Protocol of the Session on April 6, 2000

Legt man der Steuerreform ein paar einfache Grundsätze zugrunde, so ließe sich die Situation verbessern. Diese Grundsätze wären zum Beispiel: Der Staat soll sich nicht mehr Einnahmen verschaffen, als er tatsächlich braucht. Kurz gesagt, der Staat dreht an der Steuerschraube und er erstickt damit den Leistungswillen der Bürger.

Verringert man die Staatsquote, ermöglicht dies auch dementsprechende Steuersenkungen. Dies ist auch verfassungsrechtlich geboten; denn das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Halbteilungsgrundsatz - wir müssen bedenken, daß manche Unternehmen heutzutage immer noch in der Summe mit 65 bis 70 % besteuert werden - in dieser Hinsicht sichtbare Grenzen gesetzt.

Zweitens sollen Gerechtigkeit und Ausgleich in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Das bedeutet zum Beispiel Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit sowie Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Beispiele hierfür sind Steuerfreistellung des Existenzminimums - der ansteigende Grenzsteuersatz ist eine Frage der Gerechtigkeit -, aber auch die bereits erfolgte Zusammenführung von Erbschaftsteuer und privater Vermögensteuer.

Aber wir müssen uns auch immer dessen bewußt sein: Es gibt aus gutem Grunde beträchtliche Einwände gegen eine Überfrachtung des Steuersystems mit zu vielen Ausgleichsfunktionen. Deshalb muß an dieser Stelle ganz deutlich gesagt werden, daß das von der Bundesregierung vorgeschlagene Optionsmodell bei Personenunternehmen wohl nicht notwendig gewesen wäre, wenn man nicht die Schieflage bei der Körperschaftsteuer wieder beseitigen wollte. Das heißt, wir mußten mit Kor

rekturen versuchen, falsche Entscheidungen nachzukorrigieren, weil wir die Wirkungen so nicht haben wollen.

Es leidet zum Schluß die Übersichtlichkeit, die Transparenz für den Bürger, und damit leidet natürlich auch die Akzeptanz.

Steuerrechtsvereinfachung, immer wieder gefordert, und immer wieder steht sie auf der Tagesordnung. Die Finanzbeamten sagen, die größte Steuervereinfachung bestünde darin, daß wir einmal fünf Jahre lang das Steuersystem mehr oder weniger in Ruhe lassen würden, also Veränderungen wirklich nur mit Augenmaß vornehmen würden.

Viertens. Lenkungsfunktionen. Förderung von investivem Verhalten wollen wir alle, aber ich sage auch: Förderung der Familie durch Ehegattensplitting ist eine wichtige Aufgabe und natürlich auch - aber da wird es schwierig - Förderung der Ökologie durch Besteuerung der Kraftfahrzeuge nach Schadstoffausstoß. Das, was Sie mit der Öko-Steuerreform gemacht haben, war ein reines Abkassierungsmodell, und es funktioniert auch in sich nicht. Denn je mehr die Leute sich tatsächlich steuersenkend verhalten würden, desto mehr würden Ihnen die Einnahmen fehlen, die Sie ja fest einkalkuliert haben aufgrund der sogenannten Öko-Steuer.

Es ist also kein Wunder, wenn so mancher Existenzgründer aufgrund dieser Steuerlast wieder aufgibt. Ich möchte den ehemaligen Wirtschaftsminister Herrn Schucht zitieren, der in seinem „Jahrbuch 2000 - Politik und Gesellschaft in Sachsen-Anhalt“ ausführt:

„Es kam ein junger Schlosser mit einer gewitzten Idee aus den USA zurück nach Deutschland. Er wollte eine Unternehmung aufbauen und hatte mit den Anfängen zunächst Erfolg. Aber bevor er sich konsolidieren konnte, schnappte ihn sich das Finanzamt.“

Meine Damen und Herren! So darf es nicht sein. Das muß verhindert werden.

(Herr Dr. Rehhahn, SPD: Was hat die Öko- Steuer mit dem Finanzamt zu tun?)

- Ich habe allgemein über die Steuern gesprochen, die diesem Existenzgründer zum Verhängnis geworden sind. Ich plädiere für die Vereinfachung und für ein Steuersystem, das solche Entwicklungen fördert und nicht behindert.

