Protocol of the Session on May 4, 2000

Jobrotation wird im Norden Europas seit Ende der 80er Jahre durchaus erfolgreich durchgeführt. Jährlich sind in Dänemark ca. 32 000 Beschäftigte, Arbeitsuchende und Unternehmen in Jobrotationsmaßnahmen eingebunden. In Schweden sind es gegenwärtig rund 40 000.

Demnach ist in Skandinavien die Jobrotation durchaus als erfolgreich zu bezeichnen. So konnten die im Jahr 1998 an den Projekten teilnehmenden Arbeitslosen zu immerhin mehr als 55 % einen Dauerarbeitsplatz finden.

Aber die Jobrotation ist kein Antibiotikum, um kranke linke Arbeitsmarktpolitik zu heilen. Meine Damen und Herren! Bei der sehr hohen Arbeitslosigkeit in SachsenAnhalt - sie liegt bei 22,3 % - ist die Jobrotation kein Wundermittel. Ein Umschwung ist nicht in Sicht. Setzen Sie lieber - oft wurde es gesagt - ein vernünftiges Fundament, den Mittelstand.

Von der Landesregierung sind außer Pressemeldungen keine echten Aktivitäten erfolgt. Eine Schaffung von neuen Arbeitsplätzen kann bei der Jobrotation nur mittelfristig erreicht werden, wenn die Industrie und der Mittelstand die Möglichkeit dazu vorhalten.

Die Jobrotation wird finanziert - das wurde mehrfach ausgeführt - aus Mitteln der Europäischen Union und des Landes Sachsen-Anhalt im Rahmen der Gemeinschaftsinitiative „Adapt“. In Wahrheit ist diese ganze Sa

che der verzweifelte Versuch einer unfähigen Regierung bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.

(Herr Dr. Süß, PDS: Das erzählen Sie mal den Arbeitslosen!)

Im Bereich Garten- und Landschaftsbau funktioniert die Jobrotation derzeit eher als Austausch von ABM-Kräften, wenn Sie ehrlich sind. Monatlich verlassen durchschnittlich 1 200 junge Menschen Sachsen-Anhalt, weil sie hier keine Perspektive haben und ständig weitere Arbeitsplätze abgebaut werden. Wollen Sie das den Leuten verdenken?

Wir sind der Meinung, die Jobrotation kann erst dann greifen, wenn es in Sachsen-Anhalt eine gut durchwachsene Unternehmenslandschaft gibt, wie es in den Erfinderländern der Jobrotation angedacht war. Mit anderen Worten: Ohne Regierungswechsel keine Problemlösung.

(Beifall bei der FDVP - Herr Dr. Süß, PDS: Ja- wohl!)

Frau Dirlich hat für die PDS-Fraktion noch einmal das Wort. - Sie verzichtet.

Wir kommen zum Abstimmungsverfahren. Meine Damen und Herren! Es wäre etwas problematisch, auf einer Ausschußüberweisung zu bestehen, es sei denn, Sie wollen mit dem Ziel diskutieren, die Projektidee in Sachsen-Anhalt weiterzuentwickeln und zu verstetigen. Wenn das der Fall wäre, müßte ich über eine Ausschußüberweisung abstimmen lassen. - Das ist nicht der Fall.

Dann kann ich direkt abstimmen lassen. Ich lasse abstimmen über die Drs. 3/3055. Wer stimmt zu? - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Bei einigen Gegenstimmen und einigen Stimmenthaltungen wurde dem Antrag gefolgt. Wir haben damit Tagesordnungspunkt 16 abgeschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 17 auf:

Erste Beratung

Programm zur Entwicklung der Schaf-, Ziegen- und Mutterkuhhaltung

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 3/3059

Der Antrag wird durch den Abgeordneten Herrn Krause eingebracht.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich denke davon ausgehen zu können, daß bei den verantwortlichen Abgeordneten der Fraktionen das Problem hinreichend bekannt ist. Für jene Abgeordnete, die mit der Sache naturgemäß nicht so vertraut sind, erläutere ich folgendes:

Schäfer und schafhaltende Unternehmen, aber auch Landwirte, die mit der Mutterkuhhaltung einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung und Pflege der Kulturlandschaft in diesem Land leisten, laufen Gefahr, zumindest in eine Sackgasse zu geraten. Diese Entwicklung hat inzwischen bei nicht wenigen Schafhaltern bereits jetzt existenzbedrohende Größenordnungen erreicht.

Dazu muß man wissen, daß diese Branche ohne Selbstverschulden durchgängig über schlechte Betriebsergebnisse verfügt. Einigermaßen zurecht kommen nur die

Schäfer und Schafhalter, die neben der Haltung von Schafen über eine angemessene weitere Einnahmequelle verfügen. Es gibt nicht wenige Fälle, in denen klar eingeschätzt wird, daß das Überleben nur möglich ist, weil die Partnerin, die Ehefrau, der Sohn, der Vater oder ein anderes Familienmitglied in einem Bereich der Wirtschaft oder des öffentlichen Dienstes ein einigermaßen sicheres Auskommen hat und auch sonst bei der Bewirtschaftung der Schafherde tatkräftig zupackt.

