Protocol of the Session on January 20, 2000

Insofern wäre es nur zu begrüßen, wenn überfällige Entscheidungen auf diesem Gebiet nun endlich angegangen würden.

Meine Damen und Herren! Wir müssen uns aber auch nüchtern fragen, wo diese überfälligen Entscheidungen zu treffen sind. Die Antwort ist sehr eindeutig: Sie sind zuerst und vor allem im Bereich der unmittelbaren Landesverwaltung zu treffen.

(Beifall bei der CDU)

Wer Personalkosten- und Effizienzvergleiche zwischen den Bundesländern, insbesondere den neuen Bundesländern, anstellt, der wird auf der Basis der aktuellen Daten feststellen, daß das Land Sachsen-Anhalt im Bereich der Landesverwaltung den höchsten Personalaufwand aller Bundesländer hat.

(Zustimmung bei der CDU)

Im Bereich der Kommunalverwaltung können wir erfreulicherweise feststellen, daß in den letzten Jahren eine erhebliche Personalrückführung stattgefunden hat. Diese ist in der Landesverwaltung ohne Parallele geblieben.

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister, wenn Sie von einer Reform aus einem Guß sprechen, dann spricht allein der Umfang der Leitbilder gegen dieses Vorhaben: zwölf Seiten gegen 178 Seiten.

(Minister Herr Dr. Püchel: Nein, nein!)

Man bekommt einen ganz anderen Eindruck, wenn man beides und das Maß an Verbindlichkeit der Aussagen zur staatlichen und zur kommunalen Ebene miteinander vergleicht. Man bekommt folgenden Eindruck, den Sie gern widerlegen dürfen: Im eigenen Kabinett, im Bereich der Landesverwaltung hat er sich nicht durchgesetzt; nun will er sich bei den Kommunen austoben. Das wäre ein fataler Eindruck, wenn wir so auseinandergehen müßten.

(Beifall bei der CDU - Minister Herr Dr. Püchel: Ich will mich nirgendwo austoben!)

Meine Damen und Herren! Die jüngsten Gutachten des Landesrechnungshofes und des Bundes der Steuerzahler belegen den dringenden Handlungsbedarf im Bereich der Landesverwaltung, zugegebenermaßen auch auf kommunaler Ebene, wenngleich die Zahlen leider nicht aktuell sind.

Im Gutachten des Landesrechnungshofes wird auf Seite 26 insbesondere darauf hingewiesen, daß die Verwaltung Sachsen-Anhalts auf Landesebene durch eine vergleichsweise hohe Zahl von Ministerien, eine Vielzahl von Sonderbehörden und verschiedene Kleinstsonderbehörden gekennzeichnet sei und daß Vollzugsaufgaben weiterhin auf ministerialer Ebene wahrgenommen würden.

Auch der Bund der Steuerzahler schreibt eindeutig - ich zitiere mit Ihrer Genehmigung, Herr Präsident -: „Der Ausgangspunkt für eine nachhaltige Staats- und Verwaltungsreform ist eine leistungsfähige Landesregierung.“ Gemeint ist damit wohl die Landesverwaltung, aber der zitierte Satz macht auch so Sinn.

Die obere Landesbehörde sei, so der Bund der Steuerzahler, im Prinzip entbehrlich. Der Vollzug sei, wo und wann immer möglich, zu kommunalisieren.

Beide Gutachten sagen also aus, daß wir, wohlgemerkt ohne den Blick auf die Kommunen auszuschließen, die Landesverwaltung sowie die zukünftige Aufgabenverantwortung zwingend neu organisieren müssen.

Für uns resultiert daraus die Schlußfolgerung, daß wir eine Neuorganisation der Landesverwaltung und eine Festlegung der künftigen Aufgabenverantwortung nach einer umfassenden Verwaltungs- und Funktionalreform brauchen. Dies muß feststehen, bevor über die Änderung der kommunalen Strukturen sinnvoll diskutiert werden kann.

(Zustimmung bei der CDU)

Wenn jedoch der Ministerpräsident, ohne von der Landesverwaltung zu reden, die Kommunalreform zur wesentlichen Zukunftsaufgabe erklärt und die SPDFraktion in dieser Debatte kurzfristige Gesetzgebungsinitiativen im Hinblick auf die Kommunalreform, nicht aber im Hinblick auf die Landesverwaltung fordert, so scheint man nach dem Motto zu verfahren: Macht ihr da draußen in den Kommunen mal, aber wir in der Landesverwaltung werden nichts ändern. - Dies sollten wir als Parlamentarier nicht zulassen.

(Zustimmung bei der CDU)

Es darf - das ist unsere Verantwortung als Parlament nicht dazu kommen, daß in den Kommunen ein heftiger Streit über Kreisgrenzen, Gemeindegrößen und Gebietsstrukturen entsteht, aber auf der Ebene der Landesverwaltung sich überhaupt nichts ändert. Nein, umgekehrt wird ein Schuh daraus. Die Reform der Landesverwaltung muß endlich, und zwar zielstrebig angefaßt werden, bevor wir sinnvoll über Veränderungen im Bereich der Kommunen befinden können.

(Zustimmung bei der CDU)

Wie die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der CDU-Fraktion zur Verwaltungsreform so zeigt auch das jetzt vorgelegte Leitbild, daß die Landesregierung in den vergangenen sechs Jahren nicht fähig und willens war, Fehler beim Aufbau und Defizite in den Strukturen auf diesem Gebiet auch nur ansatzweise zu korrigieren.

