahres hingewiesen habe.

Meine Damen und Herren! Polizeivollzugsbeamte an Kriminalitätsschwerpunkten zum Einsatz zu bringen, ist ein wichtiges Mittel zur Erhöhung der Sicherheit. So sind die Polizeibehörden bereits sorgfältig darauf bedacht, Kriminalitätsschwerpunkte frühzeitig zu erkennen, um ihr Personal konzentriert zum Einsatz zu bringen. Lageangepaßte Erhöhungen der Einsatzstärken in variablen Größenordnungen finden zusätzlich dort statt, wo sich örtliche und zeitliche Brennpunkte ergeben.

So werden beispielsweise die Polizeidirektionen - ich habe das Beispiel der PD Halle vor Augen - seit langem durch Einheiten der Bereitschaftspolizei erfolgreich im Kampf gegen die Betäubungsmittel- und Straßenkriminalität unterstützt. Diese Personalverstärkungen sind flexibel zu handhaben und erfordern keine Umstrukturierung der Polizei.

Die Flexibilität der vorhandenen Strukturen ermöglicht schnelle und landesweite polizeiliche Reaktionen und verbessert darüber hinaus die Bekämpfung extremi- stischer und fremdenfeindlicher Straftaten wirksamer.

Zur Frage des Waffenrechts ist anzumerken, daß der Bundesrat und konkret auch diese Landesregierung in den vergangenen Jahren wiederholt die Novellierung des Waffengesetzes gefordert haben. In dieser Forderung sind sich alle Bundesländer einig. Das Bundesinnenministerium hat angekündigt, noch vor der Sommerpause einen Gesetzentwurf vorzulegen. In dem sich daran anschließenden Verfahren wird die Landesregierung im Bundesrat wie bisher darauf hinwirken, daß auf

der Gesetzesebene wirksame und möglichst langfristig angelegte Maßnahmen gegen die von Waffen aller Art ausgehenden Gefahren getroffen werden.

Meine Damen und Herren! Das Anliegen, die Motivation der Polizei im Lande zu steigern, unterstütze ich natürlich ohne Einschränkungen. Ich stimme Ihnen zu, daß natürlich die Besoldung oder Vergütung einen Leistungsanreiz darstellt. Die Forderung nach der schnellen Angleichung der Besoldung und Vergütung der Beschäftigten in der Landespolizei an das Niveau der alten Bundesländer kann jedoch nicht unabhängig von den übrigen Berufsgruppen betrachtet werden.

Die gewerkschaftlichen Forderungen sind auch Gegenstand der zur Zeit laufenden Tarifverhandlungen in Stuttgart. Dabei wird unter anderem über die Verein-barung eines Stufenplanes mit klarer zeitlicher Perspektive verhandelt. Ich glaube, dies ist eine überfällige Entscheidung. Darauf warten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes seit Jahren. Wann die Ergebnisse vorliegen werden, ist derzeit nicht abzu- sehen.

Der Tarifabschluß ist jedoch für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Landesverwaltung verbindlich. Auch hinsichtlich der Beamtenbesoldung ist für das Land Sachsen-Anhalt keine Sonderregelung möglich. Ein genereller Sonderweg, wie Sie ihn vorgeschlagen haben, für die Landespolizei bzw. das Land Sachsen-Anhalt kann daher schon aus bundesrechtlichen Gründen nicht beschritten werden.

Das im Antrag angeregte Programm zur baulichen Sanierung von Polizeirevieren findet als eine Fortsetzung bisheriger Baumaßnahmen für die Landespolizei meine Unterstützung. Die Landesregierung hat für die insgesamt 250 Liegenschaften der Polizei in den zurückliegenden Jahren durchschnittlich 13 Millionen DM pro Jahr für Bauunterhaltung, kleinere Neu-, Um- und Ausbaumaßnahmen investiert. Daneben sind seit 1994 17 Dienstobjekte neu entstanden. Dennoch besteht in den nächsten Jahren natürlich ein großer Handlungsbedarf. Ich freue mich über jeden, der entsprechende Maßnahmen mittragen will.

Meine Damen und Herren! Wie bisher wird die Landesregierung der Bedeutung des Präventionsgedankens auch weiterhin Rechnung tragen. Ich erinnere nur an die Einrichtung und den Ausbau der Jugendkommissariate und der Jugendberatungsstellen bei der Polizei, wofür weitere 28 Stellen zu Lasten des Polizeihaushaltes zur Verfügung gestellt worden sind.

Für Opfer von Zwangsprostitution und Menschenhandel hat die Landesregierung Ende März eine Anlaufstelle eingerichtet, um betroffenen Frauen die Möglichkeiten der Beratung und Betreuung zu geben. Daneben bestehen Opferberatungsstellen der Justiz.

Zum Thema „Gewalt im sozialen Nahraum“ existiert ebenfalls eine Reihe von Initiativen im Bund und in den Ländern, um das vielschichtige Problem zu analysieren und geeignete Lösungsmöglichkeiten zu finden.

Ein weiterer Gedanke des Antrags: Der Erfahrungsaustausch hinsichtlich kommunalpolitischer Ansätze außerhalb polizeilichen Handelns ist zu fördern. Die Intention, damit zur Verringerung von Straftatengelegenheiten im öffentlichen Raum beizutragen, habe ich in den Kommunen stets unterstützt.

Der im vergangenen Jahr konstituierte Landespräventionsrat wird zukünftig unter anderem auch diesen Gre

mien als Ansprechpartner dienen können und zur Vernetzung bestehender Gremien beitragen. Geplant ist weiterhin die finanzielle Förderung von örtlichen kriminalpräventiven Gremien und Netzwerken, die von der Landespolizei vielfältige Unterstützung in ihrer Arbeit erhalten werden. Die Möglichkeit eines ersten landesweiten Erfahrungsaustausches aller an der Prävention Beteiligten wird sich im Herbst anläßlich eines geplanten Landespräventionstages bieten.

Meine Damen und Herren! Wie Sie unschwer feststellen können, bestätigt die PDS mit ihrem Antrag grundsätzlich die zahlreichen Initiativen der Landesregierung zur Erhöhung der inneren Sicherheit. Inwieweit tatsächlich neue konstruktive Gedanken in dem Antrag enthalten sind, sollte im Innenausschuß geklärt werden. Führen die Beratungen dazu, daß der Landtag zu der Auffassung kommt, daß wir für die Landespolizei mehr Mittel in den Einzelplan 03 einstellen sollten, würde mich dieses nicht grämen, Frau Tiedge. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Die Debatte erfolgt in der Reihenfolge FDVP, SPD, CDU, - DVU-FL verzichtet - PDS. Bitte, Frau Wiechmann, Sie haben das Wort.