Die Einkommenslage bei den Schäfern ist also mehr als prekär. Das ist ein Zustand, vor dem wir als Politiker nicht die Augen verschließen dürfen. Stellen Sie sich einmal vor, wir würden unsere Abgeordnetentätigkeit nur wahrnehmen können, weil wir ein gut verdienendes Familienmitglied zu Hause haben.

Es geht nicht um Almosen für die Schäfer, sondern darum, daß sie eine leistungsgerechte Entlohnung für ihre Arbeit im Rahmen einer umweltgerechten Pflege der Kulturlandschaft oder für eine äußerst zweckdienliche Bewirtschaftung von Deichen erhalten.

Unumstritten ist, daß die Behutung der Deichanlagen den Zustand der Deiche positiv beeinflußt, indem der für die Deiche gefährliche Mäusebefall dezimiert und etwaige Schäden kompensiert werden. Über eine technische Pflege wird diese wichtige Nebenwirkung nicht erreicht. Im Gegenteil, gemähtes und nicht selten schlecht geräumtes Gras ist ein Paradies für die kleinen Nager, die den Deich schnell zu einem Schweizer Käse werden lassen.

Völlig unverständlich ist darum auch, daß für die technische Pflege von Deichen im Land Sachsen-Anhalt 900 DM, bei einer naturnahen Behutung dagegen nur 500 bis 700 DM pro Hektar ausgereicht werden.

Ein Schäfer, der bisher nach der Richtlinie für den Vertragsnaturschutz gefördert wurde und jetzt in die Erschwernisausgleichsverordnung gerutscht ist, stürzt von 500 DM auf lediglich 33 DM pro Hektar. Wenn sich diese Entwicklung fortsetzt und - das kommt noch hinzu - der sich anbahnende Generationswechsel bei den Schäfern in absehbarer Zeit einsetzt, werden 60 % der Mutterschafbestände wegbrechen. Welcher junge Mensch möchte sich schon auf eine solch ungewisse Zukunft einlassen?

Hinzu kommt, daß in den kommenden Jahren vertragliche Verpflichtungen auslaufen, die die Schäfer vor nun fast zehn bis elf Jahren eingegangen sind. Für die Entgegennahme einer Fördersumme mußten sie sich damals wie andere Einrichter bei Androhung einer Rückzahlung der Fördersumme verpflichten, ihren Schäferbetrieb für mindestens zwölf Jahre aufrechtzuerhalten. Es gibt Hinweise darauf, daß nach Ablauf der Frist in den kommenden zwei Jahren mit einer stärkeren Aufgabe der Schafzucht und -haltung zu rechnen ist.

Kurzum: Als Politiker dieses Landes sind wir den Betroffenen nicht nur eine Antwort, sondern ein Lösungsangebot schuldig.

Ein anderes Problem: Seit dem letzten Jahr sprechen wir im Landwirtschaftsbereich über die Handhabung der sogenannten Artikelverordnung. Mit dieser Verordnung wird die Anwendung des Vertragsnaturschutzes in den wichtigsten großflächigen Naturschutzgebieten in Sachsen-Anhalt geregelt. Besser gesagt heißt das, in diesen großflächigen Naturschutzgebieten wird mit dem Wirksamwerden der Artikelverordnung die Inanspruchnahme von EU-Mitteln ermöglicht. Dieses Herangehen ist mit

dem Berufsstand ausdiskutiert und im wesentlichen auch vom Bauernverband unterstützt und begrüßt worden.

Bereits Mitte des Jahres 1999 hatte der Bauernverband aber darauf aufmerksam gemacht, daß 25 Naturschutzgebiete in diese Regelung nicht einbezogen worden seien und sich daraus für die dort wirtschaftenden Landwirte große Einkommenseinbußen und Existenzbedrohungen ergeben könnten.

Ganz explizit sind die sich polarisierenden Probleme für die Schäfer und schafhaltenden Betriebe, die insbesondere in den Landkreisen Mansfelder Land, Quedlinburg, Halberstadt und Wernigerode Trockenrasenstandorte pflegen und gepflegt haben, herausgearbeitet worden. Auf eine ähnliche existenzbedrohende Situation bei Schäfern und Rinderhaltern der Harzer Bachtäler ist bereits damals durch den Bauernverband aufmerksam gemacht worden.

Auch der Schafzuchtverband Sachsen-Anhalts sowie die Regionalverbände Sachsen-Anhalts haben gerade wieder in jüngster Zeit auf den Notstand ihrer Zunft aufmerksam gemacht. Nach meinem Wissensstand geraten mindestens zehn Schäfereien in eine akute wirtschaftliche Notlage, wenn keine Entscheidungen im Sinne der Existenzsicherung getroffen werden.

