Protocol of the Session on January 20, 2000

Der von der PDS eingebrachte Gesetzentwurf findet von seiner Intention her unsere Unterstützung. Über die rechtliche Ausgestaltung im einzelnen wird im Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales diskutiert werden. Die Forderung nach Integration und Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen, das heißt der grundgesetzliche Gleichstellungsauftrag soll konkretisiert und festgeschrieben werden. Wie und in welcher Form dieser Forderung Rechnung getragen werden kann, wird aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten sein.

Da behinderte Menschen ganz selbstverständlich und als gleichberechtigte Teilhaber in unserer gesamten Gesellschaft ankommen sollen, sind auch bei der ge

setzlichen Gestaltung der Rechtsgrundlagen alle Politikbereiche angesprochen.

Wir halten es daher für sinnvoll, ein Gesetz für die Chancengleichheit und gegen Diskriminierung behinderter Menschen in Sachsen-Anhalt im Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales und in den Ausschüssen für Gleichstellung, Kinder, Jugend und Sport, für Recht und Verfassung, für Finanzen, für Bildung und Wissenschaft, für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr sowie im Innenausschuß zu beraten. - Ich danke Ihnen.

(Zustimmung bei der SPD, bei der PDS und von Ministerin Frau Dr. Kuppe)

Für die PDS-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Herr Hoffmann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie vom Kollegen Dr. Eckert schon dargelegt, handelt es sich bei der Behindertenpolitik um Querschnittspolitik, die alle Bereiche des Lebens durchzieht. Sie darf auf keinen Fall, wie es meistens getan wird, nur auf die Sozialpolitik reduziert werden. Die Teilhabe und Zugänglichkeit in allen Bereichen muß gesichert werden. Uneingeschränkte demokratische Mitwirkungsrechte für Menschen mit Behinderungen dürfen nicht nur proklamiert, sondern müssen gesetzlich gesichert werden.

Besonders auf kommunaler Ebene werden behinderte Menschen oft nicht als gleichberechtigte Bürgerinnen und Bürger, sondern als Kostenfaktor oder als Objekt der Fürsorge betrachtet.

(Zustimmung von Frau Krause, PDS)

Die Realität sieht doch so aus, daß in vielen Kommunen und Gemeinden selbst ein ehrenamtlicher Behindertenbeauftragter als überflüssig erachtet wird. Bei öffentlichen Bauvorhaben werden die Betroffenenverbände nicht einbezogen, und trotz bestehender Gesetze wird doch immer wieder mit Barrieren gebaut.

Gucken wir doch bei uns selbst, bei den Parteien und bei den Abgeordneten. Wo ist es gerade auf kommunaler Ebene behinderten Bürgern möglich, in den Parteien mitzuarbeiten, sich einzubringen?

(Zustimmung bei der PDS)

Wie viele Wahlkreisbüros der 116 Mitglieder dieses Hauses sind so gestaltet, daß jeder Bürger sein Recht wahrnehmen kann, seinen Abgeordneten aufzusuchen?

Und so gibt es noch viele andere Beispiele. Daraus muß geschlußfolgert werden, daß bei einer Gebiets- und Verwaltungsreform auch die Belange behinderter Menschen von Anfang an Berücksichtigung finden müssen.

Einige Worte zum Bildungswesen. Minister Harms hat Ende November auf einer Fachtagung in Magdeburg eine mangelnde Integration von behinderten Kindern in den allgemeinbildenden Schulen beklagt. Er stellte fest, daß Sachsen-Anhalt bei der schulischen Integration behinderter Kinder bundesweit den letzten Platz einnimmt.

Daran wird die Notwendigkeit eines Gleichstellungsgesetzes deutlich. Herr Minister Harms, wir freuen uns auf Ihre Unterstützung bei der Beratung und Um

setzung unserer Vorschläge, insbesondere im Bildungsausschuß.

Bei anderen Problemen, zum Beispiel bei Arbeitsmarktproblemen, wird oft auf unsere europäischen Nachbarn oder auf die USA verwiesen. Nehmen wir bei der Integration von Menschen mit Behinderungen die Niederlande, Schweden oder die USA als positives Beispiel. Denn in diesen Ländern gibt es bereits weitreichendere gesetzliche Regelungen zur Integration von Menschen mit Behinderungen, die auch zu Veränderungen in den Köpfen und in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit führen.

Bitte folgen Sie unserem Antrag, den Gesetzentwurf in die Ausschüsse zu überweisen, um ihn dort gemeinsam mit dem noch ausstehenden Gesetzentwurf der Landesregierung zu beraten, damit wir letztlich ein Gesetz beschließen können, das bundesweit Signale setzt, das der Bundesgesetzgebung einen positiven Schub versetzt und das auch von der großen Mehrheit des Parlamentes getragen wird. - Danke.

