Protocol of the Session on April 6, 2000

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hiermit eröffne ich die 37. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der dritten Wahlperiode. Dazu möchte ich Sie, verehrte Anwesende, auf das herzlichste begrüßen.

Ich stelle die Beschlußfähigkeit des Hohen Hauses fest und komme zu Entschuldigungen von Mitgliedern der Landesregierung. Der Ältestenrat ist darüber bereits informiert worden.

Frau Ministerin Häußler nimmt an der Umweltministerkonferenz teil, die am 6. und 7. April dieses Jahres in Berlin stattfindet. Aus diesem Grunde ist ihre Anwesenheit in der Landtagssitzung lediglich am heutigen Tage bis gegen Mittag möglich. Am morgigen Freitag wird Frau Häußler ganztägig abwesend sein.

Herr Minister Dr. Püchel wird die heutige Landtagssitzung gegen 17 Uhr verlassen. Er nimmt auf Einladung des Kommandeurs am feierlichen öffentlichen Gelöbnis des Pionierbataillons 803 in Havelberg teil und wird dort die Gelöbnisrede halten.

Die Ministerinnen Frau Dr. Kuppe und Frau Schubert sowie Herr Minister Gerhards nehmen am 7. April, also am morgigen Freitag, an der Sitzung des Bundesrates teil und bitten deshalb, ihre Abwesenheit zu entschul- digen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Tagesordnung für die 20. Sitzungsperiode des Landtages liegt Ihnen vor. Am 3. April 2000 wurde durch die Fraktion der FDVP fristgemäß ein weiteres Thema für die Aktuelle Debatte eingereicht. Der Antrag zum Thema „Kein Schlußstrich unter die Stasi-Verbrechen in Sachsen-Anhalt“ liegt Ihnen in der Drs. 3/2945 vor. Ich schlage vor, dieses Thema unter Tagesordnungspunkt 3 c zu behandeln.

Ich höre gerade, daß dieses Thema zurückgezogen worden ist. Ich hatte angenommen, dies beträfe nur den folgenden Antrag. Die Fraktion der FDVP hat beantragt, die Beratung ihres Antrages zur Einsetzung des Sonderausschusses nach § 46 a AbgG LSA zur Überprüfung der Mitglieder des Landtages auf die Plenarsitzung im Mai zu verlegen. Der Punkt 21 ist damit von der Tagesordnung abgesetzt.

Mit Schreiben vom gestrigen Tage hat die Fraktion der SPD beantragt, folgenden Tagesordnungspunkt zusätzlich zu behandeln: „Keine Einschränkungen bei Bahnangeboten während der Expo“. Der Antrag liegt Ihnen in der Drs. 3/2962 vor. Möchte die Fraktion der SPD hierzu noch etwas bemerken?

Ich muß feststellen, daß ich doch richtig gelesen und recht gehabt habe. Das Thema „Kein Schlußstrich unter die Stasi-Verbrechen in Sachsen-Anhalt“ in Drs. 3/2945 wird in der Aktuellen Debatte selbstverständlich mit aufgerufen. Ich schlage vor, dieses Thema als Tagesordnungspunkt 3 c in die Tagesordnung aufzunehmen.

Zurück zum Thema „Keine Einschränkungen bei Bahnangeboten während der Expo“. Herr Sachse, bitte.

Herr Präsident! Die SPD-Fraktion hat eine aktuelle Situation aufgreifen wollen, die sich auch im Parlament Niedersachsens ergeben hat. Analog zur Hauptregion

der Expo wollen wir natürlich auch die Korrespondenzregion berücksichtigen. Im Sinne eines Appells sollte sich dieses Hohe Haus ebenfalls darauf verständigen, die Angebote der Deutschen Bahn zumindest kritisch zu betrachten. Deshalb spontan die Vorlage dieses Antrages in Ergänzung der Aktuellen Debatte.

Danke sehr. - Gibt es dagegen Widerspruch? - Frau Wiechmann.

Wenn ich das richtig verstanden habe, handelt es sich um eine Ergänzung der Aktuellen Debatte, aber es ist ein zusätzlicher Antrag, Herr Sachse?

(Herr Sachse, SPD, und Herr Dr. Fikentscher, SPD: Ja!)

Das ist ein zusätzlicher Antrag, der als Tagesordnungspunkt 23 aufzunehmen wäre.

Dann erhebt die FDVP-Fraktion Einspruch.

Damit wird der Antrag nicht auf die Tagesordnung genommen.

Gibt es weitere Bemerkungen zur Tagesordnung? - Das ist nicht der Fall. Dann können wir so verfahren.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Regierungserklärung des Ministerpräsidenten Herrn Dr. Höppner zur Modernisierung der Verwaltung des Landes Sachsen-Anhalt

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich erteile Herrn Ministerpräsidenten Dr. Höppner das Wort zur Abgabe der Regierungserklärung. Bitte, Herr Ministerpräsident.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Kern geht es bei der Modernisierung der Verwaltung um die Frage, wie wir unser Land Sachsen-Anhalt und insbesondere unseren öffentlichen Dienst fit machen für das 21. Jahrhundert.

