Protocol of the Session on May 4, 2000

„Die Diskussion zu diesem neuen Denken über Kultur ist in vollem Gange. Sie wird noch zu selten interdisziplinär geführt. Unterschiedliche Lebensbereiche treten zu selten miteinander in Kontakt. Erfahrungen und Modelle aus anderen Bereichen oder aus dem Ausland werden zuwenig auf ihre Brauchbarkeit untersucht.“

Meine Damen und Herren! Ich will keineswegs aus der Not eine Tugend hervorzaubern. Aber gewiß sind diese Gedanken, denke ich, doch überlegenswert. In einer von unserer Fraktion initiierten Selbstbefassung des Ausschusses für Kultur und Medien zu dem Thema Kultursponsoring wurde deutlich, daß gerade die Förderung der Kultur zu gering entwickelt ist, aber Sponsoring in anderen Bereichen - greifen wir den Hochleistungssport heraus - eigentlich gang und gäbe ist.

Ich vertrete keineswegs die zwar eingängige, aber einseitige Formel „Mehr Geld ist gleich mehr Kultur“, meine Damen und Herren. Diese Gleichung geht nicht auf. Denn wie sagte schon Ernst Barlach? - „Zu jeder Kunst gehören zwei, einer, der sie macht, und einer, der sie braucht.“

Meine Damen und Herren! Es kann deshalb nicht allein darum gehen, die Kunst für die Kunst zu sehen, sondern es geht auch um den Adressaten von Kunst und Kultur.

Doch wir fragen uns auch: Was ist geblieben von den Worten der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten Dr. Höppner vom 18. Juni 1998, als er sich bekannte:

„Der große Reichtum an Kultur, der unser Land Sachsen-Anhalt prägt, angefangen von alten Kulturdenkmälern bis hin zu vielfältigen kulturellen Aktivitäten verschiedener Gruppen, macht deutlich, daß Kultur als gemeinsame Aufgabe von Land und Kommunen wahrgenommen werden muß. Die Kulturförderung hat bei uns auch künftig einen hohen Stellenwert. Auch in der neuen Legislaturperiode werden wir für die Kultur einen Haushaltsanteil von 1 % zur Verfügung stellen.“

Meine Damen und Herren! Es sind nur Worte geblieben, nichts als Worte, und selbst der Haushaltsanteil von 1 % für Kultur konnte nicht gehalten werden.

Genau diese Tatsache, diese Wortbrüchigkeit des Herrn Dr. Höppner, veranlaßte den Landesmusikrat zu dem offenen Brief vom 1. März an die Abgeordneten des Landtages von Sachsen-Anhalt, in dem es hieß:

„Die seitens des Landes insgesamt für Kultur aufgewendeten finanziellen Mittel - es handelt sich bisher insgesamt um noch nicht einmal 1 %

des Landeshaushalts - reihen Sachsen-Anhalt am unteren Ende der Kulturförderung in der Bundesrepublik ein, was weder von der Sache noch von der Größenordnung her gerechtfertigt und sinnvoll erscheint. Um so negativer wirken sich die in den letzten drei Jahren vorgenommenen, innerhalb des Landeshaushalts kaum wahrnehmbaren, aber für die Kultur teilweise tödlichen Streichungen aus.“

Weiter heißt es in dem zitierten Brief:

„Selbst wenn der gesamte Kulturhaushalt, wovon nur ein Teil der Kultur im engeren Sinne zugute kommt, gestrichen würde, was ja auch theoretisch nur zu einem Bruchteil denkbar wäre, könnte dies nicht merklich zur Konsolidierung des Landeshaushalts beitragen.“

Meine Damen und Herren! Dieser Brief des Landesmusikrates und auch der Brief des Landeschorverbandes vom 10. April waren der Grund für den heute vorgelegten Antrag der CDU zur Förderung des Landeschorverbandes Sachsen-Anhalt. Da aber die Situation in sehr vielen Verbänden, Institutionen und Vereinen derart prekär ist, reicht es sicherlich nicht aus, nur auf aktuelle Notrufe zu reagieren, sondern es muß im Kulturbereich für solide Rahmenbedingungen gesorgt werden, die letztlich eine annehmbare, gesicherte Festschreibung der Kultur, wie es im Ausschuß unser Thema sein wird, ermöglichen.

