Auch die Zeitvorgaben und Inhalte für die Reform der Landesverwaltung sind eindeutig. Schon bis zum Jahr 2005 - statt, wie ursprünglich geplant, bis zum Jahr 2007 - sollen die drei Regierungspräsidien in einem Landesverwaltungsamt zusammengeführt werden. Die Zahl der derzeit 15 Landesoberbehörden soll bis zum Jahr 2005 um die Hälfte und die der Behörden der Ortsinstanz im gleichen Zeitraum um ein Drittel verringert werden. Die Anzahl der Ministerien soll um zwei Ressorts reduziert werden.
Meine Damen und Herren! Auch ihr Reformziel hat die Landesregierung eindeutig kundgetan. Ziel der Reform ist es, sicherzustellen, daß die von der Verwaltung des Landes oder der Kommunen zu erfüllenden Aufgaben auch in einer Zeit sich rasant vollziehender Veränderungen im Bürgerinteresse und ohne Qualitätsverlust erledigt werden können. Deshalb ist die Gebietsreform auf kommunaler Ebene unabdingbar.
Wenn das kommunale Leitbild unter anderem vorschlägt, daß die Mindestgröße für Kreise 150 000 Einwohner, die Mindestgröße für Einheitsgemeinden 7 000 Einwohner und die Mindestgröße für Verwaltungsgemeinschaften 10 000 Einwohner betragen soll, so ist es das Ziel, in erster Linie die Dienstleistungen der Verwaltung zu verbessern.
Die Bürgerinnen und Bürger haben einen Anspruch darauf, daß die Verwaltung in der Lage ist, ihren Bedürfnissen kostengünstig und mit hoher Qualität Rechnung
zu tragen. Denken wir nur an die hohen Anforderungen, die gerade in formaler Hinsicht an die Rechtmäßigkeit von Verwaltungshandeln gestellt werden. Niemand im Land darf sich der Einsicht verschließen, daß sehr kleine Gemeinden und sehr kleine Kreise oftmals nur unter sehr schwierigen Bedingungen oder manchmal gar nicht in der Lage sind, all das zu leisten.
Niemand im Land braucht hierbei Angst zu haben, es würde die lokale Identität verlorengehen. Ortsschild, Ortsbürgermeister, Ortschaftsrat und Vereine, all das bleibt einer kleinen Gemeinde. Hierzu zähle ich die 68 % der Gemeinden in unserem Land, die weniger als 1 000 Einwohner haben.
Meine Damen und Herren! Ich möchte nicht unerwähnt lassen, daß wir bei allen Landkartenzeichnungsversuchen die Strukturen der Zusammenarbeit, die im Rahmen der regionalisierten Strukturpolitik erreicht worden sind, zumindest nicht unbeachtet lassen wollen und sollten. Ich sage das deshalb ganz vorsichtig, weil es in allen Fraktionen ein Streitpunkt ist.
Wenn die CDU in ihrem Eckpunktepapier vom Dezember 1999 fordert, der Strukturreform müsse eine Aufgabenkritik vorangehen - einige Vertreter der PDS haben sich in ähnlichem Sinne geäußert -, so ist dies grundsätzlich richtig.
Da uns der Handlungsdruck aber zwingt, auf allen Ebenen gleichzeitig zu handeln, ist die Durchführung der Strukturreform bei gleichzeitiger Vornahme einer Aufgabenkritik für uns der richtige Weg. Dies gilt um so mehr, als die Aufgabenverlagerung das Vorhandensein leistungsfähiger Strukturen auf der kommunalen Ebene voraussetzt.
Soweit die CDU gebetsmühlenartig kritisiert, die SPDgeführten Landesregierungen hätten in der Landesverwaltung aufgeblähte Strukturen geschaffen, so ist und bleibt diese Kritik falsch. Die entscheidenden - aus heutiger Sicht fehlerhaften - Weichenstellungen sind beim Aufbau der Verwaltung in Ihrer Regierungszeit gemacht worden.
Sie haben die drei Regierungspräsidien für ein so kleines Land wie Sachsen-Anhalt festgeschrieben. Ich weiß, daß das damals durchaus - vielleicht nicht in Ihrer damaligen Fraktion, aber in der CDU insgesamt und bei Ihren Vertretern in den Landkreistagen und in den Geschäftsführungen der Landkreistage - sehr umstritten war.
