Protocol of the Session on April 6, 2000

Lassen Sie mich trotzdem noch ein paar Dinge anführen. Für mich haben sich zwei Fragen gestellt. Wann hat die CDU erkannt, daß eine Steuerreform mit sinkenden Abgaben die bessere Alternative für Wachstum und Beschäftigung ist?

(Herr Scharf, CDU: In den 80er Jahren!)

Als Partei in der Regierungsverantwortung hätten Sie viele Jahre Zeit gehabt, diese Erkenntnisse umzusetzen.

(Zuruf von Frau Stange, CDU)

Entweder hat es des Wechsels zur Opposition bedurft, um zu dieser Erkenntnis zu gelangen - das ist, glaube ich, richtig -, dann sage ich: besser spät als nie, oder Sie haben es wirklich längst gewußt und sich gescheut, dieses zugegebenermaßen unbequeme Thema anzupacken. Dazu könnte ich dann nur sagen: Achte nicht bloß auf das, was andere tun, sondern auch auf das, was sie unterlassen.

Zweitens habe ich mich gefragt: Hat die CDU nicht wahrgenommen, daß auf Bundesebene seit mehr als einem Jahr genau an der von ihr geforderten Steuerreform gearbeitet wird?

Das geschieht sicher mit einigen Abweichungen, aber der Finanzminister ist in seiner Rede kurz auf die Reform der Unternehmensbesteuerung eingegangen. Vielleicht wäre es gut gewesen, wenn Sie es zugelassen hätten, diesen Redetext zu Protokoll zu geben. Ich habe ihn da, Herr Scharf. Wenn Sie Interesse daran haben, kann ich ihn Ihnen zur Verfügung stellen. Sie können ihn lesen, und dann können wir uns an anderer Stelle darüber unterhalten.

Sie müssen immer folgendes betrachten: Herr Eichel hat ein Steuerpaket verabschiedet, und unser Bundeskanzler Schröder sagt eindeutig: An diesem Steuerpaket wird nicht gerüttelt!

(Herr Scharf, CDU: Das wollen wir erst mal se- hen!)

Wir haben aber einen Brief von Herrn Eichel - den kann ich Ihnen auch zur Verfügung stellen -, in dem er gerade auf die Mittelstandsförderung bzw. auf die Steuerentlastung des Mittelstands in den nächsten Jahren eingeht. Er rechnet dort - das können Sie sicherlich überprüfen, vielleicht haben Sie diesen Brief - in den Jahren 1999 bis 2005 mit 20 Milliarden DM. Das ist keine geringe Steuerentlastung, die dem Mittelstand zugute kommt.

Meine Damen und Herren! Über das Wie kann man sicherlich streiten. Zum Teil sind das auch politische Entscheidungen. Aber wenn man 16 Jahre Zeit hatte, selbst das Thema zu bestimmen, und dies nicht getan hat, dann darf man sich hinterher auch nicht beschweren.

(Zustimmung von Herrn Sachse, SPD)

Der Bundestag wird voraussichtlich im Mai über die Steuerreform der Bundesregierung entscheiden. Auch der CDU/CSU-dominierte Bundesrat muß und wird der Reform seine Zustimmung geben. Sie haben heute bereits angedeutet, daß es dazu in irgendeiner Form grünes Licht geben wird.

(Herr Scharf, CDU: Das wird aber nicht mehr das Optionsmodell sein!)

Es wird daher ein Verfahren im Vermittlungsausschuß erwartet und auch durchgeführt werden, wobei Sie als Opposition genügend Zeit haben, Ihre Argumente und Vorstellungen noch in das laufende Verfahren einzubringen. Eine Initiative der Landesregierung ist deshalb überflüssig, und wir lehnen diesen Antrag ab. - Danke.

(Zustimmung bei der SPD - Herr Scharf, CDU: Schade!)

Fairerweise muß ich jetzt sagen, daß nicht die CDUFraktion verhindert hat, daß die Rede des Herrn Ministers zu Protokoll gegeben werden konnte, sondern die Geschäftsordnung.