Als Erfolg wird zum Beispiel verkauft, daß eine Anregung der Enquete-Kommission in die gemeinsame Geschäftsordnung der Ministerien aufgenommen wurde, daß das ohnehin befristet arbeitende Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen in das Regierungspräsidium Halle eingegliedert wurde und daß der Verfassungsschutz jetzt - wir alle kennen die Geschichte - als Abteilung des Innenministeriums organisiert wird. Wenn das die Bilanz der letzten sechs Jahre ist, dann ist das eine klägliche Bilanz, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Die Landesregierung verspricht in dem Leitbild erneut, die Zahl der oberen Landesbehörden bis zum Jahr 2005 um die Hälfte zu verringern, ohne jedoch eine einzige dieser Behörden konkret zu nennen.

(Herr Becker, CDU: Typisch!)

Herr Minister, warum sagen Sie in diesem Papier nicht endlich, welche Landesbehörde wann abgeschafft werden soll, und sprechen nur nebulös von einer Halbierung der Zahl der Landesbehörden?

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Gallert, PDS, und von Herrn Dr. Süß, PDS)

In der Sache, Herr Minister, würden wir Ihnen an dieser Stelle sogar grundsätzlich zustimmen. Aber wenn Sie das bis zum Jahr 2005 wirklich realisieren wollen, dann müssen Sie jetzt aktiv werden und dürfen nicht die Hände bis nach der nächsten Landtagswahl in die Tasche stecken. Das ist der entscheidende Punkt.

(Beifall bei der CDU)

In der Einsetzung eines zeitweiligen Landtagsausschusses sieht die CDU-Fraktion eine große Gefahr, da dieser sehr schnell zu einer Alibiveranstaltung werden kann. Nachdem bereits jahrelang über das Thema geredet worden ist, wäre es doch jetzt eigentlich an der Zeit zu handeln. Deshalb sind wir dafür, daß die Zuständigkeit beim Innenausschuß verbleibt und daß wir die Angelegenheit im Innenausschuß sachgerecht behandeln.

(Beifall bei der CDU)

Ich greife ein weiteres Beispiel zum Thema Landesverwaltung heraus. Sie sagen, Sie wollten zwei Ministerien abschaffen. Herr Minister, welche meinen Sie denn, und wann soll das geschehen?

(Herr Becker, CDU: Die Staatskanzlei!)

Sollte Ihre Entscheidung womöglich vom Ausgang der Oberbürgermeisterwahl in Halle abhängen, meine Damen und Herren, dann wäre dies eine merkwürdige Reformpolitik; dann würde das beuten, daß wir uns vom Zufall regieren lassen, und das ist keine Verwaltungsreform.

(Zustimmung bei der CDU, von Herrn Büchner, DVU, und von Herrn Wolf, DVU)

Im Gegensatz zur Landesregierung hat die CDU-Fraktion bereits 1996 ganz konkrete Vorschläge zu 28 Landesbehörden gemacht, die im wesentlichen auf den Anregungen der Enquete-Kommission beruhen. Großer Reformbedarf besteht zum Beispiel in der Umweltverwaltung. Diese Vorschläge haben nach wie vor Gültigkeit, und wir sind gern bereit, mit Ihnen über sie zu sprechen.

Ihre Vorstellungen zu den Regierungspräsidien sind aus unserer Sicht Augenwischerei. Was ändert sich

eigentlich, wenn, gleichgültig ob im Jahr 2005 oder im Jahr 2007, aus drei Regierungspräsidien ein Landesverwaltungsamt mit drei Außenstellen wird? Die CDUFraktion hat sich 1996 klar zum Erhalt der Regierungspräsidien bekannt, weil sich deren Bündelungsfunktion bewährt hat. Anders als damals dürfte jedoch heute die Frage nach deren Zahl beantwortet werden.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Wie denn?)

Aufgrund der demographischen Entwicklung kann die Zahl der Regierungspräsidien nicht zum Dogma erklärt werden. Mit einer gewissen Genugtuung habe ich vor wenigen Tagen zur Kenntnis genommen, daß selbst die einschlägige Dessauer Bürgerinitiative inzwischen für zwei Regierungspräsidien plädiert.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Für welche wollen Sie denn plädieren?)

- Herr Minister, wenn Sie uns sagen, welche Landesämter abgeschafft werden sollen, dann präzisieren wir unsere Angaben zu den Regierungspräsidien. Ist das ein faires Angebot?

(Zuruf von Herrn Dr. Püchel, SPD)

- Herr Minister, nachdem Sie sich ins Plenum gesetzt haben, will ich Ihnen auch bescheinigen, daß das nicht nur Ihre Sache sein kann; denn die Verwaltungsreform der Landesregierung ist Chef- und nicht Ressortsache.

Wir fordern also von Ihnen, Herr Ministerpräsident, klare und verbindliche Vorlagen zu einer Reform der Landesverwaltung. Deshalb haben wir einen Änderungs-antrag zu dem entsprechenden PDS-Antrag gestellt.

Gesetzgebungsbedarf besteht eben nicht bei der Vorschaltgesetzgebung zur Kommunalreform, Gesetzgebungsbedarf besteht bei der Verwaltungsreform, und das schon lange.

Ich darf darauf aufmerksam machen, daß in Artikel 86 Abs. 2 unserer Landesverfassung - seit 1992, Herr Minister - festgelegt ist, daß der allgemeine Aufbau der öffentlichen Verwaltung und ihre räumliche Gliederung durch Gesetz geregelt werden. Sie arbeiten noch immer auf der Basis der vorläufigen Beschlußfassung über die Arbeit der Landesregierung, die die Unterschrift des damaligen Ministerpräsidenten Gies trägt. Das, meine Damen und Herren, ist der Reformeifer, mit dem Sie an die Sache herangegangen sind.

(Beifall bei der CDU)

Herr Dr. Bergner, Herr Gallert hätte eine Frage.