Meine Damen und Herren! Nach Auffassung der SPDFraktion kommt auch dem Landtag bei der Aufgabe der Verwaltungsreform eine entscheidende Bedeutung zu. Durch die Einsetzung des von der PDS-Fraktion vorgeschlagenen zeitweiligen Ausschusses erhält das Thema den herausgehobenen Stellenwert im demokratischen Entscheidungsprozeß, der ihm gebührt.
Die Festlegung der grundlegenden Ziele und Aufgaben, der Grundstruktur, der Ausstattung der Exekutive mit Personal und Sachmitteln sowie eine kommunale Gebietsreform sind grundsätzlich Sache des Parlaments. Wie schon bei der Gebietsreform 1994 - Herr Becker, wenn ich mich richtig erinnere, haben Sie in einer Zeitung im letzten Quartal ganz leise zugegeben, daß die
se vielleicht ein bißchen zu kurz gesprungen gewesen sein könnte - kommt dem Landtag hierbei eine Schlüsselposition zu.
Es wäre der Rolle des Parlaments nicht angemessen, würde die Regierung versuchen, das Ergebnis des mit dem Leitbild eingeleiteten Diskussionsprozesses durch eine bereits zum jetzigen Zeitpunkt detaillierte Vorlage vorwegzunehmen. Dabei verkennt die SPDFraktion nicht, daß das Prinzip der Gewaltenteilung auch verlangt, daß sich der Landtag gegenüber der Regierung auf die Vorgabe und Kontrolle wesentlicher und genereller Zielsetzungen beschränkt. Detailfragen der Verwaltungsorganisation und die Beratung von Kommunen fallen in den Kompetenzbereich der Landesregierung.
Das arbeitsteilige Miteinander von Landtag und Landesregierung beinhaltet aus der Sicht der SPD-Fraktion die Chance, daß die mit den Leitbildern angestoßene Reform nicht wieder an Schwung verliert, sondern weiterhin mit Nachdruck betrieben wird. Es geht darum, das zunächst abstrakte Leitbild zwischen Regierung und Parlament nach und nach zu konkretisieren. Das brennende Interesse der anderen Fraktionen, den Ausschuß mit genügend Schwung zu versorgen, zeigen nicht nur die diversen Änderungsanträge, sondern das ist auch weithin öffentlich nachlesbar. Die heutige Debatte und die Arbeit des zeitweiligen Ausschusses werden dazu führen, das Anliegen der Verwaltungs- und Gebietsreform noch stärker in das Bewußtsein der Bevölkerung zu bringen.
Mir ist durchaus bewußt, daß das eine schwierige Situation für Parlamentarier ist. Und nur so, meine Damen und Herren von der CDU, will ich ihre vornehme Zurückhaltung verstehen. Ich kann gut verstehen, daß Sie lieber mit einem Jein antworten, wenn die Frage steht, ob Sie jetzt mitmachen wollen oder nicht; denn Sie könnten für etwas haftbar gemacht werden, was in einem Bericht über das Leitbild steht.
Ich rechne fest damit, daß die Landesregierung in Auswertung der im Parlament und in der Öffentlichkeit geführten Diskussionen zu Beginn der neuen Legislaturperiode Entwürfe für ein Landesorganisationskonzept und für die kommunale Gebietsreform erarbeiten wird. Das Parlament kann dann wiederum beraten und im Rahmen seiner Zuständigkeit abschließend entscheiden.
Es geht hierbei also um ein Gegenstromverfahren, bei dem der Ball mehrmals zwischen Parlament und Regierung hin- und hergespielt wird. Ich weiß, daß dieses Verfahren aufwendig ist; aber wir haben genügend Zeit, und wir sollten sie uns auch nehmen.
Handlungsbedarf für den Landtag besteht in dieser Legislaturperiode nur insoweit, wie es ein Vorschaltgesetz für die Gebietsreform betrifft. Damit die Reform im Jahr 2004 komplikationslos in Kraft treten kann, ist es sinnvoll, schon in dieser Legislaturperiode zu regeln, daß die Amtszeit der in die alten Strukturen gewählten Bürgermeister und Landräte endet, wenn die Gemeinderäte und Kreistage in die neuen Strukturen hinein gewählt werden. Das können Sie in unserem Änderungsantrag lesen. Sie konnten natürlich auch lesen, daß es durchaus andere Varianten gibt.
Die einzige Voraussetzung dafür ist die baldige Zustimmung zum Vorschaltgesetz. Die Fraktionen sollen sich darüber in dem zeitweiligen Ausschuß als erstes grundsätzlich einigen.