Die DVU-FL-Fraktion verzichtet auf einen Redebeitrag. Für die FDVP-Fraktion spricht jetzt die Abgeordnete Frau Wiechmann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da haben wir es wieder, und da schaue ich in Richtung Landes

regierung - so sehr viele Vertreter sind heute nicht mehr anwesend -: Wirtschaft, Arbeitslosigkeit, ein Thema, welches der Landesregierung, denke ich, überaus peinlich sein sollte. In der Diskussion haben wir gerade wieder gemerkt, daß es so ist.

Es ist schon ein geflügeltes Wort: Sachsen-Anhalt hält die rote Laterne überall dort, wo es Negativrekorde einzufahren gilt. Sachsen-Anhalt hat die höchste Arbeitslosigkeit unter allen Bundesländern und bildet bei nahezu allen wirtschaftlich relevanten Daten das Schlußlicht.

Der Klimaindex für die Wirtschaftsentwicklung sank von 144 Punkten im Vorjahr auf 110 Punkte im Jahre 1999. Die Zahl der Insolvenzanträge bewegt sich auf dem Rekordniveau von 1 640, und zum erstenmal in der Geschichte von Sachsen-Anhalt, meine Damen und Herren, ist die Zahl der Gewerbeabmeldungen größer als die Zahl der Anmeldungen.

Unternehmerlücke, gesunkene Exportquote, Rückgang der Investitionen - all das, meine Damen und Herren, sind Zeichen dafür, welchen Scherbenhaufen rot-rote Politik in Sachsen-Anhalt bereits angerichtet hat.

(Zustimmung bei der FDVP - Oh! bei der SPD)

Und was tut Rot-Grün in Berlin? Was tut unsere rotgrüne Bundesregierung?

Der Präsident des Bundesverbandes der Industrie und IBM-Geschäftsführer Hans-Olaf Henkel bezeichnet die Wirtschafts- und Steuerpolitik der Bundesregierung als wirtschaftsfeindlich und schädlich für Investitionen und Arbeitsplätze. Belastungen durch die sogenannte ÖkoSteuer, einhergehend mit einem schwachen Euro, die mißglückten Neuregelungen bei den 630-DM-Jobs und beim Gesetz zur Scheinselbständigkeit - all das bringt insgesamt ungünstige Rahmenbedingungen für Unternehmer, beeinflußt die Stimmungslage der Wirtschaft im Land und - das ist der entscheidende Punkt - trägt zum weiteren Arbeitsplatzabbau bei.

Insgesamt, meine Damen und Herren, verschlechterte sich die Gewinnlage der Unternehmen um ca. ein Drittel. Im Vergleich zu 1998 haben sich die Erwartungen der Wirtschaft für das Jahr 2000 so weit abgeflacht, daß die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen bei diesem Klima erst einmal auf Eis gelegt ist.

Kammern und Verbände üben massive Kritik und appellieren an die Politik, insbesondere die mittelständischen Unternehmen aus der Zwangsjacke der Steuerabgaben und Bürokratielasten zu befreien.

Durch das sogenannte Steuerentlastungsgesetz wird die Wirtschaft mit rund 30 Milliarden DM stärker belastet. Ebenso muß die Öko-Steuer schnellstens eingefroren werden. Der Standort Deutschland wird nicht dadurch kostengünstiger, daß die Energiekosten erhöht werden, um die Sozialkosten zu senken.

Kleine und mittlere Betriebe werden durch die Wirtschafts- und Steuerpolitik immer mehr belastet, während die Großindustrie, Versicherungen, Banken und große Kapitalgesellschaften eine positive Steuerperspektive nach der anderen erhalten. Hier wird Klientelpolitik betrieben.

85 % der mittelständischen Betriebe halten die ÖkoSteuer für kein sinnvolles Instrument zur Senkung der Lohnnebenkosten. 75 % von ihnen bezeichnen zu hohe Steuern und Abgaben als die Hauptgefährdungspunkte für die Existenz ihres Unternehmens.

Meine Damen und Herren! Unter diesen Gesichtspunkten ist an Neuschaffung von Arbeitsplätzen nicht zu denken. Der Standort Deutschland braucht, um sich international behaupten zu können, ein überschaubares Steuersystem. Eine zu hohe Steuerlast hemmt die Expansion der Betriebe und hindert sie an der vollen Entfaltung ihrer Leistungsfähigkeit. Nur durch eine deutliche Steuersenkung wird die Grundlage für mehr Innovation und Arbeitsplätze geschaffen.

