Betriebswirtschaftlich muss es für die einzelnen Betriebe funktionieren und die Branche muss volkswirtschaftlich funktionieren.
Ja. Wir haben in jedem Wirtschaftsbereich – das ist reine Volkswirtschaftslehre – immer weiter den Druck dahin gehend, dass sich größere Einheiten bilden. Das haben wir auch in der Landwirtschaft.
1970 hatten wir noch ungefähr eine Million Betriebe in Deutschland. Jetzt sind es noch 240 000 und die DZ Bank prognostiziert, dass es bis zum Jahr 2040 noch 100 000 sein werden.
Das muss man sich einmal vergegenwärtigen. Das heißt, sehr viele Betriebe sind dann nicht mehr mit am Markt. Was fällt dabei auf? Damit bin ich bei einem weiteren wichtigen Punkt: Bei der Landwirtschaftspolitik geht es nicht nur darum, dass wir Betriebe haben, die ausreichend betriebswirtschaftlich aufgestellt sind, sondern Landwirtschaft hat auch eine ganz wichtige Funktion im ländlichen Raum. Sie ist nämlich das Rückgrat des ländlichen Raums. Wenn ich dort keine Betriebe mehr in der Hand von Landwirtinnen und Landwirten habe, die vor Ort verankert sind, dann fehlen auch die Ansprechpartner für all das, was im ländlichen Raum ist. Es wird niemand – keine Kirchgemeinde, kein anderer Verein etc. – einen Ansprechpartner haben. Wir haben schon oft genug gehört, bis wohin es dort geht: Wer kommt denn und zieht das Postauto aus dem Graben heraus, das im Winter von der Straße abkommt?
Wenn wir aber eine Landwirtschaft haben, mit der zwar Einkommen generiert werden, die Eigentümer aber sonst wo sitzen, nur die Gewinne abziehen und das vor Ort nur noch durch einen Dienstleister bewirtschaften lassen, dann haben wir für den ländlichen Raum nichts gewonnen, sondern nur Verluste produziert. Eine kluge Landwirtschaftspolitik muss alles zusammennehmen: ländlichen Raum,
gute Einkommensperspektiven für die Betriebe, vernünftige Klimaschutzpolitik und Biodiversität. Das ist in der Vergangenheit nicht gelungen.
Wir sind jetzt einen großen Schritt weiter. Es war die Aufgabe der Zukunftskommission Landwirtschaft, genau dafür Vorschläge zu machen. Wir müssen jetzt in die Umsetzung kommen.
Im Übrigen – da Sie immer gern darauf zurückkommen, was wir dazu in dieser Legislatur in der Agrarpolitik in Sachsen gemacht haben –: Das erste Thema, mit dem ich konfrontiert wurde, waren die Nitrat- und Düngeverordnungen. Was war das Problem? Es gab eine EU-Richtlinie – aus einem berechtigten Grund: Wir hatten nun einmal das Nitratproblem im Wasser; das kann Ihnen jeder Trinkwasserversorger sagen. Es hat mit den Preisen für die Endverbraucher zu tun. Sie müssen mit Verdünnungen und allem Möglichen draufzahlen, und das wird immer schwieriger, wenn das Wasser knapp wird.
Es gab eine EU-Richtlinie von 1992, um das Problem zu lösen. Nur hat man diese so lange nicht umgesetzt, bis die Bundesrepublik Deutschland vom EuGH zur Umsetzung verurteilt worden ist. Damit musste es ad hoc passieren und das war handwerklich nicht gut. Was haben wir in Sachsen gemacht, damit wir ordentliche Daten bekommen? Es gab die Forderung des Berufsstands nach endlich mehr Messstellen in ordentlicher Qualität, und seitdem machen wir das. Vorher hat das so nicht stattgefunden. Wir haben es aber getan.
