Motiv seiner Einreise in die Bundesrepublik war seine Verhaftung und Folterung am 22. Februar 1996 aufgrund seines politischen Engagements für soziale und kulturelle Belange der Blinden sowie seine kritischen Äußerungen zur fehlenden finanziellen Unterstützung durch die Regierung Zaires.
In seiner Petition vom 9. April 1999 beantragte der Petent erstens ein Bleiberecht aus humanitären Gründen und zweitens die Umverteilung von Wettin in ein Asylbewerberheim der Stadt Halle (Saale).
Die erste Behandlung der Petition im Ausschuß erfolgte am 9. Juni 1999. Diese Petition zog elf weitere Arbeitsschritte, so unter anderem die Einforderung ergänzender Stellungnahmen verschiedenster Ministerien, Kontakte
mit dem Caritasverband der Stadt Halle, dem Ausländerbeauftragten der Landesregierung und drei weitere Erörterungen im Ausschuß ergebnislos nach sich.
Erstens. Der Asylantrag des Herrn M. ist seit dem 22. August 1997 rechtskräftig abgelehnt, die dagegen erhobene Klage vor dem Verwaltungsgericht wurde abgewiesen, und Herrn M. wurde eine Duldung erteilt.
Zweitens. Auch der Folgeantrag, gestellt am 12. Mai 1998, blieb ohne Erfolg. Die dagegen erho- bene Klage beim Verwaltungsgericht Magdeburg ist mit Urteil vom 5. November 1998 unter dem Akten- zeichen A 2 K 529/98 abgewiesen worden.
Drittens. Dem Ausschuß ist bekannt, daß die Ausländerbehörde nach den §§ 4 und 42 des Asylverfahrensgesetztes an die Entscheidung des Bundesamtes gebunden ist. Sie muß die angedrohte Abschiebung vollziehen, soweit und solange keine Abschiebehindernisse vorliegen.
Viertens. Gleichwohl wurde durch die Bearbeitung im Ausschuß festgestellt, daß derzeit nur begrenzt in den Kongo abgeschoben wird und Personen, bei denen eine Flugbegleitung notwendig ist, nicht abgeschoben werden können. Da Herr M. aufgrund seiner Erblindung eine Flugbegleitung benötigt, scheidet eine Abschiebung wegen tatsächlicher Unmöglichkeit aus.
Hierzu einige Zitate aus Berichten und Auskünften von amnesty international, unter anderem vom 4. September 1997, und aus dem Bericht von Herrn Stefan Kessler zur aktuellen Lage in der Demokratischen Republik Kongo:
„Seit der Machtübernahme durch die AFDL am 17. Mai 1997 werden immer wieder zahlreiche Menschenrechtsverletzungen beobachtet, zum Beispiel Verbote jeder oppositionellen Tätigkeit, Massentötungen, Untersagungen von Demonstrationen, Folterungen, Festnahmen und ähn- liches...
Über die allgemeine, noch diffuse Situation in der Demokratischen Republik Kongo hinaus sind die Strukturen der Blindenvereinigungen (Blindenin- stitute, Blindenschule), die den Blinden helfen, sich im alltäglichen Leben zurechtzufinden, das heißt sich zu orientieren, und ihre Interessen zu stützen, nicht funktionstüchtig.“
Sechstens. Deshalb ist zu vermuten, daß für Herrn M. die derzeitige Situation im Kongo, in Zaire aufgrund seiner Behinderung eine unzumutbare Härte bedeuten würde. Herrn M. wurde eine Duldung erteilt. Er erstrebt derzeit jedoch ein Bleiberecht aus humanitären Gründen.
Erstens. Dem Ausschuß ist bekannt, daß Herr M. am 4. Juni 1998 bei der Ausländerbehörde des Landkreises Saalkreis die Zustimmung zu einer Umverteilung in die Stadt Halle beantragt hat. Grund ist die soziale Lage und seine Sehbehinderung sowie die Kontaktpflege zum Blinden- und Sehbehindertenverband Sachsen-Anhalt
Drittens. Es ist bekannt, daß er fristgerecht Widerspruch eingelegt hat und dieser als unbegründet zurückgewiesen wurde.