Wir favorisieren einen Eingangssteuersatz von maximal 15 % und einen Höchststeuersatz von 35 %. Genau diese Auffassung bezüglich der Höhe der Steuersätze wird von führenden Wirtschaftsinstituten geteilt.

Meine Damen und Herren! Es wird aber sicherlich nicht ausreichend sein, allein durch eine Steuerreform für mehr Wachstum und Beschäftigung zu sorgen; denn viele andere Dinge sind dabei zu bedenken und viele andere Maßnahmen müssen zum Tragen kommen. Ich nenne nur einige: konsequenter Vorrang von Investitionen vor Verteilung; großzügige und ständige Forschungsentwicklung; dauerhafte, groß angelegte Aus- und Weiterbildung; eine großzügige Existenzgründungspolitik, ausgerichtet auf den Mittelstand; drastische Eindämmung der Schwarzarbeit. Viele andere Dinge ließen sich noch aufzählen.

Während einer Podiumsdiskussion des Bundeswirtschaftsrates debattierten zahlreiche Unternehmer aus dem Wirtschaftsraum Sachsen-Anhalt unter anderem mit dem bayerischen Staatsminister Dr. Otto Wiesheu zur Zukunft in Sachsen-Anhalt. Dr. Wiesheu sagte dabei, allerdings setze ein solcher Sonderweg auch voraus, daß manchmal Landesinteressen, auch auf wirtschaft- lichem Gebiet, über die des Bundes gesetzt würden.

Genau hier, meine Damen und Herren von der Landesregierung, haben Sie die einmalige Chance, diesen Rat in die Tat umzusetzen. Geben Sie den Landesinteressen einfach den Vorrang, und setzen Sie diese in den Verhandlungen mit dem Bund durch.

Unser Ministerpräsident hat bereits mehrfach die Landesinteressen hinter die Bundesinteressen gesetzt. Ich denke nur an seine Zustimmung zur sogenannten ÖkoSteuer im Bundesrat. Jetzt hat er die Chance, das Gegenteil zu tun, nämlich etwas für das Land SachsenAnhalt. Ich würde mir wünschen, daß das passiert. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDVP)

Herr Kollege Scharf, Sie haben noch einmal das Wort.

(Herr Scharf, CDU: Ich verzichte!)

Kollege Scharf, Sie hatten keine Ausschußüberweisung beantragt. Es wurde auch von keiner anderen Fraktion eine Überweisung beantragt. Dann ist über die Drs. 3/2901 direkt abzustimmen.

Wer stimmt zu? - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Keine Stimmenthaltungen. Der Antrag ist mit deutlicher Mehrheit abgelehnt worden.

Meine Damen und Herren, selbst auf die Gefahr hin, daß ich mich bei Ihnen unbeliebt mache, rufe ich noch den Tagesordnungspunkt 12 auf. Seine Behandlung geht ganz schnell. Es findet keine Debatte statt, und es ist dann nur abzustimmen.

Beratung

Stellungnahme zu dem Verfahren vor dem Landesverfassungsgericht betreffend die Privatisierung des Maßregelvollzugs - LVG 14/99

Beschlußempfehlung des Ausschusses für Recht und Verfassung - Drs. 3/2864

Ich bitte Herrn Schomburg, als Berichterstatter das Wort zu nehmen.

Frau Präsidentin! Der Ausschuß für Recht und Verfassung hat sich in seiner Sitzung am 16. März 2000 mit der Verfassungsbeschwerde eines Maßregelvollzugspatienten gegen die Privatisierung der Einrichtungen in Bernburg und Uchtspringe befaßt. Der Ausschuß empfiehlt Ihnen wie üblich, keine Stellungnahme an das Landesverfassungsgericht abzugeben.

Der Ausschuß hat allerdings die Vorsitzende gebeten, dem Landesverfassungsgericht alle diesbezüglichen Initiativen, einschließlich der Plenarprotokolle sowie der Niederschriften über Ausschußsitzungen, zur Verfügung zu stellen. Nach Auskunft des Ausschußsekretariats ist dies inzwischen erfolgt. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Danke für die Berichterstattung, Herr Schomburg. - Eine Debatte ist nicht vorgesehen. Ich sehe auch keine Wortmeldungen.