Ein kurzer Blick über die Landesgrenzen hinaus. Ich muß es stichpunktartig machen, damit ich mich nicht in Einzelheiten verzettele. Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß Luxemburg mit steuerfreien Zinserträgen lockt. Belgien und die Niederlande bieten ausländischen Unternehmensniederlassungen eine verminderte Besteuerung an, die in den Niederlanden sogar frei verhandelbar ist; das muß man sich einmal vorstellen. BMW und VW haben davon schon Gebrauch gemacht. Österreich lockt mit einer niedrigen Progression besonders für Vermögende. Franz Beckenbauer hat davon schon Gebrauch gemacht. Es ließen sich noch andere Beispiele aufzählen.

Es wäre sehr schön, wenn wir zu einem Verhaltenskodex für die Unternehmensbesteuerung im Rahmen der Europäischen Union kommen würden, aber dessen Umsetzung droht an nationalen Egoismen zu scheitern, wie der fehlgeschlagene Versuch bei der Harmonisierung der Zinsbesteuerung zeigt.

Deswegen müssen wir in Deutschland ein klares Signal setzen. Die hohen Steuersätze müssen deutlich abgesenkt werden, und möglichst viele Ausnahmen müssen gestrichen werden. Dies muß gleichzeitig erfolgen; denn niedrige Steuersätze verringern den Vorteil einzelner Sonderregelungen und entziehen vielen Ausnahmen die Begründung.

Andererseits schafft das Streichen der Vergünstigun- gen erst die finanziellen Voraussetzungen für niedrige Steuersätze. In Großbritannien und in Amerika hat das funktioniert. Das Wirtschaftswachstum in diesen Ländern ist wohl zum großen Teil auf eine entsprechende Steuerreform zurückzuführen.

Wir müssen umsteuern. Wir werden nur durch eine tatsächliche Nettoentlastung einen realen Beitrag zum Wachstum unserer Volkswirtschaft leisten können.

Meine Damen und Herren! Die vorherige Bundesregierung hatte mit den sogenannten Petersberger Steuervorschlägen die Eckpunkte für ein umfassend reformiertes Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz vorgelegt. Die gesetzliche Umsetzung des Konzeptes wurde jedoch durch die Blockadepolitik von SPD und Grünen im Bundesrat unter dem früheren Oppositionsführer Oskar Lafontaine zum Schaden Deutschlands verhindert.

Meine Damen und Herren! Auf der Homepage der SPD-Bundespartei kann man immer noch mit Stolz und Sozialneid durchtränkte Artikel zu den Stichworten lesen, daß eine Mindeststeuer ein Durchbruch zu einem sozial gerechten Steuersystem wäre.

Der Sparerfreibetrag wurde bereits halbiert. Diese Landesregierung betreibt zumindest verbal weiterhin ihre Pläne zur Wiedereinführung der Vermögensteuer. Ich will an dieser Stelle sagen, daß sie es lediglich verbal tut; denn dieser Antrag zur Wiedereinführung der Vermögensteuer sollte von so unerfahrenen Mitarbeitern in der Staatskanzlei erarbeitet werden, daß man sich ernsthaft gefragt hat, sollte dieser Gesetzentwurf überhaupt ernst genommen werden oder wollte man der PDS-Fraktion einen kleinen Gefallen tun, indem man zumindest nachgewiesen hat, daß man sich um dieses Thema gekümmert hat. Aber jeder Wissende sollte mitbekommen, ernsthaft sind diese Versuche nicht. Deshalb wird die Landesregierung auch nicht so böse sein, wenn sie mit diesen Vorschlägen auf Bundesebene scheitert, wie sie es mit Krokodilstränen immer wieder kundtut.

Oskar Lafontaine hat nach einem völlig verhunzten ersten Versuch einer SPD-Steuerreform das Handtuch geschmissen und damit die Bauchschmerzen aller führenden Ökonomen zeitweilig gelindert. Sein Nachfolger Hans Eichel hat mit ihm zusammen im Bundesrat die SPD-geführte Blockadepolitik gegen die Vorstellungen der Union durchgeführt. Jetzt versucht er, die damaligen Ziele der Union, allerdings mit einem zum Teil unpassenden Instrumentarium, zu verwirklichen. Er hat sogar angekündigt, das Steuerrecht vereinfachen zu wollen.

Die Union wird eine Blockadepolitik à la Lafontaine im Bundesrat nicht durchführen. Wir haben deshalb die Hoffnung, daß wir nach einem mühevollen Weg vielleicht doch zu einem weithin akzeptierten Steuersystem kommen. Unsere Hand für eine Zusammenarbeit bleibt jedenfalls ausgestreckt.