Mittlerweile befand sich die Petition zwischen der dritten und vierten Ausschußerörterung. Einer der zuständigen Sachgebietsberichterstatter nahm dieses ständige Hin und Her zum Anlaß, sich im Auftrage des Ausschusses von den Bedingungen im Asylbewerberheim Wettin selbst zu überzeugen. Seinen Eindruck - gleichzeitig die Information an den Ausschuß - darf ich wie folgt zusammenfassen und zitieren:
Das Heim in Wettin sei eng. Tagsüber seien nur wenige Asylbewerber anwesend. Der Petent benötige ständig Hilfe, zum Beispiel bei der Zubereitung von warmen Mahlzeiten. Darüber hinaus seien seine Deutschkenntnisse unzureichend, so daß er beim Einkaufen auf- grund seiner Erblindung auf eine Begleitung angewiesen sei. Vereine und Verbände, die die Begleitung und Betreuung von ausländischen Mitbürgern anbieten und auch den Petenten unterstützen könnten, seien überwiegend in größeren Städten angesiedelt, so zum Beispiel auch in Halle an der Saale. Wettin biete in dieser Hinsicht keine Voraussetzungen.
Die Prüfung, dem Petenten einen Deutschkurs zur besseren Integration zu ermöglichen, ergab, daß solche Kurse in der Regel nur bleibeberechtigten Personen zustehen. Herr M. ist jedoch seinem Status nach geduldeter Ausländer und somit zur Ausreise verpflichtet.
Zum Anliegen des Ausschusses. Sehr geehrte Damen und Herren! Wer von Ihnen meinen Ausführungen gefolgt ist, wird feststellen, wie kompliziert und wenig human, ohne die möglicherweise vorhandenen Ermessensspielräume auszuschöpfen, entschieden wurde. Bei dem Anliegen des Petitionsausschusses, die Petition an die Landesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen, ist sich der Petitionsausschuß der Tatsache bewußt, daß die Zuständigkeit, Umverteilungsanliegen zu entsprechen, der Ausländerbehörde des Saalkreises und der Stadt Halle obliegt. Die Stadt Halle - so die Erkenntnisse des Ausschusses - hat dem Umverteilungsersuchen nicht entsprochen.
Der Ausschuß bittet die Landesregierung, erneut alle Möglichkeiten zu prüfen, um dem Anliegen des Petenten auf Umverteilung in ein Asylbewerberheim in Halle/Saale entsprechen zu können. Der Beschluß zur Berücksich- tigung wurde im Ausschuß einstimmig gefaßt.
Ich möchte Sie bitten, sehr geehrte Damen und Herren, unter Tagesordnungspunkt 10 a ebenfalls diesem Beschluß zu folgen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Zur Sach- und Rechtslage der Petition mit der Nummer 3-I/235, Petition des Herrn Y. Lassen Sie mich diese Einbringung der Petition zur Berücksichtigung mit einem Zitat beginnen:
„Seit dem 2. Oktober 1996 wohne ich in Deutschland. Ich mußte meine Heimat aus poli-tischen Gründen verlassen und stellte am
9. Oktober 1996 einen Asylantrag. Dieser wurde abgelehnt. Ich werde in der Türkei gesucht und war dort zehnmal in Haft, wurde mehrfach in schlimmster Weise gefoltert. Ebenso erging es meinen Familienangehörigen.“
Herr Y. ist Familienvater und hat gemeinsam mit seiner Frau neun Kinder. Er ist - so nachweislich in der Petitionsakte enthalten - politisch engagiert und fordert in seinem Engagement eine politische Lösung für das Kurdenproblem in der Türkei. In zahlreichen Presseberichten, ebenso in der Sendung „Monitor“ der ARD am 22. Februar 1999 wurde seine exilpolitische Tätigkeit für die Rechte des kurdischen Volkes deutlich unterstrichen.