Es kann doch nicht angehen, meine Damen und Herren, daß die lautstärksten Rufer bevorzugt werden und die stillen, bescheidenen, nur auf ehrenamtliche Mitarbeiter bauenden Institutionen das Nachsehen haben. Das nimmt auch den gutwilligsten ehrenamtlichen Kräften und Mitstreitern jegliche Motivation zur weiteren Arbeit.

Darum zielt unser Antrag darauf ab, die bisherige institutionelle Förderung auf ihre Zweckmäßigkeit und Effektivität zu überprüfen, und das nicht nur im Sinne einer Mittelerhöhung, sondern auch im Sinne der Vermeidung des gebräuchlichen Gießkannenprinzips der Mittelverteilung.

Meine Damen und Herren! Unser Antrag beinhaltet unter Nr. 2 den Vorschlag, zur Unterstützung der Projektarbeit und von Verbänden eine Projektberatungsstelle im kulturellen Bereich einzurichten. Wir wollen uns da keineswegs mit fremden Federn schmücken, aber auf der bereits angeführten Anhörung des Ausschusses für Kultur und Medien wurde kritisch vermerkt - und das mit Zustimmung fast aller betroffenen Beteiligten -, daß gegenwärtig die formale, aber keineswegs unwichtige Beantragung von Projekten nicht nur zeitraubend und nervend ist, sondern - das ist fast schon tragisch zu nennen - den Hauptteil der Arbeit von Projektverantwortlichen ausmacht.

Gewiß, die Verantwortlichen handeln oft selbstbewußt nach dem Prinzip: Klappern gehört zum Handwerk, scheitern aber oft bereits bei der Antragstellung im Dschungel der Vorschriften, Verfahren und Formalien. Hinzu kommt, meine Damen und Herren, daß viele der unterschiedlichen Fördertöpfe nicht bekannt sind und damit Möglichkeiten einer Förderung verlorengehen.

Doch wie sagte einst Karl Kraus:

„In der Kunst kommt es nicht darauf an, daß man Eier und Fett nimmt, sondern daß man Feuer und Pfanne hat.“

Meine Damen und Herren! Mir geht es nicht darum, Projektverantwortlichen die Verantwortung abzuneh-men, sondern mir geht es darum, mehr Freiräume für die inhaltliche, konzeptionelle Arbeit mit Projekten zu schaffen.

Um es klar zu sagen: Es geht hierbei nicht um den Buhmann Verwaltung, allgemein verketzert als Hort der Bürokratie. Das wäre, denke ich, sehr einseitig geurteilt. Wo es um Geld, oft auch um viel Geld geht, ist Bürokratie durchaus hinnehmbar. Aber Projekte und deren Leitung dürfen einer Bürokratie nicht ausgeliefert sein.

Die Schaffung einer Projektberatungsstelle ist auch bei aller notwendigen Bürokratie dienlich, um Wege zu verkürzen, Erfahrungen anderen zu vermitteln und Mittel effektiver einzusetzen. Wohlgemerkt, es geht nicht um eine personell oder räumlich aufgeblähte Beratungsstelle,

(Herr Kühn, SPD: Das wiederholen Sie jetzt schon zum fünftenmal!)

sondern um eine Einrichtung, die von erfahrenen und sachkundigen Mitarbeitern getragen wird, die selbst als Projektverantwortliche tätig waren oder sind. Welche Organisationsform, meine Damen und Herren, welcher Status dafür gefunden wird, sollte sich dann aus der Diskussion mit Beteiligten ergeben.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren! Auf der vierten Kulturkonferenz des Kultusministeriums im Juni 1999 gab es für dieses Anliegen bedenkenswerte Anregungen am Beispiel der Freiwilligenagenturen. Holger Backhaus-Maul führte auf dieser Konferenz aus, daß die Agenturen, die Träger und die Politik feldübergreifend arbeiteten, um das Engagement durch Beratung von Bürgern, Organisationen und auch von Unternehmen zu fördern und Engagementangebote zu unterbreiten. Zugleich wurde bemängelt, daß eine fachpolitische Kooperation auf überregionaler Ebene fehle.

Meine Damen und Herren! Wenn wir diese Erfahrungen der Freiwilligenagenturen modifiziert für zu schaffende Projektberatungsstellen nutzten, wären das gute Voraussetzungen für das Anliegen eines effektiveren Mitteleinsatzes. - Ich danke Ihnen.