Es muß allerdings zu einer deutlichen Nettoentlastung kommen. Die Steuersätze müssen konsequent und durchgehend gesenkt werden. Ich will noch einmal kurz daran erinnern, daß der Eingangssteuersatz auf etwa 15 % und der Spitzensteuersatz auf unter 40 % gesenkt werden sollte. Diese Steuersenkungen würden alle Einkommen deutlich entlasten. Sie würden den Anreiz zur Schwarzarbeit vermindern, und sie könnten es Personen mit hohen Bruttoeinkommen ersparen, über Konstruktionen zur Steuervermeidung, zum Beispiel Abschreibungen, ihren effektiven Steuersatz deutlich abzusenken.

Die SPD hat in letzter Zeit, indem sie Windmühlenparks als Verlustzuweisungsgesellschaften deutlich fördert, noch einmal einen Weg in eine andere Richtung eingeschlagen, der finanzpolitisch und ökologisch nach unserer Auffassung weithin einen Irrweg darstellt.

Meine Damen und Herren! Es sollten einheitliche Höchststeuersätze für alle Einkommensarten erreicht werden. Hierbei muß darauf hingewiesen werden, daß wir der Auffassung sind, daß das höchst komplizierte Optionsmodell, das die SPD vorschlägt, bei der Besteuerung der Unternehmen nur neue Ungereimtheiten und neue Ungerechtigkeiten hervorrufen wird. Ich hoffe, daß die SPD im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens von diesen Vorstellungen lassen wird.

Meine Damen und Herren! Man muß sich ernsthaft fragen, wenn durch dieses Modell 85 % aller Unternehmen - das sind die mittelständischen Unternehmen - gravierend benachteiligt werden und einige Großunternehmen, die als Kapitalgesellschaften agieren, bevorteilt werden, was die SPD reitet, bei so einer Politik zu sagen, daß sie die mittelständischen Unternehmen fördert. Nein, sie werden diskriminiert.

Wer den Verkauf von Anteilen an Unternehmen zwischen Körperschaften völlig steuerfrei stellt, aber gleichzeitig den Gewinn eines Handwerksmeisters bei der Betriebsveräußerung aus Altersgründen mit der vollen Steuerlast belegen will, bekommt sicherlich einen großen Erklärungsbedarf.

(Herr Gürth, CDU: Mittelstandsfeindlich!)

Meine Damen und Herren! Wir müssen die Steuervergünstigungen abbauen, damit das Ganze finanzierbar ist. Ich kann die Vielfalt dieses Paketes an dieser Stelle nur ganz knapp anreißen. Ich will aber auf einen sehr bedenklichen Punkt aufmerksam machen. Wenn die Abschreibungsfristen bei Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens deutlich verlängert werden, dann führt dies zu neuen Problemen, besonders im Bereich der Bauwirtschaft. Darüber haben wir schon gesprochen. Darüber werden wir uns in Zukunft wahrscheinlich wieder unterhalten. Wer die Abschreibungsfristen für Baugeräte von fünf auf zwölf Jahre verändern will, bringt die schon jetzt in großen Schwierigkeiten befindlichen Unternehmen in neue große Schwierigkeiten.

Ich will noch eine Kleinigkeit erwähnen. Wenn es tatsächlich dazu kommen sollte, daß das Schulgeld als Sonderausgabe der Steuerpflichtigen wegfallen sollte, bekommt die Diskussion, die wir im letzten Jahr in diesem Hause über die Zumutbarkeit höherer Schulgelder bei den freien Schulen geführt haben, eine besonders pikante und neue Note. Dann werden wir uns über soziale Gerechtigkeit im Bildungssystem unter diesem Aspekt noch einmal ehrlich unterhalten müssen.

(Zuruf von Herrn Dr. Rehhahn, SPD)

Ich habe das damals bereits warnend vorgetragen, weil die Pläne der SPD an dieser Stelle nicht neu sind. Sie wurden schon damals vorgetragen.

(Zuruf von Herrn Dr. Rehhahn, SPD)

Meine Damen und Herren! Der Herr Finanzminister Gerhards hat in einer Presseerklärung vom 17. November 1999 ausgeführt, daß bei der Lohnsteuer und bei der veranlagten Einkommensteuer Steuerausfälle in Höhe von 245 Millionen DM zu erwarten sind.