Entschuldigung. - Meine Damen und Herren! Ich muß schon um soviel Aufmerksamkeit bitten, daß dann bei der Abstimmung jeder weiß, worum es sich handelt.
Es ist davon auszugehen, daß diese exilpolitische Arbeit den Behörden in der Türkei bekannt sein dürfte; denn am 3. September 1999 erschien in der Türkei ein rela- tiv großer Artikel über den Petenten mit einem gut kenntlichen Foto. Alle Aktionen, an denen sich der Petent, Herr Y., beteiligt habe, seien friedlich gewesen, aber hätten stets zum Hintergrund gehabt, auf die Verletzung der Menschenrechte in der Türkei aufmerksam zu machen.
Herr Y. befürchtet - so die Berichterstatterin -, daß er bei der Einreise in sein Heimatland verhaftet werden würde und seine Ehefrau gemeinsam mit den neun Kindern obdachlos würde.
Dem Ausschuß ist bekannt, daß es sich bei Herrn Y., dem Petenten, um einen abgelehnten Asylbewerber handelt. Er und seine Familie sind rechtskräftig zur Ausreise verpflichtet. Dem Ausschuß ist ebenso bekannt, daß sich der türkische Menschenrechtsverein IHD für die Familie des Petenten einsetzen würde. Es sei zugesichert worden, daß die Petenten am Flugplatz in der Türkei in Empfang genommen und zunächst begleitet würden.
Aktivitäten des Ausschusses: Im August vorigen Jahres reichte der Petent sein Anliegen ein. In seiner Petition begehrt er für sich und seine Familie, nicht abgeschoben zu werden, da er aus politischen Gründen die Türkei verlassen mußte und Repressalien auf sich und seine Familie zukommen sieht.
Anliegen des Petitionsausschusses im genannten Fall ist es, alle erdenklichen rechtlichen Möglichkeiten und Ermessensspielräume auszuschöpfen, damit von einer Abschiebung abgesehen werde kann.
Gestatten Sie mir, sehr verehrte Damen und Herren, nur noch wenige Argumente zur Begründung des Anliegens vorzubringen. Ich zitiere aus dem Bericht über die Reise einer Delegation des Petitionsausschusses des Landtages Sachsen-Anhalt in die Türkei vom 1. bis 8. Ju- ni 1997. Das Zitat stammt aus dem Gespräch mit dem
Menschenrechtsverein IHD. Es wurde am 7. Juni 1997 in Istanbul geführt. Im Berichtsheft auf Seite 20 heißt es:
„Die Abgeschobenen werden festgenommen, gefoltert und angeklagt. Die Teilnahme an einer legalen Demonstration in Deutschland wird nach türkischem Strafrecht als schwere Straftat geahndet. Abgeschobene Personen werden wegen der angeblichen Teilnahme an einer PKKVeranstaltung in Deutschland verurteilt... Folter existiert in der Türkei. Auch Kinder sind da- von betroffen. Abgeschobene verschwinden nach polizeilicher Festnahme. Die Einholung von Informationen über Abgeschobene seitens deutscher Behörden reicht für eine Anklage aus... Die Situation verschlimmert sich weiter und ständig.“
Sehr geehrte Damen und Herren! Die Ihnen vorliegende Beschlußempfehlung wurde im Ausschuß mit einem Abstimmungsergebnis von 5 : 0 : 3 Stimmen beschlossen. Ich darf Sie um Zustimmung zu beiden Anträgen bitten.
Vielen Dank. - Meine Damen und Herren! Eine Debatte war nicht vorgesehen. Es gibt Wortmeldungen. Frau Wiechmann, bitte.
(Frau Budde, SPD: Kommen Sie doch in den Pe- titionsausschuß! - Frau Dr. Sitte, PDS: Kommen Sie doch in den Ausschuß!)