Frau Abgeordnete, ich bitte Sie, etwas lauter zu sprechen. Ihre Ausführungen kommen in den hinteren Reihen nicht an.
Ich versuche es. - Meine Damen und Herren! Im Grunde lohnt es sich gar nicht mehr, lauter zu sprechen, weil ich nämlich schon zum Ende meiner Rede gekommen bin.
Ich bitte Sie, dem Antrag der PDS-Fraktion auf Einsetzung eines zeitweiligen Ausschusses, dem auch wir zustimmen werden, Ihre Zustimmung zu geben und die Änderungsanträge der Fraktionen der SPD und der CDU zu dem zweiten Antrag gemeinsam mit dem PDS-Antrag in den zeitweiligen Ausschuß zu überweisen.
Den ersten Änderungsantrag der CDU, der die Überweisung in den Innenausschuß betrifft, lehnen wir ab. Wir bitten Sie, die anderen drei Anträge in den zeitweiligen Ausschuß zu überweisen, damit wir dieses Thema im zeitweiligen Ausschuß als ersten Punkt auf der Tagesordnung haben werden.
Meine Damen und Herren! Wer die Zukunftsfähigkeit des Landes Sachsen-Anhalt zum Nutzen seiner Einwohner sichern und gestalten will, der wird die Verwaltungs- und Gebietsreform unterstützen. Soweit wie irgend möglich sollte diese schwere Aufgabe von den politischen Parteien im Parlament im Konsens erledigt werden.
Ich will einen Satz zum Schluß sagen, den schon meine Kollegen nicht verstanden haben. Aber vielleicht verstehen Sie ihn, Herr Becker.
Die Reform ist gelungen, wenn wir am Ende behaupten können: Der Wurm hat dem Fisch und nicht dem Angler geschmeckt. Sie können sich jetzt überlegen, ob Sie Fisch oder Angler sind und ob Sie mitangeln wollen. Ich bitte um Zustimmung zu dem Verfahren, wie wir es vorgeschlagen haben. - Vielen Dank.
Frau Abgeordnete, der Abgeordnete Herr Becker hat eine Frage. Sind Sie bereit, diese zu beantworten?
Ich bin nicht bereit, sie jetzt zu beantworten. Herr Bekker, Sie brauchen gar nicht aufzustehen. Ich würde gern erst Ihre zusammenhängenden Erläuterungen hören. Vielleicht erübrigt sich Ihre Frage, wenn unser gemeinsamer Innenminister gesprochen hat.
Für die Landesregierung erteile ich nunmehr dem Innenminister Herrn Dr. Püchel das Wort. Bitte, Herr Dr. Püchel.
(Unruhe bei der CDU - Herr Dr. Daehre, CDU: Herr Hoffmann, sind Sie nicht mehr der Chef vom Innern? - Herr Webel, CDU: Sind Sie entmachtet worden, oder was?)
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Daehre, dann frage ich Sie: Wie sieht es bei Ihnen aus, wenn bei Ihnen nicht der innenpolitische Sprecher, sondern der universalpolitische Sprecher sprechen wird?
(Heiterkeit und Zustimmung bei der SPD - Herr Dr. Bergner, CDU: Ich bedanke mich für das Kompliment!)
„Sachsen-Anhalts Politikern möchte man am liebsten eine Wurzelbürste und ein großes Stück Seife in die Hand drücken; denn das Land braucht eine Tiefenreinigung, und zwar an Kopf und Füßen.“
„Was sich da in den letzten Jahren an Behörden und Ämtern unten angesammelt hat, ist belastend. Niedersächsische Beamte empfahlen 1990 Regierungspräsidien, saarländische Beamte empfahlen Landesämter - Sachsen-Anhalt nahm beides. Das Resultat: Das arme Ostland beschäftigt mehr Beamte pro Einwohner als reiche Westländer.“
So kommentiert Jens Schmidt in der „Volksstimme“ die Vorstellung des Leitbildes zur Verwaltungsreform. Er schreibt weiter:
„Der Trend zur größeren Gemeinde hat sich in Deutschland fast überall durchgesetzt. Die Länder haben erkannt: Damit lassen sich nicht nur Kosten sparen, damit bekommen die Bürger auch besseren Service. Die Kommunen brauchen gute Fachleute, anderenfalls produziert Verwaltung viel Ärger, siehe Straßenausbau oder Abwasser.