Das ist eine gewaltige Aufgabe. Für manche der Betroffenen ist es auch eine Zumutung, weil sich schon wieder so vieles verändert. Aber an dieser Aufgabe kommt keiner vorbei, nicht nur wegen des Wettbewerbs, dem wir alle ausgesetzt sind, sondern auch deshalb, weil sich durch die unglaublich schnelle Veränderung der Informations- und Dienstleistungsgesellschaft auch die Maßstäbe verändern, die die Bürgerinnen und Bürger an das Verhalten einer öffentlichen Verwaltung anlegen.

Als ich das neue Bürgerbüro in Wittenberg mit eingeweiht habe, ist mir diese gewaltige Aufgabe geradezu symbolisch deutlich geworden. In eine alte Kaserne aus dem 19. Jahrhundert ist nach der Rekonstruktion des Gebäudes eine moderne Verwaltung eingezogen, deren offener Eingangsbereich bereits dokumentiert: Hier sind die Bediensteten für die Bürger da, offen und kunden

freundlich. Jeder ist ansprechbar, bereit, den Bürgerinnen und Bürgern den Weg zu weisen.

Darum will ich auch das Bild der Rekonstruktion eines Hauses benutzen, um deutlich zu machen, vor welchen Herausforderungen wir stehen.

Vorgefunden haben wir im Jahr 1994 ein ziemlich großes Durcheinander und Nebeneinander von Regierungspräsidien und Landesämtern, in denen Doppelarbeit geleistet wurde und Zuständigkeiten unklar waren. Der Personalbestand war viel zu groß. Manchmal hatte wohl die Übernahme von Beschäftigten aus den DDRVerwaltungen Vorrang vor der Frage, wie man sich auf die notwendige Arbeit beschränken und diese möglichst effektiv erledigen könnte.

Die Sonderkündigungsmöglichkeiten, die nach dem Einigungsvertrag bis 1993 galten, wurden nicht sachgerecht genutzt, was dem Land Sachsen-Anhalt leider auch einen Nachteil gegenüber den anderen neuen Bundesländern gebracht hat.

Ich erkenne an, daß es nicht leicht war, aus der DDRVerwaltung und einer noch nicht modernisierten Westverwaltung - sie war nämlich auch ziemlich von gestern - eine neue, moderne Verwaltung aufzubauen. Aber alle diese Schwierigkeiten ändern nichts an der Tatsache, daß das Ergebnis im Jahr 1994 schlecht gewesen ist.

(Herr Schulze, CDU, lacht)

Wenn ein Architekt sich ein so verwinkelt gebautes Haus ansieht, dann kommt er schnell zu dem Schluß: Abreißen und neu bauen!

(Frau Stange, CDU: Das ist nicht wahr!)

Dieser Weg aber ist uns zehn Jahre nach der Wiederherstellung der Einheit versperrt. Uns bleibt keine andere Wahl, meine Damen und Herren, als zu rekonstruieren und zu modernisieren, und das - das ist die erhöhte Schwierigkeit bei der Sache - bei laufendem Betrieb; dies bedeutet eine erhebliche Belastung für die Bediensteten, wie jeder weiß, der das schon einmal mitgemacht hat.

(Herr Dr. Sobetzko, CDU: Ziehen Sie doch nach Sachsen um!)

Deswegen ist es wichtig, daß es einen klaren Zeitrahmen und einen genauen Plan gibt, der beschreibt, wohin wir wollen und zu welchem Zeitpunkt die Rekonstruktionsarbeiten abgeschlossen sein sollen. Dabei muß jetzt noch nicht über jeden Einrichtungsgegenstand entschieden sein, aber der Plan muß klar sein, die Leitungen müssen richtig verlegt sein, und die Maurer wollen wir hinterher auch nicht noch einmal im Hause haben.

Unser Plan ist klar: Die Rekonstruktionsarbeiten sollen bis zum Jahr 2005 abgeschlossen sein. Dann steht das Landesverwaltungsamt als Dienstleistungszentrum des Landes, in dem alle bündelungsrelevanten Aufgaben der staatlichen Verwaltung zusammengefaßt sind. Die drei Regierungspräsidien sind als eigene Behörden verschwunden, und neben dem Landesverwaltungsamt gibt es nur noch solche Landesämter, deren Aufgaben sich nicht sinnvoll in ein solches Landesverwaltungsamt eingliedern lassen.

Der grundsätzliche Beschluß dazu ist übrigens - mancher wird sich erinnern - bereits im Februar 1997 gefaßt worden. Das ist ein Zeichen dafür, daß wir schon längere Zeit auf dieses Ziel hinarbeiten.