(Zustimmung bei der PDS)

Würden Sie noch eine Frage von Herrn Kollegen Daehre beantworten? - Bitte schön.

Herr Kollege Hoffmann, wir stimmen darin überein, daß das Thema barrierefreies Bauen ein wesentlicher Punkt ist. Nun liegt der Gesetzentwurf der CDU-Fraktion schon mehrere Wochen im Ausschuß. Stimmen Sie mit mir darin überein, daß es nun endlich einmal Zeit wird, daß die Landesregierung die Novellierung der Bauordnung vornimmt, damit wir in diesem Plenum zu diesem Thema wirklich ernsthaft diskutieren können?

Damit rennen Sie bei mir offene Türen ein. Das habe ich auch schon mehrmals angemahnt. Der Minister hat uns ja zugesagt, daß die Novellierung demnächst ins Haus steht. Ich hoffe, daß wir das in nächster Zeit im Ausschuß beraten können; denn auch von mir liegt noch ein Antrag im Ausschuß, der im Zusammenhang mit der Novellierung der Bauordnung behandelt werden sollte.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung bei der SPD - Herr Dr. Daehre, CDU: Vielen Dank!)

Meine Damen und Herren! Wir sind damit am Ende der Debatte und kommen zum Abstimmungsverfahren. Ihren Debattenbeiträgen habe ich entnommen, daß ich es mir ersparen kann, über eine Überweisung generell stimmen zu lassen. Die Stimmen dafür würden auf jeden Fall zusammenkommen.

Es geht jetzt um die Abstimmung über die Ausschüsse, in die der Gesetzentwurf überwiesen werden soll. Ich bitte mir zu signalisieren, ob Sie mit dem Verfahren, daß ich vorschlagen werde, einverstanden sind. Die PDS schlägt vor, daß sich mit Ausnahme des Petitionsausschusses alle Ausschüsse mit diesem Gesetzentwurf befassen. Die SPD-Fraktion will den Gesetzentwurf nicht in den Ausschuß für Wirtschaft, Technologie und Europaangelegenheiten, in den Ausschuß für Ernäh

rung, Landwirtschaft und Forsten, in den Ausschuß für Raumordnung und Umwelt und in den Ausschuß für Kultur und Medien überweisen. Als für die Beratung federführender Ausschuß ist von allen Rednern der Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales genannt worden.

Ich würde also zunächst über den federführenden Ausschuß abstimmen lassen. Dies soll der Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales sein. Danach würde ich in der Reihenfolge unseres Registers über die Überweisung des Gesetzentwurfes in die Ausschüsse abstimmen lassen. Anderenfalls würde sich das sehr schwierig gestalten, es sei denn, die PDS-Fraktion gäbe zu erkennen, daß sie dem Antrag SPD-Fraktion folgen würde. Sonst müßte ich alle Ausschüsse aufrufen. - Bitte.

Ich möchte betonen, daß dieser Gesetzentwurf aus unserer Sicht in alle Ausschüsse außer in den Petitionsausschuß überwiesen werden muß, und zwar deshalb, weil Behindertenpolitik eine Querschnittsaufgabe ist. Soll denn Raumordnung wirklich nichts mit Barierefreiheit, mit barrierefreiem Leben usw. zu tun haben? Soll Wirtschaft wirklich nichts mit Arbeit und Beschäftigung zu tun haben?

(Beifall bei der PDS)

Soll die Zugänglichkeit zur Kultur den Ausschuß für Kultur und Medien nicht betreffen?

(Beifall bei der PDS - Herr Dr. Daehre, CDU: Wenn, dann schon alle!)

Das Theater von Magdeburg ist nur eingeschränkt zugänglich.

Die SPD-Fraktion würde also dem Antrag zustimmen, daß wir den Gesetzentwurf in alle Ausschüsse überweisen. Damit stimmt auch die CDU-Fraktion überein. Ich kann darüber also im Komplex abstimmen lassen. Gibt es bei der DVU-Fraktion Widerspruch? - Dann verfahren wir so.

Ich lasse jetzt über die Überweisung des Gesetzentwurfs der Fraktion der PDS in Drs. 3/2536 in alle Ausschüsse außer dem Petitionsausschuß und die Fest-legung des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales als federführenden Ausschuß abstimmen. Wer stimmt zu? Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Ich habe weder Gegenstimmen noch Enthaltungen gesehen. Damit ist Einmütigkeit bei der Überweisung vorhanden gewesen. Wir haben damit den Tagesordnungspunkt 7 bewältigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Erste Beratung

Entwurf eines Gesetzes zu dem Protokoll zur Änderung des Europäischen Übereinkommens über das grenzüberschreitende Fernsehen

Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 3/2537

Der Gesetzentwurf wird durch Herrn Ministerpräsidenten Dr. Höppner eingebracht.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung hat Ihnen einen Gesetzentwurf zu dem Protokoll zur Änderung des Europäischen Übereinkommens über das grenzüberschreitende Fernsehen vorgelegt. Ich möchte Sie kurz über Anlaß, Inhalt und Verfahren bei diesem Gesetzentwurf informieren.