Insgesamt werden wir natürlich mit noch größeren steuerlichen Belastungen im Lande Sachsen-Anhalt zu rechnen haben. Das bringt uns in eine schwierige und knifflige Lage. Wir brauchen die Steuerreform, um zu Wirtschaftswachstum zu gelangen. Aber wir müssen im Herbst unseren Landeshaushalt wieder zusammenbekommen. Das heißt, wir müssen auch bereit und in der Lage sein, die neuen Lasten, die auf uns zukommen, zu schultern. Ich gehe davon aus, daß diese Lasten mit Sicherheit deutlich über 500 Millionen DM liegen werden.

Ich fordere an dieser Stelle den Finanzminister auf - er wird die genauen Zahlen mit Sicherheit schon kennen, denn es ist auf Bundesebene durchgerechnet und mit Sicherheit auch heruntergerechnet worden, was das für das Land Sachsen-Anhalt bedeutet -, zu sagen, mit welchen Steuerausfällen wir mit großer Wahrscheinlichkeit im Land Sachsen-Anhalt zu rechnen haben werden, damit wir den schwierigen Abwägungsprozeß zwischen der Notwendigkeit der deutlichen Steuersenkung und der Diskussion, was wir als armes Land Sachsen-Anhalt tatsächlich verkraften können und wo wir dem Finanzminister den Rücken stärken müßten, damit er im Bundesrat so verhandelt, daß die Lasten für Sachsen-Anhalt zu tragen sind, tatsächlich verantwortungsvoll durchführen können.

Ich habe noch vier Sekunden Redezeit, auf die verzichte ich. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Scharf, würden Sie eine Frage von Herrn Gallert beantworten? - Bitte, Herr Gallert.

Sie haben kurz alternative Vorstellungen der CDU zur Steuerreform zumindest angedeutet. Haben Sie mal ausgerechnet, was das das Land kosten würde?

Lieber Herr Gallert,

(Herr Gallert, PDS: Ja!)

wir sind als arme, kleine CDU-Landtagsfraktion natürlich nicht in der Lage, diese Modelle genau auf das herunterzurechnen, was es für das Land Sachsen-Anhalt bedeutet. Dazu brauchten wir einen Apparat, der mächtiger ist als das, was wir als Fraktion leisten können. Wir können nur im Analogieschluß von dem ausgehen, was bei früheren Berechnungen auf das Land SachsenAnhalt zugekommen wäre. Ich habe vorhin gesagt: Ich vermute, wir werden uns mit Sicherheit über eine Zielzahl, die über 500 Millionen DM liegt, unterhalten, und auch nach unseren Berechnungen würden wir billiger nicht davonkommen.

Ich vermute, der Finanzminister wird heute abend auch noch einen Redebeitrag halten und er wird uns sagen, daß es nicht weniger als diese Zahl werden wird - weder bei unserem Modell noch bei dem, das jetzt die SPD vorschlägt. Um so besser sind wir beraten, uns auf diese Konsequenzen frühzeitig und rechtzeitig vorzubereiten. Es wird sonst im Herbst ganz dicke kommen.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke, Herr Scharf. - Meine Damen und Herren! Es ist eine Debatte mit fünf Minuten Redezeit je Fraktion in der Reihenfolge PDS, SPD, DVU-FL, FDVP und CDU vereinbart worden. Als erstem erteile ich jedoch für die Landesregierung Herrn Minister Gerhards das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe von meinem Haus einen ziselierten Redebeitrag geschrieben bekommen, der ist auch gut. Aber im Interesse der Zeitökonomie will ich ihn jetzt nicht halten und gebe ihn zu Protokoll. Ich will nur ein paar Worte ergänzend zu dem sagen, was Sie, Herr Scharf, gesagt haben. Ich werde auch auf die Frage des Abgeordneten Gallert eingehen.

Erstens. Die wesentlichen Ziele, die Sie in Ihrem Antrag beschrieben haben, sind in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Steuersenkung erreicht.

Zweitens. Mich hat gewundert, daß Sie auf den Antrag und die Alternativen der CDU/CSU im Detail nicht eingegangen sind. Einiges davon haben Sie genommen, aber insgesamt stehen Sie offenbar auch nicht ganz dahinter.

(Herr Scharf, CDU: Die Zeit, die Zeit!)