Im Zusammenhang mit der Erarbeitung des Leitbildes für die Kommunalgebietsreform ist der Zeitraum für die Rekonstruktionsarbeiten noch einmal um zwei Jahre vorgezogen worden, nämlich auf das Jahr 2005. Dieses Vorziehen erfordert natürlich größere Anstrengungen, aber es bringt auch schneller Klarheit für die Bediensteten, und ich denke, daß das gut so ist.

Bei den Entscheidungen, die wir zu treffen hatten, wie mit welchen der bisherigen Ämter zu verfahren sei, stand zunächst alles auf dem Prüfstand. Das Ergebnis sieht zum heutigen Zeitpunkt folgendermaßen aus:

Wir hatten im Jahr 1994 neben den drei Regierungspräsidien 18 Landesämter. Drei Ämter sind als eigenständige Ämter bereits aufgelöst. Es handelt sich dabei um das Landesprüfungsamt für Bautechnik,

(Herr Dr. Daehre, CDU: Das war nicht erforder- lich! Das haben wir doch 1993 schon beschlos- sen!)

das Landesamt für offene Vermögensfragen und das Landesamt für Verfassungsschutz. Ein Amt, nämlich das Prüfungsamt für Lehrämter, wird in das Kultusministerium eingegliedert. Der Beschluß dazu ist gefaßt, die Umsetzung ist im Gange.

Drei Ämter werden - das steht inzwischen fest - so erhalten bleiben, und zwar weil ihre besonderen Aufgabenstellungen dies zweifelsfrei erfordern. Es handelt sich dabei um die Oberfinanzdirektion, um das Landeskriminalamt und um das Statistische Landesamt.

Zwei Ämter werden wohl noch eine Weile immer wieder die Frage gestellt bekommen, ob sie denn nicht zusammengehen könnten, das Landesamt für Denkmalpflege und das Landesamt für Archäologie. Wir alle in diesem Hause kennen die Debatte. Ich will diese Frage jetzt auch nicht entscheiden. Die beiden Ämter müssen aber sicher sein: Die Frage kommt immer einmal wieder.

Ein Amt sollte derzeit so bleiben, und ich sage bewußt derzeit, weil wir es wegen des großen Nachholebedarfs auf diesem Gebiet derzeit nicht verändern wollen. Das ist das Landesamt für Straßenbau. Bei ihm wird aber zu einem späteren Zeitpunkt noch zu klären sein, ob und wie man es dem Landesverwaltungsamt zuordnen könnte. Darüber wird zu einem späteren Zeitpunkt zu reden sein.

Nach dieser Rechnung verbleiben acht Ämter. Bei ihnen ergibt sich folgender Stand: Dem Landesamt für Versorgung und Soziales steht eine umfangreiche Untersuchung mit Blick auf Aufgabenkritik und Aufgabenverlagerung ins Haus. Der Bericht wird in der zweiten Jahreshälfte vorliegen, es wird eifrig daran gearbeitet. Aber es ist jetzt schon absehbar, daß auf dieses Amt als ein eigenständiges Amt nicht verzichtet werden kann.

Bei den anderen Ämtern ist klar, daß sie so nicht weiter bestehen werden, daß Zusammenlegungen oder auch ihre Integration in das Landesverwaltungsamt bevorstehen. Das gilt beispielsweise für das Geologische Landesamt, bei dem der Zusammenhang mit den Berg- ämtern und dem LAU bedacht werden muß.

In der Gewerbeaufsichtsverwaltung soll das Landesamt für Arbeitsschutz aufgelöst und statt dessen ein staatliches Amt für Arbeitsschutz in Dessau gebildet werden, in das die sechs bestehenden Gewerbeaufsichtsämter - freilich dann mit Außenstellen, weil gewisse Vor-Ort-Aufgaben wahrgenommen werden müssen - integriert werden.

Das Landeseichamt wollen wir weitgehend privatisieren. Das hängt allerdings vom Erfolg einer Bundesratsinitiative zur Änderung des Eichgesetzes und der Eichordnung ab. Eine Initiative, die dazu schon einmal im Bundesrat gestartet wurde, ist leider gescheitert, aber wir werden uns davon nicht entmutigen lassen. Sofern das nicht oder noch nicht gelingt, werden wir das Landeseichamt in einen Landesbetrieb nach § 26 der Landeshaushaltsordnung umwandeln und es damit gewissermaßen zu einer eigenständigen Einheit machen, die dann auch nach den Prinzipien einer wirtschaftlichen Rechnungsführung vernünftig geführt werden kann.

Als weiterer Modernisierungsschritt im nachgeordneten Bereich des Landwirtschaftsministeriums wird zur Zeit untersucht, wie die Forstliche Landesanstalt und das Pflanzenschutzamt als eigenständige Einrichtungen aufgelöst und die danach noch verbleibenden, unverzichtbaren Aufgaben in geeignete Behördenstrukturen ein- gegliedert werden können.