Das Europäische Übereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen, das sogenannte Fernsehübereinkommen, ist von den Mitgliedsstaaten des Europarates im Jahr 1989 geschlossen worden. Der Landtag von Sachsen-Anhalt hat ihm am 7. Dezember 1993 zugestimmt. Insofern hatten wir schon einen parallelen Vorgang.

Zum Europarat. Er wurde 1949 gegründet. Sein Ziel ist der Schutz und die Stärkung von Einheit und Zusammenarbeit aller Nationen Europas. Die Übereinkommen des Europarates sind für alle Mitgliedsstaaten verbindlich. Inzwischen gehören dem Europarat 40 Staaten an. Dazu gehören die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union als ein Teil; dazu gehören die meisten Länder Mittel- und Osteuropas einschließlich Rußlands, dazu gehört aber auch die Schweiz, so daß alle direkten Nachbarländer Deutschlands Mitgliedsstaaten des Europarates sind.

Inhaltlich ist das Fernsehübereinkommen auf der Ebene des Europarates das Gegenstück zur sogenannten Fernsehrichtlinie der Europäischen Union, die ebenfalls im Jahr 1989 beschlossen wurde. Beide Rechtsinstrumente sind nahezu parallel entwickelt worden und enthalten weitgehend deckungsgleiche Regelungen. Dazu gehören insbesondere die Freiheit des Empfangs und der Weiterverbreitung von Programmen, Verantwortlichkeiten und Informationspflicht der Rundfunkveranstalter, das Recht auf Gegendarstellung sowie Bestimmungen zu Werbung und Sponsoring.

Die wesentlichen Änderungen des Übereinkommens gegenüber der Fassung von 1989 bestehen in folgendem:

Erstens. Das geänderte Fernsehübereinkommen führt ähnlich wie die Fernsehrichtlinie eine Bestimmung für den grenzüberschreitenden Schutz von Ereignissen mit herausragender gesellschaftlicher Bedeutung, wie etwa sportlichen Großereignissen, gegenüber einer exklusiven Ausstrahlung im Pay-TV ein. Sie alle kennen diese Debatte im Zusammenhang mit den Fußballübertragungsrechten.

Zweitens. Das geänderte Fernsehübereinkommen übernimmt die Trennung der Fernsehrichtlinie zwischen Werbung und Teleshopping und berücksichtigt erstmalig die sogenannten reinen Eigenwerbungs- und Teleshoppingprogramme. Auch im übrigen folgt das Übereinkommen den werberechtlichen Bestimmungen der geänderten Fernsehrichtlinie.

Drittens. Das geänderte Fernsehübereinkommen paßt sich mit seinen Regeln zur Bestimmung des Staates, der die Rechtshoheit über einen Fernsehveranstalter hat, weitgehend an die geänderte Richtlinie an.

Viertens. Schließlich wurde das geänderte Fernsehübereinkommen um eine Regelung für Fälle der rechtsmißbräuchlichen Wahl des Sitzes des Fernsehveranstalters in einem anderen Staat als dem, auf dessen Gebiet er ausschließlich oder überwiegend sein Programm ausrichtet, ergänzt.

Meine Damen und Herren! Zum Schluß noch einige Worte zum Verfahren. Die Staats- und Senatskanzleien der Länder waren in die Verhandlungen zur Überarbeitung des Fernsehübereinkommens eingebunden und haben dem ausgehandelten Änderungsprotokoll im Juni 1998 einstimmig zugestimmt. Bevor diese Zustimmung für Sachsen-Anhalt erteilt wurde, hat der Chef der Staatskanzlei den zuständigen Landtagsausschuß für Kultur und Medien über den Sachstand informiert. Der Ausschuß hat keine Einwände gegen die Zustimmung erhoben.

Die Bundesregierung hat sich - wie auch beim Inkrafttreten der bisher gültigen Fassung des Fernsehübereinkommens - für ein offizielles Zustimmungsverfahren entschieden. Dies setzt ein Ratifikationsgesetz des Bundes voraus, dem der Bundesrat zustimmen muß. Die Zustimmung des Bundesrates wiederum erfordert aufgrund der staatsvertraglichen Bedeutung des Änderungsprotokolls auch Zustimmungsgesetze der Länder. Es tut mir leid, die Angelegenheit ist, wie alle Rundfunkangelegenheiten in Deutschland, in unserem Föderalismus so kompliziert. Erst wenn der Bund und alle Länder formal zugestimmt haben, wird die Bundesregierung beim Generalsekretär des Europarates eine Urkunde zur Annahme des Änderungsprotokolls hinterlegen.