Eine andere Forderung war – daran erinnere ich mich gern –: Wir reden jetzt über die Zukunft der neuen Agrarpolitik, der GAP. Damals haben wir noch verhandelt, wie die aktuelle Periode überhaupt einmal neue Regeln bekommt; die EU-Kommission leider auch. Der Trilog hat in der entsprechenden Zeit nicht geliefert. Das mussten wir in Deutschland vorausschauend hervorholen. Damals schon war das Thema Strukturen die wichtigste Forderung im Freistaat Sachsen. Bundesweit haben wir – historisch bedingt – schon größere Einheiten, als es in vielen anderen Bundesländern im Westen der Fall ist. Durch Kappung und Degression haben wir dafür zu sorgen, dass auch diese Förderung so funktioniert, dass Gelder – aus welchen auch immer gut begründeten inhaltlichen Zielen heraus – nicht aus Sachsen abfließen.
Jetzt können Sie einmal raten, welcher Agrarminister es war, der auf der Bundes- und der europäischen Ebene dafür gesorgt hat, dass für unsere Strukturen die Kappung und Degression nicht gekommen sind. Dazu muss ich leider sagen, gegen wen ich dabei verhandeln musste: Es war eine Bundeslandwirtschaftsministerin, die kein grünes Parteibuch hatte.
Ich musste mir von einigen Kollegen – gerade aus dem süddeutschen Raum, die ebenfalls kein grünes Parteibuch hatten – viel anhören, warum man Betriebe mit über 70 Hektar Fläche überhaupt fördern müsse; schließlich könnten Sie
Ich habe aber durchgesetzt, dass wir keine Kappung und Degression bekommen. Das war mein erster Job.
Jetzt haben wir eine neue Förderperiode und wir müssen nun deutlich sagen: Das Komplexitätsniveau aus erster und zweiter Säule ist zu hoch. Es ist weder zumutbar für den Berufsstand, noch ist es verwaltbar. Deshalb brauchen wir einen ganz harten Cut, und genau deshalb laufe ich mir seit über zwei Jahren auf jedem Parkett die Füße wund – nicht nur in der Bundesrepublik, sondern auch in der EU –, damit wir eine echte Reform mit der nächsten GAP-Förderperiode nach 2027 hinbekommen.
Dazu gibt es sehr gute Vorschläge, übrigens auch aus dem Berufsstand. Die Landschaftspflegeverbände mit ihrer Drittelparität aus Landwirtschaft, kommunaler Ebene und Naturschutz haben ein Gemeinwohlprämienmodell vorgeschlagen, das wir in Sachsen – im Übrigen auch mit dem Bauernverband – sehr positiv diskutieren. Mittlerweile sind die Diskussionen weit vorangekommen; denn es gab kaum eine Agrarministerkonferenz, bei der wir das nicht als Thema gesetzt haben. Wir haben es auch in Brüssel gesetzt und mittlerweile ist sehr viel passiert.
Zu diesem Thema sind wir – gerade mit dem Bauernverband – in engen Gesprächen; denn es ist klar, dass eine Veränderung kommen muss. Aber das treiben wir aus Sachsen heraus an, und zwar genau mit dem Ziel, dass wir ein resolutes Herunterbringen in der Komplexität beim Bürokratieabbau bekommen. Man darf nicht nur darüber reden, sondern man muss es tatsächlich einmal angehen. „Bürokratieabbau“ ruft sich immer leicht; es aber zu machen, sind extrem dicke Bretter. Davor scheuen wir uns nicht, denn es muss getan werden. Das sind die Fakten.