(Zustimmung bei der FDVP)

Danke für die Einbringung. - Meine Damen und Herren! Es ist eine Debatte mit fünf Minuten Redezeit je Fraktion vereinbart worden in der Reihenfolge DVU-FL, PDS, CDU, SPD und FDVP. Die DVU-FL-Fraktion hat signalisiert, daß sie auf einen Redebeitrag verzichtet. - Es bleibt dabei. Die SPD-Fraktion verzichtet ebenfalls auf einen Redebeitrag. Für die PDS-Fraktion hat dann der Abgeordnete Herr Gebhardt das Wort.

(Unruhe)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kann es kurz machen. Es ist äußerst dürftig, daß es die FDVP nach einer sehr umfassenden Anhörung fertiggebracht hat, alles auf ein einziges Thema zu reduzieren und daraus diesen Antrag zu schreiben.

Gerade die institutionell geförderten Vereine sind froh, daß sie nicht abhängig von Projekten, sondern als Insti

tution gefördert werden. Wer eine Überprüfung der bisherigen institutionellen Förderung haben möchte, kann anhand des Mittelabflusses, über den bei jeder Haushaltsberatung diskutiert wird, genau überprüfen, wie die Fördermaßnahmen bisher gegriffen haben.

Ich denke, daß es dazu keines Beschlusses des Landtages bedarf. Aus diesem Grunde lehnen wir den Antrag ab.

(Zustimmung bei der PDS und bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Herr Schomburg das Wort.

Frau Präsidentin! Auch ich werde mich bemühen, mich kurz zu fassen. Im Gegensatz zu Herrn Gebhardt werden wir für eine Überweisung des Antrags in den Ausschuß für Kultur und Medien plädieren.

In der Tat sind zwei Probleme Hintergrund dieses Antrags. Das erste Problem betrifft die Kulturfinanzierung im Lande Sachsen-Anhalt. Bei zurückgehendem Gesamthaushalt und der geradezu schon sklavischen Bindung der Landesregierung an die Regelung, nur 1 % des Haushaltsvolumens für die Kultur vorzusehen, kam es in den letzten Jahren und kommt es in den nächsten Jahren zu einer Reduzierung der für die Kultur zur Verfügung stehenden Mittel.

(Unruhe)

Bei der zunehmenden Verfestigung der Haushaltsmittel - Herr Kultusminister Harms hat unter dem vorigen Tagesordnungspunkt dazu bereits Stellung genommen - führt das zu einem Zurückgehen der Freiheitsgrade bei der Projektförderung.

Ich sehe zwei Auswege. Der eine ist die Prioritätensetzung soweit wie möglich. Der zweite ist, mehr Mittel für die Kultur einzustellen. Auch dazu habe ich mich bereits geäußert. Deshalb will ich das nicht wiederholen.

Außerdem existieren erhebliche Probleme bei der Beantragung und bei der Abrechnung von Fördermitteln durch Antragsteller, die zumeist ehrenamtlich arbeiten. Wenn man bedenkt, daß es allein für die an Fördermittel gewohnte Industrie eine Fülle von Förderprogrammen gibt, um Fördermittel sinnvoll und rechtskonform einzusetzen, wäre es nur zu begrüßen, wenn für den Kulturbereich vergleichbare Möglichkeiten geschaffen würden.

(Unruhe)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Jetzt kann man wirklich kaum noch verstehen, was hier vorn gesprochen wird. Ich muß Sie bitten, den Lärmpegel deutlich zu senken.

Es ist allerdings zu fragen, warum die mit der Förderung beauftragten Regierungspräsidien dieser Servicefunktion bisher nicht in ausreichendem Maße nachgekommen sind. Es ist auch zu fragen, warum Bildungsträger bisher nicht den Umgang mit Landesfördermitteln als Thema für Kulturbildungsmaßnahmen erkannt haben. An dieser Stelle besteht ein Defizit.

Es lohnt sich durchaus, über diese und weitere Defizite im Ausschuß für Kultur und Medien zu diskutieren. Deshalb - ich wiederhole mein Votum - beantragen wir die Überweisung in den Ausschuß für Kultur und Medien. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDVP)

Frau Wiechmann, Sie haben noch einmal das Wort für die FDVP-Fraktion.

(Herr Kühn, SPD: Ach, das gleiche noch einmal! - Anhaltende Unruhe)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die eine Minute wird es auch nicht gebracht haben. Es ist der letzte Tagesordnungspunkt. Danach können Sie sich alle zufrieden zurücklehnen und nach Hause gehen.