Die Gesamteinschätzung der Lage zeigt, daß das Ziel einer naturnahen, landschaftspflegenden Bewirtschaftung von Flächen in den Naturschutzgebieten SachsenAnhalts mit der vorliegenden Erschwernisausgleichsverordnung, wie sie jetzt gehandhabt wird, kaum erreicht werden kann.

Kurzum: Mit dem vorliegenden Antrag geht es darum, daß sich das Ministerium, der Landwirtschaftsausschuß und der Umweltausschuß dieser Fragen annehmen, daß nach Lösungen gesucht wird und letztlich Vorschläge auf den Tisch kommen. Im Ergebnis dessen wollen wir weitreichende programmatische Vorstellungen zur Entwicklung und Förderung dieses Wirtschaftszweiges vorliegen sehen.

Daß wir uns terminlich in die Pflicht nehmen, scheint mir unbedingt geboten. Denn viel Zeit haben wir in dieser Angelegenheit nicht.

Meinerseits nur einige Überlegungen zu dem, was man ins Auge fassen sollte.

Man sollte zum Beispiel Schäfer bei der Vergabe von Flächen, wo immer dies möglich ist, stärker und vor allem gezielt berücksichtigen, damit durch einen anderen landwirtschaftlichen Erwerb ein gewisser Ausgleich, eine Kompensation anderer Kosten herbeigeführt werden kann.

Welche Möglichkeiten gibt es, die Vermarktung von Schaffleisch durch die Schäfer selbst zu fördern? Auch dieser Frage sollte man nachgehen. Man sollte Anreize geben und vielleicht noch anderes mehr.

Was hindert uns daran, die Behutung der Deiche gleichermaßen mit 900 DM pro Hektar zu vergüten bzw. den Anteil technischer Pflege zurückzufahren, um eine Alternative für zusätzliche Schafhaltungsbetriebe anzubieten bzw. bestehenden Betrieben eine Ausdehnung anzubieten? Wie kann erreicht werden, daß das Staatliche Amt für Umwelt weniger auf eine technische Pflege der Deiche setzt und sich stärker der Pflege durch Schafhutung zuwendet?

Abschließend noch folgende Bemerkung. Noch haben wir in Sachsen-Anhalt mit den Schäfern einen Berufsstand, dem auch aus dem Blickwinkel anderer Bundesländer höchste Anerkennung gezollt wird.

(Zustimmung von Herrn Czeke, PDS)

Berufskollegen aus Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hessen, aber auch aus Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern sprechen offen und anerkennend über den gut ausgebildeten Berufsstand der Schäfer in Sachsen-Anhalt. Wir haben bei uns eine Ausbildungsstätte, in der zur Zeit jährlich noch 24 Schäfer ausgebildet werden, von denen die überwältigende Zahl aus den alten Bundesländern kommt, weil sich die Qualität der Ausbildung hier in Sachsen-Anhalt herumgesprochen hat. Noch haben wir auch die gut ausgebildeten Lehrkräfte und Erfahrungsträger in diesem Land. Das sollten wir nicht aufs Spiel setzen. Damit sollten wir wuchern.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der PDS)

Danke für die Einbringung. - Meine Damen und Herren! Es ist eine Debatte mit fünf Minuten Redezeit je Fraktion vereinbart worden, und zwar in der Reihenfolge SPD, FDVP, CDU, DVU-FL, PDS. Als erstem erteile ich jedoch für die Landesregierung Herrn Minister Keller das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst möchte ich für die Landesregierung darum bitten, diesen Antrag in die zuständigen Ausschüsse, nämlich in den Agrarausschuß und in den Umweltausschuß, zu überweisen. Aber ich will auch kurz etwas zur Sache sagen.

Herr Krause, es ist aufgefallen, daß Sie sich in Ihrer Einbringungsrede praktisch ausschließlich den Schafhaltern im Lande Sachsen-Anhalt gewidmet haben und nicht, wie es die Überschrift zu Ihrem Antrag suggeriert, auch der Mutterkuhhaltung.

Ich denke, seit der Formulierung Ihres Antrages ist die Erkenntnis gewachsen, daß man bezüglich dieser beiden Haltungsformen sehr stark unterscheiden muß. Gerade was die Mutterkuhhaltung angeht, hat das Land Sachsen-Anhalt sicherlich sehr wenige Spielräume, was die Entwicklung eines eigenen Programmes angeht. Wir sind, weil es sich um den Rindfleischmarkt handelt, natürlich sehr stark an die EU-Vorgaben gebunden.

Ich warne davor - das habe ich von dieser Stelle aus schon häufiger getan -, den Versuch zu unternehmen, die Schwierigkeiten, die sich bei uns im Lande durch die EU-Agrarpolitik ergeben, durch Landesmittel ausgleichen zu wollen. Ich denke, dazu wird das Land insgesamt nicht in der Lage sein.