Deshalb kann ich Sie trösten: Sie sagen, wie unzufrieden der Berufsstand sei. Nein. Wir arbeiten mit dem Berufsstand sehr eng zusammen, und wir haben auch schon viel über die Abhängigkeiten – gerade mit den Lebensmitteleinzelketten – gesprochen. Wir haben gesagt, wir müssen sie stärken. Das ist der Grund, warum wir im Freistaat Sachsen regionale Wertschöpfungsketten systematisch wieder aufbauen – und zwar mit den Betrieben gemeinsam. Dazu gehört eine Infrastruktur für Schlachthöfe, Molkereien und für alle anderen Produkte, die wir aufbauen. Damit sind wir auf einem sehr guten Weg. Wir haben diese Strukturen. Wir haben sie nicht nur mit dem Berufsstand gemeinsam entwickelt, sondern wir gehen diesen Weg mit ihm gemeinsam. Er wird stärker als vorher dastehen. Deshalb sind wir auch relativ gut durch die letzten Krisen gekommen; denn wir hatten im Freistaat Sachsen zwei sehr gute Ertragsjahre. Das ändert nichts an den Zukunftssorgen, die die Betriebe haben – das habe ich bereits beschrieben –; denn sehr viele Fragen sind dazu nicht geklärt. Wir im Freistaat Sachsen sind dabei auf einem guten Weg.
Sie sprachen zum Eingang Ihrer Rede davon, dass die Bauern die Opposition im Sächsischen Landtag ablehnen würden. Ich selbst bin in Pirna und in Dresden am Theaterplatz vor Ort gewesen. Ich kann Ihnen sagen: Das Gegenteil ist der Fall.
Sie verkennen dabei – vielleicht hat es sich bis zu Ihnen herumgesprochen, es ist heute schon einmal zitiert worden –, dass gerade in Dresden auf dem Theaterplatz der Ministerpräsident mit den Worten konfrontiert wurde: Ziehen Sie die grüne Jacke aus! Damit, dass er diese ausziehen soll, meinten die Bauern, Handwerker, Gastronomen und die vielen anderen, die dort versammelt waren, nicht die Landesfarbe, sondern es betraf die Rücktrittsforderung an Ihre Person. Er sollte sich von Ihnen distanzieren.
Herr Günther, ich hätte mir gewünscht, dass Sie dazu mal Stellung nehmen. Was sagen Sie denn zu dieser konkreten Forderung?
(Antonia Mertsching, DIE LINKE: Was soll man darauf antworten? – Sebastian Wippel, AfD: Der möchte auf seinem Stuhl sitzen bleiben! – Zuruf von der AfD: Kann er nicht!)
(Thomas Thumm, AfD: Ich möchte eine Kurzintervention zum Redebeitrag des Ministers machen! – Sabine Friedel, SPD: Die wievielte ist das? – Weitere Zurufe – Unruhe im Saal)
Wir haben das geklärt, die AfD hat keine Möglichkeit mehr für eine Kurzintervention, weil sie alle aufgebraucht hat. Sie kennen das Prozedere: Wenn die Redezeit des Ministers überzogen ist, gibt es auf Antrag der Fraktionen noch 5 Minuten Rederecht pro Fraktion. Möchte das jemand in Anspruch nehmen?
(Jan-Oliver Zwerg, AfD: Wir reden sowieso noch, wir haben noch Zeit! – Sabine Friedel, SPD: Das war nicht die Frage! – Jan-Oliver Zwerg, AfD: Die anderen brauchen die Zeit!)
Gut. Ich würde nach der Reihenfolge gehen. Die AfD hätte ohnehin zuerst gesprochen; dann bitte, Herr Dornau. Ich frage noch die anderen Fraktionen ab.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Staatsminister Günther! Ich möchte noch einmal kurz auf Ihren Beitrag eingehen und auf das, was diese Woche passiert ist. Dass Sie als Staatsminister in Leipzig auf einer Demo offen mit der Antifa sympathisieren, das spricht Bände. Ich frage Sie ganz direkt: Wissen Sie eigentlich, was Sie da sagen?
Kennen Sie diese Organisation? Ist es Ihnen bewusst, dass die Antifa in vielen US-Bundesstaaten als Terrororganisation eingestuft ist?
Wissen Sie, dass diese Organisation für Gewalttaten verantwortlich ist? Dafür sollten Sie sich schämen! Das muss ich Ihnen so sagen. Sie sprachen die Demos, die Unterwanderung etc. an. Die Demo war am 10. Januar in Dresden.